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Apr 1, 2015 - Ich denke an die furchtbaren Zerstörungen in Syrien und im Irak und zuvor in Bosnien und heute in der Ukr

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Idea Transcript


Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

www.blfd.bayern.de

ISSN 1863-7590

Nr. 160 • März 2015

DENKMALPFLEGE INFORMATIONEN

Der chinesische Pavillon im ehem. Schloss Donaustauf Römische Brandgräber aus Kösching Restaurierung von Altarblättern von Rubens, Vermiglio und Kager 1

Vor 70 Jahren – Kultur im Bombenhagel Teil 4: Würzburg am 16. März 1945 (S. 8)

EDITORIAL

Impressum Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

EDITORIAL

Redaktion: Dr. Karlheinz Hemmeter (Htr) (verantwortl. Redakteur), Dr. Doris Ebner (DE) Tel. 089 2114-261/-358, Fax 089 2114-401, [email protected], [email protected] Redaktionelle Mitarbeit: Ina Hofmann M. A., Renate Schiwall M. A., Angela Schürzinger M. A. Satz/Layout: Susanne Scherff Bildbearbeitung: Susanne Scherff, David Winckelmann Titelbild: Würzburg, Residenz, Spiegelkabinett, Ausschnitt mit Darstellung eines Hasen (Foto: BLfD, Carl Lamb, 1944) S. 2: Würzburg, Partie am Vierröhrenbrunnen; unten zerstörte Altstadt mit Blick auf die Marienveste (Fotos: BLfD, Nachlass Carl Lamb, nach März 1945) Gesamtherstellung: Fa. Kastner & Callwey Medien, 85661 Forst­inning Auflage: 8500 Stück Denkmalpflege Informationen im Internet: www.blfd.bayern.de/denkmalerfassung/ publikationswesen © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Dienststellen der Denkmalpflege in Bayern Dienststelle München (Zentrale) Hofgraben 4, 80539 München Postfach 10 02 03, 80076 München Tel. (089) 2114-0 Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Alter Hof 2, 80331 München Tel. (089) 210140-0 Dienststelle Bamberg (Oberfranken/Unterfranken) Schloss Seehof, 96117 Memmelsdorf Tel. (0951) 40950 Dienststelle Nürnberg (Mittelfranken) Burg 4, 90403 Nürnberg Tel. (0911) 23585-0 Dienststelle Regensburg (Niederbayern/Oberpfalz) Adolf-Schmetzer-Straße 1, 93055 Regensburg Tel. (0941) 595748-0 Dienststelle Thierhaupten (Schwaben und Oberbayern-Nord) Klosterberg 8, 86672 Thierhaupten Tel. (08271) 81570 E-Mail-Adressen der Mitarbeiter [email protected] www.blfd.bayern.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde der Denkmalpflege! Die aktuellen „Denkmalpflege Informationen“ sind wieder eine spannende Zusammenschau aus den Tätigkeitsbereichen der Bau- und Kunst- sowie der Bodendenkmalpflege, der Restaurierungswerkstätten, unserer IT-Fachleute und des Zentrallabors – über das weit gespannte Feld der staatlichen Denkmalpflege in Bayern also. Die Kolleginnen und Kollegen referieren über Tagungen, stellen aktuelle Restaurierungsmaßnahmen vor und erläutern spannende Prospektionsmethoden, Volontäre kommen zu Wort, und das Denkmalrätsel zeigt historische Fotografien. All das symbolisiert die Bayerische Denkmalpflege, es ist eine Hinführung zur „Faszination Geschichte“. Das alles macht uns aus, gibt uns Identität und wird mit großem Engagement betrieben – und ist eigentlich schon ganz selbstverständlich geworden. Warum schreibe ich das, wenn es selbstverständlich ist? Die heutige Zeit gibt dazu Anlass, denn diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten sind eine Notwendigkeit. Die Arbeit an unserer Geschichte ist eine Ehrenaufgabe und eben deshalb keine Selbstverständlichkeit. Sie ist notwendiger Luxus – Luxus, weil sie zwar nicht zum Überleben erforderlich ist, notwendig aber, weil dieses Verständnis von Geschichte und Kultur uns von Barbarei unterscheidet. Es ist die Aufgabe aufgeklärter Staaten, die eigene Vergangenheit als Teil der eigenen kulturellen Identität zu sichern, zu stärken und als Wegbereiter für die Zukunft zu bewahren. Sie muss einen durch Gesetze gesicherten Stellenwert im gesellschaftlichen Wirken aufgeklärter Staaten haben, um deren Legitimation gegenüber der Geschichte zu bewahren. Leider erleben wir heute in der ganzen Welt furchtbare Konflikte, bei denen kulturelle Identitäten gezielt zerstört werden. Kultureller Identität kommt im gesellschaftlichen Leben eine tragende Rolle zu. Bei den „asymmetrischen Kriegen“, sei es in der Ukraine, im Nahen Osten oder auf dem afrikanischen Kontinent, geht es vorrangig nicht um territoriale Ansprüche, sondern um „kulturelle Besitznahme“. Durch Vertreibung der angestammten Bevölkerung und Vernichtung der Zeugnisse jahrtausendealter Geschichte werden systematisch die Schöpfungen von Kulturen beseitigt, die mit dem abstrusen Wertebild der Kriegstreiber nicht kompatibel sind. Diese unersetzlichen Werke sind für sie allenfalls dazu tauglich, durch Verkauf das Geld für ihre Vernichtungskriege zu beschaffen. Frustrierend ist dabei, dass es zum Teil unsere eigenen, wenig tauglichen Gesetze zum Kulturgüterschutz sind, die diesen florierenden Handel überhaupt erst ermöglichen. Hier ist dringend Abhilfe geboten! In diesen – zugegebenermaßen erweiterten – kulturellen Zusammenhang möchte ich die Arbeit der Bayerischen Denkmalpflege gestellt sehen. Gar nichts ist selbstverständlich. Unsere kulturellen Werte, unser Blick auf die eigene Vergangenheit, egal ob gebaut oder im Boden verborgen, wurden mühevoll in Jahrhunderten zivilisatorischer Höhen und Tiefen erarbeitet und führen ein zerbrechliches Dasein. Sie müssen gehegt und gepflegt werden, auch wenn sie manchmal dem einen oder anderen Schwierigkeiten bereiten. Kulturelle Werte und Geschichte sind das Spiegelbild unserer Seele; sie zu schützen ist unerlässlich, denn ohne Wertschätzung unserer Vergangenheit würden wir unsere Identität in Frage stellen – und die Barbarei wäre plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und danke für Ihr Interesse! Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil Generalkonservator 3

INHALT

INHALT

EDITORIAL

3

Mathias Pfeil

45 Das Gradierwerk von Bad Reichenhall Nina Dürr



IM BRENNPUNKT

48 München: In der Löwengrube Ina Hofmann

6 Neujahrsempfang des BLfD in der Alten Münze Mathias Pfeil 8

Vor 70 Jahren – Kultur im Bombenhagel, Teil 4 Karlheinz Hemmeter



DENK MAL AKTUELL

15 16 19

Römisches Geflecht aus Burgweinting Janet Schramm, Helmut Voß und Britt Nowak-Böck Römische Brandgräber aus Kösching Jakob Leicht Restaurierung von Altarblättern von Rubens, Vermiglio und Kager Cornelia Hagn 23 Haus Nürnberger Straße 2 in Bamberg gerettet Annette Faber



DENK MALFORSCHUNG

26 28 32

Frühmittelalterliche Brunnenhölzer aus dem Isarraum Julia Weidemüller Die Mang’sche Wachsbleiche in Bamberg Volker Rößner Café Dillighaus in Scheßlitz Christian Dümler 35 Biergärten in Bayern Karl Gattinger 38 Das Leuchtenberg-Grabmal in St. Michael in München Karlheinz Hemmeter 42 Der chinesische Pavillon von Schloss Donaustauf Michael Schmidt

Felsenkeller unter dem Nürnberger Burgberg, erstmals erwähnt 1380 (Foto: BLfD, Karl Gattinger)

4

52 26 Jahre nach dem Mauerfall Ina Hofmann 55 Relikt des Kalten Krieges: Fallkörpersperre in Windischeschenbach Mathias Conrad 57 Vom „Abpudern“, „Einschlämmen“ und „Ballieren“ des „Gypses“ Eva Maier

PASSION DENK MAL

61

Ausstellung im Gymnasium Grünwald Timm Weski

62 Das Römerbad in Königsbrunn Wolfgang Czysz, Rainer Linke und Siglinde Matysik 63 Goldbergbau bei Goldkronach Martin Straßburger 64 Ortshistoriker arbeiten mit Airborne-Laserscanning Sabine Mayer 66 Aktionstag in der Volksschule Aufhausen-Pfakofen Christoph Steinmann 68 Sanierung eines ehemaligen Brauhauses in Lonnerstadt Alexandra Beck 70 Deutscher Preis für Denkmalschutz für das Archäologische Spessart-Projekt Pressemitteilung des Kultusministeriums ÜBER DEN ZAUN

71 Archäologisch-geophysikalische Prospektion in Kurdistan Jörg Faßbinder, Ina Hofmann und Simone Mühl

„Tempelgang Mariae“ von M. Kager, Detail (Foto: Münchner Werkstätten für Restaurierung, 2014)

INHALT

IM AMT

74

86

Methoden des Zentrallabors im BLfD, Teil 4 Sven Bittner Neue Objekte in den Restaurierungswerkstätten Cornelia Hagn und Rupert Karbacher Bayerische Volontärs-Akademie Ilja Saev Dokumentation organischer Materialien an Metallen Britt Nowak-Böck und Helmut Voß Digitale Denkmalkartierungen Roland Wanninger Neues Depot: Archäologische Funde ziehen um Stephanie Gasteiger



PERSONALIA

78 80 81 82

88 Elisabeth Grill geht in den Ruhestand 88 Gerlinde Schneider verabschiedet sich 89 Michael Kling: Spezialist für Arbeitsrecht am BLfD 90 Tobias Ritthaler: Verstärkung im Fachbereich EDV 90 Andrea Hamitaga: neu im Sachgebiet Haushalt 91 Kathrin Müller: Volontärin in der Baudenkmalpflege 92 Nachruf auf Dr. Siegfried Hofmann, Ingolstadt Beatrix Schönewald 93 Nachruf auf Franz Krippner, Augsburg Günther Krahe 94 Nachruf auf Michael Geins, Passau Karlheinz Hemmeter AKTIVITÄTEN

95 97 97 99

Tagung „Archäologie in Oberbayern“ in Starnberg Claudia Rohde Mittelfränkischer Archäologentag in Treuchtlingen C. Sebastian Sommer Arbeitsgespräch Pestenacker tagt in Landsberg a. Lech Guntram Schönfeld Sonderausstellung im RieskraterMuseum Nördlingen Jörg Faßbinder

Ausstellung und Aktionstag in der Volksschule Aufhausen-Pfakofen (Foto: BLfD, Christoph Steinmann)

100 Ausstellung Fossa Carolina in der Alten Münze – ein Rückblick Stefanie Berg-Hobohm 101 Jahrestreffen der European Association of Archaeologists in Istanbul Timm Weski 102 Fortbildungskurs „Restaurator im Handwerk“ Martin Brandl 105 Tagung „Kontaminiert – Dekontaminiert“ im Rahmen der Werkstattgespräche des BLfD Daniela Bruder und Lisa Miethe 107 Jahrestreffen des Arbeitskreises für Hausforschung in Bayern 2014 in Dachau Ariane Weidlich 109 Industriedenkmalpflege-Tagung 2014 in Chemnitz Eberhard Lantz 112 Termine in Bayern 2015

FEUILLETON

113 114 120

Welcher Sohn? Geistesgeschichtliche Hintergründe Doris Ebner Josephstag und St. Joseph in der Münchner Maxvorstadt Karlheinz Hemmeter Die Unterhaider Keller und der Wein- und Bierfranken-„Krieg“ Simone Kreuzeder 121 Ausstellung „Adolf Voll – Architekt seiner Zeit“ 122 Aktenfund zum „Schlössl“ bei Thaldorf Daniel Meixner 122 Das kulinarische Denkmal Angela Schürzinger und Karlheinz Hemmeter 124 Denkmalrätsel Markus Hundemer und Marion-Isabell Hofmann 125 Im Reich der Sinne Roland Feitenhansl 126 Schätze aus dem Bildarchiv Ingeborg von Quillfeld und Markus Hundemer 129 LITER ATUR

Bamberg. Mang’sche Wachsbleiche, sog. „Himmelfahrtspavillon“ Tocklergasse 37 (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 2013)

5

IM BRENNPUNK T

IM BRENNPUNKT Neujahrsempfang des BLfD am 6. Februar 2015 in der Alten Münze Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil konnte am Freitag, den 6. Februar 2015 zum ersten Mal zum traditionellen Neujahrsempfang des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in die Säulenhalle der Alten Münze, unserem Münchner Dienstsitz, laden. 280 Gäste von nah und fern, aus Politik, Wirtschaft, verschwisterten Behörden und Universitäten waren dem Rufe gefolgt. Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle ließ es sich nicht nehmen, aufmunternde Grußworte an die Anwesenden zu richten und Ihnen für ihren Einsatz im Ringen um die Denkmäler, er sagte wörtlich, ihren Einsatz „mit Herzblut im Namen der Staatsregierung“, zu danken. In den „eisigen Winden der Auseinandersetzungen“ stünden die Denkmalpfleger ihren Mann, um den Generationen, die nach uns kämen, das zu erhalten, was wir zu treuen Händen übernommen haben. Sie bewahrten das kollektive Kulturgedächtnis der Alten Welt für die Zukunft.

Wieder bereits traditionell berichteten ein halbes Dutzend Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abteilungen in Kurzvorträgen kurzweilig über ihre Arbeit, über das Passauer Kastell Boiotro, über Spuren historischer Flößerei, Kuriositäten aus der Bauteilesammlung des Bauarchivs Thierhaupten und Einiges mehr. Und während noch die freundlichen Worte des Ministers die Herzen erwärmten, amüsante Wortbeiträge und die Enge in dem wie immer proppenvollen Raum auch die Restkörper erhitzten, waberten bald die Düfte eines ebenso traditionell bayerischkulinarischen Höhepunktes unter den Kreuzgratgewölben: Weißwürste und Augustinerbier – dank für Letzteres sei wieder einmal den Sponsoren. Generalkonservator Pfeil aber hatte seinen Mitarbeitern und den Gästen für das neue Jahr neben den aufmunternden auch ein paar mahnende Worte mit auf den Weg gegeben, von denen

Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil bei der Begrüßungsansprache (Foto: BLfD, Michael Forstner)

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einige auch die Außenwelt interessieren mögen. Htr Ansprache von Generalkonservator Dipl.-Ing. Mathias Pfeil Ich freue mich ganz besonders, Sie alle hier zum ersten Mal in meiner neuen Funktion als Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zu unserem traditionellen Neujahrsempfang begrüßen zu können. Ich hoffe, Sie erwarten nicht, dass ich Ihnen die Leistungen des Amtes im vergangenen Jahr anhand von Analysen und Diagrammen darstelle, dass ich Ihnen die Anzahl von den bei Dienstreisen zurückgelegten Kilometern, die Summe der verausgabten Fördermittel oder die Erfolge und Misserfolge des Amtes bei den verschiedenen Gerichtsverfahren berichte. Denn genau das werde ich nicht tun. Ich möchte Ihnen von dem – lassen Sie es mich so ausdrücken – „Besonderen unserer Aufgabe“ erzählen und von unseren Überlegungen, wie wir dieser Verpflichtung in Zukunft gerecht werden wollen. Denn das Landesamt für Denkmalpflege ist eine Kulturbehörde. Vielleicht könnte der Freistaat auch ohne uns überleben; aber wenn Bayern ein Kulturstaat bleiben möchte, dann sind wir unersetzlich. Das Landesamt für Denkmalpflege erfüllt einen in der Bayerischen Verfassung festgeschriebenen Kulturauftrag, und das ist kein Luxus, für ein aufgeklärtes Staatswesen sind diese Festlegungen unersetzlich. Durch gelebte staatliche Denkmalpflege bekennt sich Bayern zur eigenen Geschichte und kann künftigen Generationen eine feste Basis dafür geben, die eigene Geschichte zu kennen. Zu wissen, wo man herkommt, ist von entscheidender Bedeutung für eine sinnvolle und nachhaltige Entwicklung. Der Freistaat Bayern sichert dadurch ein kulturelles Bewusstsein, wie es heu-

IM BRENNPUNK T

Die ersten Krügerl Bier werden verteilt: neben Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle (2. v. l.) und Generalkonservator Pfeil (rechts) die drei Geschäftsführer der Augustiner-Brauerei, von links: Anton Obermaier, Dr. Martin Leibhard und Werner Mayer (Foto: BLfD, Michael Forstner)

te leider nicht mehr überall auf der Welt anzutreffen ist. Aber ohne das Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit kann kein aufgeklärtes Staatswesen existieren; dieses Bekenntnis zu den eigenen Werten zeichnet aufgeklärte Staaten aus. Natürlich ist das nicht immer einfach; es mag Reibungsverluste geben, in der Denkmalpflege geht es schließlich auch um Geld und Eingriffe in Eigentum. Dennoch, oder gerade deswegen, lohnt es sich, für diese kulturhistorischen Werte zu kämpfen. Ich sage dies zu Ihnen in einer Zeit, die weltweit von Aggressionen und Kämpfen geprägt ist, bei denen es vor allem um kulturelle, ethnische und religiöse Werte geht. Diese Werte, die eine Gesellschaft in ihrem Innersten zusammenhalten, kommen bei diesen Konflikten unter die Räder, viel mehr noch, sie sind die eigentlichen Ziele der Aggressionen. Ich denke an die furchtbaren Zerstörungen in Syrien und im Irak und zuvor in Bosnien und heute in der Ukraine; Hundertausende kommen dabei zu Tode, die Kulturschätze verschiedener Religionen werden durch Unverstand, Furcht, Raffgier, aber auch, und das ist besonders perfide, mit konkreter Absicht zerstört. Diese Aggressionen sind gezielt darauf ausgerichtet, kulturelle Identität zu zerstören. Die Belege aus der Vergangenheit werden vernichtet. Besonders deutlich wurde dies bei der Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamiyan durch die Taliban. In Zeiten wie diesen wird klar, wie wichtig es ist, zur eigenen Vergangenheit zu stehen

und sie wertzuschätzen, auch wenn dies manchmal nur gegen Wiederstände möglich ist. Ich bin dem Freistaat Bayern deshalb dankbar, dass er „es sich leistet“, seit 1908 eine eigene Kulturbehörde vorzuhalten und seine Vergangenheit, die vor allem im archäologischen und baulichen Erbe sichtbar wird, seit 1973 durch ein eigenes Denkmalschutzgesetz zu bewahren. Vielleicht werden Sie sagen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist und keiner Erwähnung bedarf ... Aber das stimmt so nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Unser Kulturverständnis, unser Einstehen für die eigenen Traditionen, unser Bekenntnis zu den in Jahrhunderten mühevoll erarbeiteten Werten, ist eine Qualität, die europa- und weltweit eben keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Dafür lohnt es sich, sich einzusetzen, und DAS ist unsere Verpflichtung. Durch die mühevoll über Jahrhunderte erlernte Fähigkeit, sich kritisch mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen, wird kulturelle Reife erst deutlich. Verkürzt lässt sich das so ausdrücken: Unsere Vergangenheit bereitet den Weg in unsere Zukunft! Aber: Ohne Zukunftsfähigkeit, ohne die Fähigkeit, sich auf verändernde gesellschaftliche Ansprüche einzustellen, geht es heute nicht. Zukunftsfähig sein bedeutet harte Arbeit. Gerade wir, die wir uns mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen, müssen in der Lage sein, uns zu erneuern, zu hinterfragen, ob

die eigenen Methoden noch die richtigen sind. Wir müssen klären, wohin unser Weg heute gehen soll. „Verharren in alten Grundsätzen“ ist weder gefragt noch akzeptabel. Wir haben die Aufgabe, die richtigen Methoden zu finden, um dem gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden. Ich darf ein paar Begriffe nennen, aus denen der veränderte gesellschaftliche Auftrag ersichtlich wird: Barrierefreiheit, demografischer Wandel und leerfallende Ortskerne. Wir haben uns letztes Jahr gemeinsam mit dem Ministerium Gedanken gemacht, welche Weichenstellungen jetzt für die Denkmalpflege notwendig sind. Und damit komme ich zu den Aufgaben, die unter dem Begriff „Denkmalpflege 2020“ zusammengefasst worden sind und die das Kabinett Ende letzten Jahres für notwendig und richtig erklärt hat. Neben der Entwicklung von Methoden zur Bewältigung der anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben geht es darum, zu vermitteln, zu erklären und zu überzeugen! Ganz entscheidend ist eine stärkere Hinwendung zu den Bürgerinnen und Bürgern, zu Denkmaleigentümern und Partnern in der Denkmalpflege. Wir müssen die Menschen in unsere Bemühungen zur Erhaltung unseres kulturellen Erbes einbeziehen und sie dafür begeistern! Und ganz wichtig: Allein geht gar nichts! Um das kulturelle Erbe Bayerns in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen zu bewahren, brauchen wir starke Partner. Nur so kann es gelingen, bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen und zu stärken. Die Qualifizierung unserer Partner ist dabei besonders wichtig, einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Hochschulen und Universitäten und mit dem Bauarchiv Thierhaupten, unserem „denkmalpflegerischen Kompetenzzentrum“, kommt besondere Bedeutung zu. Wir müssen neue Methoden und Instrumente in der denkmalpflegerischen Praxis entwickeln, um neuen Aufgaben gewachsen zu sein. Künftig wird es die Möglichkeit geben, auch archäologische Untersuchungen und Rettungsgrabungen finanziell zu unterstützen, sofern eine gewisse Verhältnismäßigkeit dies erfordert und die Maßnahme es zulässt. Dabei wird unterschieden, ob der Vorhabensträger davon ausgehen konnte, 7

IM BRENNPUNK T

dass Bodendenkmäler zu erwarten sind oder nicht. Über „Kommunale Denkmalkonzepte“ wollen wir Städten und Gemeinden ein Instrument der Denkmalplanung an die Hand geben. Auf freiwilliger Basis können sie langfristige Konzepte für den Umgang mit ihren Bau- und Bodendenkmälern entwickeln, statt isolierter Einzelentscheidung soll strategische Langzeitplanung die Richtung vorgeben. Natürlich beinhaltet „Denkmalpflege 2020“ noch viele weitere Ideen, die der Denkmalpflege den Ruf einer „obrigkeitsstaatlich organisierten, behördlichen Eingriffsverwaltung“ nehmen und den Dienstleistungscharakter unserer Arbeit in den Vordergrund stellen sollen,

denn wir sind kein „elitärer Zirkel“, sondern suchen die partnerschaftliche Zusammenarbeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Amt wird erst durch die Gesichter der Menschen die in ihm arbeiten, lebendig. Erst durch sie bekommt es Struktur, gemeinsam mit unseren Freunden geben sie dem „gesellschaftlichen Bedürfnis Denkmalpflege“ sein Gesicht. Damit meine ich alle, die Sie hier versammelt sind, stellvertretend für die hoffentlich unzähligen Freunde der Denkmalpflege außerhalb dieses Raumes. Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die das Zusammenleben erträglich oder vielleicht sogar schön mache, und nur aus einem guten „Miteinander“ kann Leistung

entstehen. Gegenseitiger Respekt und Achtung sind die Basis für Einsatzbereitschaft und Erfolg. Ich bin jetzt seit einem knappen Jahr in diesem für mich neuen Amt tätig und mich beeindruckt Ihre Bereitschaft miteinander respektvoll umzugehen, sich gegenseitig anzuerkennen und zu motivieren sehr. Von dieser großen Amtsfamilie fühle ich mich hingezogen, und Sie alle haben mir im vergangenen Jahr das Gefühl gegeben, dass ich bei Ihnen eine Chance bekomme. Ich bedanke mich sehr und verspreche Ihnen, dass ich versuchen werde, diese Chance auch weiterhin zu nutzen. Mathias Pfeil, Generalkonservator

Vor 70 Jahren – Kultur im Bombenhagel Teil 4: Würzburg am 16. März 1945 „Sollte man weinen wie ein Kind oder hinausschreien voll Weh und Angst wie ein Tier? Da war nichts mehr von jener fast fraulichen Schmuckfreudigkeit, von jenem Jubel von Menschenwerk und Gottesschöpfung.“ Georg Lill schreibt das 1946 in seinem ergreifenden Aufsatz „Um Bayerns Kulturbauten“ – wieder Lill, der Direktor des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, den wir schon mehrmals als Zeitzeugen aufgerufen haben und der auf erhaltenen Fotos ernst und ehrwürdig aussieht: trocken und altväterlich und der sicherlich nicht im Verdacht großer Wehleidigkeit steht. Ihm will man solch schmerzvollen Gefühlsausbruch kaum zutrauen, nicht gestatten, geht er uns doch arg an die Eingeweide. Sind ja Krieg und Kriegsschäden in der weiten Welt heute durch Funk und Fernsehen so alltäglich geworden – und andererseits die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in unserer Heimat vor 70 Jahren für uns so weit entfernt! Wir alle, die jüngeren Generationen, kennen das Land so wie es ist – wir kennen es nicht mehr, wie Lill es kannte und die heute über 80-jährigen – mit dem ganzen Schatz seiner romanischen, gotischen, barocken Gebäude und Ausstattungen. 8

Würzburg, Dom. Langhaus nach Westen, nach Einsturz der Nordwand am 20. Februar 1946 (Foto: BLfD, privat)

IM BRENNPUNK T

Würzburg, Blick über die Alte Mainbrücke Richtung Dom auf die zerbombte Innenstadt (Foto: BLfD, Nachlass Carl Lamb, nach März 1945)

„Eine Wüstenstadt Nordafrikas …“ 82 % Würzburgs, die Altstadt gar zu 90 %, sagt die Statistik: zerstört und da wiederum das Zentrum nördlich, westlich und südwestlich des Doms – als innerhalb von 17 Minuten 300 000 Stabbrandbomben aus 223 Flugzeugen auf die Stadt abgeworfen wurden und einen „Feuersturm“ – in der damaligen Terminologie – entfachten. Es sollen 1500 bis 2000 °C Hitze geherrscht haben. Sprengbomben kamen kaum zum Einsatz. Und es gab an die 5000 Tote. Zahlen, trockene, vielleicht sogar langweilige Zahlen, weil so ganz und gar außerhalb unseres Vorstellungs- und wirklichen Erlebnishorizonts. Bilder vom Krieg im Fernsehen oder auf dem Computer? – Es sind doch nur Bilder! Können wir uns das vorstellen, wenn ganze Quartiere „totalzerstört“ sind wie in Würzburg die Eichhornstraße

oder die Domstraße oder der Bereich südlich des Doms bis zum Franziskanerplatz? Oder schwer betroffen die Vorstadt Sand, die Bebauung an der Semmelstraße, das Mainviertel. Können wir uns das vorstellen, wenn 75 % des gesamten Wohnbestandes – 21 062 Einheiten – zerstört sind? Einheiten, in denen früher ganze Familien lebten, nicht Singles, wie heute! Wenn 75 % der Bevölkerung im kalten März 1945 versuchte, in Kellerlöchern zu überleben? Ist es noch erwähnenswert, dass die Ruinenstadt unter Führung eines Nazi-Oberbürgermeisters Anfang April 1945 noch verteidigt werden musste – was natürlich Artilleriebeschuss auf Kellerlöcher provozierte – und dass die Wehrmacht durch die Sprengung der drei Mainbrücken die Situation für die Zivilbevölkerung weiter erschwerte? Kann man hier noch im Stil dieser Beiträge weiterschreiben? Angesichts der

Zerstörung eines Gesamtkunstwerks – vom Leben gar nicht zu sprechen – Einzelnes, Zerstörtes, herausheben? Gesamtkunstwerk: Dieser in der Kunstgeschichte so inflationär gebrauchte Begriff traf so ganz auf das VorkriegsWürzburg zu. „Ich bin“ – wieder Lill – „an einem dämmernden Sommerabend auf der Veste Marienberg gestanden und habe zum ersten Mal hinuntergeblickt auf die mainfränkische Stadt, die gerade von dieser Stelle einmal die ganze Anmut ihres beschwingten Reichtums, ihre warme Geborgenheit einer liebevoll gepflegten menschlichen Kulturstätte in einer von Gott reich gesegneten Landschaft enthüllte. Und jetzt?“ Ab dem 16. Jahrhundert war Würzburg, ablesbar an zahlreichen barocken Großbauten, zu einem Zentrum der Gegenreformation ausgebaut worden. Trotz alledem aber bewahrte die stadtplanerische Tätigkeit Balthasar Neumanns die 9

IM BRENNPUNK T

mittelalterliche Stadtstruktur – und die Ausstattungen in den Kirchen, Domherrenhöfen, Adelspalais und Bürgerhäusern machten die Stadt zu einem Schatzkästlein. „Eine Wüstenstadt Nordafrikas war nach Mitteleuropa versetzt. Nur starrende Senkrechte, Türme ohne Helme, nackte bleiche Steinschalen von Neumünster, Stifthaug und Schönbornkapelle, gesprengte Brücken. Die anmutige Verschlungenheit … war untergegangen in der lautlosen Starrheit der kalkigen, zerrissenen Mauern, der ausgeglühten Türme, der zermalmten Häuserblocks, der dunkelstaubigen Schuttmassen.“ (Lill 1946) Frankenapostel aus dem Neumünster von Tilmann Riemenschneider, vor der Zerstörung (Foto: BLfD, Walter Hege, um 1935)

Augustinerkirche, Blick zum Chor, vor der Zerstörung (Foto: BLfD, Nr. 17028, vor 1915)

10

„Das Herz aus der Brust gerissen …“ Aus der Ruinenstadt standen die ausgebrannten Baukörper und Türme der großen Kirchen hervor, die Ausstattung war in Hitze und Flammen untergegangen. Wer heute über die Schwellen der Kirchen schreitet und historische Ausstattung erwartet, ist erstmals irritiert und ernüchtert. Die äußerlich so ehrwürdig aussehenden Gotteshäuser sind zumeist „leere“ Architekturhüllen – ästhetisch natürlich und modernem Formempfinden entsprechend – aber eben irritierend. – Im Dom war nahezu die gesamte Einrichtung verbrannt, erhalten jedoch die Gewölbe mit der schweren barocken Stuckierung von Pietro Magno aus der Zeit um 1700. Als das neue Dachwerk aufgesetzt war, stürzte im Februar 1946 die Nordwand und das Langhausgewölbe ein – und den Befürwortern einer optischen Angleichung gelang es 1957, auch noch die erhaltene Südwand abbrechen zu lassen. – Unendlich gelitten hatten auch die z. T. herrschaftlich ausgestatteten Domherrenhöfe an Domerschulstraße, Herrengasse und Hofstraße, deren Schicksal in Totalzerstörung (Rannenberg, Hofstraße  3; Weinsberg, Herrenstraße 2), Teilabbruch wegen Straßenverbreiterung (Heideck und Curia Seebach, Domerschulstraße 1 und 3) oder Wiederaufbau oder Neubau unter Einbeziehung erhaltener Portale – der Würzburger Weg! – (Neulobdeberg, Hofstraße 10, Seebach) bestand. – Von der Augustinerkirche blieb die Hülle erhalten, nicht aber die strahlende Ausstattung der Auverna-Werkstatt und die Fresken

IM BRENNPUNK T

aus der Zeit um 1750/70. – Schottenkirche St. Jakob: Südwand eingestürzt; 1955/56 Langhaus abgebrochen, der Rest in einen Neubau integriert. – Von der Franziskanerkirche, einer Säulenbasilika des 13. Jahrhunderts, stürzten die frühbarocken Gewölbe und die Pfeiler ein, es blieben nur die Umfassungsmauern als Raumgrenzen für eine Neu-

interpretation der Nachkriegszeit. – In der Pfarrkirche Stift Haug wurde die Ausstattung der Bildhauer Johann Kaspar Brand und Michael Rieß (1690–1717) vernichtet, im angrenzenden Kapitelhaus, im Stiftsherrenhof und in den Kanonikerhöfen Stuckdecken des 17. und 18. Jahrhunderts. – Stark beschädigt wurden die Klostertrakte der Karme-

litinnen Himmelspforten aus der Zeit um 1600 und die z. T. bis ins 13. Jahrhundert zurückgehenden Kreuzgangflügel. 1963 brach man die Reste ganz ab. – In der spätgotischen Marienkapelle verbrannten die neugotischen und barocken Ausstattungsteile, in der Reuererkirche aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die ebenfalls barocke

St. Stephan vor der Zerstörung (Foto: BLfD, Nr. 17293, vor 1915)

11

IM BRENNPUNKT

Ausstattung. – Auch noch ihrer letzten verbliebenen Reste beraubt, Freskenpartien von Joseph Appiani (1773) und Stuck von Materno Bossi (um 1773/96), wurde die Seminarkirche St. Michael im Zuge der Wiederherstellung zwischen 1945 und 1955. – In der nur im westlichen Kuppelbau ausgebrannten Neumünster-Pfarrkirche gingen – vor allem durch die folgende Durchfeuchtung – die Deckengemälde von Johann

Baptist Zimmermann und Nicolaus Stuber (1732–36) sowie die Ausstattung der Bildhauerfamilie van der Auwera (Altäre und Orgel) zugrunde. In der Kiliansgruft verbrannten die äußerst beliebten Büsten der drei Frankenapostel von Tilmann Riemenschneider, im Treppenhaus des angrenzenden Hofes Emeringen die bedeutende Flachdecke von 1700. – St Peter, 1717–20 nach Plänen von Joseph Greising errrichtet, ist

geradezu zum Symbol für Zerstörung geworden: Seine halb stehengebliebene Fassade ziert manche Publikation über den Krieg in Würzburg; zerstört natürlich auch die gesamte etwa gleichzeitige Ausstattung. – Auch bei der Wiederherstellung der ev.-luth. Stephanskirche um 1950 hat man die erhaltenen Reste der wandfesten klassizistischen Ausstattung rigoros entfernt und die Ruinen der ehem. Benediktinerabtei abge-

St. Peter (Foto: Foto Marburg, Nr. 204451, September 1946)

12

IM BRENNPUNKT

brochen. – In St. Ursula verbrannte die gotische Figur des hl. Antonius Abbas. Der Mangel an Abdeckungsmaterial in den ersten Nachkriegsjahren führte zu Durchfeuchtung von Mauern und erhaltener wandfester Ausstattung, eine purifizierende Wiederaufbauästhetik um 1950 schlussendlich zum Verlust letzter Reste. „Das Herz aus der Brust gerissen“, schrieb Lill – schon wieder so „übertrieben“ – aber historische Aufnahmen geben ihm und unserer Irritation ja Recht.

Haus „Zum schönen Eck“, Martinsgasse 1 (Foto Marburg, Lala Aufsberg, LA 978/33, Sept. 1946)

Rosenbachhof, Residenzplatz 3, kriegsbeschädigte Skulpturengruppe „Herkules und Antäus“, von Johann Georg Wolfgang und Lukas Anton van der Auwera (Foto Marburg, Lala Aufsberg, LA 1009/08, Sept. 1946)

„… in der lautlosen Starrheit der … zerrissenen Mauern“ Wiederhergestellt werden sollten die dominierenden Großbauten, erhalten bleiben die Stadtkernstruktur in Grundriss und Charakter – unter Verbesserung der verkehrstechnischen Erschließung, was dann zu zahlreichen Straßenerweiterungen, -korrekturen und -durchbrüchen führte. Und man wollte nicht rekonstruieren, sondern nur Wiederherstellen, was aber häufig zur Beseitigung der Ruinen führte. Wer heute durch Würzburg streift, wird hier manch barockes Portal am Neubau entdecken, dort ein historisches Sandstein-Fenstergewände: spolienhafte Einfügung historischer Baudetails in Neubauten. Angesichts der Fürstbischöflichen Residenz (ab 1720 errichtet) dominiert zumeist die Freude über den Erhalt des Treppenhauses mit den Fresken von Giovanni Battista Tiepolo, des Weißen Saales und des Kaisersaals. Aber natürlich sind alle anderen Plafonddekorationen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts vernichtet worden, darunter das berühmte Spiegelkabinett, und 50 % der Deckengemälde in der Hofkirche. – In der Festung Marienberg gab es vor allem Verluste am östlichen Teil der Hauptburg und später an der Ummauerung durch Artilleriebeschuss. – Äußerst schwer getroffen war die Häusergruppe des Rathauses mit ihren bis ins frühe 14. Jahrhundert zurückgehenden Bauteilen. Vom Hl.-Geist-Spital in der Semmelstraße richtete man den Roten Bau von 1717/18 als Altersheim wieder her, während die älteren Teile abgebrochen wurden. Böse ging man mit der Ruine des Dietricher Spitals am Marktplatz um, dessen imposante Fassade von 1670 zum Platz (Entwurf: 13

IM BRENNPUNK T

(Martinsgasse 1), mit Renaissance-Erker. Sandhof (Maulhardgasse  6), Vierflügelanlage um 1600 und später (Ruinen zugunsten eines Kaufhausbaus abgebrochen). Bachmann’sches Haus (Neubaustr. 2), Fachwerkhaus, frühes 17. Jahrhundert, mit figürlichen Details. Hotel Schwan (Oberer Mainkai), Gasthaus von 1663 unter Einbeziehung älterer Teile (Kaufhausneubau). Hotel Russischer Hof (Theaterstr. 1/3), um 1750 und später. usw. usw.

Ehemannsches Haus, Augustinerstr. ½, geschnitzter Fachwerkständer im Innenhof, vor der Zerstörung (Foto: BLfD, Nr. 17549, vor 1915)

Antonio Petrini) noch erhalten war: Sie musste 1948 einem Geschäftshausneubau weichen. Die Hofspitalkirche (Zellerstraße 1) setzte man im Innern in der Ruinenfassung als Ausstellungsraum instand, ein Parkhaus trat an Stelle der Klostertrakte. – Die stark beschädigten Bahnhöfe (1854 von Gottfried Neureuther und 1865 ff. von Friedrich Bürklein) wurden abgeräumt. – Die Ruine des 1750 nach Plänen Balthasar Neumanns errichteten Stadttheaters (Theaterstr. 18) gab man 1951 wegen Veränderung der Straßenführung auf. – Auch von der Altenmainbrücke, deren Bausubstanz bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht, sprengten die deutschen Truppen zwei Joche. 14

Was soll man nennen von den vielen Bürgerhäusern, die total zerstört wurden oder so schwer zerstört waren, dass man ihre Ruinen nicht mehr erhalten konnte oder wollte? Eine kleine Auswahl nur an Totalverlusten: Ehemannsches Haus (Augustinerstraße ½), mit einem figürlichen Fachwerkteil von 1547 am Innenhof. Spanischer Garten (Beim Grafeneckart 13), mit Rokoko-Ornament aus Stein an der Fassade (beide wegen Straßenverbreiterung abgebrochen). Veninohaus (Eichhornstraße 23), 1738 von Balthasar Neumann (Mauereinsturz, Ruine abgetragen). Wohnhaus Petrinis (Marktplatz 2), 1685 erbaut (Marktplatzvergrößerung, Ruinen abgebrochen). Haus „Zum schönen Eck“

„der Brand flog … von fremden Firsten aufs eigene Dach“ Sicher, wer wollte schon Würzburg zerstören? – Wo es nichts gab, was kriegsbedingt bedeutend war, außer vielleicht einen Bahnhof und ein paar Eisenbahngleise. Aber welchen Militär, welchen verblendeten Politiker, welchen Fanatiker interessieren schon Baudenkmäler, Kunstwerke, wenn man glaubt, gewichtigere Ziele zu haben? Wen interessiert dann die Eleganz der Brücke von Mostar, das Alter der BamiyanBuddhas, die kulturelle Bedeutung der Ruinenhügel im Irak, wenn man den Kriegsgegner aufhalten, religiöses Andersdenken ausmerzen, einen Panzer besser positionieren kann? Es ist ja genügend darüber geschrieben worden über die Ausweitung der Kriegsführung in den Kriegsjahren 1944/45, über Intentionen, über Krieg als Zermürbungstaktik, über Krieg gegen die Bevölkerung zur Abkürzung des Krieges, über das Zerstören, um keine weiteren Zerstörungen machen zu müssen. Aber wer wollte schon London zerstören? Belgrad? polnische, italienische, französische Städte? In Rotterdam gab es wenigstens noch einen Hafen als Bombardierungsgrund – wenn man einen Grund gebraucht hätte – bombardiert aber hat man vor allem die Innenstadt! Auch in Würzburg hat man keinen Grund gesucht. „Und der Brand flog schließlich von fremden Firsten aufs eigene Dach“, so Lill, „… um schließlich in den Jahren 1944 und 1945 ein rasendes Inferno von Bomben, Brand, Phosphor und Plünderung zu entflammen und zuletzt in Schutt und Asche, gestürzten Mauern und zerfetzten Ruinen, Staubwolken und Leichengeruch zu ersticken.“ In Würzburg haben wir’s gesehen. Karlheinz Hemmeter

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DENKMAL AKTUELL Ein Fund – verschiedene Akteure Abschluss der Konservierungsarbeiten an einem römischen Geflecht aus Burgweinting Im August 2012 förderten Grabungsarbeiten der Firma ARCTEAM GmbH unter Leitung von A. Rauh im „Baugebiet Nordwest III“ in Burgweinting, Stadt Regensburg, einen römischen Brunnen zu Tage. Die Brunnenverschalung bildeten zwei übereinander gesetzte, sekundär genutzte Weinfässer, die durch Franz Herzig (BLfD, Thierhaupten) dendrochronologisch auf 117 n. Chr. datiert werden konnten. In der Verfüllung des unteren Brunnenfasses fand sich ein fragmentiertes Geflecht, dass wegen des sauerstoffarmen Lehmbodens unterhalb des Grundwasserspiegels erhalten geblieben ist. In enger Zusammenarbeit mit den Restauratoren der Bodendenkmalpflege wurde der entdeckte Befund bei hochsommerlichen Temperaturen von 37 °C (!) dokumentiert und mit dem umliegenden Erdreich en bloc geborgen. Direkt im Anschluss an die Bergung konnte das Geflecht zur ersten Versorgung in die Restaurierung der Dienststelle Bamberg transportiert werden. Obwohl der Gesamteindruck des Geflechtes bemerkenswert gut erschien, war der Materialabbau während der Bodenlagerung sehr stark vorangeschritten, wie Trocknungsver-

suche an lose vorliegenden Rutenfragmenten deutlich machten. Eine zeitnahe konservatorische Behandlung mit Reinigung, Festigung und schonender Trocknung sowie die Anfertigung einer stabilisierenden Stützkonstruktion waren für den langfristigen Erhalt des Geflechtes dringend erforderlich. Dazu sollte der seltene Fund detailliert untersucht und dokumentiert werden, da eine „virtuelle“ Freilegung des nassen Erdblockes mit Hilfe einer 3D-Computertomografieaufnahme (Firma Carl Zeiss, Aalen) längst nicht alle Fragen zu Aussehen, Funktion und Machart des Geflechts beantworten konnte. Die Nassreinigung mit Airbrush und feinen Werkzeugen und die Stabilisierung der abgebauten Zellstrukturen mit zweistufiger Polyethylenglykol-Tränkung wurden von Janet Schramm im Rahmen einer Mutterschutzvertretung in der Restaurierung der Dienststelle Bamberg durchgeführt. In den Werkstätten des Schweizerischen Nationalmuseums (Sammlungszentrum Affoltern am Albis), wohin die Restauratorin beruflich wechselte, konnte die anschließende Vakuumgefriertrocknung erfolgen.

Detailaufnahme des Geflechts während der Ausgrabung (Foto: BLfD, Britt Nowak-Böck)

Nach dem Rücktransport des Korbgeflechtes nach Bayern wurde abschließend eine passgenaue Montagevorrichtung aus Plexiglas konstruiert. Sie kann für eine museale Präsentation des Stückes und ebenso für eine sichere Lagerung im Depot verwendet werden. Eingehende Untersuchungen des Objektes ergaben, dass es sich um ein vermutlich zylinderförmiges Geflechtband mit einer Höhe von 15 cm und erhaltener Länge von 52 cm handelt. Es wurde in akkurat ausgeführter Zwirnbindung aus 2,3 mm bzw. 1,8 mm starken, einjährigen Weidenruten (Salix sp.) hergestellt (Materialbestimmungen von Franz Herzig). Beidseitig des Geflechts fanden sich Reste einer schwarzen Substanz, die durch Analysen von Ute Baumer und Patrick Dietemann am Doerner Institut München als Nadelholzteer identifiziert werden konnten. Auch wenn sich die ursprüngliche Form aufgrund des fragmentierten Zustandes nicht eindeutig rekonstruieren lässt, ist zu vermuten, dass ein äußerst selten erhaltenes Korbgefäß aus römischer Zeit vorliegt. Es bleibt bislang spekulativ, ob es als Schöpfgefäß oder etwa als äußerer Schutz für ein Gefäß aus

Geflecht während der Reinigung und Präparierung (Foto: BLfD, Janet Schramm)

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Ganz links: Dreidimensionale Stützkonstruktion für die mehrmonatige PEG-Tränkung (Foto: BLfD, Helmut Voß)

Geflecht in der Gefriertrocknungsanlage des Schweizerischen Nationalmuseums (Foto: SNM, Janet Schramm)

Glas oder Ton Verwendung fand. Zu diskutieren ist ferner, ob es überhaupt im Zusammenhang mit dem Brunnen stand oder lediglich entsorgt wurde. Janet Schramm, Helmut Voß, Britt Nowak-Böck

Literatur Ute Baumer und Patrick Dietemann: Untersuchungsbericht Doerner Institut vom 31.01.2014 Wolfgang Gaitzsch: Antike Korb- und Seilerwaren. Limesmuseum, Aalen 1986 Franz Herzig: Dendroarchäologischer Untersuchungsbericht vom 24.10.2012, Regensburg, Burgweinting Nordwest III 2011, M-2010-292-2_2, BLfD, Referat B V

Geflecht nach erfolgreicher Konservierung auf Montagevorrichtung aus Plexiglas (Foto: BLfD, Helmut Voß)

Franz Herzig, Astrid Rauh und Constanze Theurer: Eine Villa rustica mit Brunnen in Burgweinting. Das Archäologische Jahr in Bayern 2012, S. 89–91

Römische Brandgräber aus Kösching Kösching in römischer Zeit Im Zentrum des heutigen Kösching (Lkr. Eichstätt), im Bereich der Kirche und des Marktplatzes, lag das römische Kastell, dessen Name Germanicum in der Tabula Peutingeriana überliefert ist. Das Steinkastell beherbergte ab dem frühen 2. Jahrhundert eine Reitereinheit, die ala I Flavia Gemelliana. Durch eine Bauinschrift ist auch eine Vorgängereinheit belegt. Standort dieses Vorgängerkastells sowie der Name der Truppe sind jedoch nicht gesichert. Um das Reiterkastell herum entstand in römischer Zeit die zugehörige Zivil16

siedlung, der Vicus, mit Wohnhäusern, Läden und Handwerksbetrieben. Ihre Bestattungsplätze legten die Römer üblicherweise – nach den Vorschriften des archaischen Zwölftafelgesetzes – außerhalb der Siedlungen und entlang der Straßen an. In Kösching sind zwei Friedhofsareale bekannt: Ein Gräberfeld liegt im Süden, entlang der Straße zur Donau. Ein weiteres befindet sich im Nordwesten entlang der Straße, die zum Kastell Vetoniana nach Pfünz führte. Dieses Gräberfeld in der Flur „In der Schwärz“ wurde im letzten Jahrhundert beim Neubau

von Wohnhäusern mehrfach angeschnitten. Dabei hat man zwar zahlreiche römische Funde aufgelesen, aber kaum zusammengehörige Grabinventare geborgen. Derzeit findet in vielen Regionen mit dynamischer Siedlungsentwicklung eine Verdichtungen der Bebauung in alten Wohngebieten statt. So wurde auch hier in der Theresienstraße, nordwestlich des mittelalterlichen Ortskerns und nur wenige Meter von der ehemaligen Römerstraße entfernt, der Altbestand (Haus Nr. 11) abgerissen und die Fläche für einen

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deutlich größeren Neubau erweitert. Mit der Grabung im Spätherbst 2013 ergab sich damit erstmals die Chance, das Gräberfeld auf einer größeren und zusammenhängenden Fläche zu untersuchen. Das Gräberfeld Nach dem Oberbodenabtrag zeigten sich auf der etwa 225 qm großen Fläche 34 Gräber. Diese lagen in lockerer, gleichmäßiger Streuung über die Fläche verteilt. Spuren von Grabgärten, also Begrenzungen und Unterteilungen, waren nicht erkennbar. Auch Steine, die auf Grabbauten hätten hinweisen können, fehlen vollkommen. Vom Verbrennungsplatz, der ustrina, sind im Untersuchungsbereich keinerlei Spuren entdeckt worden. Sogenannte Busta-Gräber, bei denen der Leichnam über der Grabgrube verbrannt wurde, gab es ebenfalls nicht. Die Gräber Es handelt sich durchweg um Brandgräber, die in zwei unterschiedlichen Varianten vorhanden sind: als Brandschüttungs- und Brandgrubengräber. Bei ersteren wurden die verbrannten menschlichen Knochen und Grabbeigaben in einer Urne gesammelt begraben. Wenige Holzkohlespuren innerhalb des Leichenbrandes zeigen eine sorgfältige Behandlung nach der Verbrennung an. Der Leichenbrand wurde ausgelesen, in wenigen Fällen kann er sogar auch gewaschen worden sein. Neben konventionellen Urnen wurden auch Behälter aus organischem Material verwendet, die heute meist vergangen sind und so keinen oder nur einen minimalen archäologischen Befund ergeben. Der restliche Brandschutt des Scheiterhaufens und weitere Beigaben wurden um oder über die Urne gestreut. Diese Trennung der kalzinierten Knochen von den anderen verbrannten Resten und die Nutzung eines Gefäßes unterscheidet das Brandschüttungsgrab vom Brandgrubengrab, in dem die Verbrennungsreste unsortiert beigesetzt wurden. Mit 22 Fällen überwiegen Brandgrubengräber gegenüber zwölf Brandschüttungsgräbern mit Urnen aus Keramik bzw. – nach Lage der Befunde – organischen Behältnissen.

Die Beobachtung, dass nur ein Teil der Funde mit im Feuer gelegen hat sowie die ganz offensichtliche Unvollständigkeit vieler Gefäße sind typische Kennzeichen der untersuchten Gräber. Während die verbrannte Keramik mit auf dem Scheiterhaufen gestanden hatte, kann die unverbrannte Keramik vom Totenmahl am Grab stammen, wobei das Geschirr nach dem Mahl zerscherbt wurde. Die Beigaben Bei den Funden überwiegt Keramik, üblicherweise reichlich beigegeben. Dagegen fehlen Münzen vollständig. Aus drei Gräbern stammt jeweils eine Öllampe. Die beiden Exemplare aus Grab 12 und 13 gehören zu den typischen Lampen des 2. Jahrhunderts mit

umlaufenden erhöhten Stegen. Die Lampe aus Grab 12 ist eine sogenannte Firmalampe. Auf dem Boden befindet sich der Stempel des Herstellers, der Vibiani lautet. Das Stück stammt aus einer nicht näher lokalisierten Werkstatt in Norditalien. Nur die Lampe aus Grab 26 trägt am Dochtloch eindeutige Schmauchspuren, hat also gebrannt. Einen Hinweis auf das Erlöschen des Lebenslichtes könnte die Lampe aus Grab 12 geben, deren Öffnung für die Zuführung von Öl anscheinend bewusst mit zwei Keramikfragmenten abgedeckt wurde. Aus vielen Gräbern liegen meist kleinteilige Fragmente von Glasgefäßen vor. Teilweise sind diese auch verschmolzen, die Gefäße lagen also mit auf dem Scheiterhaufen.

Kösching, Lkr. Eichstätt. Grab 22, abgedeckte Urne mit Beigaben (Foto: Jakob Leicht, Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Grab 33, Urne im Profil (Foto: Jakob Leicht, Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

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Kösching. Grab 12 mit Öllampe (Foto: Jakob Leicht, Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

In Grab 4 lagen erfreulicherweise zwei komplett erhaltene Gläser, qualitativ sehr hochwertige Fläschchen, in bestem Zustand. Diese Fläschchen sind für die Chronologie des Gräberfeldes bedeutsam. Vielfach liegen in den Gräbern Nägel, darunter auch größere Exemplare, und Fragmente von bronzenen Blechen. Dabei dürfte es sich um Beschläge von Möbeln handeln. Vielleicht können wir hier das aus dem römischen Totenkult bekannte Lectus, das Totenbett, fassen, auf dem der Tote aufgebahrt war und vielleicht auch darauf verbrannt wurde. Inwieweit noch andere Möbel auf den Scheiterhaufen mit verbrannt wurden, wird erst eine Detailanalyse der Funde zeigen.

Wie im römischen Totenkult üblich, wurde auch Schmuck mit in die Gräber gegeben. Aus Grab 18 stammen ein bronzener Armring mit verschlauften Enden und ein bronzener Fingerring. Der Schmuck lag unmittelbar auf dem Leichenbrand und direkt unter dem Teller, der den Leichenbrand abdeckte. Beide Gegenstände waren somit intentionell an dieser Stelle niedergelegt worden. Aus Grab 4 liegt ein weiterer bronzener Fingerring, vielleicht mit einer Gemme, vor. Auch Edelmetall ergaben die Gräber: Aus Grab 32 stammt eine silberne Nadel, und in Grab 11 lag ein kleines goldenes Ringlein. Ein reiches Frauengrab: Grab 2 Der schönste Goldfund stammt jedoch aus Grab 2. Aus diesem liegen weitere metallene Bestandteile vor, allen voran ein bronzener Henkel, der zu einem Kästchen gehört hat. Kästchen als Beigaben sind Merkmal einer gehobenen Ausstattung in Frauengräbern. In Kösching bestätigt sich dies durch die Mitgabe von zwei goldenen Ohrringen im selben Grab. Im dritten Planum der Verfüllung lag ein goldener Ohrring mit peltaförmiger Zierplatte. Er war unverbrannt mit der zerscherbten Keramik ins Grab gelegt worden. Erst im sechsten Planum kam das Pendant zum Vorschein. Es lag inmitten des Leichenbrandes. Ganz offensichtlich handelt es sich um eine gewollte Deponierung dieses Schmuckes an zwei unterschiedlichen Orten, nämlich bei den

Grab 4 mit zwei Glasgefäßen (Foto: Jakob Leicht, Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

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Beigaben – dem Umfeld – einerseits, und beim Leichenbrand – also der (verstorbenen) Person – andererseits. Nicht nur die Beigaben heben Grab 2 aus dem üblichen Spektrum heraus, sondern auch die Art der Bestattung selbst. In diesem Grab können wir nämlich die Deponierung des ausgelesenen Leichenbrandes in einem organischen Behältnis nachweisen.

Goldene Ohrringe aus Grab 2, teilrestauriert (Foto: BLfD, Dorothea Albert)

Zusammenfassung Mit der Grabung konnte erstmals ein kleiner Teilbereich des sicher großen Gräberfeldes von Kösching untersucht werden. Schätzungen gehen von bis zu 1000 Gräbern aus. Der Flurname „In der Schwärz“ kann darauf hindeuten, dass dieses ehemals als Ackerland genutzte Gelände bei der landwirtschaftlichen Bearbeitung immer wieder schwarze Aschenreste der Brandbestattungen hervorgebracht hat. Der Beginn der Belegung lässt sich derzeit noch nicht hinreichend datieren, er dürfte jedoch mit dem Einzug der Reitereinheit zusammenfallen, also dem frühen 2. Jahrhundert. Für das Ende der Belegung sind die beiden Glasflaschen aus Grab 4 wichtig. Sie gehören der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts an, sind jedoch auch bis ins erste Drittel des 3. Jahrhunderts belegt. Diese Datierung stimmt gut mit der bisher bekannten Münzreihe von Kösching überein, die im frühen 2. Jahrhundert beginnt und deren Schlussmünze derzeit eine Prägung von Kaiser Gordian III. aus dem Jahr 241 nach Chr. bildet. Jakob Leicht

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Gemälde von Peter Paul Rubens, Giuseppe Vermiglio und Matthias Kager Eindrucksvolle Restaurierung der ehem. Altarblätter in Hl. Kreuz in Augsburg Die heutige kath. Filial- und Wallfahrtskirche Hl. Kreuz wurde 1195 als Augustiner-Chorherrenkirche gegründet und nahm kurz darauf bereits die bedeutende eucharistische Stadtwallfahrt zum „Wunderbarlichen Gut“ auf. 1492–1508 entstand eine lichte Hallenkirche, die man zu Beginn des 17. Jahrhunderts barockisierte. Nach den schweren Kriegsschäden von 1944 erhielt sie im Zuge des Wiederaufbaus ihr heutiges schlichtes Raumbild. Erhalten blieben jedoch mehrere hochrangige Kunstwerke – die bedeutendsten aus der Zeit der ersten barocken Neuausstattung im frühen 17. Jahrhun-

dert. Die Kirche wird seit den 1930er Jahren von Dominikanern betreut. Nach umfangreicher Außenrenovierung lagerte man 2013 im Rahmen der Innenrenovierung die gesamte Ausstattung an Gemälden und Skulpturen aus und nahm dies zum Anlass, die Gemälde eingehend zu untersuchen. Dabei stellte man fest, dass über den zu erwartenden Konservierungsbedarf hinaus an den beiden großformatigen Seitenaltar-Gemälden von Peter Paul Rubens und Giuseppe Vermiglio sowie dem ehemaligen Altarblatt von Matthias Kager an der südlichen Langhauswand erheblicher Handlungsbe-

Augsburg, ehem. Augustiner-Chorherrenkirche, heutige Filial- und Wallfahrtskirche Hl. Kreuz, Blick zum Chor, vor 1935 (Foto: Archiv der kath. Kirchenstiftung Hl. Kreuz, Augsburg)

darf bestand. Die kunsthistorisch wie auch kulturgeschichtlich bedeutenden barocken Gemälde waren als Folge früherer Restaurierungen in unterschiedlichem Ausmaß verändert. Durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Bauer’schen Barockstiftung konnte eine umfassende Restaurierung der Gemälde „Himmelfahrt Mariae“ von P. P. Rubens und „Tempelgang Mariens“ von M. Kager durch Restauratorin Barbara Staudacher von den Münchner Restaurierungswerkstätten durchgeführt werden. Das Gemälde mit der Darstellung „Kreuzeswunder der hl. Helena“ von G. Vermiglio konnte dank der großzügigen Unterstützung der Familie Wollenschläger, Augsburg, von Dipl.Rest. Heide Tröger restauriert werden, ebenso die „Rosenkranzspende“ von Wilhelm Lessing, das sich noch in relativ gutem Zustand befand. „Himmelfahrt Mariens“ von Peter Paul Rubens Das mit 3,95 m × 2,34 m großformatige Leinwandgemälde mit der „Himmelfahrt Mariens“ von Peter Paul Rubens (1577–1640) („Werkstatt“), ist nach verlässlicher Quelle im Auftrag von Herzog Ottheinrich Fugger 1627 für die Hl.-Kreuz-Kirche in Augsburg geschaffen worden. Eine Rechnung für den Transport des Bildes von Antwerpen nach Augsburg ist erhalten. Obwohl das Gemälde nicht signiert ist, wird es auf Grund dieser Belege als Werk von Rubens bzw. seiner Werkstatt angesehen. Eine erste umfassende Restaurierung im Jahr 1855, bei der das Gemälde doubliert und in weiten Flächen übermalt wurde, fand durch Andreas Eigner, ab 1830 Restaurator an der Galerie in Augsburg, statt. Grund dafür könnten Beschädigungen im Leinwandträger gewesen sein. Über 100 Jahre lang wurde die Bewertung von Rubens Himmelfahrt durch die flächigen, vom Stil der Zeit geprägten Übermalungen Eigners beeinflusst. Eine weitere umfassende Restaurierung fand dann 1971 im Doerner-Institut, München, statt. Damals entschied man sich zur 19

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„Himmelfahrt Mariae“ v. Peter Paul Rubens, vor der Restaurierung (Foto: Charlotte Deininger, Augsburg, 2013)

Detail „Himmelfahrt Mariae“, vor der Restaurierung (Foto: Charlotte Deininger, Augsburg, 2013)

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... und nach der Restaurierung (Foto: S. Wameser, München, i. Auftrag d. Stabstelle kirchl. Bauwesen u. Kunst, Augsburg, 2014)

Abnahme der Doublierung und der Übermalungen von 1855, doublierte allerdings das Gemälde erneut, dieses Mal mit Wachs. Dieses führte nicht nur zu einer deutlichen Zunahme an Gewicht, sondern auch zu einer Versteifung der Fläche und damit teilweise zum Verlust des speziellen Charakters einer Malerei auf Leinwand. Die Gesamtwirkung des Gemäldes vor der jetzigen Restaurierung war aber nicht nur durch farblich veränderte Retuschen von 1971 und 1976 gestört, sondern auch durch trübe gewordene Überzüge auf der Bildfläche, die u. a. auf das verwendete Wachs zurückzuführen waren. Der heute vergilbte Firnis der 1970er Jahre hatte Rubens kühle Farbpalette in einen „Galerieton“ getaucht, der das Bild seiner brillanten Licht- und Farbwirkung beraubte. Nach der Konservierung brachte die Firnisabnahme neben der

kühleren und intensiveren Farbigkeit auch für Rubens typische malerischen Effekte zurück. Beispielsweise erzeugt Rubens durch eine graue Unterlegung der Farben Umrisse, Umrandung oder Schatten als ein besonderes gestalterisches Element. Auch wurde sichtbar, dass eine wohl zu große Verdichtung der Figurengruppen im Bildzentrum durch Rubens bzw. seine Werkstatt korrigiert worden war. Die gezielte Abnahme von einigen Übermalungen, eine zurückhaltende und einfühlsame Retusche sowie ein sehr dünner Überzug schlossen die Restaurierung mit höchst beeindruckendem Ergebnis ab. Für die Kunstwissenschaft ist mit dem überraschenden, positiven Ergebnis der Restaurierung die Möglichkeit gegeben, an diesem Werk die Fragen nach Eigenhändigkeit und Beteiligung der Werkstatt von Rubens neu zu stellen.

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„Kreuzeswunder der Hl. Helena“ von Giuseppe Vermiglio Das im 17. Jahrhundert entstandene „Kreuzeswunder der hl. Helena“ von Giuseppe Vermiglio ist ursprünglich nicht für die Hl.-Kreuz-Kirche bestimmt gewesen. Es stammt – nach Hinweisen auf einem alten, rückseitig befestigten Zettel – wahrscheinlich aus der Kartause Garegnano am Stadtrand von Mailand, die 1782 aufgelöst wurde. Offenbar kam das Gemälde in der Folgezeit nach Augsburg. In der Inventarliste von Hl. Kreuz wird es ab 1844 geführt. Der Hinweis auf den Mailänder Künstler Vermiglio findet sich ebenfalls auf dem alten Zettel und wird auch durch Vergleiche mit gesicherten Werken von seiner Hand gestützt. Dieses Gemälde wurde für die Einpassung in den bestehenden rechten

Rokoko-Seitenaltar auf ein Format mit den Maßen 3,92 m × 2,37 m vergrößert und weist infolge dessen mehr Überarbeitungen und Veränderungen auf als das Rubens-Gemälde. Konservatorisch gesehen wurde die Konsolidierung der mit den Leinwandanstückungen angebrachten Nähte sowie einiger Risse im originalen Gewebe notwendig. Die originale Malschicht war in diesen Bereichen durch großflächige Kittungen und Übermalungen abgedeckt und teilweise gefährdet. Bei der jetzigen Maßnahme musste sorgfältig abgewogen werden, wie weit mit der Abnahme alter Kittungen und Übermalungen gegangen werden durfte, um das Original wieder sichtbar werden zu lassen, ohne es zu verletzen. Darüber hinaus war neben der gründlichen Konservierung der Malschicht eine differenzierte Reinigung ungleichmäßig gealterter

„Kreuzeswunder d. Hl. Helena“ v. G. Vermiglio, vor der Restaurierung (Foto: Charlotte Deininger, Augsburg 2013)

Firnisflächen notwendig. Das führte zu einer ganz wesentlichen Aufwertung der Malerei und ihrer Farbigkeit, sodass die gemalten Stoffimitationen wieder realistisch erlebbar wurden. Die beiden Seitenaltargemälde waren im Krieg ausgelagert. Die zugehörigen barocken Altaraufbauten jedoch wurden so erheblich beschädigt, dass man sie nach dem Krieg abbaute und beide Gemälde über schlichten Altarmensen ohne architektonische Bindung hängte. „Tempelgang Mariae“ von Matthias Kager Der „Tempelgang Mariae“, wurde im Auftrag des damaligen Propstes Johann Schaal 1616 von Matthias Kager gemalt. Die Signatur findet sich an der Unterkante des im Gemälde abgebildeten Steintisches. Der Auftraggeber

... und nach der Restaurierung (Foto: S. Wameser, München, i. Auftrag d. Stabstelle kirchl. Bauwesen u. Kunst, Augsburg, 2014)

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„Tempelgang Mariae“ v. M. Kager, vor der Restaurierung mit Abklebungen der Malschicht (Foto: Charlotte Deininger, Augsburg, 2013)

Detail „Tempelgang Mariae“, vor der Restaurierung (Foto: Münchner Werkstätten für Restaurierung, 2014)

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... und nach der Restaurierung (Foto: S. Wameser, München, i. Auftrag d. Stabstelle kirchl. Bauwesen u. Kunst, Augsburg, 2014)

ist durch das gelbe Tatzenkreuz von Hl. Kreuz mit heraldischen Rosen und den Buchstaben S. C. am unteren Bildrand festgehalten. Das Leinwandgemälde hat die Größe von 2,60  m × 1,70  m. Der Augsburger Stadtmaler Kager hatte enge Verbindungen zur Familie Fugger wie auch zu den bedeutenden Künstlern Rubens und Petel, von dem sich in der Hl.-Kreuz-Kirche ein Kruzifix befindet. Ursprünglich gehörte der „Tempelgang Mariae“ wohl in den Prälatenaltar, hing jedoch schon im 19. Jahrhundert an einer Seitenwand der Kirche. Im Krieg wurde das Gemälde ausgelagert und restauriert. Nach dem Wiederaufbau der Kirche 1949 brachte man es im Langhaus mittig über einem Beichtstuhl an. Vor der Maßnahme 2014 waren an dem Gemälde deutliche Veränderungen zu sehen, die auf Restaurierungen von 1945 und 1976 oder noch ältere Eingriffe zurückzuführen waren, wie z. B. reduzierte Farbflächen, schlechte

Kittungen und Reste älterer Firnisse. Misslungene Übermalungen z. B. an den Engelsköpfen oder flächig übermalte Faltenwürfe standen im starken Kontrast zur malerischen Qualität des Bildes. Die Abnahme solcher Übermalungen führte zur Klärung von Gewandformen. Die zurückhaltende Rekonstruktion der Engelsköpfe ließ die Komposition im Himmelsbereich wieder deutlich werden. Durch den finanziellen Spielraum, der sich durch die großzügige private Förderung bot, konnten die konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen an den drei Barockgemälden weit umfangreicher ausgeführt werden als ursprünglich geplant. Die gesamte Maßnahme kann nun mit Recht als sehr gelungenes Projekt mit eindrucksvoller Wirkung für den Kirchenraum bezeichnet werden. Cornelia Hagn

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Grüner wird’s nicht – an der Nürnberger Straße 2 in Bamberg … und das nicht nur, weil in den letzten Monaten die Ampelanlage umgebaut und frisch installiert wurde. Ein Denkmal kurz vor dem Verfall Am südlichen Rand der Welterbestadt, dort wo der historische Steinweg – bzw. die Königsstraße – stadtauswärts nach Nürnberg führt und einst die Adresse „Am Hundsbühl 2“ lautete, fiel seit Jahrzehnten ein trauriges Anwesen ins Auge: Die aufwendig dekorierte Fassade konnte oder mochte man so gar nicht mit dem gepflegten Stadtbild in Verbindung bringen, und so mancher mehr oder weniger laute Vorwurf galt der vermeintlichen Untätigkeit von Stadt und Denkmalpflege, dieses Kleinod weiter seinem Verfall entgegen dämmern zu lassen, umtost vom Verkehr, missachtet von seinen Eigentümern. Aber gerade darin lag das Problem: Die Eigentümergemeinschaft wollte das noch immer bewohnte Anwesen lange nicht verkaufen, konnte sich aber auch trotz intensiver Bemühungen und großzügiger Förderangebote lange nicht

zu einer Restaurierung entschließen. Tatenlos und resigniert musste der ambitionierte Denkmalfreund dem Verfall zusehen – vor allem, wenn die unglücklich platzierte Ampelanlage auf „rot“ stand. Rettung in letzter Minute Nach langem Stillstand kam 2010 Bewegung in das Thema: es war der Stiftung Weltkulturerbe Stadt Bamberg gelungen, das Einzeldenkmal zu erwerben – gerade noch rechtzeitig, denn lange hätte es dem Zahn der Zeit nicht mehr getrotzt. Mit der Instandsetzung beauftragte man das Büro Staib + Wiener aus Würzburg, das sich rasch über Voruntersuchungen einen Überblick zum Bestand verschaffte. Die erste große Überraschung stellte sich bei der Begehung des Hauses ein: Das, was es von außen versprach, suchte man im Inneren vergebens. Verblüfft mussten die erwartungsfrohen Beteiligten feststellen, dass es zu der reichen spätbarocken Fassade im Inneren keine Entsprechung, keine nennenswerte Ausstattung gab. Werkstattnutzungen des 19. Jahrhunderts

und der spätere Einbau eines Ladens hatten den Grundriss und die Fassade des Erdgeschosses verunklärt. Oberund Dachgeschoss verbargen sich 2011 noch unter Gipskartonwänden. Trotzdem ließ das exakte Aufmaß erkennen, dass hier einst spiegelbildlich kleine Wohnungen für mehrere Familien eingebaut worden waren; über eine steile einläufige Treppe kam man hinauf. Ihre Brüstung gehört wohl zu einem Umbau aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch die im Rahmen des Vorprojekts durchgeführte Befunduntersuchung (Edgar Hartmann, Marktheidenfeld) konnte nach der Abnahme der jüngeren Verkleidungen die spannende Frage nach dem inneren Pendant zur reich dekorierten Fassade nicht auflösen. Das schmucke Bürgerhaus wies kaum noch Ausstattung und bauzeitliche Befunde auf. Die in fast jedem Bamberger Barockhaus selbstverständliche Stuckdecke zumindest in der Guten Stube sucht man in der Nürnbergerstraße 2 genauso vergeblich wie handwerkliche Türblätter oder Zargen, von historischen Fenstern ganz zu schweigen.

Bamberg, Nürnberger Straße 2, vor der Instandsetzung (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 2006)

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Beeindruckende Fassadengestaltung Die der Stadt zugewandten Fassaden der Südwest- und Nordwestseite zeichnen sich durch einen reichen Dekor aus Sandstein aus, zunächst hatte man die fließenden Ornamente für Stuck gehalten und dies auch im Entwurf der Denkmalliste so aufgeführt. Das zweigeschossige Haus hat fünf Achsen zur Nürnberger- und zwei zur Kunigundenruhstraße, die Ecken betonen Pilaster mit korinthischen Kapitellen. Ein profiliertes Gurtband trennt die Geschosse und endet vor den Pilastern jeweils in einer kleinen Rocaille. Unter den geohrten Fenstern des Obergeschosses sind in die Ziegelwände Sandsteinplatten mit symmetrisch eingearbeiteten Voluten- und Muschelornamenten eingesetzt, eine besonders reiche Form der sog. Bamberger Schürze. Die Mittelachse zur Nürnbergerstraße ist üppig hervorgehoben: Die Breite des mit kräftigen Profilen betonten Portals bestimmt die Ausladung eines mit Voluten verzierten Bildfeldes unter dem mittleren Fenster – hier ist ein Relief mit der Krönung Mariens eingesetzt. Dieses Fenster unterscheidet sich mit einer geschweiften Verdachung und ornamentalem Keilstein von den anderen Rahmungen. – Auch auf der Nordwestseite hat man im ersten Obergeschoss Platz für eine Figurennische gelassen. Sie ist allerdings kleiner und bescheidener ausgefallen als das Pendant über dem Eingang. Die dort vorgefundene, proportional zu klein geratene Muttergottesfigur gehört nicht gerade zu den Höhepunkten Bamberger Bildhauerkunst. Das gefällige Mansarddach war schon seit der Bauzeit zu Wohnzwecken ausgebaut, wofür gleich fünf originale Gauben sprechen. Die kaum einsehbaren Rückseiten des Anwesens zeigten die alltäglichen Wünsche und Nöte seiner Bewohner, denn hier hatten sie immer wieder anund umgebaut, um mehr Platz und Bequemlichkeit zu gewinnen. An erster Stelle sei hier der Lokomotivführer Sebastian Gummer genannt, der das Haus spätestens seit 1868 besaß und bis 1892 mehrfach veränderte. So ließ er – berufsbedingt? – schon 1885 ein Bad einbauen, seit 1888 gab es Aborte sogar im Mansardgeschoss. Einen 24

weiteren Umbau beauftragte 1901 der nächste Eigentümer, der Postbote Konrad Betz. Die straßenseitigen Fassaden hingegen beeindruckten sogar im verwahrlosten Zustand noch mit ihrer Steinmetzkunst und einer ungewöhnlichen Farbgebung: das Einzeldenkmal hatte sich über Jahre auf dem originalen Putz des Obergeschosses ein verblichenes und abblätterndes Grün bewahrt, ein Farbton, der in der Stadtlandschaft des Welterbes als historische Fassung des 18. Jahrhunderts bis 2011 nicht noch einmal nachgewiesen war. Umso größer war die Überraschung, als auch der Befundbericht eindeutig die grüne Erstfassung dokumentierte; die naturwissenschaftliche Analyse (Labor Drewello und Weißmann, Bamberg, 5.9.2012) konnte diese Farbigkeit bestätigen: Es handelt sich um das an Frankens Fassaden selten verwendete Pigment „Bayerische Grüne Erde“. Nachdem 2012/13 die mehrfach überschlemmten und stark geschädigten Sandsteinornamente gefestigt, freigelegt und teilweise auch erneuert waren, erhielt die Fassade wieder eine grüne Fassung. Verwendet wurde nach aufwendiger Bemusterung eine Silikatfarbe ohne organische Zusätze mit mineralischem Fixativ und das Pigment „Grüne Erde“. Aufwendig war die Festlegung auf einen handwerklichen Duktus und ein Erschei-

Dachwerk, während der Instandsetzungsarbeiten (Foto: Architekt Friedrich Staib, Würzburg)

nungsbild, das der ursprünglichen Kalkfassung möglichst nahe kam. Trotz der flächig erhaltenen originalen Putze schien es an der viel befahrenen Straße nicht angebracht, wieder mit Kalkfassung zu arbeiten. Suche nach Bauherr und Baujahr Wer war nun der Bauherr, der sich ein Haus mit aufwendigem Sandsteindekor und einer in die oberbayerische Hauslandschaft gehörenden grünen Fassung leistete? Das Haus wurde vor den Toren der Kernstadt errichtet auf einem Terrain, das der berühmte Bamberger Stadtplan des Karthographen Peter Zweidler 1602 noch nicht als Wohnviertel ausweist. Das Gelände gehörte zur Immunität St. Gangolf, lag aber vor dessen Tor und hatte als Nachbarschaft zunächst nur den sog. Katharinenhof. 1735 ist es erstmals erwähnt und war im Besitz der Maurer Paul Kiefer und K. Sandhuber. Ein Keller unter der westlichen Hälfte des Hauses lässt den Schluss zu, dass an dieser Stelle ein Vorgängerbau bestand, zu dem sich aber keine weiteren Hinweise finden ließen. Genau datiert werden konnten hingegen das Dachtragwerk und das innere konstruktive Fachwerkgerüst des Hauses. Die Erkenntnisse der Dendrochronologie erlauben es, die Entstehungsgeschichte zu präzisieren: Die wenigen datierbaren Weichholzbalken des Hauses (Sparren und Deckenbalken) stammen aus der Schlagphase 1779/80 (Bericht Georg Brütting, Bamberg, 3. 9. 2013); viele der verwendeten Balken stammen jedoch aus anderen baulichen Zusammenhängen. So war das Mansarddach nahezu vollständig aus zweitverwendeten Hölzern abgezimmert. Am kuriosesten erscheint ein verbauter Treppenholm, der durch die Aussparungen für die Trittstufen extrem geschwächt und statisch völlig unbrauchbar war. Eine Nachricht besagt, dass ein Steinmetz namens Johann Bauer das Haus 1786 übernommen hatte. Sollte er seine Fassade quasi als Visitenkarte ausgebildet und mit einem Musterkatalog an Ornamenten ausgestattet haben? Wollte er sich mit seinem eigenen Haus für weitere Aufträge empfehlen? Ornamentgeschichtlich stehen wir mit der Fassadendekoration auch im Hochstift

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Bamberg, Nürnberger Straße 2, nach der Instandsetzung (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 2014)

Bamberg in diesem Jahrzehnt schon im Klassizismus, von dem nicht nur die Ausstattung der Ebracher Klosterkirche ab 1778, sondern auch das eine oder andere Palais beredtes Zeugnis ablegt. Ungern nur gibt der Kunsthistoriker zu, dass das prächtige Anwesen 1780 eigentlich schon ein bisschen altmodisch war. Ein Schandfleck verschwindet Die Instandsetzung des Hauses durch die Welterbestiftung wurde in vielen Gesprächen mit der Stadt Bamberg und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege vorbereitet. Ziel war es, in allen Stockwerken Wohnungen einzurichten und auf die Laden-, bzw. Werkstattnutzung zu verzichten. Im Erdgeschoss mussten dafür die Schaufenster zur Nürnbergerstraße zugunsten der historischen Fenstergrößen zurückgebaut werden. Auch an der Rückseite bedurfte es zunächst des Rückbaus völlig verbrauchter, zumal kriegsgeschädigter Bausubstanz, bevor die

Kubatur in Anlehnung an das historische Vorbild, aber mit einer schönen Dachterrasse wiederhergestellt werden konnte. Die baulichen Eingriffe für den Anbau der Laube zu den Aborten hatten erhebliche statische Schäden bis in das Dach hinein verursacht. Die denkmalpflegerische Bilanz zum Erhalt der Substanz im Inneren kann immerhin auf die bauzeitlichen Grundrisse, größere Flächen historischer Putze und die Dielen im Flur des Obergeschosses verweisen. Aus den vorhandenen Grundrissen entstanden zwei kleine Appartements im Erdgeschoss, die links und rechts vom mittigen Flur liegen und vom Hof her erschlossen werden. Das Obergeschoss und die ausgebaute Mansarde sind zu einer großzügigen Wohnung mit Dachterrasse zusammengefasst, der Zugang über die noch immer steile Treppe erfolgt über das schöne Portal, das wir wohl dem Steinmetzen Johann Bauer verdanken. Im Herbst 2014 stand das prächtige Barockhaus kurz vor der

Fertigstellung. Am Tag des Offenen Denkmals drängten so viele Neugierige in das Anwesen, dass ein zweiter Besuchertag nötig war, um dem Ansturm gerecht zu werden, ohne die Wohnungen schon vor der Vermietung wieder restaurieren zu müssen. Eine Ampel gibt es vor dem Anwesen noch immer, sie wahrt nun aber etwas mehr Respekt und ist sensibler in den Straßenraum und vor die schöne grüne Fassade gesetzt. Die Stadt Bamberg nahm die gelungene Revitalisierung zum Anlass, auch das bauliche Umfeld rund um das Denkmal Nürnbergerstraße 2 neu zu gestalten. Bei „Rot“ kann man jetzt trefflich darüber sinnieren, wie es doch noch gelingen konnte, einen der letzten Schandflecken auf der strahlenden Weste des Welterbes zu beseitigen, um dann bei „Grün“ festzustellen, dass es grüner so schnell nicht mehr werden kann. Annette Faber 25

DENKMALFORSCHUNG

DENKMALFORSCHUNG Frühmittelalterliche Brunnenhölzer aus dem Isarraum Ein Promotionsvorhaben in Zusammenarbeit mit dem Dendrolabor des BLfD Ein Brunnen rauscht, im Rauschen spricht er still – Alfons Petzold, Gesang von Morgen bis Mittag, 1922 Voraussetzungen und Methode Trinkwasser ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für menschliches Leben, weswegen die meisten Siedlungen schon in vorindustrieller Zeit in der Nähe von Quellen, Flüssen oder Seen errichtet wurden. War dieser direkte Zugang verwehrt, wusste man sich durch das Anlegen von Brunnen, Zisternen o. Ä. zu helfen. Im Frühmittelalter verwandte man zur Errichtung eines Brunnens Holz, das meist in den umliegenden Wäldern geschlagen wurde. Viele dieser Bauwerke mussten bis zu 4 m unter den Laufhorizont gesetzt werden, um das Grundwasser zu erreichen. Diesem Umstand verdanken wir heute ein reichhaltiges Holzarchiv, denn das Wasser hat das vergängliche, organische Material unter Luftausschluss konserviert. Holz hat im Gegensatz zu Stein oder

Lehm gelebt. Ein Baum reagiert auf seine Umwelt und passt Gestalt und Wachstum den jeweiligen Gegebenheiten an. Diese Anpassung hat der Baum in seinen Jahrringen festgehalten, sodass uns Analysen dieser Muster ermöglichen, die Lebensbedingungen der Pflanze zu rekonstruieren. Die naturwissenschaftliche Methode der Dendrochronologie (Holzaltersdatierung durch Jahrringmessung) wird in der Archäologie schon seit einigen Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Ihr ist zu eigen, das Holz ohne seinen Kontext zu betrachten und nach seinen anatomischen Eigenschaften auszuwerten. Die interdisziplinäre dendroarchäologische Methode (in neuer Definition nach André Billamboz 1985) hingegen betrachtet zusätzlich archäologische Fundumstände, technomorphologische Aussagen, das verwendete Artenspektrum etc. und ermöglicht somit, das Informationspotenzial des Fundes maximal auszuschöpfen.

Plattling. Erhaltener Holzbrunnen in Blockbauweise (Foto: Firma Arcteam)

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Forschungsprojekt Isarraum Die Altsiedellandschaft im Einzugsgebiet der Isar, von der Münchner Schotterebene bis zur Isarmündung in die Donau, bietet ein reiches Archiv für eine Untersuchung dieser Art. Ein Nebeneffekt der regen Bautätigkeit in der Metropolregion München sind ausgedehnte archäologische Grabungen, die eine gute Quellenlage schaffen. Das Gebiet um Erding war zu früheren Zeiten eine weite Moorlandschaft mit feuchten Böden. Letzteres gilt auch für die Auen entlang der Isar; hier herrschen gute Erhaltungsbedingung für Organik. Da für eine umfassende Auswertung große Stückzahlen gebraucht werden, bietet dieses Gebiet eine optimale Ausgangsbasis. In einer geografisch-wirtschaftsarchäologischen Dissertation sollen die erhaltenen Hölzer mehrerer Siedlungen entlang der Isar in einem diachronen Zeitraum betrachtet werden. Die Arbeit beleuchtet vor allem zwei Aspekte: die Landschaftsnutzung (Waldnutzungsrekonstruktion) und die Weiterverwendung wie auch wirtschaftliche Verwertung der Ressource Holz. Ersteres ergibt sich aus einem Zusammenspiel geografisch-geologischer Vorarbeiten und der dendrologischen Analyse der Funde mit einem Abgleich archäobotanischer Ergebnisse. Das bereits in der Vorgeschichte besiedelte Gebiet erfuhr schon in vorigen Jahrzehnten eingehende wissenschaftliche Beachtung. So gibt es im Bayerischen Geschichtsatlas aus dem Jahr 1969 eine Kartierung der Wälder Bayerns im 6./7. Jahrhundert. Ebenso gibt es Bodenuntersuchungen, eine reichhaltige Siedlungsforschung, hydrologische Forschungen zum Gewässerverlauf und vieles mehr. Die meisten dieser älteren historischen Projekte basieren auf archivalischen Quellen sowie den bis dato getätigten archäologischen Ausgrabungen. Mit der den-

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Aschheim. Beispiel für Bearbeitungsspuren: Die Schlagfacetten eines Beils sind noch sehr gut erkennbar (Foto: Julia Weidemüller)

droarchäologischen Methode und vor allem der naturwissenschaftlich bezogenen Analyse soll ein anderes Licht auf diese Untersuchungen geworfen werden und mit neuen Ergebnissen ergänzt ein verfeinertes Bild der damaligen Waldlandschaft und ihrer Nutzung im Frühmittelalter entstehen. Genutzt wird dazu das reichhaltige Archiv des Dendrolabors des BLfD. Eigene Auswertungen sowie ältere Projekte von Franz Herzig werden im Zusammenspiel betrachtet und mit bestehenden archäobotanischen Untersuchungen abgeglichen, um daraus ein Rekonstruktionsmodell in den verschiedenen Zeitstufen zu entwickeln. Der zweite Aspekt unterteilt sich in eine technomorphologische Aufarbei-

tung, also eine genaue Untersuchung der einzelnen Hölzer sowie der Bautechniken. Dazu gehört vor allem die Analyse der Holzartenverwendung. Mit welchen Hölzern hat man gebaut, welche Arten hat man zur Reparatur verwendet und warum? Ebenso wird die Bearbeitung des Rohstoffs betrachtet. Wie wurde das Holz zugeschlagen, welchen Teil des Stammes hat man verwendet und wie steht dies im Zusammenhang mit der Waldnutzung? Schlussendlich werden die Typen der Brunnen verglichen: Welche Bauweise hat man benutzt, wie sind die Brunnen aufgebaut, wurden sie repariert oder überbaut oder gar nebenan neu aufgebaut? Dieser Fragenkatalog soll helfen, eine Typologie zu erstellen,

die genauere Aussagen zur zeitlichen Einordnung und Holzverwendung ermöglicht. Wichtig ist hierbei auch die Frage nach der Herkunft des Materials. Allgemein wird eine Herkunft aus umliegenden Wäldern vermutet, da weder Flößerei noch Drift aus dieser Zeit bekannt sind. Betrachtet man die schlechte Quellenlage, ist das aber nicht verwunderlich. Eine genauere Erforschung (dendrologisch und mit Isotopen) von Transportmöglichkeiten sowie der Provenienz soll klären, ob die Annahme bestätigt werden kann. Nach Abschluss aller praktischen Untersuchungen an den Hölzern befindet sich die Arbeit derzeit im Auswertungsstadium. Julia Weidemüller

Literatur Niels Bleicher: Altes Holz in neuem Licht. Berichte zu Ufer- und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands. V. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 83, Stuttgart 2009 Bernd Becker/André Billamboz u.a.: Dendrochronologie in der Ur- und Frühgeschichte. Die absolute Datierung von Pfahlbausiedlungen nördlich der Alpen im Jahrringkalender Mitteleuropas. Antiqua 11, Basel 1985

Siedlungen mit Holzerhaltung im Untersuchungsgebiet entlang der Isar (Karte: BayernViewer 2014)

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DENKMALFORSCHUNG

Die Mang’sche Wachsbleiche Aus der Kunstdenkmalinventarisation der Stadt Bamberg Wer sich aus der Bierseligkeit der bekannten Bamberger Wirtshäuser „Spezial“ oder „Fässla“ aufraffen kann und die Obere Königsstraße durch die schmale Letzengasse in Richtung Norden verlässt, wird nach nicht einmal hundert Metern auf eine Freifläche stoßen: die Reste der sogenannten Mang’schen Wachsbleiche. Denkmalgeschützt trotzt diese mit ihrer bedeutsamen Geschichte dem städtischen Getümmel und der zunehmenden Verdichtung. Wachsbleicherei und Rokokogarten mitten in der Stadt Die Mang’sche Wachsbleiche ist nach dem Bamberger Ratsherrn und Markgräflich-Bayreuther Kammerrat Johann Joseph Mang (1706–66) benannt, der in seinem Anwesen Obere Königstraße 13 eine Wachsbleicherei betrieben hat, die sich ab den 1740er Jahren weit in das von Oberer Königstraße, Tocklergasse, Färber- und Letzengasse gebildete Areal ausdehnte und den Charakter eines stadtbekannten Repräsentationsgartens mit Skulpturen und Lustgebäude erlangte, „von vielen Tausenden, so fremd als einheimische Personen, so zu dessen Besichtigung dahin gekommen, biß hieher bewundert ...“ Nach Abschluss der Bearbeitung der eben genannten Straßen im Rahmen der Kunstdenkmalinventarisation konnten wesentliche Erkenntnisse zur Bewertung des ehemaligen Repräsentationsgartens gewonnen werden, hier in Auszügen referiert. Der Mutschele-Plan als Quelle Als Quelle für alle bisherigen Interpretationen und Spekulationen diente ein um 1755 datierter, heute im Hauptstaatsarchiv München aufbewahrter Grundrissplan, gezeichnet von dem Bamberger Bildhauer Bonaventura Joseph Mutschele (1728–78/83). Der mit einer Legende versehene Plan ließ darauf schließen, dass es sich bei der Mang’schen Wachsbleiche um ein etwa 40 Meter breites und 270 m langes Grundstück handelte, das aus einem repräsentativen Stadtpalais an der Oberen Königstraße (früher Steinweg genannt) und einem sich nach Norden hin 28

Bamberg, Obere Königstraße 13. Das Wohnhaus des Ratsherrn und Wachsbleichers Johann Joseph Mang (Foto: Volker Rößner)

anschließenden, weitläufigen Garten bestand, der bis zu der Spitze reichte, an der heute Färbergasse und Mittelstraße aufeinandertreffen. Das wesentliche Gestaltungselement des Gartens waren große flache, rechteckige Holzkästen mit eingelegten Bleichtüchern, auf denen das gereinigte und in flache Tafelscheiben gebrachte, braun-gelbliche Bienenwachs zu hellem, möglichst weißem Kerzenwachs gebleicht werden sollte. Diese Kästen ruhten auf Steinsockeln, von denen im Jahr 2000 noch einige auf dem Kernanwesen Obere Königstraße 13 erhalten waren. Dem Plan nach waren 348 Bleichkästen in zwei großen Rechteckrasterfeldern, den sogenannten Bleichparterres, aufgestellt. Umgeben waren diese rein zur Wachsproduktion dienenden Kästen jedoch von Skulpturen, Broderieparterren, Traillagen und sonstigem Beiwerk eines zeitgenössischen Repräsentationsgartens. Seitlich soll das Ganze von Betriebsgebäuden

und Lustbauten gerahmt worden sein. Diesen Plan in Frage zu stellen, erübrigte sich für die bisherige Forschung wohl vor allem durch dessen Beschriftung. Er diente nämlich 1756 als Lageplan für einen Gerichtsprozess zwischen Johann Joseph Mang und den angrenzenden Gärtnern und wurde vermutlich von Mang zur Veranschaulichung eingereicht. Sowohl die Planlegende als auch der Schriftwechsel mit dem Reichskammergericht in Wetzlar lassen den Schluss zu, dass es sich um eine detailgenaue Bestandsaufnahme handelt. So heißt es in einem Anschreiben an den Richter: „Es besitzet nehmlichen der Appellantische Principal (= Ratsherrr Mang, V.R.) zu Bamberg, in der dasiegen Steinweeger Haubt Strassen einen ... häußlichen Haupt- und Nebenbau, wie solches der, Sub lit A anliegende Grund Riß ... zeiget“. Die Ergebnisse der Inventarisation aber sagen anderes aus.

DENKMALFORSCHUNG Das Stadtpalais des Ratsherrn Mang – reine Fiktion! Ob man die Justizbehörden des 18. Jahrhunderts mit dem prächtigen Plan und den schwammigen Erläuterungen beeinflussen konnte, sei dahingestellt, Fakt ist, dass es das von Mutschele gezeichnete Stadtpalais nicht gab! Überhaupt war der südliche Bereich des Areals, also die Fläche an der Oberen Königstraße wohl nie in dem Maße kunstgärtnerisch gestaltet, wie es der Plan vermitteln will. Dies lag an der Grundstückssituation, wie die Auswertung von Zinsbüchern ergab: Während Johann Joseph Mang das Anwesen Obere Königstraße 13 in den 1740er Jahren

Grundriss der Mang’schen Wachsbleiche, gezeichnet von Bonaventura Joseph Mutschele, um 1755 (Plan: BayHStA Planslg. 10321 und 10322)

von einem bisher nicht näher greifbaren Vorfahren, namens Johann Michael Mang übernehmen konnte und dort auch bis zu seinem Tode 1766 lebte, war ihm der Erwerb der benachbarten Grundstücke, die er zur Verwirklichung seines Stadtpalais gebraucht hätte, nur nach und nach möglich. Das östlich angrenzende Grundstück, heute Anwesen Obere Königstraße 15, bestand bis zum Kauf durch Mang aus zwei Grundstücken, die dem Stift St. Gangolf und dem Dominikanerkloster zinspflichtig waren. Bei den Dominikanern heißt es im Lehensbuch des 18. Jahrhunderts zu beiden Grundstücken und dessen Besitzer:

„H[err] Mang Wachsbleicher und rathsherr, so es zu garten gemacht“. Das darauffolgende Anwesen Obere Königstraße 17 wurde von Mang ebenfalls erworben, aber nicht abgebrochen, denn das dortige Haus im Fassadenkleid des späten 18. Jahrhunderts stammt im Kern aus der Zeit um 1530/50. Es überlebte die Mang’sche Zeit und ist bis heute ein Beleg dafür, dass die 1756 vor dem Reichskammergericht in Wetzlar gemachten Angaben des Bamberger Ratsherrn schlichtweg gelogen waren, als er in seinem Prozess gegen die Gärtnergemeinde vorgab, er besitze ein großes, bis zur Letzengasse sich erstre-

Lageplan mit Ergebnissen der Kunstdenkmalinventarisation, Stand 2014 (Zeichnung: Volker Rößner)

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DENKMALFORSCHUNG

Rot: Das Grundstück des Wagnermeisters Krug, heute Obere Königstraße 19, das Mang nicht erwerben konnte. Darunter die Ausdehnung des geplanten Palais nach dem Mutschele-Plan von 1755 (Montage: Volker Rößner)

Obere Königstraße 13. Steinsockel mit Nuten für die Holzlatten der Bleichkästen (Foto: Arnold Kreisel, 2000)

ckendes Palais am Steinweg. Schließlich konnte der Wachsbleicher 1761 auch das ebenfalls aus ehemals zwei Einzellehen bestehende, heute mit einem jüngeren Haus bebaute Eckgrundstück Obere Königstraße 21, das heutige „Fässla“, erwerben. Der Grund jedoch, warum das Stadtpalais nicht zur Ausführung kam, ist im Anwesen Obere Königstraße 19 zu suchen. In Nr. 19 lebte im 18. Jahrhundert eine das Wagnerhandwerk ausübende Familie Krug, und diese ist in den Lehensbüchern auch durchgehend

als Lehensträger nachweisbar. Diese Familie hatte demnach nicht an Mang verkauft und damit die großspurigen Pläne vereitelt. Zeugnis von Pracht – das südliche Bleichparterre Doch es wäre weit gefehlt, die ehrgeizigen Pläne des Ratsherrn Mang generell anzuzweifeln, denn im Gegensatz zu dem Vision gebliebenen Palais wurde das sich hinter den bebauten Flächen der Oberen Königstraße erstreckende

Das sogenannte „Mangschlösschen“ oder „der Mangshof“ in einer Zeichnung des Heimatforschers Christian Pfau von 1920 (Quelle: Stadtarchiv Bamberg, D 2072, Nr. 121)

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südliche Bleichparterre weitgehend so ausgeführt, wie es der Mutschele-Plan von 1755 zeigt. Wohl sehr bald nach 1740 wurde dieser Teil der Wachsbleiche mit einer Mauer umfasst und an der Süd- , West- und Nordseite von Werkstätten und Lustbauten eingerahmt. Den Auftakt des Bleichparterres bildeten im Süden zwei Pavillons „zu verschidener Arbeit in der innern Bleich“. Der westliche Pavillon ist heute nicht mehr vorhanden. Sein Pendant im Osten an der Letzengasse muss bereits um 1770 von der Witwe Mang zusammen mit dem Grundstück Obere Königstraße 15 verkauft worden sein. Doch noch 1809 wurde das Gebäude als „einstöckiges Gartenhaüslein“ bezeichnet und gehörte damals dem Schuster Friedrich Wetzel. Dieser Pavillon existiert im Kern des Hauses Letzengasse 1 bis in unsere Zeit. Bedeutender im Erhaltungszustand ist die westliche und nördliche Bebauung. An der westlichen Seite errichtete Johann Joseph Mang zwei Gebäude, einen Wirtschaftsteil im Süden und im Norden das sogenannte „Mangschlösschen“, die heutigen Adressen Letzengasse 3 und Tocklergasse 37. Sie sind in den Grundmauern noch vorhanden. Dass beide ehemals mit Mansarddächern überfangen waren, lässt sich nur noch am nördlichsten Teil ablesen. Im Norden des Parterres schlossen „zwey fein angelegte Pavillion“ und „zwey Glaßhäuser“ das Grundstück ab. Die Reste davon sind heute auf dem Anwesen Letzengasse 5 zu finden. In einem Kaufvertrag von 1786, abgeschlossen zwischen der Witwe Mang und dem Gärtner Sebastian Merklein, wurden diese Bauten als „Nebengebäu-

DENKMALFORSCHUNG

Baueingabeplan zum Anwesen Letzengasse 3. Mansarddach und Zwerchhaus vor dem Mittelpavillon des Mangschlösschens wurde 1926/27 durch ein Satteldach mit Kniestock ersetzt. Nur noch ganz im Norden ist es auf dem heutigen Anwesen Tocklergasse 37 erhalten (Quelle: Städtische Aktenregistratur Bamberg VI P, Bauakte Letzengasse 3)

de, einer Kapellen gleichend, die zweÿ Glaßhaüsern, und das Garten-Salet, an das Nonnengässlein stosend“ aufgelistet. Der nordwestliche, „einer Kapelle gleichend[e]“ und mit seinem Schweifgiebel an die Formensprache des Bamberger Architekten Johann Jakob Michael Küchel erinnernde Pavillon ist mit einem Deckenfresko ausgemalt worden, eine Maria-Himmelfahrt-Darstellung. Wie eine in den 1990er Jahren durchgeführte Befunduntersuchung ergab (Büro Spitzner, Bamberg), wurde der nordöstliche Pavillon 1786 zu dem heutigen Wohnhaus Letzengasse 5 erweitert und mit einem neuen Dach ver-

sehen. Von den zwischen den Pavillons befindlichen, später als Wirtschaftsgebäude genutzten und durch einen Brand im April 1934 nochmals stark geschädigten Glashäusern sind leider nur spärliche Mauerreste erhalten. Das nördliche Bleichparterre Dass die Mang’sche Wachsbleiche weitgehend die im Plan von 1755 angegebenen Ausmaße erreicht hatte, also tatsächlich bis zur Färbergasse reichte, ist ebenfalls archivalisch belegbar. Nur in der Breite war die Ausdehnung geringer. So wurde zwar das nördliche Bleichparterre als solches genutzt, je-

doch kamen die rechts an der Letzengasse sich erstreckenden „Häuser zur Economie“ niemals zur Ausführung. Unklar ist auch, inwieweit das den nördlichen Abschluss bildende „Saalet“ oder das Heckentheater realisiert worden waren. Die Witwe Mang behielt dieses nördliche Bleichparterre bis 1788, also noch zwei Jahre länger als das südliche. Wohl aus Altersgründen – sie verkaufte ihr Wohnhaus an der Oberen Königstraße im Juli 1787 – trennte sie sich im September 1788 von ihrem letzten großen Garten. Gärtnermeister Johann Beßler erwarb das Grundstück und machte es wieder zum traditionellen Gartenfeld. Der Kaufvertrag nennt keine Besonderheiten, die Rückschlüsse auf die Gestaltung zulassen. Zeugnisse der Kunst Mutscheles und Anwanders Aufmerksam wurde man 1994 bei der Sanierung des Anwesens Letzengasse 5. Ein männlicher Torso von außerordentlicher Qualität, der ganz offensichtlich aus dem Mang’schen Garten stammt und dem mit Mang freundschaftlich verbundenen Bildhauer Bonaventura Joseph Mutschele zugeschrieben werden kann, kam neben anderen Skulpturenfragmenten bei Fundamentarbeiten auf dem Anwesen zum Vorschein.

Letzengasse 5. Darstellung der Himmelfahrt Mariens im Gewölbe des nordwestlichen Gartenpavillons. Rechts auf dem Obelisken ist das Wappen der Malerzunft zu sehen. Steht das seitliche Initial „A“ für „Anwander“? (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 2013)

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DENKMALFORSCHUNG

Skulpturentorso einer männlichen Figur, vermutlich von Bonaventura Joseph Mutschele um 1750/60. Gefunden 1995 im Fundament der nördlichen Begrenzungsmauer des Anwesens Letzengasse 5 (Foto: BLfD)

Der Fund bestätigte ein Schriftstück aus dem Jahr 1768, das von 71 Skulpturen im Mang’schen Garten berichtet, um einen sichtbaren, greifbaren Beweis. Nach dem Tod ihres Gatten bot die Witwe Mang die Parkfiguren zum Verkauf an, wodurch sie in alle Winde verstreut wurden – ein Teil davon soll nach Nürnberg verkauft worden sein. Die offensichtlich im Garten verbliebene, vielleicht schon damals zerbrochene Figur, wurde dann wohl 1786 nach dem Verkauf des Grundstücks an den Gärtner Merklein zum Fundamentbrocken zweckentfremdet. Den Torso brachte man nach seiner Bergung in das Schloss Seehof zur Restaurierung in den Amtswerkstätten des BLfD. Noch vor Ort zu bestaunen und vor kurzem restauriert ist der sogenannte Himmelfahrtspavillon, der seinen Namen durch das im Inneren befindliche Deckenfresko mit der Darstellung der Himmelfahrt Mariens erhielt. 1745 dendrodatiert, wurde der Pavillon wohl in seiner heutigen Form erst zehn Jahre später ausgemalt. Obwohl schon Joachim Heinrich Jäck im Jahr 1821 die Zuschreibung des Deckenbildes an den Maler Johann Anwander vorgenommen hatte, sind immer wieder Zweifel aufgekommen, nach Meinung des Verfassers jedoch unbegründet, denn es gilt Folgendes zu bedenken: Unzweifelhaft

soll Ratsherr Johann Joseph Mang 1755 die Bemalung des Bamberger Rathauses vorfinanziert haben. Unzweifelhaft arbeiteten dort die Künstler Bonaventura Joseph Mutschele und Johann Anwander aus Lauingen an der Donau. Die kleine, bisher nur in einer Fußnote erwähnte Tatsache, dass Mangs Bruder Anton in Lauingen Taufpate von Anwanders Kindern war und der Maler den Bamberger Mang als „Herr Vötter“, also als Vetter, betitelte, scheint eindeutiger Beleg für die Verbundenheit des Künstlers mit dem Ratsherrn. Wieso sollte Mang, der offensichtlich den Rathausauftrag für Anwander eingefädelt hatte, bei seinen eigenen Gebäuden einen anderen Freskomaler heranziehen? Es kann sogar vermutet werden, dass Anwander während der Arbeiten am Rathaus bei Mang in der Oberen Königstraße wohnte und sich mit der Arbeit für die Gastfreundschaft revanchierte. So dürfte die bereits von Reinhard Gutbier geäußerte Vermutung, dass es sich bei dem Wappen auf dem Obelisken in der Nordostecke des Freskos um das der Malerzunft handelt und der zur Seite gestellte Buchstabe „A“ als Teil der Initialen Johann Anwanders zu lesen sei, voll und ganz zutreffen. Volker Rößner

Café Dillighaus in Scheßlitz – schönstes Fachwerkhaus im Regnitzland Ehem. Gastwirtschaft „Zum Einhorn“ und Zunfthaus der Büttner und Brauer An der Hauptverbindungsstraße von Bamberg nach Hof und Böhmen gelegen, wird die wohl auf slawische Ursprünge zurückgehende Siedlung Scheheslize bereits in karolingischer Zeit genannt. Das Stadtrecht mit Ummauerung erhielt Scheßlitz im 14. Jahrhundert. Im Dreißigjährigen Krieg teilweise abgebrannt, entwickelte sich die Wirtschaft in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts aber so dynamisch, dass schon wenig Jahrzehnte später in Scheßlitz im heutigen Landkreis Bamberg – zahlreiche prächtige Bürgerhäuser entstanden, darunter auch das „als schönstes Fachwerkhaus des Regnitzlandes geltende Dillinsche Haus“ (Wolfram von Erffa). 32

Als privilegiertes Bürgerbesitztum an der die Stadt durchquerenden Hauptstraße gelegen (Haus Nr. 33), bestand es aus zwei Hofteilen, die der Zimmermann und Wagner Georg Ehrnbeich († 1720) 1692 zusammenfassen und neu erbauen ließ. Das Anwesen hätte der Bauherr wohl auch selber errichten können, doch für das repräsentative zweigeschossige, gegen die Straße traufständig orientierte Haupthaus zog er einen renommierten Zunftkollegen hinzu, den Zimmermeister Jörg Hoffmann aus Zeil am Main. Auch das heute so genannte Dillig-Haus besitzt, wie es für Hoffmanns Bauten typisch ist, ein steinernes Erd-

geschoss, nur das Obergeschoss mit seinem zentral angeordneten und mit einer Zwiebelhaube gedeckten Erker wurde in Fachwerk errichtet. Die ehemals rundbogige Einfahrt zum Hof zur Erschließung der Nebenund Wirtschaftsgebäude ist, vielleicht auf ältere Bauteile Rücksicht nehmend, aus der Fassadenmitte gerückt. Diese Asymmetrie mit dem versetzt daneben platzierten, die Fassade akzentuierenden Erker kommt der malerischen Wirkung der Anlage aber eher entgegen. Das aus sieben Fensterachsen aufgebaute Obergeschoss zeigt ungewöhnlich reiches Zierfachwerk. Sind den Eckständern aufwendig gearbeitete ge-

DENKMALFORSCHUNG

Scheßlitz, Lkr. Bamberg; Hauptstraße 33, Café Dillig-Haus (Alle Fotos: BLfD, Michael Forstner, 2014)

wundene Dreiviertelsäulen mit Männerköpfen aufgelegt, zeigen die übrigen Ständer stark gebuste Halbsäulen mit korinthisierenden Kapitellen. Die mit Holztafeln gefüllten Brüstungsfelder besitzen stark plastischen Schmuck und zeigen Fratzengesichter, über dem Tor Fruchtkränze und am Erker mit einem Hund, einem Bären und einem Pferd Tierreliefs. An der Ostseite ist in einer kleinen Heiligennische mit der Skulptur des hl. Laurentius der Schutzpatron der Bierbrauer, Köche und Wirte

dargestellt. Am Schwellbalken hat sich Jörg Hoffmann mit seinen Initialen verewigt „IHZ 1692 VZ“ = Iörg Hoffmann Zimmermeister von Zeil. Bei dem großen, schon zur Erbauungszeit vorhandenen und durch den Erker auch baulich hervorgehobenen, seit dem 19. Jahrhundert aber durch leichte Trennwände unterteilten Saal des Obergeschosses mit einer weit gespannten, von einem Unterzug gestützten Decke, handelt sich ganz offenbar um einen Versammlungsraum. Dies

Teil der Fassade mit reichem Zierfachwerk, Skulptur des hl. Laurentius und Wirtshausausleger

Detail der Brüstung mit Fratze

gibt Anlass zur Vermutung, dass das Anwesen schon immer auch als Gaststätte genutzt wurde. Belegt ist dies aber erst für den Nachkommen des Erbauers, dessen Sohn Lorenz Ehrnbeich, der neben seinem Zimmerer- und Wagnerhandwerksbetrieb auch eine Gastwirtschaft führte. Nachdem das Anwesen 1774 durch Heirat an den Metzger und Bürgermeistersohn Johannes Aschenbrenner kam, waren jedenfalls nachweislich alle Besitzer auch Wirte. Matthäus Dillig, dessen Vater 1849 in die Familie einheiratete und dem Anwesen seinen noch heute gebräuchlichen Namen gab, ließ 1880 sogar im Hof ein nicht mehr existierendes Brauhaus er33

DENKMALFORSCHUNG

Dillig-Haus, Fassade zur Straßenseite

richten. Es ist sicher kein Zufall, dass damals die im Dillig-Haus geführte Brauerei und Gastwirtschaft „Zum Einhorn“ auch die städtische Zunftkneipe der Büttner und Brauer gewesen ist. Jörg Hoffmann, um 1660 in Kirchlauter geboren und 1751 in Zeil am Main verstorben, gehört zu den wichtigsten Zimmermeistern seiner Zeit in Franken. Er diente zunächst als Dragoner im Regiment des fränkischen Reichskreises. 1680 beantragte er das Zeiler Bürgerrecht und ist dort vermutlich von dem Zimmermann Hans Weltz ausgebildet worden. Alle nachweislich von ihm er-

Fachwerkwand im Obergeschoss

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richteten Bauten besitzen die erwähnten Bauelemente, ein steinernes Erdgeschoss und darüber reich verziertes Fachwerk. Für ihn bezeichnend sind auch stark gebuste oder gewundene Halbsäulen auf den Holzständern und Brüstungsfelder mit geschnitzten Relieftafeln. Indem Jörg Hoffmann das originär flächenhafte Zierfachwerk immer stärker mit plastischem Dekor reliefartig durchsetzte, erreichte er eine nicht mehr zu steigernde dekorative Wirkung. Stilistisch fußt er noch auf den Formen der deutschen Renaissance des frühen 17. Jahrhunderts, die er zuneh-

mend mit barocken Formen durchsetzte und so eine eigenständige Architektursprache im Fachwerkbau entwickelte. Zu seinem nachgewiesenen Œuvre gehört neben dem Scheßlitzer DilligHaus das berühmte, in seinem Oberbau zu den bedeutendsten Leistungen fränkischer Zimmermannskunst gehörende, 1689 bis 1690 unter Einbeziehen älterer Bauteile entstandene Rathaus in Burgkunstadt und das Bürgerhaus in der Hauptstraße 3 in Zeil a. M., das er für den Gastwirt Hans Georg Popp 1689 errichtete. Zu nennen ist weiter das berühmte, von zwei in Relief geschnitzten Landsknechten flankierte Tor in Baunach von 1710, das heute als Torso versetzt ist und einst in den Hof eines ehem. Amtshauses in der Baunacher Überkumstraße 48 führte. Schon zu seinem Spätwerk gehört das inschriftlich auf 1733 datierte sog. Uhrmacherhaus in der Marienstraße 36 in Königsberg i. Franken. Leider ist von keinem dieser Häuser bekannt, wie man sich deren ursprüngliche Farbigkeit vorstellen darf. Dass die reichen Holzschnitzereien farbig gefasst und dadurch die einzelnen Formen auch optisch klar voneinander abgesetzt waren, ist sicher anzunehmen. Lediglich die sorgfältige Rechnungsführung in Burgkunstadt gibt einen bescheidenen Hinweis: Jörg Hoffmann verarbeitete Unmengen von Tierfett

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und Talg, wahrscheinlich, um das Holz widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüssen zu machen. Der allgemein gute Erhaltungszustand seiner Bauten deutet an, dass es anscheinend eine nachhaltige Konservierungsmethode gewesen ist. Das Fachwerk des Scheß-

litzer „Dillig-Hauses“ wurde im Jahre 1971 mit einer monochromen Gelbockerfassung versehen. Befunduntersuchungen am gründlich gereinigten Fachwerk hatten damals keinen Hinweis auf das ursprüngliche Aussehen ergeben. Die heutige Fassung des re-

präsentativen Bürgerhauses kann aber jene mutmaßlich aufsehenerregende farbige Wirkung, die ganz wesentlich zur Architektursprache gehört hat, leider nicht mehr vermitteln. Christian Dümler

Biergärten in Bayern – Baudenkmäler für die Sommermonate Der Biergarten als Ort des Biergenusses ist vermutlich so alt wie die menschliche Zivilisation. Vielleicht haben ja schon die Sumerer das im fruchtbaren Halbmond erfundene Bier vor rund 6000 Jahren an den Ufern von Euphrat und Tigris unter Palmwedeln genossen? In Bayern fällt das Aufkommen der Biergärten im heutigen Verständnis in das 18. Jahrhundert. Der Biergarten ist, historisch betrachtet, eine Weiterentwicklung des Bierkellers, dessen Wurzeln im Mittelalter liegen, in einer Zeit, als man das Bier hierzulande noch ausschließlich auf die untergärige Art

braute. Das dem heutigen Dunklen vergleichbare Bier konnte damals nur bei Temperaturen von rund 8–14 °C gebraut werden. Um zu verhindern, dass das Bier verdarb, erließ der bayerische Herzog Albrecht  V. 1553 eine landesweite Verordnung, die das Bierbrauen auf die kühle Jahreszeit zwischen Michaeli und Georgi beschränkte, also auf die Wintermonate zwischen 29. September und 23. April. Um trotzdem möglichst lange in die heiße Jahreszeit hinein nicht auf den kühlenden Trank verzichten zu müssen, behalf man sich mit zweierlei Maßnahmen: Erstens braute man das

Bier ab März möglichst stark ein – weil dadurch haltbarer – und zweitens verschaffte man sich für dieses sog. Märzenbier möglichst kühle Lagerräume, eben die zum Teil tief in die Felsen gehauenen Bierkeller. Zu den ältesten und zugleich eindrucksvollsten Bierkühlanlagen dieser Art gehören das weitverzweigte Felsenkellersystem in Schwandorf, das im späten 14. Jahrhundert angelegt wurde, sowie die ungefähr gleichzeitig entstandenen Felsenkeller unter der Reichsstadt Nürnberg. Die Bierkeller der Frühzeit befanden sich zunächst innerhalb der Stadt. Erst

Sommerkeller am Erlanger Burgberg, rechts Kellerhäuschen des Tucherbräus, 2. Hälfte 18. Jh. (Foto: BLfD, Alexander Oberlechner)

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des 18./frühen 19. Jahrhunderts sitzend – den sommerlichen Bierausschank in Anspruch nehmen. Für den einstmals ebenfalls dichten Sommerkellerbestand in Bamberg – hier hatte sich der Bereich des Oberen Stephansberges als Lagerund Trinkzentrum etabliert – ist der 1795 eröffnete und noch heute bewirtschaftete Wilde-Rose-Keller samt 1873 errichtetem Musikpavillon ein denkmalwürdiges und als solches auf das Schönste erlebbares Beispiel. Auch in Regensburg, wo die verstärkte Bautätigkeit von Bierkellern Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts eingesetzt hatte, haben sich mit dem 1836 gegründeten Kneitinger Keller am Galgenberg und dem in den Hängen nördlich von Stadtamhof gelegenen Spitalkeller funktionstüchtige Beispiele für Kelleranlagen aus der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts erhalten.

Max Liebermann, „Münchner Biergarten“, Ölgemälde, 1884 (München, Neue Pinakothek)

die mit Beginn des 18. Jahrhunderts einsetzende Bevölkerungszunahme und der dadurch bedingte Entwicklungsschritt des bayerischen Brauwesens vom handwerklichen Kleinbetrieb zum vorindustriellen Großgewerbe veranlassten die Bierbrauer, die Enge der Stadt zu verlassen und neue Bierkeller außerhalb der Stadtmauern anzulegen. Für München fällt die erste Erwähnung eines derartigen, außerhalb der Stadt gelegenen Bierkellers in das Jahr 1728. Zu einem regelrechten KellerbauBoom kam es dann in den folgenden Jahrzehnten, in denen, im Bereich des Gasteigs am östlichen Isarhochufer, bis Mitte des 19. Jahrhunderts rund 50 dieser Kelleranlagen entstanden. Einer der 36

vielleicht schönsten Münchner Biergärten aus jener Zeit ist der an der Hangkante im Westen der Altstadt gelegene, 1812 erstmals erwähnte AugustinerKeller unweit des Hauptbahnhofes. Auch in anderen bayerischen Großstädten war die rasante Ausbreitung von Sommerkellern im Laufe des 19. Jahrhunderts zu beobachten. In Erlangen zum Beispiel betrieben Mitte des 19. Jahrhunderts im Bereich des Burgberges, dem heutigen Schauplatz der berühmten, alljährlich um Pfingsten abgehaltenen Erlanger Bergkirchweih, 16 Brauereien ihre Sommerkeller. In sieben von ihnen kann der kulturbewusste Durstige noch heute – zum Teil zwischen historischen Kellerhäuschen

Biergartenverordnung 1812 Auf den Bier- und Lagerkellern war der Verschleiß, also Verkauf, des in der Tiefe lagernden Bieres in kleinen Mengen zunächst verboten. Lediglich den Wirten als Großkunden war es erlaubt, das Bier, das sie für ihre eigene Wirtschaft brauchten, in großen Fässern direkt beim Keller abzuholen. Festgehalten wurde dieses Verbot u.  a. in einer kurfürstlichen Verordnung von 1773, in der es hieß, kein Bierbrauer dürfe auf seinem Keller „das Bier in Minuto oder Maßweis, sondern nur allein dessen habenden Geywirten und niemand Anderm im Großen oder Fäßlweis verkaufen.“ Da sich die Bierbrauer von den behördlichen Reglementierungen offensichtlich in keiner Weise von ihrem Bierausschank auf dem Keller abhalten ließen, kam es 1812 zu einem wegweisenden Kompromiss: Am 4. Januar jenes Jahres erließ König Max I. Joseph die sog. Biergartenverordnung, die als Geburtsurkunde des Bayerischen Biergartens gilt. In der Verordnung heißt es, „Seine Majestät der König bewilligen, daß die hiesigen Bierbräuer auf ihren eigenen Merzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Merzenbier in minuto verschleißen und ihre Gäste dortselbst mit Bier u. Brod bedienen. Das Abreichen von Speisen und andern Getränken bleibt ihnen aber ausdrücklich verboten.“

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Damit war eine klare Trennung gezogen zwischen einem Biergarten auf dem Keller – auch als Sommerkeller bezeichnet – und einem Wirtsgarten, in dem – im Unterschied zum Biergarten – neben dem Bier auch Wein und alle Arten von Speisen angeboten werden durften. Prägende Elemente eines Biergartens Zu den wesentlichen Elementen des Biergartens gehören die Bäume. Der Biergartenbaum schlechthin ist die Rosskastanie. Dieser Baum war ursprünglich in den Mittelgebirgen Griechenlands, in Albanien und in Mazedonien beheimatet; nach Mitteleuropa kam er durch den niederländischen Botaniker Carolus Clusius, der 1576 im Auftrag Kaiser Maximilians  II. im Botanischen Garten in Wien die Samen einer Rosskastanie aus Konstantinopel pflanzte. Dass die Kastanie als Schattenspender für das tief im Keller lagernde Bier gepflanzt wurde, ist allerdings ein Trugschluss. Die kühlende Wirkung ihres Schattens reicht maximal bis zu einer Tiefe von 40 cm, während das Gewölbe eines Bierkellers in der Regel erst ein paar Meter unter dem Erdreich beginnt. Als Schattenspender für die Biergartenbesucher ist die Kastanie wegen ihrer großen Blätter dagegen ideal geeignet. Und auch ihre Eigenschaft als Flachwurzler prädestiniert sie für die Bierkellerbepflanzung, wird doch dadurch

die ansonsten zerstörerische Wirkung der Baumwurzeln auf das im Erdreich liegende Mauerwerk verhindert. Neben dem Blätterdach der Kastanien ist die Beschaffenheit des Bodens für das Erscheinungsbild des Biergartens von entscheidender Bedeutung. Der Kies ist in diesem Zusammenhang eine unbedingte conditio sine qua non. Nur ein solcher fein aufgeschütteter Boden sorgt für das vertraute Knirschen und damit bereits beim Gang von der Schänke zum Biertisch für das authentische Biergartengefühl. Das Biergartenmobiliar besteht ausschließlich aus einfachen Tischen und zugehöriger Bestuhlung, in der Regel eine lehnenlose Bank; sonstige Zutaten wie Menagerien, Blumenbuketts, Tischdecken u. ä. gehören auf keinen Fall in den Biergarten. Auf dem Tisch stehen ausschließlich Maßkrüge, kleinere Gläser würden den optischen Gesamteindruck empfindlich stören. Aus dem in der Verordnung von 1812 ausdrücklich festgeschriebenem Verbot für die Bierbrauer, neben ihrem Bier auch Speisen zu verkaufen, entwickelte sich rasch die bis heute gültige Tradition, eigene Speisen mitzubringen. Nur in diesem Zusammenhang ist es erlaubt, seine eigene Tischdecke auszubreiten, und auch das eigene Besteck, die eigenen Servietten und die eigenen Salz- und Pfefferstreuer sind durchaus angebracht.

Max Luber, „Der Augustinerkeller“, Öl auf Leinwand, um 1910 (Foto: Augustiner-Bräu Wagner KG)

Das Publikum im Biergarten zeichnet sich dadurch aus, dass es keinerlei Gesellschaftsschicht zuzuordnen, sondern im Gegenteil durch seine starke Durchmischung auffällig ist. Unzählig sind die literarischen Beschreibungen des Biergartenpublikums vom 19. Jahrhundert bis heute, und alle stellen sie es als die auffälligste Besonderheit heraus, dass hier der Staatsdiener neben dem Tagelöhner, der Professor neben dem Studenten, der Offizier neben dem Freigeist, der Arme neben dem Reichen und der Auswärtige neben dem Einheimischen sitzt. Eine der vielleicht schönsten bildlichen Darstellungen zum Thema schuf 1884 der Berliner Maler Max Liebermann. Das Ölgemälde mit dem Titel „Münchner Biergarten“, seit 1986 in der Neuen Pinakothek in München, zeigt in dicht gedrängter Form ein solches Biergartenpublikum. Vom Maler bewusst in den Vordergrund gerückt, fallen zunächst die Frauen – vom Kindermädchen über die bürgerliche Dame mit Sonnenschirm bis hin zur alten Frau mit Kopftuch – und die Kinder auf. Frauen und gerade auch Kinder hatten von Anfang an einen wesentlichen Anteil am Biergartenpublikum. Auffällig war in der Tat gerade die Anwesenheit zahlreicher Kinder, für die bereits frühzeitig eigene Spielplätze eingerichtet wurden. Der aufmerksame Beobachter Jules Huret, Journalist aus Paris, notierte hierzu bereits 1906: „Fast in allen diesen Gärten ist ein Platz mit Schaukeln, Reck, Barren und Trapez für die Kinder vorbehalten. Manchmal gesellen sich die Eltern hinzu, um sich an ihren Spielen zu beteiligen.“ Erfolgsgeschichte des Biergartens Heute gehört der Biergarten zum Inbegriff des Bayernklischees. Es gibt wohl keine Werbebroschüre bayerischer Fremdenverkehrsämter und keine Dokumentation über die Besonderheiten des Freistaats, die ohne Hochglanzbilder mit Biergarten auskämen. In diesem Punkt sind sich Juristen und Historiker einig: Als es in München in den 1990er Jahren zu gravierenden Auseinandersetzungen bezüglich der Öffnungszeiten kam, fiel das Urteil der Richter durchaus im Sinne des Biergartens aus. In der Urteils37

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begründung stellte das Gericht fest: „Biergärten erfreuen sich in Bayern als traditionelle Einrichtungen allgemein großer Wertschätzung und sind in Folge ihrer über lange Zeit gewach-

senen Tradition ein Stück angestammten bayerischen Kulturgutes geworden. Biergärten sind weit über Bayerns Grenzen hinaus als Ausdruck bayerischer Lebensart angesehen.“ Dem

richterlichen Ausspruch ist auch von denkmalpflegerischer Seite her nichts entgegenzusetzen. Karl Gattinger

Bertel Thorvaldsen und Leo von Klenze – Künstler und Intrigen Zur Entstehung des Leuchtenberg-Grabmals in St. Michael in München Kein unbedeutender, unauffälliger Ort ist St. Michael in München, die Jesuitenkirche in der Neuhauser Straße, in der sich das Grabmonument von Eugène Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, gestorben am 21. Februar 1824, befindet. Eugène war aber auch kein x-beliebiger Herzog, als Stiefsohn Napoleons und Vizekönig Italiens wurde er der Schwiegersohn König Max I. Josef von Bayern – und damit Schwager des zukünftigen Königs Ludwig I. Mit dem Landgrafentum Leuchtenberg und dem Fürstentum Eichstätt stattete man ihn nach dem Ende der napoleonischen Zeit aus. Dort aber hielt sich die Familie nicht lange auf, sondern ließ sich ab 1816 von Leo von Klenze das Schloss Ismaning klassizistisch ausbauen und gleichzeitig 1816 am Odeonsplatz in München ein Stadtpalais errichten – edel klassizistisch ausgestattet mit gemalten und skulptierten Wanddekorationen, darunter der Fries „Alexanders Einzug in Babylon“, eine Gipsversion des 1812 für Napoleon im Quirinalspalast in Rom errichteten Werkes. Er stammt von keinem Geringeren als Bertel Thorvaldsen, dem bedeutendsten Bildhauer seiner Zeit. Schwer hat das Palais, wie sein äußerlich gleich gestalteter Zwilling gegenüber, das Odeon, im Zweiten Weltkrieg durch Spreng- und Brandbomben gelitten. Die Ruine wurde 1961 abgebrochen und durch einen damals atombombensicheren Stahlbetonbau für das Finanzministerium ersetzt. Vorgeblendet ist eine rekonstruierte „Klenze-Fassade“ aus Ziegeln und Steinguss. Das Grabmal des früh verstorbenen Herzogs steht seit 1830 im linken Querhausarm der tonnengewölbten Michaelskirche: Ein sinnend vor sich hinblickender, antik gekleideter Krieger, zu seinen Füßen die abgelegten Waffen, in der Rechten den Lorbeerkranz, die 38

Linke zur Brust geführt, steht er vor dem Eingang einer Totenkammer. Sie ist mit seinem Sinnspruch „Honneur et Fidelité“ – Ehre und Treue – überschrieben. Neben dem Verstorbenen sitzt Klio, die Allegorie der Geschichte, seine bedeutenden Taten verzeichnend, auf der anderen Seite steht das Genienpaar Mors und Vita, Tod und Leben. Einer der beiden geflügelten Knaben, der Tod, drückt die Fackel des Lebens am Boden aus, während sich der andere, die erloschene Fackel haltend, trauernd auf den Bruder stützt. Namen, Lebensdaten, Titel verrät die Tafel auf dem Grabmalsockel. Den Einsturz des gewaltigen Kirchengewölbes im Zweiten Weltkrieg hat das Monument mit geringen Blessuren überstanden. Ein Auftrag mit vielen Interessen und Intrigen Leo von Klenze, seit 1818 bayerischer Hofbauintendant, hatte nach dem Tod des Herzogs einen wohldurchdachten, sehr erzählfreudigen Entwurf für dessen Grabmal angefertigt und Thorvaldsen, der in jenen Jahren in Rom eine besonders florierende Werkstatt hatte, mit Datum 24. April 1824 zugeleitet. Kronprinz Ludwig dürfte bei der Auftragsvergabe im Hintergrund die Fäden gezogen haben, verehrte er doch den klassizistischen Bildhauer ungemein und hätte ihn am liebsten als Hofkünstler in München gehabt. Seine Schwester, Prinzessin Auguste Amalie, die Witwe Eugènes, hatte wohl erst überzeugt werden müssen, da sie bereits auf die Lieferung des Alexanderfrieses für ihr Palais einige Jahre über die Zeit hatte warten müssen. Sie hätte den inzwischen selbstständigen Thorvaldsen-Schüler Pietro Tenerani bevorzugt. Es folgte ein langer, höflicher Briefwechsel zwischen Klenze und Thor-

valdsen und Helfern auf beiden Seiten, der, wenig verschlüsselt, nichts anderes beinhaltet, als dass dem Bildhauer der Entwurf Klenzes nicht gefiel, dieser aber um kein Jota zurückstecken wollte. Also versuchte man mit Finten und Intrigen weiterzukommen. Martin von Wagner, im Auftrag Ludwigs als Kunstagent in Rom, spielte, selbst Bildhauer, das Lied Thorvaldsens und ließ seinen Herrn wissen: „Die von Hrn. v. Kl. gemachte Zeichnung hat hier keinen Beifall gefunden, sondern ist so zu sagen zum Gespött der römischen Künstlerschaft geworden.“ Eine Freundin der Prinzessin schickte eine eigene Zeichnung an den dänischen Künstler – sie blieb unkommentiert. Der als „Patriarch des Basreliefs“ gefeierte Bildhauer brachte alternativ den Vorschlag für ein Relief – von der Prinzessin als „durchaus zuwider“ abgelehnt. Dann schlug er als Gegengewicht zur Klio und anstelle einer von Klenze vorgesehenen Trophäe (Waffengruppe) die genannte antike Geniengruppe vor – und schickte schon mal eine Skizze. Klenze aber beharrte auf seinem Entwurf. Dann dachte Thorvaldsen an eine stehende Einzelfigur des Herzogs, wie er sie bereits beim Grabmal für den Fürsten Potocki in der Kathedrale von Krakau realisiert hatte – und setzte auch hier seine Gedanken zeichnerisch um. Im Oktober 1824 führte die Prinzessin, um die Sache weiterzutreiben, ihren eigenen Kunstintendanten Graf Rechberg mit einem Schreiben bei Thorvaldsen ein. Klenze – wohl um seinen Einfluss und seinen Entwurf fürchtend – kündigte den Grafen dort nun seinerseits als „großen Verehrer Canova’s“ an – wohl wissend um die natürliche Konkurrenz der beiden großen Künstler. Nach Antonio Canovas Tod 1822 war der Däne allerdings inzwischen unbestritten der erste Bildhauer

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in Rom! Somit kam Rechberg nicht gut an bei Thorvaldsen. Er rächte sich umgehend und teilte seiner Auftraggeberin mit, dieser habe die Absicht, den Verstorbenen in französischem Kostüm mit Mantel wiederzugeben, um sich Arbeit und Kosten zu ersparen. Solche Darstellungen, die den unplastischen naturalistischen Soldatenrock weitgehend unter einem wallenden Soldatenmantel versteckten und so „antikisch“ verbrämten, waren durchaus üblich, ja sogar modern – ein Blick auf die etwa gleichzeitig entstandenen FeldherrnStatuen Gottfried Schadows oder Christian Daniel Rauchs in Berlin, Bülow, Scharnhorst und Blücher (alle um 1819 bis 1826), genügt.

Nun spielte der Bildhauer die Karte Ludwigs und ließ diesem über v. Martin seine „Verzweiflung“ mitteilen: Er wüsste ja nun gar nicht mehr, was los sei, und man solle ihn doch einfach machen lassen. Obendrein könne die Waffentrophäe auf dem Grabmal des französischen Generals als Kriegsbeute an deutschen Waffen angesehen werden – für den antifranzösisch eingestellten Ludwig ein Affront! Oder er lasse den Entwurf Klenzes von Schülern umsetzen und kümmere sich selbst gar nicht mehr um das Projekt – für Ludwig, der möglichst viele Originale des Künstlers in München haben wollte, ein Supergau. Er wies deshalb Klenze scharf an, die Sache im Sinne Thorvaldsens zu berei-

München, St. Michael; Grabmal für Eugène Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, von Bertel Thorvaldsen, Pietro Tenerani und Leo von Klenze, 1824–30 (Foto: BLfD)

nigen, ansonsten würde ihm „ein widriger Eindruck“ gegen ihn verursacht. Man darf auch nicht vergessen, dass die eigenständige „künstlerische Erfindung“ im Zeitalter der „Genies“ zur erwarteten Leistung des Kunstschöpfers gehörte. Um seinen Gedanken zu retten, übersandte Klenze nun einen zweiten, variierten Entwurf – in dem zwei Kindengel die Stelle der von Thoraldsen ins Spiel gebrachten antiken Genien einnahmen und durch Gesten auf das christliche Heil hinwiesen. Auf dieser Grundlage unterzeichnete man schließlich am 8. Februar 1825 den Vertrag. Thorvaldsen sagte zu – und hielt sich, wie so häufig, in wesentlichen Details nicht daran. Als das Grabmal am 12. März 1830 aufgedeckt wurde, war von Klenzes „Idee“ nicht mehr viel vorhanden. In künstlerischer, vor allem kompositorischer, sowie inhaltlicher Hinsicht, im Verhältnis von Architektur und Skulptur, was Figuren und ihre Gestik betraf, hatte der Bildhauer ein ganz anderes Projekt entwickelt. Keine „Geschichte“ mehr, nur zurückhaltende, wenn auch bedeutungsvolle Stellungsmotive, Gesten und Attribute verweisen auf einen tiefsinnigeren Hintergrund. Unterschiedliche Kunstauffassungen Klenze sah die Kunstwelt durch das Auge des Architekten. Seine künstlerischen Vorstellungen entsprachen – zumindest, was die Skulptur betraf – nicht denen der Bildhauer, oder er akzeptierte sie nicht. Und er konnte den Künstler Thorvaldsen, dessen Stellung in der Kunstwelt, Selbstgefühl und Durchsetzungskraft, nicht richtig einschätzen: die Gründe, warum er letztlich in dem ganzen Ränkespiel den Kürzeren zog. Klenzes Entwurf – nach dem Schreiben vom 24. April 1824 – erzählte eine „Geschichte“: Der Herzog „steht vor der geöffneten Thüre seines Grabmals … abgelegt hat er alle Zeichen seiner irdischen Größe … Krone, Schwerdt … Waffenrüstung liegen in einer Trophäe … zu seinen Füßen … Mit einem Fuße die Stufen zum Eingange [des Grabmals] hinanschreitend, nimmt er … mit der linken das letzte Zeichen seiner irdischen Größe, des Ruhmes Lorbeerkranz, vom Haupte, um ihn der … 39

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Leo von Klenze, Zweiter Entwurf für das Leuchtenberg-Grabmal, wohl 1825 (Zeichnung: Thorvaldsens Museum Kopenhagen, D 1541)

Bertel Thorvaldsen, Skizze zur Figur des Herzogs, wohl 1825–27 (Zeichnung: Thorvaldsens Museum Kopenhagen, C 327)

Bertel Thorvaldsen, Skizze zur Geniengruppe, der Todesgenius hier noch rechts, Ausschnitt, um 1825 (Zeichnung: Thorvaldsens Museum Kopenhagen, C 329)

Göttin der Geschichte zu übergeben … [dafür] reichen ihm zwei über dem Eingange schwebende Engel den Sternenkranz der Unsterblichkeit“ – welche dann in der zweiten Version durch die Kindengelgruppe ersetzt sind. Das Werk, das Thorvaldsen in der Michaelskirche aufstellen ließ, entspricht der kunsttheoretischen Diskussion seiner Lehrjahre in Rom nach 1800. Die Plastik wird als der Höhepunkt künstlerischen Schaffens gesehen und nicht den anderen Kunstgattungen Architektur und Malerei untergeordnet. Darin waren sich Kunsttheoretiker von Johann Joachim Winckelmann und Gottfried Herder (Plastik, 1770) über Goethe/Meyer (Propyläen, 1800) bis zu den Mitgliedern des Jenaer Kreises einig. Wie weit sich Thorvaldsen selbst mit der Kunsttheorie seiner Zeit auseinandergesetzt hat, ist nur in 40

seinen Werken festzumachen. Er hat sich kaum selbst dazu geäußert. Aber: Zu seinem Bekanntenkreis gehörten führende deutsche und skandinavische Kunsttheoretiker, Archäologen und Künstler, er kaufte sich die wichtigen Bücher, Antiken und moderne zeitgenössische Malerei. Thorvaldsen scheint den Diskutierenden aber sehr gut zugehört und ihre Meinungen zur Kunst verinnerlicht zu haben – und er hat enorm viel aus der Anschauung der Antiken gelernt. Zu seiner ersten großen Skulptur, dem Jason (1802/03), soll er gesagt haben, dass nichts von ihm selbst darin stecke, alles Antike sei. Es gibt auch genügend Beispiele dafür, dass er Motive und Themen der antiken Kunst – wie alle Klassizisten der Zeit – aufgenommen, aber auch deren Darstellungsprinzipien aufgegriffen und weiterentwickelt hat. Auf diese

Weise entfernte er sich ganz bewusst von Canova, in dessen Arbeiten er wohl immer noch letzte Anklänge des Rokoko entdecken mochte. Thorvaldsen wollte seine Figuren – um wieder auf Klenzes Grabmalentwurf zurückzukommen – nicht der Architektur unterordnen. Eine Skulptur hatte frei auf einem Sockel zu stehen – nicht in einer Nische, einem Schilderhäuschen, wie er sich einmal äußerte. Friedrich W. J. Schelling hatte dies in seinen Vorlesungen 1802/03 (Philosophie der Kunst) klar ausgedrückt: „Das plastische Werk ist als solches ein Bild des Universums, welches seinen Raum in sich selbst und keinen außer sich hat.“ Thorvaldsen hatte deshalb auch die brieflich zugesandten Maße der für die Apostelfiguren vorgesehenen Nischen in Christian F. Hansens neu erbauter Frauenkirche in Kopen-

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hagen einfach „falsch gelesen“ – und die zwölf kolossalen Marmorfiguren zu groß hauen lassen. Man musste sie frei vor die Wand stellen, die Nischen wurden zugemauert. Auch die erzählerische Komposition mit der daraus resultierenden Gestik der Skulpturen entsprachen nicht dieser Kunstauffassung. August Wilhelm Schlegel hatte das in seiner „Kunstlehre“ deutlich gemacht: „Das Bestreben, komlicierte Handlungen darzustellen, vielfach und reich zu gruppiren, bringt … den Bildhauer dahin, sich eines großen Theils der Mittel seiner Kunst verlustig zu machen …“ Und Carl Ludwig Fernow (1808) nannte so etwas „malerische Zwitterwerke der Plastik“. Thorvaldsen hat am LeuchtenbergGrabmal alle sprechenden Gesten und szenischen Verweise konsequent entfernt. Der Herzog, die Historia und das Genienpaar sind selbstständige Werke, wenn auch mit ikonographischer Bedeutung im Gesamtkomplex. Sie „atmen frei“, ruhen in sich und sind geprägt von der schönen Linie und plastischen Eigentiefe. Thorvaldsen hat sie auf separate Sockel gesetzt, den Verstorbenen in der Mitte stark erhöht – und auch dies in Übereinstimmung mit der Kunsttheorie. Noch einmal Schlegel: „Das Piedestal ist gleichsam der Rahmen der Statue, dasjenige, was außer ihrer eigenen Umgrenzung noch dient, sie gänzlich von der umgebenden Wirkung abzusondern.“ Die Gesamtaussage des Grabmals erschließt sich im Vorwissen des Betrachters, der die durch Attribute definierten Skulpturen kennt, ihre Ausbildung und kleinen bedeutungsvollen Gesten würdigen kann und so die einzeln vorgetragenen Gedanken attributiv vereinigt. Den Ort des Geschehens verdeutlicht das Grabgebäude im Hintergrund mit der charakteristischen etruskischen Portalform, ihre architektonische Form dient als Würdeform und zur Sinnvertiefung. Der Herzog sinniert, den Lorbeerkranz in der gesenkten Rechten, über den irdischen Ruhm. Die Muse der Geschichte hält ihn auf einer Tafel fest. Den Moment des Todes symbolisiert die Gruppe der geflügelten Knaben: ein aufgabenbewusst die Lebensfackel am Boden löschender Todesgenius und sein melancholisch trauernder, von

Schwäche übermannter Bruder. Klenzes Entwurf mit einer stärker christlich verbrämten Aussage ist dadurch auf eine intellektuellere Ebene verschoben, in der die Zeichen wenig mehr als Anteilnahme erwecken möchten. Allegorien, Symbole und Gesten verkörpern Ideen wie Ruhm, Tod und Schmerz allgemein – und finden ihren Bezugspunkt in der Person des Verstorbenen. Daneben erscheint Klenzes Entwurf fast wie ein Bilderrätsel aus Suchelementen. Thorvaldsens Figuren verlangen vom Betrachter ein Innehalten, sich Einlassen auf die bekannten Inhalte, ein sich Versenken und Bedenken – einem Totenmal durchaus angemessen. Und auch hier steht er auf dem Boden der zeitgenössischen Kunsttheorie: Für Johann Georg Sulzer (Zeichnende Künste, 1773) besteht der „vornehmste Zweck der schönen Künste“ u. a. darin, „Rührung der Gemüther“ zu erregen, für Goethe (Dichtung und Wahrheit) „auf Sinn und Gefühl“ zu wirken, Karl Philipp Moritz (Götterlehre, 1791) sieht in den Allegorien „zeitlos gültige Verkörperungen von menschlichen Eigenschaften“, und Ludwig Schorn (Kunstblatt, 1830) warnt davor, Bedeutungsebenen zu vermischen.

Bertel Thorvaldsen, Gipsabguss eines Tonbozzettos zur Geniengruppe, der Todesgenius hier noch rechts, h = 41,4 cm, um 1825/26 (Thorvaldsens Museum Kopenhagen, A 157)

Von der Skizze zum Grabmonument Thorvaldsen hatte auf alle fremden und eigenen Ideen reagierend kleine Skizzen angefertigt, wie es seine Art war, auf das nächstbeste Stück Papier, einen Brief, eine Speisekarte, eine Einladung. Die Blätter selbst waren ihm aber überhaupt nicht wichtig, sie zeigten nur Einfälle und wurden nach einer gefundenen Lösung weggeworfen. An die 700 solcher Ideenskizzen entdeckte Thorvaldsens Biograph Just Mathias Thiele im Keller des aufgelösten Ateliers in Rom in einem mit Schutt gefüllten Fass. Ihre Rettung war ein Glücksfall für die Kunstgeschichte, für die Klärung der Entstehungszusammenhänge von Thorvaldsens Werke. An die zwanzig Entwürfe zur Gesamtkomposition oder zu den Einzelfiguren, darunter auch mehrere Bozzetti, plastische Entwürfe, sind erhalten und dienten als Vorlagen für die Umsetzung in ein Tonmodell. Zur Anfertigung der Marmorskulptur verwendete man einen Gipsabguss des Modells, brachte dort eine große Anzahl Markierungen an und übertrug diese mithilfe eines mehrdimensionalen Zirkels, eines Storchenschnabels, auf den Stein. Auch bei der praktischen Herstellung lief wie schon bei der Auftragserteilung nicht alles harmonisch und glatt. Der bereits angefragte ehemalige Schüler Thorvaldsens Pietro Tenerani, der inzwischen eine eigene Werkstatt aufgemacht hatte, sollte die beiden Seitenfiguren der Komposition übernehmen. Aber interne Schwierigkeiten bei der Aufteilung der Kompetenzen, Fragen der Vorfinanzierung, künstlerische Eitelkeiten und wohl auch des älteren Meisters Halsstarrigkeit führten zum Bruch und zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Problemlos gestaltete sich anscheinend noch die Figur der Klio, die Tenerani nach Entwurf Thorvaldsens in Ton aufbaute und danach in Marmor schlug. Für die Geniengruppe aber fertigen beide Künstler eine Reihe zeichnerischer und plastischer Skizzen an – ein gut abzulesender künstlerischer Kampf um Form und Aussage. Den Tonbozzetto Teneranis, wieder nach Thorvaldsens Zeichnung, der wohl als Vorlage für den Aufbau der Gruppe dienen sollte, änderte der Däne jedoch bei einem Besuch im Atelier des 41

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ehemaligen Schülers noch einmal um – auch die Zusatzarbeit ein Grund zum Streit. In der jetzigen Fassung ist Mors, der Todesgenius, zur mental starken, aktiven Figur und Vita, der Lebensgenius, zum gebrochenen Partner mit dem trauernd nach oben gewandten Blick geworden – eine nachvollziehbare und wie die Ausführung zeigt, ganz konsequent funktionierende Deutung. Der Vertrag zur Herstellung des Grabmals nennt die Summe von 16 000 Römischen Scudi (sc. rom.), von denen allein die Hälfte in das Material und die Arbeit von Gehilfen flossen – die Aufteilung zwischen den beiden Bildhauern nicht gerechnet. Ein Steinmetz, von denen es in jenen Jahren ein bis zwei Dutzend in Thorvaldsens Werkstatt gab, wurde am Tag (die Zahl stammt von 1815) mit 1,5 sc. rom. entlohnt – zum Vergleich: Etwa 3 Scudi kosteten ein paar Halbschuhe, 2 ein Hemd. Am teuersten war natürlich der Marmor. Die Summe entsprach nach heutigem

Wert wohl etwa einer Viertelmillion Euro. Als die Marmore am 22. Oktober 1829 in München ankamen, war die vertraglich vereinbarte Lieferzeit um ein Jahr überzogen – für Thorvaldsens Verhältnisse unwesentlich. Der Bildhauer hatte zugesichert, die endgültige Aufstellung selbst vorzunehmen und bei der Aufdeckung anwesend zu sein. Ludwig I., inzwischen König, hatte darauf gedrängt, dass der große Künstler höchstpersönlich nach München kam (vgl. meinen Beitrag über den MünchenAufenthalt in Denkmalpflege Informationen Nr. 159, S. 41–44). Da der Bildhauer den Sockel für die Figur des Herzogs erhöhen ließ, konnte der geplante Aufdeckungstermin am Todestag des Verstorbenen nicht eingehalten werden. Sie fand dann drei Wochen später, am 12. März 1830, statt. Thorvaldsen hatte mit seiner sturen, in der Regel seine Vorstellungen umsetzenden Art gesiegt. Das Kunstwerk rief ein beachtliches positi-

ves Echo in der zeitgenössischen Kunstpresse hervor, wenn auch der frustrierte Klenze meinte, über einen befreundeten Kunstjournalisten noch einmal nachtreten zu müssen. Vergessen werden soll aber über all dem nicht der Wunsch von Prinzessin Auguste Amalie, der Witwe, ihrem verstorbenen Gatten ein würdiges Grabmal zu setzen und das Geschlecht der Beauharnais in Erinnerung zu halten. Mit diesem Monument, an das die Namen gleich drei großer zeitgenössischer Künstler geknüpft sind, hat sie München ein bedeutendes Kunstwerk geschenkt. Und dieses erinnert obendrein an die Heiratspolitik Napoleons wie die Kunstpolitik Ludwigs I. – und ist, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, ein interessantes Studienobjekt über das „Zusammenwirken“ künstlerischer und gesellschaftlicher Kräfte am Hof des Königs. Karlheinz Hemmeter

Von Donaustauf nach Prüfening und wieder zurück Der chinesische Pavillon im ehemaligen Fürstengarten von Schloss Donaustauf Als im Jahr 2003 bekannt wurde, dass der Nepal-Himalaya-Pavillon – der Beitrag des Landes Nepal auf der Expo 2000 in Hannover – unweit von Donaustauf, bei Wiesent im Landkreis Regensburg, eine zweite Heimat finden sollte, war der öffentliche Aufschrei groß: Man befürchtete angesichts der fernöstlichen Architektur eine Preisgabe eigenständiger kultureller Werte und einen Ausverkauf der bayerischen Heimat. Die Gemüter haben sich längst beruhigt, und der Pavillon ist als Touristenattraktion aus der Region nicht mehr wegzudenken. – Über ähnliche Reaktionen 200 Jahre zuvor, als im Fürstengarten von Schloss Donaustauf ein (erstes) chinesisches Sommerhaus errichtet worden war, ist nichts bekannt. Holzständerbau mit Pagodendächern Der heutige chinesische Pavillon von Donaustauf – im Volksmund in Anspielung an die mehrgeschossige Pagode im Englischen Garten in München 42

Detail der Außenbemalung (Foto: BLfD, Michael Forstner)

(1789/90; 1951/52 nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu rekonstruiert) „Chinesischer Turm“ genannt – ist eine weitgehend einheitliche Neuschöpfung von 1842. Es handelt sich um einen zweistöckigen achteckigen Holzständerbau mit weitausladenden blechgedeckten Pagodendächern, deren Obersichten nach Art von Zeltbahnen mit schmalen Streifen farbig

gefasst sind. Architekturglieder, der geputzte Kuppelraum im Obergeschoss und die Dachuntersichten zeigen eine reiche, auf chinesische Ornamente zurückgehende Bemalung. Bestechend sind die Detailtreue und die unmittelbare Vorbildnahme an der chinesischen Architektur und Ikonografie. Die ausführenden Handwerker waren mit der chinesischen Kunst zumindest vertraut; möglicherweise stammten diese Fachkräfte sogar aus China selbst. Der Typus des Donaustaufer Pavillons entspricht im Grunde der bereits von dem österreichischen Barockbaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach in seinem Stichwerk „Entwurf einer historischen Architectur“ 1725 wiedergegebenen Pagode von Sinkocien, entwickelt die Form in ihrer nunmehrigen Zweigeschossigkeit aber weiter. Einen Zwischenschritt zwischen Sinkocien und Donaustauf nimmt dabei der um 1778 über einem gemauerten Sockelgeschoss errichtete chinesische Pavillon im ehemaligen Park Cassan ein.

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Donaustauf, Lkr. Regensburg; Chinesischer Pavillon im Fürstengarten (Fotos: BLfD, Michael Forstner)

Ungewöhnlich ist in Donaustauf dabei die Wiederaufnahme eines barocken Grundtypus kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts – in einem Zeitraum also, für den die Kunstwissenschaft im Allgemeinen bereits das Ende der Chinamode verkündet hat. Als örtliches Vorbild für

Blick in den Innenraum des Pavillons

den Pavillon kommen dabei auch die beiden fernöstlichen Parkarchitekturen in Betracht, die auf einem Inselgarten des Dittmar’schen Gartenpalais am Oberen Wöhrd in Regensburg (sog. Villa Lauser) errichtet worden waren: Heute ist davon nur noch der sogenannte Japanische Pavillon erhalten. Die Beziehungen der Regensburger Vorortvilla zum fürstlichen Haus Thurn und Taxis waren dabei vielfältig: So benannte Franz Joseph Freiherr von Berberich das früheren Gartenpalais zunächst „Carlslust“ nach dem häufig hier weilenden Fürsten Carl Anselm von Thurn und Taxis; und 1830 gelangte das Anwesen in das Eigentum des fürstlich Thurn- und Taxi’schen Oberjustizrates Johann Baptist Liebl. Neubau von 1842 auf Wanderschaft Einen ersten Hinweis auf ein „chinesisches Sommerhaus“ im langgestreckten Park von Schloss Donaustauf (damals noch das „alte“ Schloss Stauf) liefert die Gebäudeliste, die anlässlich des Übergangs der Donaustaufer Besitzungen vom bayerischen Königshaus an den Fürsten Thurn und Taxis im Jahr 1812 erstellt wurde. Eine Neukonzeption von Schloss und Garten erfolgte in Zusammenhang mit den Einweihungsfeierlichkeiten der Walhalla im Jahr 1842. Binnen weniger Monate wurde das

Schloss neu errichtet und die Gartenanlage grundlegend umgestaltet. Um König Ludwig I. und seinem Gefolge für diesen Anlass eine würdige Unterkunft zu bieten, richtete man vorübergehend auch im chinesischen Sommerhaus vierzehn Zimmer ein. Die Gartenplanung oblag dem Kunstgärtner Junghaenel, beraten von Ernst Friedrich Graf von Dörnberg, dem Chef der Thurn & Taxis’schen Gesamtverwaltung. Das chinesische Element des Parks sollte durch die Errichtung eines chinesischen Taubenhauses unweit des ursprünglichen chinesischen Sommerhauses gestärkt werden. Der chinesische Pavillon wurde 1842/43 unterhalb des Schlosses unweit der Donau schließlich vollständig neu errichtet. Nach dem Marktbrand von Donaustauf im Jahr 1880 wurde das fürstliche Schloss in Donaustauf aufgegeben, die Funktion der Sommerresidenz übernahm das neu erworbene Schloss Prüfening. Der Pavillon wechselte den Ort und wurde 1902 von Donaustauf nach Regensburg transferiert, wo er als fernöstlicher Kiosk und Park-Staffage den bereits mit verschiedenen historischen Kleinarchitekturen ausgestatteten Park der ehemaligen Klosteranlage Prüfening bereicherte. Fortan diente er auch hier als Ort des bis ins 20. Jahrhundert

Detail der Bemalung auf der Dachunterseite

vom fürstlichen Haus Thurn und Taxis gelebten Rokokos. Die Überführung des Pavillons nach Prüfening erfolgte zu einer Zeit neu erwachten Interesses am Fernöstlichen und Exotischen. Mit der Übernahme und Neupräsentation des „Japanischen Turms“ und des „Chinesischen Pavillons“ von der Pariser Weltausstellung 1900 in die Gärten 43

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des Königlichen Palastes von Laeken bei Brüssel durch König Leopold II. hat das damalige Vorhaben des Hauses Thurn und Taxis zumindest eine interessante Parallele. Die Reise Kronprinz Rupprechts von Bayern nach Ostasien 1902/03 sowie der Einfluss der japanischen Kunst auf die westliche Welt, der sogenannte Japonismus, bilden die zeitgenössische Folie zu den seinerzeitigen Maßnahmen. Ab den 1950er Jahren war der Pavillon in Prüfening jedoch dem Verfall preisgegeben. Nachdem mehrere Versuche nach 1985 zu einer Rettung vor Ort gescheitert waren, erwies sich die Rückführung nach Donaustauf als die einzige Möglichkeit, dieses Kleinod der Gartenarchitektur vor dem Untergang zu retten. Im Jahr 1999 feierte man die Rückkehr des chinesischen Pavillons in den ehemaligen Fürstengarten von Schloss Donaustauf, wenn auch an einen anderen Standort, und seine originalgetreue Sanierung. An den Restau-

rierungsarbeiten war im Sinne eines gemeinsamen bayerisch-chinesisches Projekts auch eine chinesische Fachfirma beteiligt. Die Maßnahme wurde durch die Etablierung eines Eigentümers, nämlich des Fördervereins Chinesischer Turm e.  V., sowie durch die gewährten öffentlichen Förderungen und – nicht zuletzt – durch die großzügige Zuwendung der MesserschmittStiftung überhaupt erst möglich. Mit seiner Rückkehr avancierte der chinesische Pavillon nicht nur zu einem neuen alten Wahrzeichen der Marktgemeinde Donaustauf, sondern wurde mit seinem Träger- und Förderverein weit über die Grenzen des Landkreises Regensburg hinaus auch zu einem Inbegriff für das Vereins- und Bürgerengagement im Bereich der Denkmalpflege. Seit 2001 verfügt der Pavillon über eine gusseiserne Einfriedung aus der Zeit um 1900 (Felderungen erneuert), die ehemals das Bahnhofsgelände an der Friedensstraße in Regensburg umgab.

Potsdam, Park von Schloss Sanssouci, Drachenhaus (Foto: Michael Schmidt)

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Potsdam, Park von Schloss Sanssouci, Figurengruppe am Chinesischen Haus (Foto: Michael Schmidt)

Exotische Versatzarchitektur Der Pavillon repräsentiert in für Bayern nahezu einzigartiger Weise die für das späte 18. Jahrhundert typische und noch im 19. Jahrhundert nach dem Vorbild von Sir William Chambers gepflegte Manier, sogenannte „chinesischenglische“ Landschaftsgärten (jardin anglo-chinois) mit exotischen Versatzarchitekturen zu akzentuieren. Der chinesische Garten von Schloss Oranienbaum (1793–97), das „chinesische Dorf“ Mulang im Park von Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel (1782–85) sowie die ursprünglich aus „Turm“ (sogenannte „große Pagode“), Wirtshaus, Brücke und Kiosken bestehenden China-Bauten im Englischen Garten von München (1789/90) bilden dabei für das späte 18. Jahrhundert die anschaulichsten Versuche, eigenständige fernöstliche Sonderwelten und Kolonien innerhalb der jeweiligen Landschaftsgärten zu schaffen. Die „Chinesische Pagode“ im Vergnügungspark Tivoli in Kopenhagen, der im Kern wie der Englische Garten in München ein sogenannter Volksgarten ist, bildet den heute noch erhaltenen Rest einer mit einem „Chinesischen Basar“ ursprünglich als eigene Traumund Themenwelt konzipierten größeren Anlage, deren Besuch den dänischen Dichter Hans Christian Andersen im Jahr 1843 zu seinem Märchen „Die

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Nachtigall“ inspiriert hat. Nachdem im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Kritik an der freien Form der barocken chinoisen Bauten wie dem „Chinesischen Haus“ (Teepavillon) von Schloss Sanssouci (1755–64) aufgekommen war, markiert die Pagode „Drachenhaus“ im Schlosspark Sanssouci (1770-72) für das kontinentale Europa den Wechsel hin zu form- und detailgetreuen Nachbildungen der fernöstlichen Bauten nach dem Leitbild der nur wenig älteren chinesischen Pagode von Kew Garden bei London (1763). Der chinesische Pavillon

von Donaustauf folgt dem neuen Leitbild des Klassizismus und Historismus nach Authentizität und Formtreue gegenüber dem Original. Bildeten die chinesischen Tapeten in Schloss Sünching („papieren-holländisch: Tapet auf Chineser art mit verschiedenen farben“) im Jahr 1765 den Auftakt der Chinamode im Landkreis Regensburg, so steht der chinesische Pavillon von Donaustauf für den Abschluss der historischen Epoche des Exotismus. An diesem Punkt knüpft der Nepal-Himalaya-Pavillon von Wie-

sent an. Der chinesische Pavillon bereichert die aus Bauwerken des Mittelalters (Burgruine Donaustauf, Kirche St. Salvator), der Barockzeit (Pfarrkirche St. Michael) und des Klassizismus (Walhalla) bestehende Donaustaufer Denkmallandschaft um den wichtigen Aspekt des Fernöstlichen, ganz im Sinne eines Denkmalbegriffs, wie er später von König Ludwig II. mit seinen Bauten im Graswangtal von Schloss Linderhof propagiert werden sollte. Michael Schmidt

„ … wohlgebaut und für seinen gegenwärtigen Zweck vortrefflich eingerichtet …“ Das Gradierwerk von Bad Reichenhall im Spiegel der städtebaulichen Entwicklung Seit jeher war es das Salz, das mit der bewegten und langen Geschichte von Bad Reichenhall aufs Engste verbunden ist, und trotz aller Zerstörungen und Schwierigkeiten ist die Geschichte der Stadt noch heute an den vielen bedeutenden Baudenkmälern verschiedener Epochen ablesbar geblieben. Allen voran und von besonderer architektonischer, stadtplanerischer und stadtgeschichtlicher Bedeutung steht der wirkmächtige Komplex der Reichenhal-

ler Saline – immerhin eine der ältesten Europas. Der Bau selbst stammt erst aus dem Jahr 1835, nachdem ein katastrophaler Brand in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1834 die gesamte Saline mit all ihren Bestandteilen vernichtet hatte. Der Brand, der in einem Kamin des Karl-Theodor-Sudhauses entstanden war, breitete sich, durch Wind begünstigt, schnell aus und zerstörte nicht nur die bedeutende Saline, sondern auch weite Teile der Stadtbebauung.

Urkataster der Stadt Bad Reichenhall, 1816, Ausschnitt des Salinenareals vor dem Stadtbrand von 1834 (Plan: Bayerische Vermessungsverwaltung)

Reichenhall lag in Schutt und Asche. So katastrophal der Brand auch war, brachte er für die Stadt Ende und Neubeginn zugleich und öffnete ihr den Weg in die Moderne. Wiederaufbau der Saline, Stadtentwicklung und Kurpark König Ludwig I. erklärte den Wiederaufbau der Saline zum Prestigeprojekt. Der Neubau sollte ihre enorme wirtschaftliche und politische Bedeutung

Renovationsmessung der Stadt Bad Reichenhall, 1852, Ausschnitt des Salinenareals nach dem Stadtbrand (Plan: Bayerische Vermessungsverwaltung)

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widerspiegeln, stellte das monopolisierte Salinenwesen doch einen der wichtigsten Industriezweige und Haupteinnahmequelle des Königreichs jener Zeit dar. So entstand der Neubau am alten Standort inmitten der Stadt. Die mittelalterliche Kleinteiligkeit der Vorgängerbebauung wurde gestrafft und zu einer geschlossenen Anlage, bestehend aus Brunnhaus mit Kapelle, Werksgebäude und Bergreserve, mit einheitlicher Fassadengestaltung in neuromanischer Formensprache errichtet. Die Anlage orientiert sich in ihrem Aufbau mit Axialität, Symmetrie und der Hierarchie hinsichtlich der Anordnung von

Repräsentations- und Funktionsbauten an höfischer Architektur. Gegenüber der Saline entstand der Beamtenstock, das Verwaltungsgebäude, nach Plänen Friedrich von Gärtners. Die zwischen Saline und Beamtenstock verlaufende alte Handelsstraße von Salzburg nach Innsbruck wurde, dem alten Straßenverlauf folgend, als breite baumbestandene Paradestraße angelegt, die zugleich als Feuerschneise gegenüber der restlichen Stadtbebauung fungieren sollte. Im Rahmen des Wiederaufbaus aber wurde das einst mittelalterliche Gefüge von Stadt und Saline entscheidend ver-

Bad Reichenhall, Gradierwerk (Foto: BLfD, Michael Forstner)

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ändert, Straßen verbreitert und begradigt und Plätze angelegt. Der eigentliche Wandel begann dann ab dem Jahr 1846 durch die Eröffnung der „Sole- und Molkenkuranstalt Achselmannstein“. Mit ihr begann Reichenhall sich als Heilbad zu etablieren, und in den folgenden Jahrzehnten gelang es der Stadt, sich zu einem der wichtigsten Kurorte Europas zu entwickeln, der jährlich Tausende Besucher aus dem In-und Ausland anzog. Schnell spiegelte sich der wachsende Kurbetrieb auch im Stadtbild wider: Reizvolle Villen entstanden, ebenso repräsentative, auf höchste Ansprüche ausgerichtete Hotels. Mit der Anlage des Kurgartens ab 1868 nach Plänen des königlichen Hofgarteninspektors Carl Joseph von Effner erhielt Reichenhall seinen gesellschaftlichen sowie städtebaulichen Mittelpunkt. Nach der Erhebung zum königlich bayerischen Staatsbad im Jahr 1899 erfolgte die sukzessive Bebauung des Kurgartens. Mit dem Bau des prächtigen Königlichen Kurhauses im Jahr 1900, des staatlich-städtischen Kurmittelhauses in den Jahren 1927/28, beide nach Plänen von Max Littmann, sowie des Gradierhauses und der anschließenden Wandelhalle von Eugen Drollinger versinnbildlichte der Kurpark das Streben nach Weltklasse und wurde zu einer auf internationales Publikum ausgelegten Attraktion. Das historische Gradierwerk Die enge Verzahnung von Salzgewinnung und Kurstadt zeigt sich besonders im Gradierwerk, dem großen Freiluft-Inhalatorium. In seinen schattigen Wandelhallen wird das Streben und Bemühen um Heilung und Erholung, die Bad Reichenhall schließlich die Erhebung zum Staatsbad brachten, auf das Angenehmste erfahrbar. Noch heute kommen Tausende von Gästen jährlich hierher, um die freigesetzten

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Planskizze des Gradierwerks, um 1909 (Plan: Staatliches Hochbauamt Traunstein)

Aerosole zu inhalieren, den erkrankten Atemwegen Linderung zu verschaffen oder auch die gesunden Bronchien von der durch Soletröpfchen angereicherten Luft profitieren zu lassen. Das erste Gradierwerk der Stadt entstand bereits Mitte des 18. Jahrhunderts und diente, betrieben durch die Salinenverwaltung, dem wirtschaftlichen Zweck, den Sättigungsgrad der Sole zu erhöhen und so die Siedeprozesse in den großen Sudpfannen der Saline, wohin die angereicherte Sole zurückgeleitet wurde, zu erleichtern. Die Erhöhung des Sättigungsgrades der Sole erfolgt bei Gradierwerken über die Verdunstung des Wassers, während die Sole eine Wand aus Dornen- oder Reisigbündel herabrieselt und an deren feinen Verästelungen zerstäubt. Von der Messung der Solesättigung in Grad entstand der Begriff des Gradierens. Im ausgehenden 18. Jahrhundert prägten die mächtigen Holzständerbauten, die im 19. Jahrhundert bereits eine

Gradierwerke im Reichenhaller Tal, vor 1888 (Foto: Stadtarchiv Bad Reichenhall)

Länge von über 700 m und eine Höhe von etwa 20 m erreichten, das Reichenhaller Tal. Über die Beobachtung, dass Erkrankungen der Luftwege bei den in den Sudhäusern beschäftigten Arbeitern besonders rasch abheilten, entdeckte man auch die positive Auswirkung von Sole auf die Gesundheit. So wurde Kranken der Aufenthalt in den Sudhäusern durch die Salinenverwaltung gestattet. Seit 1869 standen dann die Gradierwerke der Saline auch zu Kurzwecken zur Verfügung. Eugen Drollingers Bau von 1909/10 Mit dem Bau des heutigen Gradierwerks als Freiluft-Inhalatorium, das sich wirkmächtig als östlicher Abschluss des Kurparkes erhebt, fand eine lange, nicht nur städtebauliche Entwicklung ihren Abschluss. Das Gradierwerk entstand in den Jahren 1909/10 nach Plänen des Architekten Eugen Drollinger, der unter König Ludwig II. als Hofoberbaurat am

Ausbau der Schlösser Neuschwanstein und Linderhof beteiligt gewesen war. Mit der Umsetzung dieser seltenen Bauaufgabe fand Drollinger hier eine funktionale und gleichsam repräsentative Lösung. Die gesamte Anlage erstreckt sich über eine Länge von ca. 160 m, der Mittelpavillon ist 23 m hoch. Gemäß seiner Funktion ist das Gradierwerk als langgestreckter dreischiffiger Riegelbau basilikalen Aufrisses mit mittig angeordneter Reisigwand und niedrigerer umlaufender Wandelhalle in allseitig offener Bauweise errichtet. Mit dem überhöhten Mittelpavillon und den beiden abschließenden Seitenpavillons folgt auch dieses Werk den Prinzipien des barocken Schlossbaus. Der untere Teil der Anlage ist als Stahlbeton-Rahmenwerk konstruiert, das sich über einem Betonfundament erhebt, in dem ein Auffangbecken eingelassen ist. Der obere Teil der Anlage ist als hölzerner Ständerbau mit reichen hölzernen Dekorationen in Form von Sprengwerk und gitterartigen Füllungen in historisierender Formensprache kunstvoll gestaltet. Hinter den Dekorationsformen des Holzrahmenwerkes wird dieser einst als einfacher Zweckbau errichteter, insgesamt seltener Bautyp nicht mehr spürbar und seine Gesamtwirkung mit den aus dem höfischen Bereich stammenden Gestaltungselementen – ähnlich wie bei der Saline – nobilitiert. Aus dem Quellenbau der Alten Saline gelangt die Sole über eine Leitung

Bau des neuen Gradierwerkes, 1909 (Foto: Stadtarchiv Bad Reichenhall)

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zum Gradierwerk, wird hier in den Dachstuhl hinauf und dort in eine flache Wanne gepumpt, die sich über die gesamte Länge der Dornenfelder erstreckt. Ein automatischer Windeinsteller auf dem Dach bestimmt die Seite, auf der die Sole herabrieseln soll. Kommt der Wind von Osten, erfolgt dies auf der Ostseite, während der Kurgast auf der jeweils anderen Seite wandelt, wo die angereicherte Luft beim Einatmen den erkrankten Atemwegen Erleichterung verschaffen soll. Über 100 Ablaufhähne leiten die Sole über Holzrinnen zu der jeweiligen Seite. Der verbleibende Solerest wird unterhalb der Dornenwand aufgefangen und erneut ins Dachwerk gepumpt.

Insgesamt rieseln pro Gradierung täglich ca. 400 000 Liter Sole über 100 000 Schwarzdornreisigbündel auf etwa 2000 qm Rieselfläche pro Seite: ein faszinierender Kreislauf, den ein Gradiermeister seit jeher streng bewacht. Während der auf Repräsentation angelegte stadtbildprägende Gebäudekomplex der Alten Saline die hohe wirtschaftlich-politische Bedeutung Bad Reichenhalls verkörpert, steht das Villenviertel der Gründerzeit und der Jahrhundertwende mit seinen heiterverspielten Bauten als Zeugnis für den Aufstieg Reichenhalls zum Kurbad. Der Königliche Kurgarten mit seinem impo-

Wandelhalle (Foto: BLfD, Michael Forstner)

santen Architekturensemble ist darüber hinaus luxuriöses und mondänes Zeugnis für den Weltrang der Salzstadt. Dachwerk des Gradierwerkes und Ablaufvorrichtungen (Foto: BLfD, Michael Forstner)

Nina Dürr

München: In der Löwengrube Wissen Sie eigentlich wie eine Löwengrube aussieht? Wie viele dieser Großkatzen in so einer Grube beisammen sind und wieso diese überhaupt in einer Grube sitzen – hörte man doch schon oft von Katzen auf Blechdächern oder auf Bäumen und gelegentlich im hohen Gras liegend. Diese Fragen hat sich auch die Redaktion der Zeitschrift Denkmalpflege Informationen gestellt und drei ihrer mutigsten Schreiberlinge ausgewählt, um der Sache auf den denkmalpflegerischen Grund zu gehen. Eine gute Reisevorbereitung schien sinnvoll, weswegen nach Reiseberichten gesucht wurde: Ergebnis: „Reingeher“ in diese Gruben gibt es viele, „Rausge48

her“ nicht! Könnte dies etwas mit dem Hunger der Großkatzen zu tun haben? Ein Überlebensbericht vom biblischen Seher Daniel wurde aufgefunden, welcher die Sache mit den Löwen anscheinend gut gemeistert hat. Wir folgen der Löwenspur und stehen feiertags hinter Familienscharen vor einer „überwachten Grube“ im Tierpark Hellabrunn. Die dortigen Exemplare haben sogar Paten: die Löwen des 1860er-Fußballvereins. Auch die 32 Fernsehfolgen der bayerischen Kultserie Löwengrube aus den 1980er und 90er Jahren schaute man mit Akribie. Alle eingehenden Hinweise wurden gesammelt, ausgewertet und führten schließlich zur einzigen und

echten, im Volksmund sogenannten Münchner Löwengrube, im Herzen der Stadt: zum Münchner Polizeipräsidium. Begegnung mit den Löwen Nur 550 m vom BLfD entfernt steht der riesige Komplex, dessen Außenmauern – ganz in ein dunkles Grün Keim’scher Mineralfarbe getaucht – einen unregelmäßigen Grundriss über vier Straßen nach außen hin abschotten. Hier wollte man sich die geheimsten Winkel und Ecken zeigen lassen. Doch ist es gar nicht so einfach in dieses „Münchner Alcatraz“ zu gelangen, wenn man sich nicht in Verbrecherkreisen bewegt. Dies musste auch ein Herr vom Reinigungs-

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dienst vor uns an der videoüberwachten Sprechanlage einsehen und ergebnislos wieder von Dannen ziehen. Wir hatten Glück! Wir kamen rein in diesen Wahnsinnsbau des Architekten Theodor Fischer. Dabei hat das Gebäude den furchteinflößenden Spitznamen Löwengrube wohl von der gleichnamigen Straße, die sich an seiner Nordseite entlangschlängelt. Vielleicht hat es ihn auch von den zwei Löwen, die auf hohen Säulen links und rechts des Hoftores an der Ettstraße jeden Passanten mit Argusaugen betrachten und falls sich einer auffällig benehmen sollte: aber dann! Lieber Leser, bitte, nur Mut! Schließlich trifft man hier doch auf seinen Freund und Helfer, den Mann und die Frau in schicker moosgrün-hellbrauner und bald schon weiß-dunkelblauer Uniform. Den Haupteingang sollte man trotz der Löwen von Bernhard Bleeker (der u. a. die Bronzeskulptur „Der Rossebändiger“ vor der TU München und das Originalmodell des Toten Kriegers in der Krypta des Ehrenmals im Münchner Hofgarten schuf) einmal näher be-

trachten: Da dieser beim Bau der Verkehrshofmauer kaum noch zu sehen war, bediente sich Fischer eines architektonischen Kniffes: Er drehte das Löwentor um 90 Grad nach Süden, womit er den aus dem Einkaufsgewimmel der Neuhauser Straße Herauskommenden einen tierischen Blickfang bot. Unterm Dach Das vielgeschossige Präsidium wäre in Fischers erster Werkphase sicher noch mit Kuppeln, Kolossalordnung, Symmetrie und Achsen ausgestattet worden. Jedoch sollte sich die Funktion des Gebäudes auch in seiner Architektur widerspiegeln (Kerkhoff, S. 74). Tatsächlich sind Schmuckelemente nur zaghaft verwendet worden, welche bei der sonst eher nüchtern gestalteten Fassade des Verwaltungsgebäudes wirkungsvoll zur Geltung kommen: u. a. das gerahmte Hauptportal mit kleinteiligem Reliefschmuck von Bernhard Halbreiter, dem Goethe-Zitat „Nach seinem Sinn leben ist gemein, der Edle strebt nach Ordnung und Gesetz.“ und den Freskomalereien

von Julius Diez sowie den Kleinplastiken von Georg Römer aus glasiertem Terrakotta. Der zeitgenössische Neuklassizismus wird einzig an der Fassade des Nordflügels mit den Pilastern im Erdgeschoss deutlich, erhebt man den Blick zur ersten Etage, kann man JugendstilPutzrahmen bewundern. Durch den Sicherheitsbereich durchgeschlüpft, sieht man sich drinnen dem Wirrwarr eines Verwaltungsgebäudes aus Treppen und Fluren ausgesetzt. Doch zum Glück hatten wir kundige Begleiter: Peter Reichl, Sven Müller und Jürgen Bannert. Mit ihnen kamen wir von unten nach oben und von hinten nach ganz vorn durch den Gebäudekomplex, vorbei am Erkennungsdienst, vorbei am Präsidentenbereich und vorbei an einem Paternoster. Ein Paternoster? Ja haben Sie das gewusst? Sicher, in Wikipedias Zeiten weiß man das. Diese Sonderform des Personenaufzuges gibt es nur achtmal in München und nur wenige davon sind öffentlich zugänglich. Dabei gibt es diese Beförderungsform schon seit 1876,

München. Polizeipräsidium Ettstraße mit Löweneingang (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 1985)

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als der erste im Londoner General Post Office eingebaut wurde. Auch in den Raum direkt unter dem Dach, dort wo die Kabinen des Aufzugs die Richtung wechseln, dürfen wir einen Blick werfen. Dort treiben die kleinen die großen Räder an, und dort erkennt man auch, dass es gefahrlos wäre, würde man einmal gedankenvergessen im Paternoster stehend den letzten Ausstieg im vierten Stock verpassen. Geht man jetzt noch höher, durch eine Dachluke im hohen Turm, dem Licht entgegen, blickt man in das hochhängende Innerste: die Glocke. Wie? Sie haben im Polizeipräsidium noch keine Glocken klingen hören? Da haben Sie fast recht gehört. Seit längerer Zeit läutet die Glocke auch nur noch einmal im Jahr, nämlich dann, wenn die Firma Nidermayer aus Regensburg das Glockenspiel überprüft. Phänomenal ist natürlich der Blick über die Altstadt München, der sich einem von dieser hohen Stelle bietet. Der Vorgängerbau: das Augustinerkloster Doch was stand eigentlich vor der Errichtung des Präsidiums zwischen Frauendom und Michaelskirche? – ein Augustinerkloster. 1291 begann man mit seinem Bau, in dem auch das weltweit bekannte, 1328 erstmals erwähnte und oft getrunkene Augustinerbier ge-

Ausstellung von Polizeimützen aus aller Herren Länder (Foto: BLfD, Ina Hofmann)

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Präsidentenbereich mit z. T. originaler Innenausstattung (Foto: BLfD, Ina Hofmann)

braut wurde, Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der gesamte Komplex säkularisiert. In der Folge wandelte man die Klosterkirche zur Mauthalle um, und in das Kloster selbst zog die Justizbehörde ein. Als diese dann in den brandneuen, 1897 fertiggestellten Justizpalast einzog, war das Kloster der Verwahrlosung preisgegeben. Theodor Fischer, später auch Gabriel von Seidl, Friedrich von Thiersch und Carl Hocheder setzten sich für eine Folgenutzung ein. Man entschied sich schließlich für den Abriss und den Neubau eines Polizeidirektionsgebäudes mit Erhalt der Augustinerkirche „St. Johannes d. T. und Johannes d. Evang.“ – denn das alte Präsidium im ehem. Institut der Englischen Fräulein in der Weinstraße hinter dem Rathaus entsprach ganz und gar nicht mehr den räumlichen Bedürfnissen. Der bayerische Staat kaufte die mehrheitlich privaten Häuser auf dem Gelände auf, und der Um-, bzw. Neubau des Präsidiums entstand zwischen 1910 und 1913. Die baulichen Veränderungen an der Augustinerkirche – durch den Krieg verzögert – dauerten noch bis 1915. Fischer errichtete darin den „Weißen Saal“ – ein später sehr beliebter Konzertraum. Drinnen Insgesamt stattete Theodor Fischer den Komplex mit allem aus, was ein

Hüter des Gesetzes im 20. Jahrhundert für seinen Berufsstand brauchte: ein Kriminallabor mit Oberlicht, Messvorrichtungen, Werkstätten, chemische Laboratorien, eine Turnhalle im zweiten eingezogenen Kirchengeschoss – derzeit befindet sich das Fitnessstudio übrigens im Keller des Präsidiums –, Untersuchungs- und Vernehmungszimmer, einen Bibliotheksraum, das Einwohnermeldeamt, Kocheinrichtungen für das leibliche Wohl usw. Auch heutzutage kann der hungrige Kriminalbeamte eine Kantine über einen der farblich verschieden gestalteten Innenhöfe erreichen – vorbei an dem nett lächelnden Pärchen von der nostalgischen Kaugummiwerbung. Auch wir bekommen Durst und wollen diesen an einem der vielen im Haus verteilten Brunnen stillen. Ein besonders schöner steht vor dem Präsidentenbereich im ersten Stock. Doch man dreht vergeblich am Wasserhahn – die Quelle ist versiegt. Im Amtszimmer des Polizeioberhauptes sieht man sich plötzlich um fast 100 Jahre zurückversetzt, sofern man gerade ein Foto aus dem Jahr 1923 zur Hand hat, kann man sehen, dass Holzeinbauten und Wandverkleidungen weitgehend im Original erhalten sind und den Bereich in der einstigen „wohlabgestimmten“ Farbgebung zeigen, die Bauamtmann Karl Geiger 1921 als „den

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Trockengelegter Brunnen vor dem Präsidentenbereich (Foto: BLfD, Ina Hofmann)

hellen warmen Ton des Kirschbaumholzes mit dunkleren Nussbaumeinlagen, das schwarze Leder der Bezüge, das Weinrot der Wandbespannung und das lichte Grün der Vorhänge“ beschreibt. Das einst lichte Grün allerdings ist nun Rosa geworden, wohl eine Geschmackssache. Eine kleine, gut aufbereitete Ausstellung zur Münchner Kriminalgeschichte

zeigt zudem originales Beweismaterial vom Olympiaattentat, dem Mooshammer-Fall oder anderen aufsehenerregenden Verbrechen. Im Flur davor führen Glasvitrinen Dienstmützen aus aller Herren Länder vor. Daneben stehen Schaukästen mit etwas anderer Füllung: Besitzer illegaler Waffen hatten bis zum 31. Dezember 2009 im Rahmen einer Amnestieaktion die Möglichkeit, ihre „heißen Eisen“ strafffrei abzugeben. Eine unglaubliche Anzahl verschiedenster Kaliber kam zusammen, und die interessantesten Stücke sind dem Besucher zur Ansicht vorgelegt. Diese acht Etagen Polizeipräsidium stecken voller Entdeckungen! In Sachen Spurenlesen werden modernste Mittel angewandt – sogar fachübergreifend –, wie beispielsweise die Nutzung der Isotopenanalyse in der Kriminalistik zeigt: eine Methode, welche anhand regional typischer Isotopensignaturen Rückschlüsse auf Aufenthaltsorte und Ernährungsgewohnheiten zulässt. Bisher vor allem von Archäologen verwendet – nun gibt es dazu auch in der Ettstraße eine Datenbank. Draußen Durch ein zweites Tor an der Löwengrube, durch das hauptsächlich die unfreiwilligen Hausbesucher herein- und hinausgeleitet werden, treten wir wieder heraus. Am dortigen Treppenerker, aber verdeckt, befinden sich die Male-

Eingangsportal des Polizeipräsidiums in der Ettstraße (Foto: BLfD, Eberhard Lantz, 1985)

reien von sechs Todsünden aus Bruno Goldschmitts Hand – wie es heißt, zur Warnung vor den Leidenschaften, welche den Menschen in böse Versuchung und in Konflikt mit der Polizei führen könnten. Vorbei an diesen Bildwerken in Richtung Frauenplatz/Augustinerstraße kommt man zum sogenannten Posteck – ein Eckgebäude, das ab 1925 tatsächlich ein Postamt beherbergte. Dieses Eck konnte zur Entstehungszeit des

Der Schwung der Augustinerstraße (Foto: BLfD, Joachim Sowieja, 1995)

Präsidiums baulich nicht in den Bestand integriert werden, was aber im Jahr 2002 im Rahmen einer feierlichen Eröffnung nachgeholt wurde. Um das Posteck rechts herum, gelangt man in die schön geschwungene Augustinerstraße, die ihren Schwung der Rücksichtnahme auf die unterirdischen Reste der hochmittelalterlichen Stadtmauer verdankt. Und an deren Ende gelangt man sodann wieder zur Augustinerkirche, die heute nicht mehr polizeidienstlich genutzt wird. Das im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstörte Gebäude kann sich dank der inneren Umbauten durch Erwin Schleich zum Deutsches Jagd- und Fischereimuseum heute großer Besucherzahlen erfreuen. An den Auslagen der Geschäfte im Erdgeschoss des Augustinerklosters 51

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in der Neuhauserstraße vobeiflaniert, trifft man rechterhand wieder auf die Ettstraße, die ihren Namen am 1. Januar 1887 zur Ehrung des Kirchenmusikers und Organisten der Jesuitenkirche St. Michael, Casper Ett (1788–1847) erhielt – vorher hieß sie „Weite Gasse“ und davor „Jesuitengässl. In Bezug auf die Haftanstalt war hier früher anscheinend mal mehr los

– wurde einem während der Führung gesagt – heutzutage eigentlich nur noch zur Wiesn-Zeit, ansonsten ist es ziemlich ruhig. Daraus kann man schließen, dass die Bleeker’schen Löwen am Eingang schon fast alle bösen Buben aufgefressen haben. Na also! Wir wünschen weiterhin guten Appetit. Ina Hofmann

Literatur Karl Geiger: Der Neubau des Polizeidirektionsgebäudes in München: Architekt: Prof. Dr. Phil. h.c. Theodor Fischer, München 1921 (Sonderdruck des Profanbau, Heft 21/22, 1920) Ulrich Kerkhoff: Eine Abkehr vom Historismus oder Ein Weg zur Moderne. Theodor Fischer (Stuttgart 1987) Münchner Blaulicht e. V. (Hrsg.): Hundert Jahre Ettstraße. Das Münchner Polizeigebäude und seine Geschichte, München 2013

26 Jahre nach dem Mauerfall: ein Blick aufs „Hüben“ und „Drüben“ Nichts ist ewig in der Welt Michail Gorbatschow 1393 km lang war der Streifen, der Deutschland und die Welt in Ost und West teilte. Die Rede ist von dem sich seit 1961 besonders auf Seiten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik weiterentwickelnden Grenzsystem, welches immer erfolgreicher die Teilung aufrechterhielt – und die Einwohner der DDR gefangen. Fluchtversuche waren unter allen Umständen zu verhindern, inklusive Schießbefehl. Riesige Summen stellte der Staat für Instandhaltung und Verbesserung der Grenze bereit – allein 1988 waren es 2,2 Milliarden Mark. Doch manch einer ließ sich nicht einsperren, und so wurden Flucht-

versuche zu filmreifen „James-BondAktionen“ zu Land, zu Wasser und in der Luft, in selbstgebauten Heißluftballons, Flugzeugen oder -drachen, mit Schlauchboot, Tauchboot oder Surfbrett. Nicht wenige dieser halsbrecherischen Unternehmungen endeten tragisch. Die Grenze Zu überwinden war die Demarkationslinie, welche erst auf dem Papier und bereits Mitte des Jahres 1945 mit Schlagbäumen, Drahtzäunen, Holzpfählen und Farbmarkierungen Realität wurde. Hunderttausende überquerten diese Linie in den Nachkriegswirren ohne Passierschein. Aber 1952 war damit Schluss: Am 27. Mai trat die „Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie“

Geteiltes Dorf Mödlareuth, 1987 (Quelle: Grenzlandbildstelle des Deutschen Kuratoriums e. V., Autor: Bayerische Grenzpolizei)

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in Kraft. In den frühen Stunden des Tages begann die Aktion „Amboss“: An der kompletten deutsch-deutschen Grenze wurde ein teilweise 1,5 m hoher Stacheldrahtzaun erstellt und ein 10 m breiter Kontrollstreifen angelegt. Auf den Kontrollstreifen folgten ein 500 m breiter Schutzstreifen und eine 5 km tiefe Speerzone. Nächste Schritte waren Zwangsaussiedlungen und die Zerstörung ganzer Ortschaften im Grenzbereich. Diese und weitere Maßnahmen der SED-Führung führten zum Volksaufstand am 17. Oktober 1952 und dessen Niederschlagung. Im Jahr 1961 empfahl der Oberkommandierende der sowjetischen Streitkräfte, Marshall Iwan S. Konew, der DDR-Führung die Errichtung von Drahtsperren, Minenfeldern, Signalvorrichtungen und Beobachtungstürmen. Noch im selben Jahr begann man mit diesen „freundwärts“ gerichteten Maßnahmen. Bis 1983 verlegten die Pioniere der Grenztruppen und der Nationalen Volksarmee noch über eine Million Spreng- und Splitterminen. Wollte man auf offiziellem Weg ausreisen, war das kompliziert, und bis 1983 wurden Ausreiseanträge grundsätzlich verweigert. Antragsteller standen unter Beobachtung des Ministeriums für Staatssicherheit. Dieses Ministerium war seit 1975 für Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des „ungesetzlichen Grenzübertritts“ und des „staatsfeindlichen Menschenhandels“, also der Fluchthilfe, zuständig. Immerhin stand die Flucht aus der Republik seit 1954 durch den Paragraphen 8 unter Strafe. Ab 1983 regelten interne Dienstanweisungen den Umgang mit „solchen Personen“: Hauptziel war, den Antragsstel-

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Grenzsoldaten in Mödlareuth (Foto: Altbestand Museumshandbuch Mödlareuth)

Die Mauer noch vor der Nase – 1995 in Hötensleben (Foto: BLfD, LST, Wolfgang Stäbler)

Grenzturm in Hötensleben, 1995 (Foto: BLfD, LST, Wolfgang Stäbler)

Grenzkontrollstelle Marienborn, 1995 (Foto: BLfD, LST, Wolfgang Stäbler)

ler von seinem Vorhaben abzubringen. Von dieser Linie wich man erst 1988 ab, als mit der „Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR ins Ausland“ überhaupt ein allgemeines Antragsrecht auf Ausreise zugestanden wurde. Was am Ende übrig bleibt Von der Grenzanlage ist nur noch wenig erhalten: zum Beispiel im je zur Hälfte zu Bayern und Thüringen gehörenden Ort Mödlareuth. Hier im „Little Berlin“ verlief die Grenze mitten hindurch, und es war sogar verboten „rüber zu winken“. Der Verein „Deutschdeutsches Museum Mödlareuth  e. V.“ kümmert sich um die Reste der ehemals 700 m langen und 3,30 m hohen Betonmauer mit Metallgitterzaun, Stacheldraht und Beobachtungsturm. Zaun- und Mauerteile sowie ein Führungsturm sind auch noch in dem ebenfalls durch die Mauer geteilten Doppeldorf Zicherie-Böckwitz vorhan-

den, ein Gang durch das Grenzmuseum in Böckwitz veranschaulicht das Schicksal des Ortes. Fast vollständig erhalten und unter Denkmalschutz stehend sind die Grenzanlagen in der Gemeinde Hötensleben in Sachsen-Anhalt, welche der Grenzdenkmalverein des Ortes pflegt. Unter Denkmalschutz stehen z. B. auch die Grenzkontrollstelle Marienborn in der Nähe von Berlin und die bekannte „East Side Gallery“ mit Teilstücken der Berliner Mauer – ein immer wieder von Investoren bedrohtes Denkmal, befindet es sich doch auf begehrtem Bauland. Auf der anderen Seite Das unbekannte Bekannte im Osten hatte eine gewisse Faszination – westliche Zonengrenzbesucher „riskierten“ an der unbefestigten deutsch-deutschen Seite der Grenze, oftmals mit Fernglas ausgestattet, ungehindert einen Blick nach „Drüben“. Vielleicht entdeckte

man einen Grenzsoldaten auf Patrouille, vielleicht sogar einen Flüchtling? Zonengrenzbesucher gab es viele, sogar einen regelrechten Zonengrenzverkehr, worauf die ansässigen Gemeinden reagierten: Die Ortschaft Rappershausen im unterfränkischen Lkr. RhönGrabfeld stellte 1972 beim Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen einen Antrag auf Erweiterung ihres Wasserturms zu einem Aussichtsturm sowie die Anlegung eines Park-, Rast- und Picknickplatzes. Zusätzlich wurde eine Grenzinformationsstelle eingerichtet. Bis heute kann diese Anlage, die Teil des Deutsch-deutschen Freilandmuseums ist, auch geführt besichtigt werden. Ein noch größeres Projekt plante die Ortschaft Zimmerau auf dem weithin sichtbaren Büchelberg: den „Bayernturm“. Der Name sollte an die im Eröffnungsjahr 1965 vollendeten 150 Jahre der Zugehörigkeit Frankens zum Königreich 53

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Familienausflug an die Grenzlandinformationsstelle, 1984 (Quelle: Grenzlandbildstelle des Deutschen Kuratoriums e. V.)

Bayern erinnern. Sieben Etagen auf 60 m Höhe, Fremdenzimmer, ein zweigeschossiges Terrassenrestaurant, Aufzüge und ein atemberaubendes Panorama wollte man dem Besucher bieten. Leider konnten Land und Bund sich nicht zu einer finanziellen Unterstützung durchringen, wodurch schließlich mit einem Jahr Verzögerung eine weniger pompöse Variante ohne Fremdenzimmer, Restaurant und Aufzug, aber mit Panoramablick auf 38 m Höhe entstand. Das Geschäft mit dem Blick über den Todesstreifen lief in der Folge so gut, dass 1972 direkt daneben ein Berggasthof errichtet wurde, und 1979 ein nahe gelegenes Feriengebiet auf die touristischen Zuströme mit Ausbau reagieren muss-

te. Auch heute kann man noch auf den Bayernturm steigen und die Aussicht zu den Haßbergen, zum Thüringer Wald und zum Fichtelgebirge genießen. Die Stadt Lichtenberg etablierte zur Stärkung der Zonenrandgebiete mittels großer staatlicher Förderprogramme in den 1970ern ein Freizeitzentrum mit Badesee, Campingplatz, Gastroanlagen und einer Grenzinformationsstelle. Um in den Osten zu schauen, nutzte der Interessierte den Schlossbergturm im Ortskern. Noch kurz vor der „Wende“ baute man auf dem 434 m hohen Georgenberg in Bad Rodach die Henneberger Warte. Auch bei der Thüringer Warte handelt es sich um einen solchen Aussichtsturm. 1963 auf dem hohen Ratzenberg

Luftbild des Grünen Bandes in Steinach zwischen den Landkreisen Sonneberg in Thüringen und Coburg in Bayern (Foto: BLfD, Klaus Leidorf)

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eröffnet, blickten sogar Bundespräsident Heinrich Lübke und der ehemalige Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und langjähriger Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion Herbert Wehner nachweislich mal in den Osten rüber. Doch der hochrangige Besuch hat für die erwähnten Aussichtstürme nicht ausgereicht, in die bayerische Denkmalliste zu gelangen. Die Schautürme entstanden für den Blick von oben, während ein solcher im

Der Bayernturm bei Zimmerau, 1967 (Quelle: Grenzlandbildstelle des Deutschen Kuratoriums e. V.)

Osten nur den Grenzsoldaten erlaubt war – für den dann die Grenze auf der anderen Seite auf den ersten Blick ungeschützt erschien. Auf den zweiten gab es Verteidigungsanlagen wie zum Beispiel die sogenannten Fallkörpersperren. Diese falling block obstacles u. ä. waren schon seit Jahren Untersuchungsgegenstand des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, ehe sie durch die Sendung „Schmidt Max und die Denkmäler“ und die Buchreihe „Geschichte auf der Spur“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Sie konnten das feindliche Vorrücken erschweren, indem ein mehrere Meter hoher Betonkörper durch Sprengung auf Gleise oder Straßen kippte. An die 2000 einfache Sperren solcher Art gab es bis 1990. Die Sprengmittelstellen waren stets in

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der Nähe und z. T. als Wasserbehälter getarnt. Auch Trichter-, Trägersteck-, Schwellen- oder Rampensperren hatten die Aufgabe, Verkehrswege unpassierbar zu machen. Ein ausgewählter Teil diese Sperren ist heute in die Denkmalliste aufgenommen. Weitere „gewichtige Argumente“ im Kalten Krieg waren u. a. atomare Kurzstreckenraketen der NATO – mit einer Reichweite von bis zu 500 Meilen konnten sie leicht in ostdeutschen Großstädten einschlagen – und die zahlreichen Truppenstandorte der Verbündeten, wie der Britischen Rheinarmee. Diese 1989 noch 7000 Mann starke Truppe schlug sich, oft zum Unmut der Anwohner, übungsmäßig für den Verteidigungsfall mit Mann und Panzer durch Büsche und Rübenfelder. Der grüne Streifen des Friedens Die Vision eines grünen Streifens des Friedens hatte Hubert Weinzierl, damals Vorsitzender vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Bund Naturschutz (BN), für den Grenzstreifen nach dem Mauerfall. In DDR-Zeiten konnten sich in der 5 km breiten Sperrzone be-

drohte Tier- und Pflanzenarten zurückziehen. Nach dem Mauerfall 1989 trafen sich Naturschützer aus Ost und West – darunter Heinz Sielmann, ein bekannter Ökologe und Tierfilmer – und setzten sich gemeinsam für einen übergreifenden Naturschutz ein: die Geburtsstunde des „Grünen Bandes“. Von dem 1393 km langen und 177 km² großen Gebiet stehen aktuell 28,4 % unter Naturschutz, 64 % tragen das Prädikat „special protected area“ oder „FloraFauna-Habitat“. Von den dort lebenden Tier- und Pflanzenarten sind 1200 auf der roten Liste verzeichnet. Aber 13  % der Fläche sind u. a. durch Bebauung oder intensive Landwirtschaft zerstört. Auch die steigende Zahl der Verkehrswege zerschneidet das Band immer mehr, und es gibt Lücken, da sich noch viele Gebiete in privater Hand befinden – oft mit anderen Nutzungskonzepten. Dennoch hat das Projekt Vorbildfunktion gewonnen: Seit 2003 gibt es das „Europäische Grüne Band“ mit den vier Teilbereichen Fennoskandien, Ostsee, Zentraleuropa und Balkan. 24 Länder beteiligen sich derzeit unter der Schirmherrschaft von Michail Gorbatschow an

dem auf 12 500 km vom Barentssee zum Schwarzen Meer verlaufenden Streifen. Für einen Blick ins Grüne und besonders auf das Grüne Band eignen sich heutzutage übrigens die Türme „hüben“ wie „drüben“ bestens. Ina Hofmann Literatur Elke Erhard/Andreas Erhard/Manuel Erhard: Denkmalforschung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze – Historie der westlichen Landesgrenze, Bd. I, Schweinfurth 2012 Elke Erhard/Andreas Erhard/Manuel Erhard: Denkmalforschung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze – Bauliche Zeugnisse der westlichen Landesgrenze, Bd. II, Schweinfurth 2012 Robert Lebegern: Mauer, Zaun und Stacheldraht: Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze 1945–1990, Weiden 2002 Ralph Giordano: „Hier war ja Schluß …“ Was von der deutsch-deutschen Grenze geblieben ist. Mit Bildern von Josef Kaufmann, Hamburg 1996 Klaus-Rainer Jackisch: Eisern gegen die Einheit. Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung, Frankfurt 2004 http://www.bfn.de/0311_gruenes_band_de.html, abgerufen 21.01.2015 http://www.bund.net/themen_und_projekte/ gruenes_band/infothek/chronik/gruenes_band_ deutschland/, abgerufen am 21.01.2015

Relikt des Kalten Krieges: die Fallkörpersperre in Windischeschenbach Sie waren die letzte Form des Festungswesens, die vorbereiteten Sperren des Kalten Krieges in Straßen, Brücken, Unterführungen, Tunnels oder an Bahnstrecken. Als fester Bestandteil im Ab-

schreckungskonzept der NATO dienten sie der Territorialverteidigung und sollten im Fall eines Angriffs durch Truppen des Warschauer Pakts den Vormarsch der feindlichen Panzerverbände in die

Bundesrepublik Deutschland hemmen. Zwar hätten sie diesen nicht aufhalten können, durch ihre verzögernde Wirkung aber einen Zeitgewinn für die Formierung der eigenen Abwehr gebracht. Mit dem Ende des Kalten Krieges hatten die Sperren ihren Zweck verloren, und mittlerweile sind sie weitgehend zurückgebaut. Auch wenn sie nie zum Einsatz gekommen sind, ihren Zweck haben sie erfüllt, denn durch ihre bloße Existenz haben sie Abwehrbereitschaft signalisiert und mit dazu beigetragen, dass es zu keinem Dritten Weltkrieg kam.

Windischeschenbach, Lkr. Neustadt a.d. Waldnaab. Fallkörpersperre an der Unterführung der Brücke über die Waldnaab (Foto: Hagen Wirkner)

Die Denkmaleigenschaft Weite Teile der Bevölkerung haben von den Sperren überhaupt nichts mitbekommen, denn so diskret wie sie gebaut worden sind, sind sie größtenteils auch wieder verschwunden. Heute, 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist der Kalte Krieg kaum mehr greifbar. Damit besitzen gerade die vorbereite55

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oder im Nahbereich von technischen Anlagen gebaut wurden. Vom Prinzip her waren Fallkörpersperren armierte Stahlbetonblöcke, die mittels Sprengung auf die Fahrbahn gekippt worden wären. Verwendet wurden sie vor allem zur Blockade von Unterführungen, da durch die geringe Menge der benötigten Sprengmittel der zu erwartende Schaden an der Infrastruktur gering gehalten worden wäre.

Windischeschenbach. Von oben sichtbar die Platzierung des Fallkörpers und sein trapezoider Querschnitt (Foto: Hagen Wirkner)

ten Sperren einen hohen Zeugniswert für die deutsche Nachkriegsgeschichte, denn sie führen uns vor Augen, wie real die Bedrohung damals war und wie leicht es zu einer Eskalation hätte kommen können. Es ist deshalb geboten, einige ausgewählte Sperren durch ihren Eintrag in die Denkmalliste der Nachwelt zu erhalten. Das hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bereits 2004 erkannt. In enger Zusammenarbeit mit StFw Andreas Götz und StFw Jürgen Glaß, den zuständigen Wallmeistern der Bundeswehr, wurde durch den Autor in den letzten Jahren der Nachtrag von sechs Sperrobjekten in die Denkmalliste veranlasst. Damit sind derzeit zehn Sperren und zwei Munitionsbunkeranlagen aus der Zeit des Kalten Krieges gelistet. Darüber hinaus konnten bereits bei mehreren Objekten Infotafeln aufgestellt werden; denn nur wenn die vorbereiteten Sperren in das Bewusstsein der Bevölkerung dringen, besitzen sie auch Zeugniswert. Die vorbereiteten Sperren Bei den vorbereiteten Sperren handelte es sich um Sperr- und Unterbrechungseinrichtungen. Sie lagen in verkehrsmäßig schwierigem Gelände, wie natürlichen bzw. künstlichen Engstellen, Geländeeinschnitten oder Hängen. Im Außerortsbereich waren es in der Regel Straßensperren, sog. Trichtersperren. Diese bestanden meist aus drei 5–6 m tiefen Schächten, die im Abstand von 56

20 m hintereinander lagen. Im Ernstfall wären sie mit Sprengstoff (TNT) geladen und damit gewaltige Krater in die Straße gesprengt worden, um diese für Panzer unpassierbar zu machen. Innerorts oder in Bereichen mit sensibler Infrastruktur baute man dagegen Sperren, bei denen nur wenig oder gar kein Sprengstoff zum Einsatz kam. Es handelte sich dabei um Fallkörper- oder Steckschachtsperren, die vor bzw. in Unterführungen, auf Brücken oder Staudämmen, an Bahnlinien

Die Sperrsituation Im Raum Windischeschenbach, wo der Gefechtsstreifen der Brigade 10 an den der US-Armee im Norden grenzte, hätte sich der Vordere Rand der Verteidigung (VRV) befunden. Es handelte sich dabei um eine 15–20 km vom Eisernen Vorhang entfernte, erste Verteidigungslinie, die in etwa dem Verlauf der Ostmarkstraße (B 22) folgte. Die Fallkörpersperre befindet sich im Innerortsbereich von Windischeschenbach, wo die Neuhauser Straße (ehemals Staatsstraße 2181) die Waldnaab und die Bahnstrecke Weiden–Hof quert. Im Anschluss an das von der Topografie her sperrgünstige Waldnaabtal gelegen, diente sie zusammen mit den Sperren NEW-0022 und NEW-0004 (die Bezirke der für die Sperranlagen zuständigen Wallmeister der Bundeswehr deckten sich mit den Landkreisgrenzen) der Abriegelung der Ost-West-Verbindung

Strullendorf, Lkr. Bamberg. Der begrünte Fallkörper an der Zufahrt zur Wehrbrücke der Wasserkraftanlage an der Regnitz ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen (Foto: Mathias Conrad)

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über die Staatsstraße 2181 und die B 22 nach Bayreuth. Die erstgenannte Anlage lag nördlich von Windischeschenbach in der Kreisstraße NEW 18 bei der Oberbaumühle. Sie befand sich in der Überführung über die Bahnlinie Weiden–Hof und bestand aus jeweils einem Sprengschacht in der Rampe auf beiden Seiten der Auffahrt. Bei der anderen, südlich von Windischeschenbach in der Nähe von Scherreuth gelegenen Sperreinrichtung handelte es sich um zwei Sprengkammern in einem Pfeiler der Bahnbrücke über die Waldnaab. Durch ihre Zerstörung sollte verhindert werden, dass die feindlichen Panzer die Bahntrasse als Rollbahn benutzten. Die Fallkörpersperre in Windischeschenbach Die im Winter 1983/84 gebaute Fallkörpersperre trägt die Objektnummer NEW-0037. In Verbindung mit der Waldnaab, dem unmittelbar dahinter liegenden Bahndamm und der Unterführung stellte sie ein schwer zu überwindendes Hindernis dar. Die Sperre liegt auf der Westseite des Bahndamms, wobei ihr Abstand zur Unterführung 4,50 m beträgt. Sie besteht aus dem sog. Sprengbalken und dem eigentlichen Fallkörper. Der 6 m hohe Stahlbetonblock besitzt einen trapezförmigen Querschnitt bei einer Breite von 2,50 m auf der Stirn- und 60 cm auf der Rückseite. Sein Gewicht liegt demnach bei gut 50 t. Der Fallkörper wurde nicht, wie so oft der Fall, aus vorgefertigten Teilen, sondern in Ortbeton hergestellt.

Auf seiner Vorderseite sind 14 in einer Doppelreihe angeordnete Stahlbolzen eingegossen. Am Fuß des Fallkörpers befindet sich der etwas zurückgesetzte Sprengbalken mit drei horizontalen Sprengröhren. Im Ernstfall wären diese durch Pioniere der Bundeswehr mit Sprengkörpern bestückt worden, ihre Zündung aber nur erfolgt, wenn es die Kampfhandlungen erfordert hätten. Durch seinen vorne liegenden Schwerpunkt wäre dabei der überstehende Betonblock auf die Straße gekippt, wobei sich die Stahlbolzen in den Asphalt gebohrt hätten. Sein Gewicht, die abgeschrägte Form sowie die im Asphalt verhakten Bolzen hätten einen erheblichen Kraft- und Zeitaufwand erfordert, um den im Liegenden 2,30 m hohen Koloss beiseite zu räumen – wertvolle Zeit für die Formierung der eigenen Abwehr. Durch ihre 2012 erfolgte Unterschutzstellung bleibt die Fallkörpersperre in Windischeschenbach als Relikt des Kalten Krieges unter der Obhut der Bundeswehr als Denkmal erhalten. Weitere Fallkörpersperren in der Denkmalliste Von den zehn in die Bayerische Denkmalliste eingetragenen Sperren des Kalten Krieges sind vier Fallkörpersperren. Sie bilden damit die größte Gruppe, obwohl sie vergleichsweise selten gebaut wurden. Dies liegt offenbar daran, dass sie als solche leicht erkannt werden, während von Trichter- oder Steckschachtsperren nur die

einem Kanaldeckel gleichenden Abdeckungen in der Straße zu sehen sind. Neben der Fallkörpersperre in Windischeschenbach handelt es sich bei den gelisteten Objekten um die Anlage an der Bahnlinie Bamberg–Hof im Bereich der sog. Schiefen Ebene. Die in einem Einschnitt bei Marktschorgast gelegene Sperre mit der Objektnummer KU-0061 besteht aus zwei versetzt angeordneten, gegenständigen Fallkörpern. Errichtet wurden diese 1982 aus armierten Betonfertigteilen. Die dritte Sperre (BA0097) steht auf dem Betriebsgelände der Wasserkraftanlage an der Regnitz bei Strullendorf, neben der Zufahrt zur Wehrbrücke. Bereits bei ihrem Bau im Jahr 1984 hat man an dem Betonblock ein Rankgitter angebracht und ihn mit Knöterich bepflanzt. Deshalb ist der Fallkörper auf Anhieb nur schwer zu erkennen. Die vierte Sperre (PA-0056) befindet sich in Passau im Ortsteil Hacklberg, wo die B 85 unter der Bahnlinie Passau–Freyung hindurchführt. Auf der Südseite des Bahndamms steht links und rechts der Fahrbahn ein Fallkörper aus Fertigteilen. Errichtet wurde die Sperre 1982. Mathias Conrad Quellen Sperrakte NEW-0037 und Sperrobjektkarteikarten NEW-0004 und NEW-0022. Vgl. hierzu auch die Beiträge in Denkmalpflege Informationen Nr. 127, 153, 155 und 157 2014. Herrn StFw Andreas Götz danke ich für die gute Zusammenarbeit.

Vom „Abpudern“, „Einschlämmen“ und „Ballieren“ des „Gypses“ Planung und Ausführung von Stuckmarmorarbeiten im 18. Jahrhundert „Aus dem Gypse lässt sich ein künstlicher Marmor verfertigen, welchen man daher Gypsmarmor nennt, und womit man nicht nur Wände zu überziehen, sondern woraus man auch Tischblätter, Säulen, Kugeln und allerley viereckige Steine in die Zimmer und unter die Oefen zu machen, und diese hernach zu polieren pflegt.“ So die knappe Umschreibung eines der wichtigsten Gestaltungsmittel der Dekorationskunst des süddeutschen Barock und Rokoko

in der „Deutschen Encyclopädie“ von 1788: des Stuckmarmors. Zum Auftrag Die Stuckateure haben Farbgebung und Textur einer Stuckmarmorverkleidung vorab häufig sehr präzise konzipiert. Den Ausgangspunkt einer Auftragsvergabe zur Anfertigung einzelner Ausstattungsstücke bildeten für gewöhnlich ein Entwurf und ein zugehöriger Kostenvoranschlag. Neben

den Entwurfszeichnungen ist in den Quellen häufig von Entwurfsmodellen – sowohl von einzelnen Ausstattungsobjekten als auch gesamter Raumgestaltungen – die Rede, um auch die räumlich-plastische Wirkung visualisieren zu können, wobei die Angaben zur Farbigkeit und Textur hier in der Regel weniger exakt dargestellt waren. Einzelne Stuckmarmor-Musterstücke, die auch in den Quellen wiederholt Erwähnung finden, dienten dann wohl 57

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häufig einer genaueren Festlegung der Farbe und Textur. Für die Ausstattung der Würzburger Hofkirche etwa ist für das Jahr 1735 dokumentiert, dass man sich vor Ort anhand von „farben und proben“ über die Verkleidung des Raumes im Altarbereich austauschen wollte. Auch ist überliefert, dass natürlicher Marmor zuweilen als Vorlage für eine Stuckmarmorverkleidung diente. In der „Oeconomischen Encyclopädie“ von Johann Georg Krünitz heißt es 1780 in einem allgemeinen Abschnitt über Stuckmarmor: „Der Bauherr überliefert dem Künstler entweder eine oder ein Par Marmortafeln, welche dieser bey seinem Gypsmarmor nachahmen soll, oder er überlässt die Wahl und Mischung der Farben dem Geschmack des Künstlers oder einem bloßen Ungefähr.“ Unterkonstruktion Vor Beginn der Herstellung des Stuckmarmors war zunächst eine Unterkonstruktion anzufertigen, wobei die Marmorierer bisweilen auch mit Kistlern oder Maurern zusammenarbeiteten. Man verwandte dazu Ziegel-, Natursteinmauerwerk oder mit einer Mörtelgrundierung versehene hölzerne Träger. Auch ganze, wiederum mit einer Holzlattung begradigte Baumstämme mit Drahtarmierung konnten als Unterkonstruktion dienen. Bei der Grundierung handelte es sich in der Regel um einen mit Leimwasser angemachten Gips-Kalk-Mörtel, der mitunter zusätzlich mit Sandzuschlägen versehen wurde. Da der Stuckmarmor dem Unterbau als dünne Schicht aufliegt, und dem Prozess keine additiv-plastische Formgebung zueigen ist, war es nötig, die Flächen bereits beim Auftragen der Grundierung exakt zu ebnen und kleinere Verkröpfungen oder Profile differenziert anzulegen. Der Grundierungsmörtel verleiht im Falle einer Holzunterkonstruktion dem gesamten Aufbau auch in Hinsicht auf raumklimatisch bedingte Ausdehnung und Schrumpfung der Hölzer eine gesteigerte Stabilität. Bestandteile des Stuckmarmors Als Grundbestandteile des eigentlichen Stuckmarmors wurden Gips, hier meist Alabaster- oder Marmorgips, Leimwasser und färbende Substanzen verwendet. Da mit Wasser angeteigter Gips binnen kurzer Zeit abbindet, 58

der Marmorierer für die Anlage des Stuckmarmors aber einen gewissen zeitlichen Spielraum benötigt, wurde der Gipsteig mittels Leimwasser hergestellt. Der Leim wirkt nicht nur als „Verzögerer“, sondern verleiht dem Material auch mehr Festigkeit, wodurch es auch besser zu Schleifen und Polieren ist. Gewöhnlich wurden Glutinleime, also tierische Haut- und Knochenleime, verarbeitet. Um den Aggregatszustand des im Wasserbad verflüssigten Leimes auch bei dessen Erkalten zu bewahren und um die organische Substanz zu konservieren, gibt man dem Leim heute etwas Sumpfkalk zu. Inzwischen ist auch allgemein bekannt, dass sich zur Herstellung eines farblich beständigen Stuckmarmors licht- und kalkechte Farben empfehlen – ein Umstand, dessen

man sich im 17. und 18. Jahrhundert in vielen Fällen nicht bewusst war oder den man schlicht nicht berücksichtigte. Johann Melchior Crökers Rezeptbuch „Der wohl anführende Mahler“ aus dem Jahr 1736 differenziert bei den Farbmitteln zwischen „Saft- [und] Sandfarben“; in der „Deutschen Encyclopädie“ von 1788 wird zwischen „Farben aus dem Mineral= oder Pflanzenreiche“, also zwischen löslichen Farbstoffen und Pigmenten, unterschieden. Herstellungstechniken In der nachfolgend vorgestellten Rezeptur stimmen die meisten Rezeptbücher des 18. Jahrhunderts im Wesentlichen überein: Unterschiedlich gefärbte Farbteige wurden in Portionen geteilt, dann gemischt und anschließend vorsichtig Ergänzung des Stuckateurs Josef Fäßler im Rahmen der Restaurierungsarbeiten an der Stuckmarmormensa des Marienaltars von Joseph Anton Feuchtmayer, Klosterkirche St. Bernhard (Alle Fotos: Eva Maier)

In Scheiben geschnittener Laib

Abpudern der Teige

DENKMALFORSCHUNG

Anlegen und Feilen der Ergänzung: Der frisch angelegte Stuckmarmor wurde mit trockenem Gips bestreut, der den Teigen Feuchtigkeit entzieht

zu einem größeren Klumpen oder einem Teig-„Laib“ zusammengefügt. Dieser Laib wird – heute in der Regel mittels eines Drahtes – in etwa 1 cm dicke Scheiben geschnitten, deren Schnittflächen die Textur des Stuckmarmors erstmals offenbaren. Bei der Anfertigung von brekzien- oder konglomeratähnlichen, also Gesteinseinschlüsse imitierenden Strukturen wurden Teigstücke in einer Art Bindemittel verkittet. Häufig zu beobachten ist das Abpudern von Stücken oder einzelner Schichten mit Gips, der mit trockenen Farbmitteln versetzt war, um feine Äderungen zu imitieren oder einzelne Einschlüsse stärker zu konturieren. Ähnlich verhält es sich mit dem Einspritzen eines relativ flüssig angemachten Farbteiges zur Erzeugung einer Äderung. Für die Anfertigung sedimentartiger Schichtungen wurden ausgewalkte Teige aufeinandergelegt oder längere Teigbahnen gefaltet und anschließend geschnitten. Auch war es üblich, Stücke natürlichen Gesteins, häufig von Alabaster, in den Stuckmarmor einzuarbeiten. Diese wurden dann auf einer ebenen Fläche oder auch in Negativformen positioniert und anschließend mit der gewünschten Stuckmarmormasse ummantelt. Alternativ setzte man die Steine auch in eine geschlossen angelegte Stuckmarmorfläche ein, wobei man die entsprechenden Partien vorher ausstach. Nach dem Aushärten des Stuckmarmors wurden die Einlagen dann zusammen mit der restlichen Verkleidung geschliffen. Mit dem gleichen Verfahren pflegte man auch

Stuckmarmorbruchstücke einer bereits geschliffenen Platte in die Masse einzuarbeiten. Auflegen, Schleifen und Polieren Die geschnittenen Stuckmarmorscheiben wurden schließlich auf den präparierten Untergrund aufgelegt. Zum Anhaften verwendete man einen sogenannten Setzgips aus Gips und Leimwasser, mit dem die Auflage sowie der vollständig ausgetrocknete Untergrund bestrichen wurden. Nachdem sich die Konsistenz der Teige verfestigt hatte, brachte man die Verkleidung in Form, planierte Flächen, begradigte und modellierte Kanten. Die so bearbeiteten Flächen mit offen stehenden Poren wurden anschließend mit einer in den Grundtönen der Auflage abgetönten,

zähflüssigen Spachtelmasse bestrichen. Bevor mit dem sehr zeitaufwendigen und arbeitsintensiven Prozess des Schleifens begonnen werden konnte, musste der Stuckmarmor nun erst vollständig abbinden. Dann waren in der Regel mindestens sechs Schleifvorgänge nötig, bei denen der Stuckmarmor mit immer feinkörnigeren und härteren Schleifmitteln unter Zugabe von Wasser bearbeitet wurde. Zwischen den einzelnen Schleifvorgängen wurde die Verkleidung immer wieder mit einer in ihren Farbgrundtönen angemachten Stuckmasse verspachtelt oder „eingeschlämmt“, um offen stehende Poren zu schließen und die Oberfläche zu verdichten. Als Schleifmittel dienten im 18. Jahrhundert diverse Schleifsteine und mitunter auch Pflanzenfasern. Wieder-

Schliff eines Stuckmarmormusterstücks mit Bimsstein unter Zugabe von Wasser

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DENKMALFORSCHUNG

holt berichten die Quellen von spezialisierten „Schleifern“, die diese zwar sehr aufwendigen, aber weniger der künstlerischen Geschicklichkeit bedürfenden abschließenden Arbeitsschritte ausführten. Die anschließende Politur bezweckt hauptsächlich die Verdichtung der Oberfläche. Stuckmarmorsubstanz wird bei diesem Vorgang nur noch verschwindend gering abgetragen. Der in den Quellen am häufigsten erwähnte Polierstein ist der Hämatit. Auch das pulverisierte Mineral Trippel wird häufig als Schleif- und Poliermittel genannt. Daneben verwandte man vielfältige andere Materialien wie etwa Zahn, Glas, Kork, Leder oder Tuch. Das Abreiben mit Stoffen bezeichnete man auch als „Ballieren“. Wiederholt beschreiben die Rezepturen auch den Einsatz von Seifen oder Ölen für die Politur. Heute verwendet man dazu meist Leimstuck oder Leim-

wasser. Nach Fertigstellung der Politur wurde die Oberfläche wiederum mit Öl bestrichen und mit einem Tuch abgerieben. Ob der so bearbeitete Stuckmarmor im 18. Jahrhundert abschließend noch mit Wachs, Lacken oder Firnissen überarbeitet wurde, ist heute umstritten. Herstellung in situ oder in der Werkstatt? In vielen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass einzelne Teile, aber auch ganze Ausstattungsstücke nicht in situ gefertigt wurden. An Versatzfugen ist oft noch zu erkennen, dass man sie als Bauelemente in der Kirche oder auch vollständig in der Werkstatt fertiggestellt und anschließend versetzt hat. So ist etwa für den Hochaltar von Franz Xaver Feichtmayr in der Elisabethkirche im Deutschhaus in Sterzing in den Archivalien wiederholt vom „Aufsetzen“ des Altars die Rede, wofür man

Gips und Nägel abrechnete. Bei der Ausstattung der Bruchsaler Schlosskirche ging man wiederum dazu über, die in Rastatt von dem Marmorierer Matthias Brückner gefertigten Altäre nicht mehr anzutransportieren, sondern gleich vor Ort zu fertigen, „zumalen der Transport so wohl des gipses als der gemachten arbeit ... ohne dem viel mehreres kostet, als wan es hier gemacht würde“, so Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn im Jahr 1728. Der Transport eines Ausstattungsstücks war sicherlich aufwendig und wegen möglicher Schäden risikoreich, allerdings vereinfachte die Arbeit an der Werkbank die einzelnen Arbeitsgänge erheblich. Weite Wegstrecken wurden wohl möglichst vermieden, eher nutzte man eigene Werkräume in der Nähe der Baustelle – wie etwa ein im Klosterplan des Stifts Neuzelle von 1758 ausgewiesenes eigenes „Marmorirund Gärtner-Hauss“ belegt. Eva Maier

Amorbach, ehem. Benediktinerabteikirche. Detail des mittleren nördlichen Langhausaltars von Johann Michael Feichtmayr (Foto: Jan Hooss, Stuttgart)

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Nachwort: Der Werkstoff Stuckmarmor ist Gegenstand von Eva Maiers Buch „Stuckmarmor und Raumgestaltung. Johann Michael Feichtmayrs Stuckmarmorausstattungen sakraler Innenräume und deren Bedeutung“, das 2012 als fünfter Band der Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege herauskam. Der Wessobrunner Stuckateur Johann Michael Feichtmayr gilt als einer der herausragenden Meister dieser Technik im 18. Jahrhundert, weshalb seinem Œuvre in der Arbeit auch viel Platz eingeräumt wird. In seinen Ausstattungen ist der Werkstoff zumeist bei Wand-, Stützen- und Altarverkleidungen verwendet. Die Autorin erläutert die aufwendige Herstellung von Stuckmarmor, die verschiedenen Materialien, Werkzeuge und die Vorgehensweise in einer kunsttechnologischen Einführung. Sie hat dazu historische Rezeptbücher, archivalische Dokumente und die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Untersuchungen herangezogen. Auf der Grundlage eigener praktischer Erfahrungen durch die Mitarbeit bei Restaurierungen erklärt sie die Unterschiede zwischen historischen Techniken und modernen Verfahrensweisen. Htr Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 138

PASSION DENKMAL

PASSION DENKMAL Ausstellung im Gymnasium Grünwald Bei der Einweihung des Gymnasiums in Grünwald am 15. Oktober 2014 war die Archäologie mit dabei: Zu diesem Anlass rekonstruierte die Firma Singularch, welche die bodendenkmalpflegerischen Untersuchungen vor dem Bau des Schulgebäudes durchgeführt hatte, den Befund einer frühbronzezeitlichen Grabanlage. Ergänzend zeigte Singularch gegenüber dieser Inszenierung auf einem Monitor einen Zeitrafferfilm von der Bergung dieses Grabes. Des Weiteren war der Befund eines Langhauses durch Markierungen der Pfosten im Fußboden des Pausenganges und im angrenzenden Schulhof erlebbar gemacht worden. Da zum Einweihungstermin zwar das Restaurierungsprojekt der Gemeinde Grünwald mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege abgeschlossen war (siehe DI Nr. 159, S.  65  ff.), die wissenschaftliche Aufarbeitung von Seiten des Instituts für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie der Ludwig-

Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick (rechts) vom Lehrstuhl für Vorund Frühgeschichte und Dr. Timm Weski vom BLfD erläutern Bürgermeister Jan Neusiedl (links) und Landrat Christoph Gödel (hinten Mitte) die Ausstellung (Foto: BLfD)

Maximilians-Universität jedoch noch nicht, konnte für die Eröffnung in der Vitrine nur eine provisorische Ausstellung arrangiert werden, die nach dem Tag des offenen Gymnasiums am 15.  November 2014 wieder abgebaut wurde. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Auswertung sollen aber

Vitrinen mit einer Fundschau unter Einbeziehung dieser Ergebnisse dauerhaft aufgestellt sowie Funde aus den Ausgrabungen der letzten Jahre in Grünwald gezeigt werden. Zusätzlich wird eine erklärende Broschüre vorbereitet. Timm Weski

Grünwald. Das Einrichten der Vitrine ist abgeschlossen (Foto: BLfD)

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Römerbad in Königsbrunn der Öffentlichkeit vorgestellt Römische Überreste am Ort Bei der Anlage des Städtischen Friedhofs an der Wertachstraße in Königsbrunn (Lkr. Augsburg) war man 1975 beim Bau einer Wasserleitung auf römische Baureste gestoßen. Sondagen im Bereich des zukünftigen Friedhofsgeländes erbrachten Fundamente von acht römischen Gebäuden, die 1975–77 vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege untersucht wurden. Dabei war auch ein Mithras-Heiligtum, das später mit einem Schutzbau versehen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Die römischen Baureste gehören zu einer ländlichen Siedlung am Hang der Augsburger Hochterrasse, rund 500 m westlich der Via Claudia, die vom frühen 1. bis in das 5. Jahrhundert eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen vom oberitalischen Mutterland in die Provinz Raetien war. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei den Königsbrunner Gebäuden um eine Station handelte, die die Tabula Peutingeriana im Abstand von neun Meilen südlich der Hauptstadt verzeichnet. Ihr Name ad novas könnte ein Lesefehler des mittelalterlichen Abschreibers der antiken Karte sein: Die ursprüngliche Bezeichnung bezog sich wohl auf die Meilendistanz von Augsburg ad nonas, „beim neunten“, zu ergänzen: Meilenstein.

Königsbrunn, Lkr. Augsburg. Römerbad; Gabionen über den Originalbefunden (Foto: Wolfgang Czysz)

Nachdem 1998 Pläne für eine Friedhofserweiterung im Raum standen, wurde dieser Bereich im Vorgriff bis zum Herbst 2010 in mehreren Abschnitten archäologisch untersucht. Außer verschiedenen römischen Wirtschaftsgebäuden konnte die Gruppe Süd des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte für den Landkreis

Feier zur Einweihung des archäologischen Parks am Römberbad (Foto: Rainer Linke/Siglinde Matysik)

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Augsburg einen Entwässerungsgraben mit Schleuse und römische Wege innerhalb der Siedlung ausgraben und dokumentieren. Der Wasserkanal und einer der Wege führten von einem ausgedehnten Baukomplex hangabwärts. Mit Einverständnis der Stadt Königsbrunn konnte die Untersuchung der Fundamente im bereits angelegten Friedhofsbereich fortgesetzt und das Gebäude vollständig freigelegt werden. Hypokausten (Unterfußbodenheizungen) mit den typischen Schürkanälen (praefurnia) wiesen auf ein Badgebäude mit den klassischen Funktionsräumen (Kaltbad, frigidarium und Heißbad, caldarium) hin. Konservierung und Präsentation Obwohl das Mauerwerk nicht allzu gut erhalten, sondern größtenteils bis auf die Fundamente ausgebrochen war, wurde schon bei Beginn der Ausgrabungen darüber diskutiert, ob und wie man sie konservieren und der Öffentlichkeit präsentieren könnte. Die beste Lösung für den archäologischen Befund bestand zuletzt darin, Mauerwerk und Ziegeleinbauten mit einer Lage aus Folie und Flusssand wieder

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zuzudecken. Anschließend wurden die Fundamente des Bades durch steingefüllte Drahtkörbe (Gabionen) ebenerdig genau über dem Originalbefund dargestellt und so der interessante Raumeindruck des Bauwerks für den Besucher wieder gewonnen. Ein Pavillon informiert mit Text- und Bildtafeln sowie einem Aluminiummodell über die Römer, die Ausgrabungen im Städtischen Friedhof und das Badegebäude.

Der kleine archäologische Park wurde am 28. Oktober 2014 durch den Ersten Bürgermeister der Stadt Königsbrunn, Franz Feigl, im Beisein von Erich Herreiner (Leader-Manager am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Nördlingen) und Landeskonservator Prof. Dr. C. Sebastian Sommer vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege eröffnet. Trotz eisiger Kälte waren über 120 Gäste gekommen, die sich mit Honigwein nach antikem Rezept

und gefüllten Datteln aufwärmen konnten. Zusammen mit den Spuren der Via Claudia, dem Mithraeum und dem Archäologischen Museum im Rathaus besitzt die Stadt Königsbrunn damit eine weitere Attraktion für die Schulen, archäologisch interessierte Bürger und Besucher. Wolfgang Czysz, Rainer Linke und Siglinde Matysik

Goldbergbau bei Goldkronach Workshop zum Auftakt des Ehrenamtsprojektes Das im Tal der Kronach gelegene Goldkronach verdankt seinen Namen und die Erhebung zur Stadt dem Goldreichtum in seinem direkten Umfeld. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert wurde das in Quarzgängen eingelagerte Edelmetall in dem östlich gelegenen Goldberg bergmännisch gewonnen. Untrennbar mit Goldkronach ist zudem der Name Alexander von Humboldt verbunden, der dort von 1792–1805 als preußischer Oberbergamts-Assessor tätig war. Das Revier hatte seine Blütezeit jedoch bereits längst hinter sich. Auch spätere Bergbauversuche blieben erfolglos, sodass die Betriebe 1865 eingestellt wurden.

Die Phase des umfangreichsten und ergiebigsten Bergbaus um Goldkronach ist nach bisheriger Kenntnis für die Zeit vom Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit anzusetzen. Damals war es eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das bedeutendste Goldbergbaurevier Deutschlands. Trotz seiner historischen Bedeutung sind die archäologischen Befunde bisher in nur sehr geringem Umfang erfasst worden. Ein auf zwei Jahre angelegtes Ehrenamtsprojekt des Historischen Vereins für Oberfranken e. V., dessen Ziel es ist, ein Gesamtbild der obertägigen Bergbauspuren um Goldkronach zu gewinnen, soll hier Abhilfe schaffen. Die

Daten aus dem Projekt werden dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege für die Bewertung und eine eventuelle Aufnahme in die Denkmalliste übermittelt. Abschließend wird das daraus entwickelte Gesamtbild im Jahrbuch des Historischen Vereins für Oberfranken veröffentlicht. Zum Auftakt des Projektes fand am 18. Oktober 2014 ein Workshop zum Thema „Montanarchäologie“ von Martin Straßburger statt. Einführende Worte sprachen Bürgermeister Holger Bär, Norbert Hübsch von der Regierung von Oberfranken (Rechtliche Angelegenheiten der Bodendenkmalpflege im Sachgebiet 12 Kommunale Angelegenheiten)

Besichtigung der Bergbauspuren im Gelände (Foto: Seiler-Fotodesign, Roland Seiler)

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und Dr. Ralf Obst aus dem Sachgebiet „Ehrenamt und Bodendenkmalpflege“ des BLfD. Danach folgte der Vortrag des Berichterstatters, in dem verschiedene Aspekte der Montanarchäologie über Tage abgedeckt wurden, angefangen bei den allgemeinen Grundlagen des Faches über Arbeitsweisen sowie Bedeutung des Berg- und Hüttenwesens. Die Teilnehmer erhielten auch Einblicke in die Auswertung von geologischen Karten, Altkarten und Risswerk, Airborne Laserscanning sowie Befundbeschreibungen und -interpretationen. Einen breiteren Raum nahm die Beschreibung und Bestimmung metallurgischer Schlacken ein. Der archäologische Teil schloss mit den verschiedenen Bedeutungsebenen des Montanwesens hinsichtlich Technik-, Umwelt-, Wirtschafts-, Kultur- und Sozialgeschichte. Wichtige Punkte stellten die rechtlichen Rahmenbedingungen montanarchäologischer Arbeiten und die Sicherheitsaspekte dar. Auch die unterschiedlichen betroffenen öffentlichen Belange und die daraus resultierenden Konflikte sowie Gefährdungen der Denkmalsubstanz im Altbergbau wurden thematisiert. Ergänzend hielt Dr. Gerold Pascha aus Regensburg einen Kurzvortrag über

Erläuterung und Diskussion (Foto: Seiler-Fotodesign, Roland Seiler)

die Entstehung der Goldanreicherungen bei Goldkronach. Er klärte auch, warum der Abbau in späterer Zeit keinen Ertrag mehr brachte: Innerhalb der Verwitterungszone der Quarzgänge waren hohe Goldanreicherungen entstanden, die mit zunehmender Tiefe abnahmen, was den Abbau schließlich unrentabel machte. Eine Exkursion am Nachmittag führte in den Bereich der Bergwerke „Name Gottes“, um die Befunde vor Ort in Au-

genschein zu nehmen. Die Führung durch das Bergbaugebiet übernahm Hans Stützinger. Die Veranstaltung zeigte einmal mehr das große Interesse am Altbergbau und an der Archäologie des Montanwesens. Gerade auch auf diesem Gebiet ist die Denkmalpflege auf das umfassende Wissen und Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter angewiesen. Martin Straßburger

Vom Schreibtisch ins Gelände Ehrenamtliche Ortshistoriker werden in der Bodendenkmalpflege aktiv Die Auswertung von Daten aus Digitalen Geländemodellen (DGM) auf Grundlage des Airborne Laserscannings (ALS) findet in jüngerer Zeit zusätzliche Interessenten, die bisher noch nicht mit der Denkmalpflege zu tun hatten oder in gänzlich anderen Bereichen ehrenamtlich tätig waren. Insbesondere die Möglichkeit, über Portale wie das Rauminformationssystem Bayern (RISBY) auf kostenfreie Geodaten zuzugreifen, führt zu einer deutlich gestiegenen Nutzung durch Ehrenamtliche. Dabei bietet die Methode ein überaus vielfältiges Spektrum an Erkenntnismöglichkeiten, das in der Praxis ständig Erweiterungen erfährt. Als Beispiel hierfür sei die Arbeit des „Arbeitskreises für Ortsgeschichts64

forschung Landkreis Starnberg“ genannt. Die ehrenamtlichen Historiker treffen sich bereits seit 1992 regelmäßig in Gauting und widmen sich schwerpunktmäßig der grundlegenden Siedlungsforschung, darunter auch der Wüstungs- und Burgstallforschung. Die Mitglieder sind Experten bei der Arbeit mit Archivalien (i. d. R. den Originalquellen) und Urkatasterplänen. Die Ergebnisse werden regelmäßig über Publikationen und Vorträge einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Anlässlich eines Vortrags wurde der Arbeitskreis auf die Methode des ALS aufmerksam und erkannte darin ein geeignetes Arbeitsmittel für seine Forschungen. Die ersten Daten wurden mit Fördermitteln aus dem Sachgebiet Ehrenamt beschafft

und beim Landesamt in DGM-Bilder umgesetzt. Schon bald blickten die Ortsgeschichtsforscher jedoch über den Tellerrand hinaus auf die Möglichkeiten des RISBY mit dem bayernweiten Angebot hochauflösender Schummerungsfolien. Seitdem ergibt sich eine Vielfalt neuer Möglichkeiten. Von der Burgstallforschung … In erster Linie werden digitale Geländemodelle als zeitgemäße Abbildungsmöglichkeit für obertägige Bodendenkmäler verwendet. Die Ehrenamtlichen arbeiten derzeit unter anderem an einer aktualisierten und überarbeiteten Neufassung des „Burgstallverzeichnisses“ von Arbeitskreisgründer Hans H. Schmidt (Versunkene Burgen im

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Fünf-Seen-Land zwischen Ammersee und Isar – Historisch-archäologische Rekonstruktionen. Arbeitskreis für Ortsgeschichtsforschung der Würmregion, Gauting 2002). Mit Hilfe der Geländemodelle können die einzelnen Burgställe anschaulich abgebildet und zudem vorab genauer unter die Lupe genommen werden. Von den bekannten Objekten ausgehend, begutachtet der Arbeitskreis anschließend auch unsichere Strukturen, sucht nach nicht eindeutig lokalisierbaren Anlagen und entdeckt bislang unbekannte Burgställe und Schanzwerke. Die detaillierte Darstellung der obertägigen Bodendenkmäler in den Schummerungskarten ermuntert dazu, sich diese Objekte auch direkt vor Ort genauer anzusehen. Seitdem geht ein nicht unerheblicher Teil der Ortsgeschichtsforscher neben der Archivarbeit auch aktiv ins Gelände, wo neben den Burgställen beispielsweise der Zustand des Grabhügelfeldes von TutzingTraubing dokumentiert oder nach dem Verlauf der römischen Straßentrasse zwischen Mühltal und Gauting gesucht wird.

Wölbäckerstrukturen und Grabhügel des hallstattzeitlichen Gräberfeldes D-1-7934-0117 im südlichen Bereich des mutmaßlichen abgegangenen Ortes Krinding/Chrinding bei Gauting in der Schummerungsfolie (Kartengrundlage: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung)

… zur Wüstungserfassung am Schreibtisch und im Gelände Besondere Begeisterung verursacht im Arbeitskreis die Tatsache, dass die ALSDaten zahlreiche noch erhaltene Wölb-

Die Ortsgeschichtsforscher Manfred Grimm und Manfred Scheffold im Gelände bei Traubing (Foto: BLfD, Sabine Mayer)

äckerstrukturen gut erkennbar abbilden. Über diese Spuren ehemaliger landwirtschaftlicher Nutzung kann mit Hilfe des RISBY häufig ein großflächiger Überblick gewonnen und Überreste auch in solchen Bereichen entdeckt werden, wo sie mit bloßem Auge im Gelände kaum noch erkennbar sind. Die alten Feldfluren sind natürlich nur im Bezug zu den zugehörigen Siedlungen zu verstehen, die häufig abgegangen bzw. verlagert sind. Das Wissen um das Vorhandensein und die Anzahl von Wüstungen ist für die Ortsgeschichtsforschung wiederum existenziell. Bislang kamen die Ehrenamtlichen ihnen insbesondere über die Auswertung von Urkatasterplänen bzw. die Zuordnung von Fluren zu den bekannten Anwesen der historischen Ortskerne auf die Spur. Die Kenntnis von größeren zusammenhängenden Flächen mit Wölbäckern kann diese Arbeitsweise maßgeblich unterstützen und zudem als Korrektiv und Verfeinerung für bestehende Analysen bzw. Ergebnisse dienen. An mehreren Beispielen ist dies bereits eindrucksvoll gelungen. In der Umgebung von Wangen werden vom Arbeitskreis seit Längerem mehrere Wüstungen vermutet. Unter anderem konnte man die Lage der ehemaligen Siedlung Hermannsried auf einer vergleichsweise ebenen, plateauartigen Fläche über die Urkatas65

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Gegenüberstellung von Schummerungsfolie und Urpositionsblatt mit Darstellung der aus den Schummerungskarten erkennbaren Gewanne (Darstellung: Benno C. Gantner; Kartengrundlagen: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung)

terauswertung näher eingrenzen. Die Schummerungskarten in diesem heute größtenteils bewaldeten Gelände zeigen zahlreiche erhaltene Wölbäcker, deren Lage und Ausdehnung mit den bisherigen Erkenntnissen verbunden werden können. Sie belegen auf eindrucksvolle Weise den angenommenen Standort und präzisieren diesen noch.

Anders stellt sich der Fall der Wüstung Krinding oder Chrinding bei Gauting dar. Der Standort dieser in den Quellen des 13. Jahrhunderts genannten Siedlung war aus den historischen Katasterkarten bislang nicht ablesbar. Die Wölbäcker in den Schummerungskarten zeigen allerdings um das Gastbzw. Forsthaus Kasten (Forstkasten)

eine deutliche Gewanngliederung, die auf einen abgegangenen Ort zurückzuführen ist. Auch wenn die eindeutige Zuordnung der Siedlungslage an den historisch überlieferten Ort noch aussteht, kommen nunmehr, nachdem der Standort einmal näher identifiziert ist, auch die historischen Forschungen des Arbeitskreises hierzu weiter voran. Dabei könnte der Forstkasten – eine auf das 14. Jahrhundert zurückgehende Schwaige zur Waldbewirtschaftung mit Zugehörigkeit zum Münchener HeiligGeist Spital – möglicherweise ein letzter Überrest der ehemaligen Siedlung sein, was die Ehrenamtlichen derzeit weiter zu belegen versuchen. Die Schummerungskarten haben damit einen neuen Nutzungsaspekt hinzugewonnen, der für Ortsgeschichtsforscher ebenso wie für die Bodendenkmalpflege gleichermaßen bedeutsam ist und zudem die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen beiden Disziplinen intensiviert und belebt. Sabine Mayer

Unverstaubt: 7000 Jahre, 6 Vitrinen, 1 Schule Ausstellung und Aktionstag in der Volksschule Aufhausen-Pfakofen Sammlung Betz als Grundstock des Aktionstags Die Geschichte unserer Heimat ist altbacken und verstaubt? Von wegen: Das Wissen unserer Vorfahren über ihre damalige Umwelt und die überlebenswichtigen Techniken ist hoch attraktiv. Das zeigte sich am „Aktionstag Archäologie“ in der Volksschule AufhausenPfakofen, Lkr. Regensburg, am 17. Oktober 2014. Über 100 Schüler und viele Eltern freuten sich über das abwechslungsreiche Programm. Besonders spannend war anzuschauen, wie Feuer mit Hilfe eines Zunderschwamms entfacht werden kann und wie aus Silex, den Feuersteinknollen, Geräte geschlagen wurden. Die Traube Neugieriger, die Lothar Breinl, Grabungstechniker des BLfD und erfahrener Silexschläger, umlagerte, nahm nie ab. Viele Kinder verglichen dann das neu entstandene Werkzeug mit den Originalen in den 66

Funde aus dem Gemeindegebiet Aufhausen und Informationen zu Bodendenkmälern waren Anziehungspunkt für alle Besuchergenerationen (Foto: BLfD, Christoph Steinmann)

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Vitrinen der Ausstellung im Foyer der Schule. Da wurde auch schon mal ein Finger samt Blutstropfen hochgereckt: „Schau mal, Mama, die Feuersteine sind voll scharf!“ Grundstock der präsentierten Funde war die vorgeschichtliche Sammlung von Elmar Betz, einem ehemaligen Lehrer aus Aufhausen, der vor allem in den 1960er Jahren Flurbegehungen in der Gemeinde vorgenommen hat. Die Sammlung ist in der Dienststelle Regensburg des BLfD bearbeitet worden, bevor sie endgültig dem Historischen Museum Regensburg übergeben wurde. Darunter befinden sich zahlreiche und sehr schöne Fundstücke, welche die Vorgeschichte des Gemeindegebietes hervorragend darstellen können: Tausende Keramikscherben, Hunderte Silexgeräte und Dutzende Steinbeile. Die ältesten Objekte stammen aus der Linienbandkeramik, einer Epoche der Jungsteinzeit (Neolithikum), die für den Beginn von Ackerbau und Sesshaftigkeit steht – und damit für das Leben in dörflichen Gemeinschaften, wie wir es heute noch kennen. Ort der Vermittlung Mit diesen ganz unmittelbaren Wurzeln war es ein Anliegen der Ausstellung, Schülern, Eltern und interessierten Anwohnern zu vermitteln, dass Geschichte direkt unter unseren Füßen beginnt und nicht nur in fernen Hochkulturen. Neben den eindrucksvollsten Funden der Sammlung Betz informierten Ausstellungstafeln über die Hintergründe seiner Sammlung. Verschiedene Bodendenkmäler und die durch sie vertretenen Kulturepochen wurden so vorgestellt, dass sie Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprachen. Ein kleines Quiz regte viele der Schüler an, sich näher mit den Tafeln und Fundbeschriftungen zu beschäftigen. Ehemalige Schüler des inzwischen 78-Jährigen dominierten das abendliche Publikum im Gemeindesaal Aufhausen. Den ausstellungsbegleitenden Vortrag von Seiten des BLfD lockerte Elmar Betz mit zahlreichen eigenen Anekdoten auf, wie z. B. der Strategie der Schüler, ihn mit selbst gesammelten Funden vom „normalen“ Unterricht abzulenken. Doch auch das habe er genutzt, um größeres Verständnis für Geschichte und Vorgeschichte zu wecken – erfolgreich,

Die Sammlung Elmar Betz bei ihrer Abgabe an das Historische Museum Regensburg im Jahr 2011: Keramik und vor allem Steingeräte des Neolithikums (Foto: BLfD, Gabriele Raßhofer)

wie zustimmendes Kopfnicken im Raum bestätigte. Auch der amtierende Bürgermeister Johann Jurgovsky zählt sich hier dazu und freut sich über die gemeinsame Basis in der Zusammenarbeit mit den Denkmalbehörden. Alle beeindruckte das Engagement des Lehrers und Sammlers, nicht für sich selbst und seine Schächtelchen Feldfluren begangen zu haben, sondern

seine Leidenschaft geteilt und mitgeteilt zu haben. Sein Engagement bewirkte, dass etwa zwei Drittel aller Fundstellen im Gemeindegebiet seinen Stempel tragen. Dazu kommt, dass Elmar Betz seine Begehungen noch zu einem günstigen Zeitpunkt vorgenommen hat. Die intensivere Beackerung seit den 1960er Jahren hatte nämlich zur Folge, dass vor allem Keramik in immer kleine-

Archäologe Lothar Breinl zeigt, wie Silexgeräte im Neolithikum hergestellt wurden (Foto: BLfD, Christoph Steinmann)

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re Stücke zerpflügt wurde. Viele der Steingeräte wie Beile sind inzwischen fast bis zur Unkenntlichkeit zerbrochen, und so vollständige Stücke wie in seiner Sammlung sucht man heute vergebens. Vor allem hierin zeigt sich der wissenschaftliche Wert der Sammlung: Die vollständigen Steingeräte und Silices sowie die Keramikscherben mit großflächig erkennbarer Verzierung haben eine hohe Aussagekraft für die einzelnen Fundstellen. So lassen sich detaillierte Informationen zu Epochen der Nutzung ablesen, ohne dass das Bodendenkmal selbst ausgegraben werden muss. Die Rückschlüsse auf das, was noch im Boden geschützt liegt, sind

groß – und dementsprechend gestalten sich die Beratungsmöglichkeiten der Fachbehörde gegenüber Gemeinden und Privatleuten. Schüler und Eltern neu sensibilisiert Der „Aktionstag Archäologie“ und die Ausstellung in Aufhausen sollten auch dazu beitragen, die junge Generation zu sensibilisieren, sich für den Schutz der Vorgeschichte ihrer Heimat zu interessieren und zu engagieren. Vor dem Hintergrund zunehmender Kommerzialisierung, z.B. gezielter Raubgrabungen zum Fundverkauf, muss ein aktiver Schutz der eigenen Geschichte vor Ort

beginnen. Eine Ausgrabung im neuen Baugebiet mag hier zwar die Lesefunde durch archäologische Befunde erweitern und damit erst Aussagen zur vorgeschichtlichen Nutzung ermöglichen, diese Ausgrabung bedeutet aber auch den Verlust eines Bodendenkmals. Der darauf aufbauende Gedanke des Denkmalschutzes, ein Bodendenkmal möglichst zu erhalten, ist manchen Besuchern nicht geläufig gewesen und sorgte für anregende Diskussionen. Damit schloss sich der Kreis von alten Scherben zu aktuellen Aufgaben und wieder zurück – ganz unverstaubt. Christoph Steinmann

Ein Bäcker setzt sein Baudenkmal energetisch instand Denkmalpreis der Hypokulturstiftung 2014 für die Sanierung eines ehemaligen Brauhauses Der alte Holzfußboden und die mintgrüne Wandvertäfelung der Gaststube sind schon fertig restauriert und repariert – es fehlen nur noch die In-

neneinrichtung und ein Wirt, dann könnte das Wirtshaus zu neuem Leben erweckt werden. Die Nutzung der Gaststube ist jedoch noch ungeklärt,

Lonnerstadt, Lkr. Erlangen-Höchstadt. Das Fachwerkhaus Brehm am Marktplatz, nach der Instandsetzung (Foto: BLfD, Thomas Wenderoth, 2013)

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denn Vieles wäre möglich. Volker Brehms großer Wunsch ist es, dass sich Lonnerstädter und Gäste wieder wie zu Zeiten seiner Großmutter gemütlich in der Wirtschaft treffen. Hier ist er als kleiner Junge mit seinem Bruder groß geworden. Hier arbeitet und lebt er nun modern in alten Gemäuern. Ein Baudenkmal wird wiederbelebt In Lonnerstadt im Landkreis ErlangenHöchstadt steht am Marktplatz ein langgestrecktes Fachwerkhaus. Der Satteldachbau stammt aus der Zeit um 1700 und prägt damit seit mehr als 300 Jahren das Ortsbild. Sein Stadelanbau aus Sandsteinquadern und Fachwerk ist auf die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert. Auch eine Backstube findet in dem zweigeschossigen und über 300 Quadratmeter großen Wohnhaus Platz, denn der Eigentümer, Volker Brehm, ist hauptberuflich Bäcker und in Teilzeit Sanitäter. Als stolzer Denkmalbesitzer hatte er das Bedürfnis, so viel wie möglich selbst zu machen und suchte sich dazu fachkundige Anleitung. Wie schafft der Mann das alles neben zwei schlafraubenden Berufen, fragt man sich da verwundert? Nun – er hat es geschafft: in gut zwanzigjähriger Handarbeit und endlosen Stunden des Heimwerkens, genauer gesagt

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ihm seine ursprüngliche Stattlichkeit zurückzugeben. Nach den Jahren der Vernachlässigung musste auch die gesamte Haustechnik neu installiert werden.

Nordseite des Wohnhauses am Marktplatz, nach der Instandsetzung (Foto: BLfD, Thomas Wenderoth, 2013)

in über 3000 Stunden, unter fachkundiger Anleitung und unter Einsatz der notwendigen handwerklichen und restauratorischen Arbeitsmethoden. „Andere fahren in den Urlaub, ich hingegen nehme mir die freie Zeit, um mich Stück für Stück durch mein Fachwerkhaus zu arbeiten. Und für die Arbeiten im Garten und Hof habe ich auch bereits über 6000 Stunden aufgewandt.“

Bis 1983 führte Volker Brehms Großmutter noch die Gastwirtschaft. Nach ihren Tod aber hatte das Fachwerkhaus, das zugleich Brehms Elternhaus ist, zunächst mehr als ein Jahrzehnt leer gestanden, bis der Enkel 1996 beschloss, es in Eigenregie möglichst originalgetreu instandzusetzen. Sein Traum war es, das ehemalige Brauhaus wieder herauszuputzen,

Links: Innendämmung mit Leichtlehmvorsatzschale; rechts: Gaststube nach der Instandsetzung (Fotos: BLfD, Thomas Wenderoth)

Wie saniert man energetisch und denkmalpflegerisch vorbildlich? Diese Frage stellte sich Volker Brehm natürlich auch sehr bald. Nach den ersten autodidaktisch vorgenommenen Arbeiten, teils unterstützt durch Freunde, zog er die Ingenieurin und Spezialistin für denkmalpflegerische Instandsetzungen Annette Sauerhammer zu Rate. Zusammen sind sie ein eingeschworenes Team geworden: Die Fachfrau brachte dem Laien alle möglichen Handgriffe bei, sodass sich dieser im Laufe der fast zehnjährigen Zusammenarbeit immer mehr Fertigkeiten und Kenntnisse eines Restaurators aneignete. Er lernte nicht nur die Baugeschichte seines Hauses kennen, sondern auch jede Ecke und jeden Winkel, jede Ritze und Fuge. Die noch erhaltene Innengestaltung zeugt vom Wohlstand der Erbauer und der großen Bedeutung des ehemaligen Brauhauses. Besonders aufwendig ist die Stube im Obergeschoss gestaltet. Hier finden sich auch heute noch Teile der ursprünglichen Wandgestaltung aus dem 18. Jahrhundert und ein originaler Holzofen. Anhand der historischen Befunde und Schablonen gelang es Brehm, die originalgetreue Schablonenmalerei an der Wand zu rekonstruieren. In stundenlanger Detailarbeit, bis zu 40 Stunden pro Raum, betupfte er vorsichtig die Wände. Länger als zwei bis drei Stunden am Stück machten allerdings die Augen beim sorgfältigen Betupfen der Schablonen mit einem Pinsel nicht mit, und so erforderte es viel Geduld, bis schließlich alle Räume fertiggestellt waren. Neben der Schablonenmalerei brachte sich Brehm auch bei, die Wände mit Kalk zu verputzen. Sämtliche erhaltenen historischen Putze und Holzoberflächen wurden sorgfältig konserviert und, sofern es erforderlich war, ergänzt. Da die Wände mit einer Lehmisolierung von innen gedämmt wurden – diese Dämmarbeiten übernahm Volker Brehm ebenfalls selbst – konnte die neue Haustechnik ohne 69

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Eingriffe in die historischen Oberflächen eingebaut werden. Alle Leitungen verlaufen oberirdisch in einer Randleiste, sodass für sie keine historischen Wandflächen geschlitzt und zerstört werden mussten. Es finden sich nicht einmal störende Heizkörper in Fensternischen, denn das Gebäude wird mit einem ausgeklügeltem System beheizt: Mehrere Heizkreisläufe liegen auf der Innenseite der gedämmten Außenwände, also versteckt in der Dämmung. Mit einer konstanten Raumtemperatur temperieren sie das Gebäude durchgehend, im Erdgeschoss auf rund 14 Grad, im Obergeschoss schön mollig warm. Hier verlaufen drei weitere Heizkreisläufe als Randleistenheizung, die an der Innenseite der gedämmten Außenwände

einen Wärmeschleier erzeugen. Dadurch wird die dreilagige Lehmputzschicht erwärmt, die wiederum die gespeicherte Wärme wie ein Kachelofen nach innen ins Gebäude abgibt. Die Pelletheizung, deren Kessel in einem der Lagerräume der Bäckerei steht, versorgt das Gebäude umweltfreundlich mit Warmwasser und Wärme. Auch die Haustüre reparierte Volker Brehm vorbildhaft; sie ist mit einer Innentür auf den Stand der modernen versicherungstechnischen und energetischen Standards gebracht worden. Fenster aus Eichenholz mit Isolierglasscheiben sorgen mit den wiederverwendeten historischen Fensterflügeln für das denkmalgerechte Erscheinungsbild und gleichzeitig für moderne Energietechnik. Auch die

erhaltene historische Innenausstattung reparierte der Bauherr vorbildlich. Er ließ beispielsweise den historischen Fliesenboden im Erdgeschoss wieder einbauen und die Treppe mit passenden alten Hölzern reparieren. Über zwanzig Jahre hinweg hat Volker Brehm als Laie mit seinem persönlichen handwerklichen Engagement und in Einklang mit den Zielen der Energiesparverordnung sein Denkmal auf höchstem Niveau wiederhergestellt. Es ist ihm dabei gelungen, mit verhältnismäßig geringen Kosten eine vorbildhafte denkmalgerechte Instandsetzung des ehemaligen Brauhauses zu bewerkstelligen. Alexandra Beck

Archäologisches Spessart-Projekt mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz ausgezeichnet Wissenschafts- und Kunstminister Spaenle würdigt den ehrenamtlichen Einsatz für den Denkmalschutz Das Archäologische Spessartprojekt hat die höchste Auszeichnung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes erhalten: den Deutschen Preis für Denkmalschutz. Die feierliche Übergabe der Silbernen Halbkugel fand am 27. Oktober 2014 im Aachener Rathaus statt. „Die Auszeichnung des Archäologischen Spessart-Projekts mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz würdigt auf besondere Weise die großen Leistungen, die Ehrenamtliche für den Denkmalschutz erbringen“, gratulierte Bayerns Wissenschafts- und Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle. „Gerade die außergewöhnliche Verbindung von wissenschaftlicher Forschung auf höchstem Niveau mit jahrelangem bürgerschaftlichem Engagement ist eine Besonderheit des Archäologischen Spessart-Projekts“, betonte der Minister. „Diese fruchtbare Verbindung hat viele Menschen des Spessarts zu einer produktiven Auseinandersetzung mit den Bodendenkmälern ihrer Region angeregt und sie so zu Trägern

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und Pflegern ihrer Kulturlandschaft werden lassen.“ Das Archäologische Spessart-Projekt wurde Ende der 1990er Jahre gegründet und ist mittlerweile ein An-Institut der Universität Würzburg. In enger Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten untersucht das Projekt Umwelt- und Klimaveränderungen, die Spuren der Waldnutzung durch die Jahrtausende und die gegenseitige Beeinflussung von Mensch und Natur. Mit Hilfe geophysikalischer Messungen, archäologischer Prospektionen und Grabungen sowie mit Fernaufklärung per Satellit, der Auswertung von Archivalien und der Kartierung von Bewuchsmerkmalen wird die Geschichte dieser Kulturlandschaft rekonstruiert. Neben der Forschung bemüht sich das Projekt vor allem um die Vermittlung der Kulturlandschaft an Bewohner und Touristen, besonders durch die Einrichtung von Kulturwegen, Veröffentlichungen, Ausstellungen und Vorträgen,

aber auch der Ausbildung von Landschaftsführern und Projektarbeit mit Kindern. (PM 366/2014 vom 27.10.2014: Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Pressestelle, Henning Gießen, stellv. Pressesprecher) Das Präsidium des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz begründete seinen Beschluss: „Auf Vorschlag des Bundes Heimat und Umwelt hat das Komitee beschlossen, das Archäologische Spessart-Projekt e. V. – Institut an der Universität Würzburg, für seinen ganzheitlichen, fachlich herausragenden und über 16 Jahre anhaltenden ehrenamtlichen Einsatz zur Bewusstseinsbildung und Identifikation der Region Spessart als historische Kulturlandschaft mit der Silbernen Halbkugel auszuzeichnen.“ Htr

ÜBER DEN Z AUN

ÜBER DEN ZAUN Archäologisch-geophysikalische Prospektion am Rande des Zagrosgebirges in Kurdistan Im Rahmen eines Forschungsprojektes begab sich ein bayerisches Prospektionsteam im Oktober des vergangenen Jahres auf eine Forschungsexpedition in den Nordostirak, genauer in die südkurdischen Provinzen Sulaymaniyah und Halabjah. Hier in der ShahrizorEbene, nahe der irakisch-iranischen Grenze, sollten an drei Fundorten Untersuchungen durchgeführt werden. Das Projekt fand in Kooperation zwischen dem Antikendienst Sulaymaniyah, dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sowie den Instituten für Vorderasiatische Archäologie und dem Department für Geowissenschaften der Ludwig-Maximilians Universität München statt. Bereits im Jahre 2000/01 konnten Mitarbeiter dieses Teams im Süden des Landes große Bereiche der legendären Stadt Uruk vermessen – mit spektakulären Forschungsergebnissen (DI 122, 2002). Auch hier war es Ziel gewesen, die Möglichkeiten der Prospektionstechniken auf mehrphasigen Siedlungshügeln, also im schwierigen Gelände, durch Magnetometer-Messungen zu erproben, weiterzuentwickeln und anhand dieser Messungen archäologische Pläne zu erstellen. Archäologische Forschungen vor dem Ersten Golfkrieg Die Shahrizor-Ebene ist ein etwa 1300  km² großes Tal am Rande des

Das rotmarkierte Untersuchungsgebiet in Kurdistan im Nordosten des Iraks (Karte: Simone Mühl)

Zagros-Gebirges, welches sich zwischen den Städten Arbat und Halabjah südöstlich der 1,5-Millionen-Einwohnerstadt Sulaymaniyah direkt an der Grenze zum Iran erstreckt. In der seit Jahrzehnten von politischen Krisen, bes. dem Irakkrieg, geschüttelten Region, waren archäologische Forschungen lange nicht möglich. Es gab nur wenige stichprobenartige Ausgrabungen des irakischen Antikendienstes oder Rettungsgrabungen, z. B. an Orten die von

dem 1961 vollendeten Darband-i KhanStausee überschwemmt werden sollten. Leider gingen bis auf vier alle Grabungsberichte aus dieser Zeit verloren. Daher ist über die Hinterlassenschaften der antiken Kulturen in der ShahrizorEbene nur wenig bekannt. Historische Quellen aus Mesopotamien erwähnen die Region erstmals im 3. Jahrtausend v. Chr. Das Königreich von Simurrum, das sich zu Zeiten seiner größten Ausdehnung (um 2100 v. Chr.)

Suleymaniyah. Blick von Nordosten auf die Metropole (Foto: BLfD, Jörg Faßbinder)

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tematische Scherbenabsammlung an der Oberfläche untersucht. Drei dieser Fundorte sind die Tellhügel Kazhaw, Gird-i Shamlu und Gird-i Qalrakh.

Das Prospektionsteam in Kurdistan (Foto: BLfD)

vermutlich über die Shahrizor-Ebene bis hin zur etwa 100 km nordwestlich gelegenen Ranya-Ebene erstreckte, war zu dieser Zeit das Ziel zahlreicher Feldzüge mesopotamischer Herrscher. Um die Mitte des 2. Jahrtausends brechen die historischen Informationen über die Region ab und erst im 12. Jahrhundert v. Chr. ist Simurrum, diesmal unter dem Namen Zabban, wieder durch einen Text aus Assyrien belegt. In neuassyrischer Zeit, also im 1. Jahrtausend v. Chr., wird die Shahrizor-Ebene schließlich zusammen mit benachbarten Territorien als Provinz Mazamua/Lullumu in das Assyrische Reich eingegliedert. Das historische Wissen basiert nur auf wenigen Keilschriftquellen, die meist aus Nachbargebieten in Mesopotamien stammen. Ärmlich steht es auch um die materiellen Hinterlassenschaften. Jüngere Forschungen Seit dem Ende des letzten Golfkrieges erlebt die autonom regierte Region Kurdistan durch ihre reichen Erdölvorkommen und die gestiegene Sicherheitslage einen Boom. Sulaymaniyah ist, gemessen am Bevölkerungswachstum und an der Vergrößerung der Siedlungsfläche, eine der am schnellsten wachsenden Städte. Auch im Umfeld wachsen ehemals kleine Dörfer zu Städten heran. Für die Archäologie bedeutet dies neue Herausforderungen. Die lokalen Behörden sind nicht allein mit der Re72

gistrierung archäologischer Fundorte und historischer Gebäude beschäftigt, sondern auch mit dem Aufbau einer Infrastruktur für den Denkmal- und Kulturgüterschutz – in jeder Hinsicht eine Grundlagenarbeit. Seit 2006 ist es für ausländische Archäologen wieder möglich in der Region zu arbeiten. Seit 2009 werden in kurdisch-deutscher Kooperation Fundorte in der Shahrizor-Ebene anhand von Bildern eines ehemaligen Spionagesatelliten aus den 1960er Jahren sowie modernen Aufnahmen kartiert. Von den etwa 270 bekannten Fundstellen wurden bisher knapp 80 durch sys-

Ina Hofmann unterwegs mit dem Magnetometer (Foto: BLfD, Jörg Faßbinder)

Tellhügel Siedlungshügel (arabisch: Tell, kurdisch: Gird, türkisch: Tepe) sind Orte antiker Besiedlung, deren Fläche immer wieder überbaut wurde: War ein altes Lehmziegelhaus marode geworden, wurde es planiert und darauf das neue Haus errichtet. So konnte eine Siedlung über Jahrzehnte, Jahrhunderte und in einigen Fällen auch über Jahrtausende hinweg zu beachtlicher Höhe heranwachsen. Die Zitadellen einiger der größten Städte des Nahen Ostens, beispielsweise in Kirkuk, Erbil, Aleppo, Hama und Damaskus, können so auf jahrtausendealte Wurzeln blicken. Die Tellhügel Kazhaw, Gird-i Shamlu und Gird-i Qalrakh datieren in Zeitabschnitte, über die in jener Gegend bisher nur wenig bekannt ist. Keramikfunde auf dem Tell Kazhaw können in das 4. und in die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. eingeordnet werden. Gird-i Shamlu ist mit einer frühen Besiedlungsphase im beginnenden 3. Jahrtausend etwas jünger. Dass der Ort aber auch im 2. und 1. Jahrtausend bewohnt war, zeigten irakische Grabungen aus dem Jahr 1961 und Untersuchungen der LudwigMaximilians-Universität München von 2012 und 2013. Gird-i Qalrakh ist einer der größeren Hügel in der ShahrizorEbene. Er war vermutlich schon seit prähistorischer Zeit besiedelt und birgt vor

ÜBER DEN Z AUN

Das Prospektionsteam bringt Ausrüstung (Foto: BLfD, Jörg Fassbinder)

Kazshaw. Siedlungshügel und Ergebnisse der Magnetometermessungen im Bereich der Unterstadt (Fotomontage mit Messbild: BLfD, Jörg Faßbinder)

allem Funde der neuassyrischen Epoche. Allen drei Orten ist darüber hinaus eine frühneuzeitliche Besiedlungsphase gemeinsam, wie sie an vielen Stellen in der Ebene nachgewiesen werden konnte. Die untersuchten Hügel gehören mit Höhen bis 13 m und bis zu 12 ha Fläche eher zu den mittelgroßen Siedlungen in der Region. Die systematische archäologische Prospektion der Oberfläche hat überdies deutlich gemacht, dass die gesamte Fläche niemals in allen Perioden besiedelt war. Die Magnetometermessungen konzentrierten sich zunächst auf zwei Plätze: Die Unterstadt von Gird-i Shamlu zeigte sich als flache Geländeerhebung mit etwa 150 m Durchmesser, wovon eine Messfläche von 160 × 160 m abgeschritten wurde. Die Ergebnisse zeigen

eine dichte Besiedlung im Bereich des Tells und einige größere Gebäudereste auf dem Hügel. In der Umgebung zeichnen sich Abschnitte von Be- oder Entwässerungskanälen ab und beweisen, dass die Siedlung, wie auch viele andere, in einem wasserreichen Gebiet mit nahegelegenen Quellen angelegt worden war. Die zweite Messung konzentrierte sich auf die Umgebung von Kazhaw: Bis auf die sehr steilen Flanken des Tells war es auch hier möglich, eine große Fläche zu vermessen. Einzelne Fundamente und Reste von z. T. monumentaler Architektur konnten kartiert werden. Vom dritten Fundort Gird-i Qalrakhderin, der in der Antike mutmaßlich von einer Stadtmauer umgeben war, konnte lediglich eine kleine Fläche un-

tersucht werden, in der nur wenige Siedlungsreste zutage kamen. Vielleicht diente der Bereich innerhalb der Mauer zur Beherbergung von Tieren oder dem Schutze der Bevölkerung aus dem Umland. Hier sind weitere großflächige Untersuchungen nötig. Jörg Faßbinder, Ina Hofmann, Simone Mühl

Literatur J.W.E. Fassbinder: Auf den Spuren von König Gilgamesch. Magnetometerprospektion in Uruk am Schauplatz des ersten Epos der Weltliteratur, in: Denkmalpflege Informationen Nr. 122, 2002, S. 62 f. J.W.E Fassbinder/H. Becker/ M. von Ess: Prospections magnétiques à Uruk (Warka). La cité‚ du roi Gilgamesh (Irak), Dossiers Archéologie 308, 2005, S. 20–25

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IM AMT

IM AMT Methoden des Zentrallabors im BLfD Teil 4: Langzeiterfassung von Temperatur, relativer Luftfeuchte und Taupunkt – das Klima-Monitoring Allgemeiner und naturwissenschaftlicher Hintergrund Schimmel, muffige Luft, abplatzende Farb- und Putzschollen sowie Feuchtigkeitsflecken an der (meist weißen) Wand – jeder kennt sie, die Schadensphänomene, mit denen die meisten von uns mindestens schon einmal im Leben konfrontiert wurden. Das Raumklima ist, vereinfacht dargestellt, das Zusammenwirken von Temperatur, relativer Luftfeuchte und, daraus resultierend, der sogenannte Taupunkt. In der Regel reicht diese simple Betrachtung für die meisten Problemfälle aus, und es besteht keine unmittelbare Notwendigkeit, sich damit weiter zu beschäftigen. In komplizierteren Ausnahmefällen jedoch wäre es von Vorteil, die klimatische Situation als kompliziertes, komplexes und vor allem dynamisches Gebilde aus einer

Vielzahl von einzelnen (materialabhängigen) Faktoren und Parametern zu begreifen. Die Grafik mit den auf das Raumklima Einfluss nehmenden Faktoren verdeutlicht, weshalb sich eine Vielzahl universitärer und privater Institute mit den Themen Raumklima, Bauphysik oder auch nur mit einzelnen der genannten Parameter beschäftigt. Eine Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten Temperatur und Luftfeuchte ist aber bedauerlicherweise alternativlos – selbst bei der vereinfachten Betrachtung. Daher kommen wir um die folgenden Erläuterungen nicht herum.

Temperatur Die Temperatur bezeichnet den messbaren Wärmezustand von Materie bzw. eines Stoffes oder eines Stoffsys-

tems. Der Wärmezustand wird durch die mittlere kinetische Energie der ungeordneten Bewegung der Teilchen bestimmt. [Quelle: DWD-Lexikon] • Physikalische Größe: metrische SIEinheit K (Kelvin), auch zulässig und gebräuchlich sind °C und °F • Für Wetter und Klima die wichtigste Kenngröße • Übt einen wichtigen Einfluss auf den Stoffwechsel von Lebewesen, Teilchenbewegung und Stoffeigenschaften aus • Unterscheidung zwischen physikalischer und vom Menschen „gefühlter“ Temperatur • Messung erfolgt u.  a. durch thermischen Kontakt (Thermometer) oder anhand der Wärmestrahlung (Thermographie-Kamera).

Luftfeuchte

Auf das Raumklima Einfluss nehmende Faktoren

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Als Luftfeuchte (auch: Luftfeuchtigkeit) wird der Anteil des gasförmigen Wassers (Wasserdampf) am Gasgemisch der Erdatmosphäre bezeichnet. Wenn die maximale Menge an Wasserdampf erreicht ist, welche die Atmosphäre aufnehmen kann, dann ist sie mit Wasserdampf gesättigt. Diese maximale Menge hängt von der Temperatur der Luft ab (je höher die Temperatur desto mehr Wasserdampf kann aufgenommen werden). Die Menge des Wasserdampfes in der Luft kann man entweder direkt in Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft (absolute Feuchte) bzw. in Gramm Wasserdampf pro Kilogramm trockener Luft angeben (Mischungsverhältnis) oder als Relation der vorhandenen zur maximal möglichen Feuchte (relative Feuchte). So hat z. B. dieselbe bei 10 °C völlig gesättigte Luft bei 20 °C eine rela-

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Wärmebild einer gefüllten Kaffeetasse

tive Feuchte von nicht einmal 50 % und ist dann also „relativ“ trocken. [Quelle: DWD-Lexikon] Relative Luftfeuchte: Dieser Parameter ist definiert als Quotient aus dem in der Luft zum Messzeitpunkt tatsächlich vorherrschenden Dampfdruck und dem lufttemperaturabhängig maximal möglichen Dampfdruck [Sättigungsdampfdruck über Wasser (bzw. über Eis). Quelle: DWD-Lexikon]

Übliche Einheit: % (RH, rF) Absolute Luftfeuchte ƒ Maximale Luftfeuchte ƒmax Absolute Luftfeuchte: Bei der absoluten Feuchte handelt es sich ebenfalls um einen Luftfeuchteparameter. Er gibt den Gehalt an Wasserdampf (Gas) in einem definierten Luftvolumen an. Dieser Anteil wird meist in Gramm oder Kilogramm Wasserdampf in einem Kubikmeter Luft (m³) ausgedrückt. [Quelle: DWDLexikon]

Übliche Einheit: g/m3 Luftvolumen V Wasserdampfmasse mW

Taupunkt Der Taupunkt oder besser die Taupunkttemperatur gehört zu den Luftfeuchteparametern. Er bezeichnet die Temperatur, auf die ein ungesättigtes Luftquantum bei gleichbleibendem Druck über einer ebenen, chemisch reinen Wasserfläche (Eisfläche beim Reifpunkt) abgekühlt werden muss, um zur Sättigung zu gelangen. Im Sättigungszustand beträgt die relative Luftfeuchtigkeit 100 %. Bei weiterer Abkühlung tritt Kondensation ein – ein Sättigungswert über 100 % ist nicht möglich. [Quelle: DWD-Lexikon] Ausgehend von der relativen Luftfeuchte (φ in %) und der Temperatur (t in °C) lässt sich der Taupunkt auf Grundlage der „Magnus-Formel“ wie folgt berechnen:

Werte für Temperatur und Luftfeuchte anzeigen, sowie bei teuren „Designermodellen“, die zusätzlich sogar noch mit Wolken- und Sonnensymbolen das Wetter der kommenden drei Tage „orakeln“, wird für eine Bewertung der raumklimatischen Situation eine Messeinrichtung benötigt, die Werte über einen längeren Zeitraum (im Idealfall 1 Jahr) aufzeichnet. Die heutige Praxis erwartet digitale Datenlogger (natürlich mit USB-Schnittstelle), die eine einfache Bedienung und ein insgesamt gutes Preis/Leistungsverhältnis bieten. Eine bedienerfreundliche Software für eine ansprechende graphische Aufbereitung der Daten ist ebenfalls wünschenswert, da das Auge ja bekannterweise mit(m) isst. Das Zentrallabor des BLfD setzt für seine Klimamessungen, je nach Anforderung, zwei verschiedene Datenlogger unterschiedlicher Art und Hersteller ein. Typ A: „EL-USB-2“: für den allgemeinen Einsatz. Dieser kleine, leichte und verhältnismäßig günstige Datenlogger kann als der Standardlogger des Zentrallabors bezeichnet werden. Er lässt sich direkt am Laptop (bei installierter Software) vor Ort programmieren, auslesen und ggf. neu programmieren. Der Datenlogger ist batteriebetrieben und besitzt eine Messdauer (je nach Messintervall) von bis zu mehreren Jahren und hat sich im täglichen Umgang glücklicherweise als robust und relativ unzerstörbar erwiesen. Typ B: „MIG 06 W (wasserfest)“ für komplexere Anwendungen.

Einrichten des KlimadatenMonitorings

td = Taupunkt φ = relative Luftfeuchte t = Temperatur φges = relative Luftfeuchte im Sättigungszustand

Klimadatenlogger im Zentrallabor des BLfD Im Gegensatz zu den bekannten Wetterstationen, die lediglich die aktuellen

Die grundsätzliche Frage, die bei einem Klima-Monitoring zu stellen ist, lautet: Was möchte man überhaupt wissen und zu welchem Zweck? Die Antwort auf diese Frage legt die Art, die Anzahl, den Ort, das Messintervall und die Messdauer der Datenlogger fest und wird im Folgenden beispielhaft erläutert: Beispiel A – Der einsame Altar: In diesem Fall ist meist eine kurzzeitige Erfassung der klimatischen Situation im direkten Nahbereich (oder auch nur auf der Oberfläche) des Altars gewünscht. Je nach Größe des Objekts ist der Einsatz 75

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Datenlogger EL-USB-2 mit Größenangabe (Foto: BLfD, Martin Mach)

von einem, unter Umständen auch eines zweiten Datenloggers ausreichend. Abhängig vom Schadensbild und -ausmaß ist die Verwendung von Oberflächensensoren für die Fragestellung zielführend. Die Messdauer beträgt, je nach Messintervall, wenige Wochen bis zu einem Jahr. Beispiel B – Der versalzte Chor: Werden im Zuge der Untersuchung einer Innenmauer, z. B. eines Chores, erhöhte Mauerfeuchten und Salzausblühungen gefunden, so kann ein Klima-Monitoring unterstützend in das Instandsetzungs- oder Restaurierungskonzept eingebunden werden. Mauerwerkschädigende Salze und Mauerwerksfeuchte stehen immer in einem direkten Zusammenhang – meist einem klimatischen. Durch die Erfassung des Ist-Zustands, der für das vorliegende Schadensbild verantwortlich ist, besteht die theoretische Möglichkeit, die Grundbedingungen durch eine gezielte Beeinflussung des Raumklimas (Klimasteuerung) zu verbessern. Ist es technisch möglich und erwünscht, so kann ein definierter „Klimakorridor“ geschaffen werden, der gezielte Salzminderungsmaßnahmen begünstigt oder Phasenübergänge der 76

detektierten Salze unterbindet. In diesem Fallbeispiel sollten, je nach Befund der naturwissenschaftlichen Voruntersuchung, zwei bis drei Datenlogger mit 1/h-Messintervall für die Dauer (mind.) eines Jahres aufgestellt werden. Beispiel C – Die wärmende Sitzbank: Der moderne Mensch zeigt – im Gegensatz zu früher – ein steigendes Bedürfnis nach einem wohlig warmen Raum. Galten 18 °C noch vor wenigen Jahrzehnten als angenehme Raumtemperatur, liegt dieser Wert heute bei 20 °C oder 21 °C. Durch dieses gesteigerte Wärmebedürfnis werden immer mehr Kirchen und Gebäude mit effizienteren Heizungsanlagen ausgestattet – nicht ohne Folgen für das Innenraumklima. Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, dass eine technische Veränderung der Temperatur (hier aktives Heizen) nicht ohne Auswirkungen auf die Parameter Luftfeuchte und Taupunkt bleiben wird. Der Wert der (relativen) Luftfeuchte kann durch konstante Temperaturerhöhung so erniedrigt werden, dass er für Kunstobjekte aus Holz, Papier, Stoff und Stein schädigend ist. Um den Einfluss einer Bankheizung zu erfassen, ist eine Vielzahl an Datenloggern notwendig. Die Datenlogger sollten sowohl im Nahbereich der wärmenden Sitzbank als auch im Nahbereich unter Umständen gefährdeter Kunstobjekte platziert werden. Eine Verteilung im gesamten Kirchenschiff (auch in unterschiedlichen Höhenniveaus) ist anzuraten. Da Bankheizungen meist auch nur im Vorfeld

von Messen, Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen aktiviert werden, und dies auch meist nur im Winterhalbjahr, sollten die Datenlogger in kurzen Intervallen (mind. alle 30 Minuten) aufzeichnen. Beispiel D – Die Kirche aus bauphysikalischer Sicht: Besteht die Notwendigkeit, eine Kirche in ihrer Gesamtheit bauphysikalisch zu untersuchen oder zu bewerten (z. B. bei grundlegenden Maßnahmen wie neuen Fenstern, Türen, Dachstuhl oder anderen baulichen Veränderungen), ist der Einsatz einer angemessenen Anzahl an Datenloggern anzuraten. Die Datenlogger sollten möglichst viele (alle) architektonische Gliederungen und Einheiten des Baukörpers in unterschiedlichen Höhenlagen erfassen. In diesem Fall sollte zudem ein Datenlogger das Außenklima im Nahbereich der Kirche aufnehmen. Aus dem Vergleich der „Innenlogger“ und des „Außenloggers“ kann abgeschätzt werden, wann und wie der Baukörper auf klimatische Einflüsse von außen reagiert. Als Messintervall ist die stündliche Aufzeichnung ausreichend. Die Messdauer liegt bei mindestens einem Jahr.

Klima-Monitoring am Beispiel der ev. Filialkirche St. Kunigund in Neuendettelsau-Reuth Im Nachgang zu einer naturwissenschaftlichen Untersuchung der Mauerfeuchte und Salzbelastung wurden

Datenlogger MIG 06 W im praktischen Einsatz (Foto: Dombauhütte Köln, Sophie Hoepner)

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durch das Zentrallabor des BLfD insgesamt drei Datenlogger in der Kirche angebracht. Datenlogger 1: Altar Rückseite Datenlogger 2: Empore West Datenlogger 3: Turm Außen Messzeitraum: 1. Sept. 2013 – 31. Juli 2014 Messintervall: 1/h Fragestellung: Zusammenhang von Raumklima und Salzkristallisation Vorgefundene Salze mit Ausgleichsfeuchten (bei 20 °C): Kaliumnitrat (94 %), Natriumnitrat (75 %) Je nach Anzahl der Datenlogger und Art der Fragestellung stehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten bei der Auswertung von aufgezeichneten Klimadaten zur Verfügung. Grundsätzlich werden von jedem Datenlogger folgende Parameter aufgezeichnet: • • • • • •

Nummer der Messung Datum Uhrzeit Temperatur Rel. Luftfeuchte Taupunkt

Eine tabellarische Auswertung ist dann sinnvoll und ausreichend, wenn lediglich ein Höchst-, Tiefst- und Mittelwert der gesuchten Parameter benötigt werden. Hier ist diese Form der Auswertung nicht zielführend und sei daher nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Grafische Auswertung der Daten: Bei der grafischen Auswertung eines einzelnen Datenloggers (Standardfall) erhält man den Verlauf der einzelnen Parameter über den gemessenen Zeitraum als Liniendiagramm auf zwei Achsen. Unter Umständen wirken sich vereinzelte Faktoren kurzzeitig störend auf die Messungen aus. Um den Einfluss dieser Störungen abzumildern, ist es hilfreich, aus den Messwerten eines Tages einen Mittelwert zu kreieren, den Verlauf sozusagen zu glätten oder zu bereinigen. Die Kurven der einzelnen Parameter, unabhängig ob geglättet oder nicht, zeigen den Verlauf während eines Jahres in unmittelbarer Nähe des Altars. Um das für die Fragestellung benötigte Raumklima und somit den

St. Kunigund, Neuendettelsau-Reuth. Grafische Auswertung eines einzelnen Datenloggers, Werteverlauf nach elfmonatiger Aufzeichnung sowie geglätteter Werteverlauf

Ist-Zustand zu erfassen, wurden allerdings noch zwei weitere Datenlogger installiert. Stehen bei der Auswertung mindestens zwei oder noch mehr Datenlogger zur Verfügung, so ist es sinnvoll, die einzelnen gemessenen Parameter der Logger zueinander auszuwerten. Diese Variante der Auswertung bietet die Möglichkeit verschiedene räumliche Bereiche zu erfassen und zu vergleichen. Nachfolgend wird anhand des Parameters „relative Luftfeuchte“ ein Vergleich der Datenlogger visualisiert. Ist, wie in diesem Fall, ein Datenlogger

aus dem Außenbereich mit im Messprogramm, so verdeckt dieser, bedingt durch die extremen Schwankungen (Tag/Nacht und Sommer/Winter) meist die Kurven der „inneren“ Datenlogger. Liegt so ein „störender“ (aber dennoch wichtiger) Datenlogger vor, kann man auf zwei Wege Abhilfe schaffen: Weg 1: Man entfernt diesen Logger aus dem Excel-Datenblatt – klingt einfach, ist aber gänzlich sinnfrei. Die Frage die dann bleibt ist: „Warum habe ich ihn dann überhaupt aufgestellt?“ Weg 2: Man erstellt von jeder Kurve eine geglättete Kurve aus Mittelwerten. 77

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Der Vorteil liegt neben dem Eliminieren der störenden Faktoren, im Bereinigen der extremen Höchst- und Tiefstwerte. Das Ergebnis ist dann ein übersichtlicher jahreszeitlicher Trend der klimatischen Situation, frei von einzelnen kurzzeitigen Störfeuern. Betrachtet man alle Diagramme und setzt die Kurven in Relation zur qualitativen Salzanalytik, so lässt sich erkennen, dass beim gemessenen IstZustand keine Phasenübergänge beim Kaliumnitrat zu erwarten sind – dieses liegt konstant in kristalliner Form vor. Allerdings ist die Situation beim Natriumnitrat leider nicht so günstig. Natriumnitrat besitzt bei einer Temperatur von 20°C eine Ausgleichsfeuchte von 75,2 %. Verfolgt man nun den jahreszeitlichen Verlauf der relativen Luftfeuchte in den letzten beiden Diagrammen, so lassen sich bei den Datenloggern „Altar“ und „Empore“ während des Sommerhalbjahres (ca. April bis Oktober) Werte ablesen, die Phasenübergänge (Lösung und Rekristallisation) bei Natriumnitrat verursachen. In Abhängigkeit von den klimatischen Anforderungen der hölzernen Ausstattung wird aktuell ein Konzept erarbeitet, das versucht, möglichst allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Derzeit werden punktuell kleinere Maßnahmen durchgeführt und deren Auswirkungen auf die raumklimatische Situation mittels eines Langzeitmonitorings (bis fünf Jahre) erfasst. St. Kunigund, Neuendettelsau-Reuth. Vergleich der relativen Luftfeuchte aller drei Datenlogger (oben) sowie geglätteter Werteverlauf

Sven Bittner

Neue Objekte in den Restaurierungswerkstätten des BLfD Heilig Kreuz-Altar von Erasmus Grasser mit Tafelgemälden und „Schutzmantelmadonna“ von Jan Pollack aus München-Ramersdorf Im Zuge der auf zwei Jahre angesetzten, umfassenden Instandsetzung der ehem. Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in München-Ramersdorf wurden zu Beginn des Jahres 2015 zwei der bedeutendsten Kunstwerke der süddeutschen Spätgotik aus der Kirche zur Voruntersuchung und Klärung der Restaurierungskonzepte 78

in die Restaurierungswerkstätten des Landesamtes übernommen: der 1482 entstandene Heilig-Kreuz-Altar (H. 231 cm, B. 147,5 cm, T. 37,5 cm) und das Tafelgemälde mit der Darstellung der „Schutzmantelmadonna“. Die Gemälde des Altares werden ebenso wie das Tafelbild Jan Pollack (nach 1435–1519) bzw. dessen Werkstatt, die Schnitzerei-

en Erasmus Grasser (um 1450–1518) zugeschrieben. Die anderen drei großen Altäre aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbleiben vor Ort. Aus der Entstehungszeit des Altares sind die Tafelgemälde mit den Reliefs und die Rückwand des Schreins mit der Tafelmalerei und dem zugehörigen Relief der Kreuzigung Christi

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Ehem. Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in MünchenRamersdorf, Blick auf den Hl.-Kreuz-Altar von 1482 Unten Hl.-KreuzAltar mit geöffneten Flügeln (Fotos: Siegfried Wameser, 2014)

erhalten. Der Schreinkasten und die beiden Flügel, die bekrönenden Engel und das Schweißtuch Christi sind wohl 1884 im Zuge einer umfassenden Restaurierung des Altares im Sinne der Neugotik angefertigt worden. 1946 ist eine Restaurierung belegt, bei der eine Reduzierung des Bestandes aus dem 19. Jahrhundert veranlasst wurde. Die letzte Maßnahme an dem Altar erfolgte 1984. Heute steht dieser auf einem

Gemälde der „Schutzmantelmadonna“ von Jan Pollack (Foto: BLfD, Restaurierungswerkstätten)

gemauerten Altartisch, an Stelle des Antependiums ist das farbig gefasstes Relief des Schweißtuchs Christi angebracht, das von zwei Engeln gehalten wird. Es ist davon auszugehen, dass die heute gesondert verwahrte Reliquie des Kreuzpartikels, die das Zentrum der Ramersdorfer Wallfahrt bildet, bei der Entstehung des Flügelaltares in diesen integriert war. Die vier Tafelgemälde auf der Rückseite der Flügel erzählen die Geschichte des Kreuzpartikels, den der Legende nach Kaiser Ludwig von Papst Johannes XXII. erhalten hat. Der Sohn Kaiser Ludwigs schenkte ihn im Jahr 1337 der Ramersdorfer Kirche. Bei geöffneten Flügeln stellen polychrom gefasste Reliefs zusammen mit den Tafelgemälden die Passion Christi dar. Das Zentrum bildet die Kreuzigung Christi im Schrein. Geplant ist, dass Mitarbeiter der Restaurierungswerkstätten des Landes79

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amtes die Untersuchung des Gemäldes mit der „Schutzmantelmadonna“ durchführen, ein Maßnahmenkonzept erarbeiten und schließlich auch das

Konzept für die Pflege des gut erhaltenen Bestandes festlegen. Die Untersuchung des Kreuzaltares und seiner Restaurierungsgeschichte soll das Thema

einer Masterarbeit an der TU München, Studiengang Restaurierung, bilden. Cornelia Hagn und Rupert Karbacher

Bayerische Volontärs-Akademie Das Fortbildungsangebot der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Der dritte Teil des Turnus 2013–15 der bayerischen Volontärs-Akademie fand im Oktober 2014 in Regensburg statt und bot mehr als 50 Volontär/innen, die überwiegend aus Bayern kamen, eine Möglichkeit, ihre Kenntnisse in der Ausstellungsgestaltung und musealen Präsentation zu erweitern und sich praxisorientierte Kompetenzen anzueignen. Die Professionalisierung der Museumsarbeit gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen. Bei dem breit angelegten Angebot ist besonders die Qualifizierung des Museumsnachwuchses zu erwähnen. Der im Jahre 1995 durch die Kultusminister der Länder verabschiedeten Definition des Volontariats, das seinen Sinn als Aus- und Weiterbildung in museumsrelevanten Studienfächern beschreibt, können mehrere Museen in Bayern aus personellen und finanziellen Gründen nicht nachkommen. Die Ausbildung der künftigen wissenschaftlichen Museumsmitarbeiter wird bei den verschiedenen Einrichtungen ganz unterschiedlich gestaltet. An vielen Stellen fehlt es an Struktur und der Bandbreite der angebotenen Lehrinhalte. Nicht selten werden Volontäre als kostengünstiger Ersatz für fehlende wissenschaftliche Arbeitskräfte ausgenutzt. Der seit Anfang 2007 gegründete Arbeitskreis der wissenschaftlichen Volontäre in Bayern setzt sich die Vernetzung der Volontär/innen sowie die Vertiefung der einzelnen Museumsthemen zum Ziel. In der Kooperation mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen wird die Weiterbildung im musealen Bereich strukturell und inhaltlich auf eine neue Basis gestellt. Das durch die Landesstelle entwickelte Kursprogramm mit vier zweitägigen Fortbildungen umfasst Themen, die 80

Teilnehmer der Volontärs-Akademie (Foto: BLfD, Hannelore Kunz-Ott)

sonst in der täglichen Arbeit eines Volontärs viel zu oft vernachlässigt werden: Museumsmanagement, Umgang mit Sammlungen, Konzept und Gestaltung sowie die Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit. Die Kurse sind so angelegt, dass jeder Volontär in Bayern im Laufe seiner zweijährigen Ausbildung eine Möglichkeit hat, das komplette Kursprogramm zu absolvieren. Seit Beginn des ersten Turnus’ 2009 war die Nachfrage sehr groß. Der inzwischen dritte im Jahre 2013 gestartete Turnus geniest Popularität weit über die bayerischen Grenzen hinaus. Die Referenten und Teilnehmer auch aus weiter entfernten Regionen bestätigen die deutschlandweite Bedeutung dieses Fortbildungsangebotes für junge Wissenschaftler im Museumsbereich. Am 6. und 7. Oktober 2014 fand in Regensburg der dritte Block „Konzept

und Gestaltung“ des gegenwärtig laufenden Turnus’ (III., 2013–15) statt. Ziel dieses Kurses war die Auseinandersetzung mit der Ausstellungskonzeption und Präsentation am Beispiel der Landesausstellung „Ludwig der Bayer – Wir sind Kaiser“. Im ersten Teil am Freitagvormittag ging es um die Klärung der Konzeptbegriffe und die Vorstellung unterschiedlicher Ausstellungskonzepte. Die Leiterin der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen Dr. Astrid Pellengahr nahm sich persönlich der Themen an. Es folgte ein Exkurs zur Gestaltung von Dauerausstellungen in nichtstaatlichen Museen von der Museologin, Ausstellungsmacherin und Szenografin Monika Müller-Rieger. Die Führung für die abschließende gemeinsame Erarbeitung der Qualitätskriterien für die Ausstellung übernahm die leitende Organisatorin der Akademie, Dr. Hannelore Kunz-Ott (Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen). Am Nachmittag folgte die Einführung in das Konzept der Landesausstellung durch den Projektleiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, Dr. Peter Wolf, und den Ausstellungsgestalter Fritz Pürstinger. Nach den darauf folgenden Führungen durch die Ausstellung in der Minoritenkirche (Historisches Museum Regensburg) konnten die Teilnehmer/innen zahlreiche Fragen zur Didaktik, Technik, Exponatenauswahl sowie zu den Schwierigkeiten der Präsentation in kirchlichen Räumen an die Organisatoren stellen. Der abschließende Themenblock dieses Tages zum Medieneinsatz in der Landesausstellung fand in der Ulrichskirche mit der Filmpräsentation zur Geschichte Regensburg während der Regierungszeit Ludwigs des Bayern statt. Mit der Präsentation „Drei Nonnen vor dem Bildschirm“ von Dr. Rainhard

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Riepertinger aus dem Haus der Bayerischen Geschichte wurde das Thema des Medieneinsatzes in der Ausstellung am Vormittag des folgenden Akademietages fortgesetzt. Der Vortrag von Anne Mareike Schönle vom Pommerischen Landesmuseum Greifswald erläuterte diese Frage aus der Perspektive einer Volontärin. Die Möglichkeiten zur Evolution des medialen Einsatzes wurden von Prof. Dr. Annette Noschka-Roos aus dem Deutschen Museum aufgezeigt. Das Treffen des Arbeitskreises der wissenschaftlichen Volontär/innen in Bayern schloss den zweiten Vormittag der Akademie ab. Der letzte Themenblock dieses Kurses setzte sich mit dem prakti-

schen Texteschreiben für Ausstellungen auseinander. An Beispiel der Landesaustellung wurden an Teilnehmer/innen Fragen verteilt, die zur Analyse bestimmter Aspekte der Ausstellungsbeschriftungen anregte. Der von Traudel Weber (Deutsches Museum) geleitete Workshop ermöglichte den Teilnehmern/innen, sich kritisch mit der Wirkung, der Bandbreite, den Adressaten und der Folgerichtigkeit der Ausstellungstexte auseinanderzusetzen. Zusätzlich zu den Vortragsinhalten wurde den Teilnehmer/innen ein umfangreiches Literaturangebot für die museale Praxis aus den Beständen der Landesstelle

für die nichtstaatlichen Museen zur Verfügung gestellt. Mit der Akademie wurde ein bedeutender Meilenstein zur Qualitätssicherung und Strukturierung der Ausbildung der Volontäre im musealen Bereich gesetzt. Aber nicht nur die wertvollen und praxisbezogenen Lehrinhalte und die vermittelten Kompetenzen, sondern auch die engere Verflechtung der zukünftigen Museumsmitarbeiter prägen das Bild der Volontärs-Akademie und zeichnen sie als bewährte Fortbildungsmöglichkeit im deutschsprachigen Raum aus. Ilja Saev

Archäologie in Farbe – Organik mit System Standardisiertes Kartierungssystem zur Dokumentation organischer Materialien an Metallen An vielen archäologischen Metallfunden haben sich in den Korrosionsschichten Reste von organischen Materialien wie Textil, Leder, Fell, Holz oder Federn erhalten. Die Substanzen sind meist stark zersetzt und schwer erkennbar, für die archäologische Forschung aber von ausnehmender Bedeutung. Mithilfe geeigneter Untersuchungsmethoden lassen sich an ihnen nicht nur spezielle Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien nachweisen, es können anhand der Schichtabfolgen auch viele Details z. B. der Bekleidung rekonstruiert werden.

In Eisenkorrosion erhaltene leinwand-bindige Textilstruktur an einem frühmittelalterlichen Fundstück (Foto: BLfD, Helmut Voß/Britt Nowak-Böck)

Kartierungsbeispiel: flächige und stratigrafische Kartierung eines Eisenfundes (Nr. 24 aus Ergolding, Lkr. Landshut, Grab 244b) mit mehrschichtig anhaftenden organischen Resten von köperbindigem Textil und Leder (Grafik: BLfD, Helmut Voß/Britt NowakBöck)

Warum ein digitales Kartierungssystem? Da die aussagekräftigen Strukturen sehr fragil und bei jeglicher Handhabung besonders gefährdet sind, kommt der detaillierten Dokumentation eine wesentliche Bedeutung zu. Der Bedarf eines einheitlichen Kartierungssystems wird insbesondere bei der denkmalpflegerischen Arbeit und bei Projekten mit mehreren Beteiligten aus Wissenschaft und Restaurierung mit abschließender Veröffentlichung deutlich. Durch eine standardisierte Darstellungsweise mit festgelegten Farben und Piktogrammen, wie sie am BLfD

erarbeitet wurde, können die Informationen systematisch gesichert und die Untersuchungsergebnisse nachvollziehbar vermittelt werden. In der Folge ist eine übergreifende Vergleichbarkeit der häufig komplexen organischen Befunde selbst für fachfremde Leser auf einen Blick möglich. Wie funktioniert es? Das digitale Kartierungssystem basiert auf dem Bildbearbeitungsprogramm ADOBE PHOTOSHOP®. Alle notwendigen Informationen, ein detaillierter Anwendungsleitfaden und hilfreiche Plug-ins für die flächige und strati81

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Kartierungsbeispiel: Unterhaching, Lkr. München, Grab 4: Flächige und stratigrafische Kartierung der organischen Strukturen an den Fibeln sowie Grabplan (Grafik: BLfD, Helmut Voß/ Britt Nowak-Böck)

grafische Kartierung werden für interessierte Anwender kostenlos auf der Homepage des BLfD unter www.blfd. bayern.de/bodendenkmalpflege/service zur Verfügung gestellt. Britt Nowak-Böck und Helmut Voß

Literatur Britt Nowak-Böck/Gabriele von Looz/Helmut Voß, Organische Materialien: Katalog der organischen Materialien. In: Brigitte Haas-Gebhard: Unterhaching – Eine Gräbergruppe um 500 bei München. Abhandlung und Bestandskatalog der Archäologischen Staatssammlung München 1, München 2013, S. 156–185; 258–300

Britt Nowak-Böck/Antja Bartel/Helmut Voß: Die organischen Materialien in der Mehrfachbestattung Grab 244 von Ergolding „Hagnerleiten“; Katalog der organischen Materialien. In: Hubert Koch (Hrsg.), Frühmittelalterliche Adelsgräber aus Ergolding, Büchenbach 2014, S. 74–110

Digitale Denkmalkartierungen im Kontext der INSPIRE-Richtlinie Das Apronym INSPIRE steht für Infrastructure for Spatial Information in Europe und bezeichnet die Richtlinie 2007/2/EG der Europäischen Gemeinschaft, die seit 15. Mai 2007 in Kraft gesetzt ist. Das erklärte Ziel der Richtlinie ist es, durch die Verfügbarkeit amtlicher Daten umweltpolitische Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union zu erleichtern. Sie definiert die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau von sogenannten Geodateninfrastrukturen (GDI) und regelt die dafür erforderlichen fachlichen und technischen Einzelheiten in Durchführungs82

bestimmungen, die für die einzelnen Mitgliedsstaaten verbindlich sind. Inzwischen wurde die Richtlinie von allen Staaten der EU bereits in nationales Recht umgesetzt, so zum Beispiel in Deutschland in Form des Geodatenzugangsgesetzes (GeoZG) des Bundes vom 10. Februar 2009 und die entsprechenden Landesvollzugsgesetze, z. B. in Bayern durch das Geodateninfrastrukturgesetz (BayGDIG) vom 22. Juli 2008. Im Nachbarland Österreich ist die Situation ähnlich. Wesentlich zentralistischer regierte Mitgliedstaaten, wie etwa Frankreich oder Italien, regeln

dies ausschließlich auf der Basis eines nationalen Gesetzes. Neben der leichten Verfügbarkeit amtlicher Geodaten liegt der Mehrwert einer GDI vor allem in der Kombinierbarkeit von Belangen aus unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Da das Prinzip des Föderalismus gerade in der Bunderepublik Deutschland sehr stark ausgeprägt ist, gilt es hier ganz besonders, die bei Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen in jeweiliger Zuständigkeit erhobenen Daten entsprechend miteinander darstellbar, respektive „interoperabel“ zu machen. Die Geo-

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der Schutz und Erhalt der biologischen Artenvielfalt und die damit verbundenen Themen aus dem Bereich der Umweltverwaltungen gemeint. Ein weiteres Schutzziel, das in der Richtlinie genannt wird, ist die Erhaltung des kulturellen Reichtums in der Europäischen Union. Laut Datenspezifikation (Data Specifications on Protected Sites) gehören archäologische Stätten sowie historische Gebäude, sprich Baudenkmäler, damit ebenfalls zu den „Schutzgebieten“. Die rechtliche Grundlage dieser spezifischen Erhaltungsziele bilden in diesem Fall die jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetze, in Einzelfällen aber auch das von der UNESCO am 16. November 1972 in Paris beschlossene Übereinkommen zum Schutz des Weltkulturerbes. Aufbau und Funktionsweise einer Geodateninfrastruktur (GDI) (Grafik: Bayerische Vermessungsverwaltung, 2007, modifiziert: BLfD, Roland Wanninger)

daten sollen möglichst unkompliziert in unterschiedlichen Anwendungen nutzbar sein, sowohl in technischer Hinsicht, als auch was die dazugehörigen Nutzungsbedingungen betrifft. Für den Anwender sollen sie leicht auffindbar und außerdem erkennbar sein, für welchen Einsatz sie geeignet sind. Das heißt, bei behördlichen Daten sollte eindeutig sein, auf welcher rechtlichen Grundlage sie erhoben wurden. Um die genannten Ziele zu erreichen fordert INSPIRE eine einheitliche Beschreibung der Geodaten sowie deren Bereitstellung im Internet, wo Webdienste die Suche, die Visualisierung und den Download ermöglichen. Deswegen müssen sowohl die Daten selbst als

auch die Metadaten, die diese charakterisieren, in einem einheitlichen Format vorliegen. Was hat das mit der Denkmalpflege zu tun? Zur INSPIRE Richtlinie gehören drei Anhänge (Annex I–III), in denen die betroffenen Fachthemen aufgelistet sind. Der Anhang I umfasst dabei auch die „Schutzgebiete“ (Protected Sites) und definiert diese als „Gebiete, die im Rahmen des internationalen und des gemeinschaftlichen Rechts sowie des Rechts der Mitgliedstaaten ausgewiesen sind oder verwaltet werden, um spezifische Erhaltungsziele zu erreichen.“ Zunächst sind damit natürlich

Entwicklung der Meldungen im Rahmen des INSPIREMonitorings seit 2009. © GDI-DE

Aufbau einer Geodateninfrastruktur In einer GDI wird zunächst zwischen der Produktion, dem Vertrieb und der Anwendung der Daten unterschieden. Die Bayerische Vermessungsverwaltung (BVV) stellt die Geobasisdaten in Form digitaler amtlicher Kartenwerke bereit, während die verschiedenen Geofachdaten im jeweils dafür zuständigen Ressort erzeugt werden. Der Vertrieb erfolgt über Rechenzentren in der sogenannten Integralen Geodatenbasis (IGDB) als Darstellungsdienste (z. B. Web Mapping Services = WMS) und Downloaddienste (z. B. Web Feature Services = WFS) im Internet, wo Suchdienste die Auffindbarkeit der Daten gewährleisten. Die Anwendung geschieht einerseits in Geoinformationssystemen (GIS) oder eigens dafür bereitgestellten Basiskomponenten wie dem BayernAtlas. Im Kontext der Geodateninfrastruktur ist das Fachinformationssystem (FIS) des BLfD somit ein „Produktionssystem für Geofachdaten“, dessen Entwicklung im Rahmen der eGovernment-Inititaive der Bayerischen Staatsregierung gefördert wurde. Die Programmierung erster Komponenten des FIS erfolgte in ressortübergreifender Kooperation mit dem Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV). Dafür veröffentlicht das BLfD, gewissermaßen als „Gegenleistung“, bereits seit 2007 digitale Denkmalkartierungen im Internet; 83

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Recherche nach dem Begriff „Denkmal“ im Geoportal des Bundes (www.geoportal.de), Stand: 14. 05. 2014. Die Suche lieferte 151 Darstellungsdienste und 592 Datensätze als Treffer

einerseits im BayernViewer-denkmal, der zwischenzeitlich vom Bayerischen Denkmal-Atlas abgelöst wurde (www.denkmal.bayern.de), andererseits als Darstellungsdienst (WMS). Webdienste haben dabei den Vorteil, dass sie ohne größeren Aufwand täglich automatisch aktualisiert werden können. Dies ist nicht unwesentlich, da es sich bei der Bayerischen Denkmalliste überwiegend um ein „nachrichtliches Verzeichnis“ handelt. Das bedeutet, dass auch Objekte, die nicht darin verzeichnet sind, Bau- oder Bodendenkmäler sein können, wenn Sie die Kriterien nach Art. 1 des Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG) erfüllen. Sobald ein Denkmal als solches erkannt und in die Liste nachgetragen wird, stehen bereits am nächsten Tag im WMS die Daten im Internet öffentlich zur Verfügung. Ob die Herstellung des Benehmens mit der Gemeinde, in der das Denkmal liegt, bereits erfolgt ist, ist an der Farbe der Kartierung erkennbar und in den zugehörigen Fachdaten vermerkt. 84

Stand der INSPIRE-Umsetzung in Deutschland Ein guter Indikator für den Stand der Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland ist das INSPIRE-Monitoring, das gemäß Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie einmal jährlich durchzuführen ist. Dabei besteht Meldepflicht für alle Geodatensätze und -dienste der in den Anhängen I, II und III der Richtlinie aufgelisteten Themen. Es muss betont werden, dass die Meldepflicht zunächst nicht mit einer Verpflichtung, die Daten für jedermann öffentlich zugänglich zu machen, gleichzusetzen ist. Aus Gründen des Datenschutzes kann beispielsweise bei personenbezogenen Daten der Zugang beschränkt werden oder etwa wenn der Zugriff der Öffentlichkeit eine negative Auswirkung auf das Schutzgut haben könnte. Zum 30. 04. 2014 wurden 942 geodatenhaltende Stellen sowie 9154 Geodatensätze und 11 999 Geodatendienste identifiziert (Quelle: GDI-DE). Die Entwicklung seit 2009 ist hier in einer Abbildung dargestellt. Der starke Anstieg im

letzten Jahr ergibt sich dadurch, dass im INSPIRE-Zeitplan nun die Umsetzung der im Anhang III aufgeführten Themen vorgesehen ist, wovon vermehrt Datenbestände betroffen sind, die in der Zuständigkeit der Kommunen liegen. Da die Zahl der Gebietskörperschaften, in Bayern beispielsweise 2056 politisch selbständige Gemeinden, um ein Vielfaches höher ist als die der Landesämter, ist das bei den dort vorliegenden digitalen Datenbestände entsprechend auch der Fall. Zu den im INSPIRE-Monitoring gemeldeten Daten sind Metadaten zu erfassen und im Geoportal des jeweiligen Bundeslandes zu publizieren. Über eine Schnittstelle werden die genormten Metadaten dann im Geoportal des Bundes zusammengeführt (www.geoportal.de). Eine Suche nach dem Begriff „Denkmal“ im Geoportal des Bundes am 14.05.2014 ergab 151 Darstellungsdienste und 592 Datensätze als Treffer. (siehe Abb. 3) Hier macht sich die Kulturhoheit der Länder bemerkbar, da sich darunter auch Denkmaldatensätze befinden, die von Gemeinden gemeldet wurden, wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund weiterer Meldungen aus dem kommunalen Bereich stieg die Zahl der Dienste bis Jahresende auf 189 und die der Denkmal-Datensätze auf 728 an. Der Suchbegriff „Archäologie“ lieferte am 14. Mai 2014 sechs Dienste und 26 Datensätze als Treffer im „Geoportal.de“. Werden die digitalen DenkmalDaten auch genutzt? Die Zielgruppe des BLfD bei der Veröffentlichung von Denkmalkartierungen als WMS sind zunächst andere Fachbehörden, Kreisverwaltungen und Kommunen sowie Planer, die in deren Auftrag arbeiten. Die INSPIRE-Richtlinie fungiert dabei gewissermaßen als „Motor“, da durch sie sowohl die rechtlichen, als auch die technischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Da beim Denkmal-WMS die Möglichkeiten für eine gezielte Recherche nach fachlichen Inhalten aber relativ begrenzt sind, ist er zugegebenermaßen für die breite Öffentlichkeit zunächst relativ uninteressant. Diese Bedürfnisse werden über den Bayerischen Denkmal-Atlas abgedeckt (vgl. DI Nr. 159, S. 95). Solche fachspezifischen Anwendungen sind in der INSPIRE-Richtlinie zwar nicht explizit

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Bodendenkmalkartierungen (braun) im Viewer des deutschen Geoportals (www.geoportal.de) aus dem Darstellungsdienst (WMS) des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und archäologischen Landesmuseums (BLDAM), Stand 14. 01. 2015. Im Kartenausschnitt die Stadt Werneuchen, Lkr. Barnim (Kartengrundlage © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2015)

vorgesehen. Dennoch handelt es sich bei dem gemeinsam mit dem LDBV entwickelten Denkmal-Atlas um eine Kooperation im Rahmen der Bayerischen Geodateninfrastruktur (GDI-BY). Da Richtlinien der Europäischen Union wie INSPIRE von der breiten

Masse der Bevölkerung zunächst ebenfalls wenig beachtet werden, kann man sich fragen, ob die digitalen Geofachdaten auch tatsächlich genutzt werden. Doch allein der Blick auf die Zahl der automatisch vom Map-Server, der den Denkmal-WMS bereitstellt, aufgezeich-

Der starke Anstieg der Zugriffe auf den Darstellungsdienst (WMS) mit bayerischen Denkmaldaten ab August ist durch die Freischaltung des Bayerischen Denkmal-Atlas zu erklären. Der Median der täglichen Zugriffe im Jahr 2014 liegt bei 51 199 (Grafik: BLfD, Roland Wanninger)

neten Anfragen gibt ein anderes Bild wieder. Zumindest in quantitativer Hinsicht ist es relativ einfach, Aussagen zur Verwendung der digitalen Denkmaldaten des BLfD zu machen: Im Jahr 2011 lag der Median der täglichen Zugriffe auf den Denkmal-WMS zunächst bei 4875 und stieg im folgenden Jahr auf 15 043 Zugriffe pro Tag an, um im Jahr 2013 schließlich einen Wert von 41 512 Zugriffen pro Tag zu erreichen. Dabei muss man allerdings beachten, dass es sich nicht um den Start einer Anwendung handelt, der hier gezählt wird. Vielmehr stellt jedes Verschieben eines Kartenausschnittes oder Abrufen von Fachdaten zu einer Denkmalkartierung eine Anfrage an den Server dar. Die Ablösung des BayernViewer-denkmal Anfang August 2014 sorgte nochmals für einen enormen Anstieg mit bisweilen weit über 100 000 Zugriffen täglich, da der Denkmal-Atlas zur Darstellung der Kartierungen ebenfalls den WMS ver85

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wendet. (siehe Graph S. 85) Aber auch die Anwendung selbst wird seit ihrem Relaunch wesentlich intensiver genutzt. Während der BayernViewer-denkmal zuletzt nur noch rund 150 Mal pro Tag gestartet wurde, ist das beim DenkmalAtlas im Durchschnitt über 600 Mal der Fall. Quo Vadis Digitale Denkmalpflege 2.0? Bereits um 1990 tönte Greg Graffin, seines Zeichens promovierter Evolutionsbiologe und Sänger der amerikanischen Punkrockband Bad Religion, „[’cause] I’m a 21 century digital boy, I don’t know how to read, but I’ve got a lot of toys“ (21 century digital boy, Album: Against the Grain). Nicht zu leugnen ist auf jeden Fall, dass sich durch das World Wide Web auch die Lesegewohnheiten verändern. Je nach Sujet wird der jeweilige Inhalt von 60 bis 80 Prozent der Internetbenutzer nur noch „überflogen“. Glaubt man den Kommunikationswissenschaftlern, dann nutzt von den sogenannten „Best Agern“, den über 50-jährigen, heute jeder zweite soziale Netzwerke wie Facebook. Obwohl der von vielen Seiten befürchtete starke Rückgang der Printmedien im Moment zwar noch überwiegend die Tageszeitungen zu betreffen scheint, haben solche Tendenzen dennoch Auswirkungen auf Fachpublikationen, auch auf die der Denkmalpflege. Entsprechend sind heute in allen Veröffentlichungen im Vergleich zu früher wesentlich kürzere und stärker gegliederte Texte erforderlich.

Es mag zunächst erstaunen, doch auch in diesem Zusammenhang bietet INSPIRE neben technischer Infrastruktur weitere Synergieeffekte. Im Zuge der eGovernment-Initiative der Bayerischen Staatsregierung wurden Drittmittel für die Entwicklung des Fachinformationssystems (FIS) des BLfD erschlossen. Darüber hinaus fand durch die ressortübergreifende Kooperation beim Aufbau der Geodateninfrastruktur ein Transfer von technischem Know-How statt. Vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem LDBV hat das BLfD enorm profitiert, was durch den Bayerischen Denkmal-Atlas auch für die Öffentlichkeit greifbar wird. Wie die obigen Zahlen belegen, werden die bayerischen Denkmaldaten im Internet intensiv genutzt. Und nicht zuletzt ermöglicht es erst die kartographische Darstellung im Atlas, die Denkmäler in ihrem geographischen und regionalen Kontext, respektive der dazugehörigen Kulturlandschaft, angemessen abzubilden. Nichtsdestotrotz ist die privatwirtschaftliche Konkurrenz im Internet geradezu übermächtig. Mit einem speziellen Fachthema wie der Denkmalpflege wird man nie solche Zugriffszahlen erreichen, wie das beispielsweise bei Google Maps der Fall ist. Wenn außerdem eine gewisse fachliche Tiefe erreicht werden soll, wird man auf gedruckte Publikationen, wie etwa die Denkmaltopographien, keinesfalls verzichten können. Geodatendienste werden Fachpublikationen also nicht ersetzen, sondern le-

diglich ergänzen. Eine der zukünftigen Aufgaben der Denkmalpflege wird es sein, bei der Denkmalvermittlung eine angemessene Mischung aus traditionellen und neuen digitalen Medien zu finden. Die wichtigsten Dokumente zur INSPIRE-Richtlinie im Internet Richtlinie (2007/2/EG): http://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/PD F/?uri=CELEX:32007L0002&from=DE Durchführungsbestimmung zur Interoperabilität von Geodatensätzen und Geodatendiensten der Themen des Anhang I der INSPIRE Richtlinie (konsolidierte Version): http://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CEL EX:02010R1089-20131230 Nicht rechtsverbindliche Kurzzusammenfassung der Datenspezifikation zum Thema Schutzgebiete (Steckbrief zu den einzelnen Themen): http://www.geoportal.de/SharedDocs/ Downloads/DE/GDI-DE/Steckbrief_ Schutzgebiete.pdf?__blob=publication File Geodatenzugangsgesetz (GeoZG) des Bundes: http://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/geozg/gesamt. pdf Bayerisches Geodateninfrastrukturgesetz (BayGDIG): http://www.gesetzebayern.de/jportal/portal/page/bsbay prod.psml?showdoccase=1&st=null& do c . id = j l r - G DIG BYr a h m e n&do c . part=X&doc.origin=bs Roland Wanninger

Großer Umzug – Archäologische Funde ziehen ins Hauptzollamt München Gleich zu Beginn des neuen Jahres fand am 12. und 13. Januar 2015 der große Umzug statt: Die vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege verwahrten archäologischen Fundschätze, etwa 400 Kubikmeter fassend und auf über 200 Paletten gelagert, bezogen neue Depoträume im ehemaligen Hauptzollamt München an der Landsberger Straße. Der auf Höhe der Donnersberger Brücke stehende Gebäudekomplex, ein Baudenkmal aus dem Jahr 1912, 86

ist im Stadtbild sehr präsent. Die allesamt sorgfältig verpackten, beschilderten und registrierten archäologischen Funde waren bereits seit Herbst 2014 gewissenhaft auf den Umzug vorbereitet, gepackt und gesichert worden. Eine Spedition bewerkstelligte den Transport mit drei LKWs und neun Männern in 21 Fahrten an nur eineinhalb intensiven Arbeitstagen. Dank der guten Vorbereitung ging der Umzug reibungslos vonstatten, und so finden

sich alle Fundschätze, Regale und anderen Materialien bereits nach der Aufstellung wohlsortiert im neuen Depot. Die bisherige Halle mit Nebenräumen, in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofes in der Denisstraße gelegen und seit 2005 nicht nur als Depot für archäologische Funde, sondern auch zur Lagerung von Grabungsgerät der Feuchtbodenarchäologie sowie Publikationen genutzt, musste geräumt werden, da das Mietverhältnis endete.

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Blick in das neue Depot für archäologische Funde im Alten Hauptzollamt nach dem Einzug (Fotos: BLfD, Stephanie Gasteiger)

Im ehemaligen Hauptzollamt München haben die archäologischen Funde nun in einer 834 m2 großen Lagerhalle einen würdigen Verwahrungsort für die nächsten zwei Jahre gefunden. Erfreulich ist, dass sich die Qualität der Fundlagerung im neuen Depot merklich verbessert hat. Neben dem zentralen, gut erreichbaren Standort liegt dies vor allem an der Beschaffenheit des Gebäudes und der Räume. Allerdings ist auch hier eine Kontrolle des Klimas nicht möglich, sodass nur stabile Funde, überwiegend aus Keramik, Stein oder Knochen, archiviert und gelagert werden, empfindliche Objekte aus Metall oder organischen Materialien nur unter bestimmten Voraussetzungen. An mehreren Arbeitsplätzen werden, wie bisher schon in der Denisstraße, Archäologen

Grabungsfunde zur Verfügung gestellt, die diese sichten, bewerten und teils in wochenlanger Arbeit für Kataloge aufnehmen. Alle archäologischen Funde aus Bayern werden nach der Ausgrabung durch Grabungsfirmen in der Regel dem BLfD temporär und treuhänderisch übergeben. Hier sind der Erhalt und die Konservierung der Funde und beweglichen Bodendenkmäler oberstes Ziel, um ihren weiteren Zerfall und damit einen Informationsverlust zu verhindern. Neben der Vorbereitung der Funde für die dauerhafte Archivierung werden im Rahmen der fachgerechten Behandlung im Referat „Restaurierung Archäologie und Dendrolabor“ restauratorische Maßnahmen vorgenommenen. Sie dienen dazu, die archäologischen Fun-

Auszug des Fundgutes aus dem Depot in der Denisstraße in München

de wissenschaftlich auswertbar oder präsentierbar zu machen, insbesondere auch relevante Informationen zu sichern und zu bewerten. Schließlich werden die vor- und frühgeschichtlichen oder neuzeitlichen beweglichen Bodendenkmäler in Funddepots beim BLfD aufbewahrt, bis sie den rechtmäßigen staatlichen – der Archäologischen Staatssammlung München bzw. der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie – oder den nichtstaatlichen – häufig städtischen oder kommunalen – Eigentümern übergeben werden können. Aktuell existieren dezentral an allen Dienststellen des Landesamtes mehr oder weniger geeignete Depots für archäologische Funde. Das ehem. Hauptzollamt in München ist das größte. Hier werden die archäologischen Fundschätze aus Oberbayern sowie allen Großgrabungsprojekten platzsparend, transportfreundlich und effizient auf möglichst engem Raum auf Paletten lagern. Allerdings ist die Lagerkapazität bei gleichbleibendem geschätzten jährlichen Zuwachs von etwa 100–120 Kubikmetern Fundmaterial (etwa 50 Paletten) schon in absehbarer Zeit erschöpft – ebenso begrenzt ist die Mietvertragslaufzeit. Planungen sehen vor, ein zentrales und allen zeitgemäßen Anforderungen gerecht werdendes temporäres Archäologiedepot beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege einzurichten, mit dem gleichzeitig weitere Verbesserung, z. B. bei der Lagerqualität, der Objektpflege und des Funderhaltes, erzielt werden können. Stephanie Gasteiger 87

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PERSONALIA Elisabeth Grill geht in den Ruhestand Nach 16 Jahren im BLfD verabschiedet sich Elisabeth Grill zum Jahresende in den Ruhestand. 1999 war sie als Sekretärin für das Referat B Oberbayern ins Landesamt gekommen und arbeitete damals halbtags bei Dr. Stefan Winghart. Allerdings fand sie zunächst keineswegs einen eingerichteten Arbeitsplatz vor, sondern musste sich erst einmal mit Provisorien auseinandersetzen – kein Sekretariatszimmer, keine Büromöbel, die Akten verteilt auf die Büros von vier Referenten. Als ihr schließlich ein Zimmer zugewiesen wurde, griff Frau Grill zur Selbsthilfe und organisierte sich die nötigen Möbel, holte die Akten zusammen, richtete alles ein und stellte so ein funktionsfähiges Büro auf die Beine. Nun gab es ein richtiges Vorzimmer, und die Referenten hatten mehr Platz und zugleich weniger Arbeit mit der Ablage. 2003 ging Stefan Winghart nach Thüringen. Als Referatsleiter folgte Walter Irlinger, dann Jochen Haberstroh, und das FIS, das Fachinformationssystem, hielt Einzug im Amt. Die Sekretariatsarbeit nahm so stark zu, dass sie mit der Halbtagsstelle nicht mehr zu bewältigen war. So ließ sich Frau Grill vorübergehend darauf ein, ganztags zu arbeiten. Eine neue Lösung musste gefunden werden, als bei ihr gesundheitliche Probleme auftraten und eine Vertretung bzw. ergänzende Kraft notwendig wurde: Ein doppelter Bandscheibenvorfall bremste Elisabeth Grill so stark aus, dass sie wieder

auf halbtägige Arbeitszeit reduzieren musste. So kam es 2011 zum Wechsel ins Referat B V, also zur archäologischen Restaurierung. Hier galt es, den Überblick zu behalten über die Restaurierungswerkstätten in der Zentrale und an mehreren Dienststellen, die Materialien zu besorgen und Beschaffungen zu organisieren und sich um Rechnungen und Zahlungsverkehr zu kümmern. Weil Elisabeth Grill sich in der Abteilung gut auskennt, wurde sie zusätzlich auch immer wieder zum Aushelfen gebraucht, wenn es in einem anderen Sekretariat Engpässe gab. In den 16 Jahren hat sich der Büroarbeitsplatz stark gewandelt: damals

Elisabeth Grill (Foto: BLfD, Michael Forstner)

noch die Computer der ersten Generation, heute das elektronische Fachinformationssystem und das allgegenwärtige Internet. „Manchmal hätte ich mir eine bessere Einführung in die neuen Systeme gewünscht“, sagt Frau Grill. „Für Fortbildungen fehlte im Berufsalltag aber meist die Zeit. So habe ich mir vieles selber beigebracht – und es hat ja auch Spaß gemacht. Ich bin da flexibel und lasse mich überall einsetzen.“ Da die Folgen des Bandscheibenvorfalls gravierender sind und starke Beeinträchtigungen mit sich bringen, macht Frau Grill von der Möglichkeit Gebrauch, mit 60 Jahren in Rente zu gehen. Sie hofft, dass sich mit mehr Ruhe der Rücken bessert und die Kreativität wieder mehr Raum bekommt: Hat sie sich doch früher gerne dem Nähen, Kohlezeichnen und Schreiben von Kurzgeschichten gewidmet. Ja, da horchen wir auf: Gesichter, Begegnungen, zufällige Begebenheiten unterwegs haben sie früher zum Schreiben inspiriert. Sollte da nicht nach 16 Jahren BLfD so manches Gesicht und manche Begebenheit aus der Erinnerung aufsteigen und sich in die Form einer Geschichte bringen lassen? Wir haben doch neuerdings die Rubrik „Feuilleton“ in unserem Heft, wo für schöne Lektüre ein wenig Platz wäre … Vor allem aber wünschen wir Elisabeth Grill für den neuen Lebensabschnitt Gesundheit und viele frohe, zufriedene Tage! DE

Zwischen FIS und Tai-Chi – Gerlinde Schneider verabschiedet sich Nach 18 Jahren im Dienste des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege geht Gerlinde Schneider zum 1. April 2015 in den vorgezogenen Ruhestand. Als sie zum Jahresbeginn 1997 als Sekretärin ihren Arbeitsplatz 88

in der damaligen Außenstelle Regensburg antrat, sah es so aus, als wäre es für sie nur die kurze Episode einer Elternzeitvertretung. Dann kam es wie so oft: Verlängerung des Erziehungsurlaubs (wie er damals hieß), die nächste

Vertretungszeit … und Frau Schneider blieb der Dienststelle erhalten! Anschließend hieß es für Frau Schneider Teilen: nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch den Schreibtisch mit dem „Reich der Akten“ und all den

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vielfältigen Aufgaben, die in solch einer Dienststelle anfallen. Persönlich mag so ein neues Teilen, nach all der Zeit als alleinige Sekretärin und zuverlässige Ansprechpartnerin für alle Mitarbeiter, nicht leicht sein. Aber beide Damen haben die Situation hervorragend gemeistert! Gerlinde Schneider und Birgit Armer waren ein harmonisch abgestimmtes Team, das nach der Zusammenlegung der Dienststellen Regensburg und Landshut durch Anne Schässburger und Sieglinde Schenk ergänzt wurde. Wahrscheinlich war der Umzug aus dem Regensburger Runtingerhaus in die neuen Räume der gemeinsamen Dienststelle die bewegteste und wohl auch spannendste Phase in Frau Schneiders Dienstzeit. Damals war ihr Einsatz mehr denn je gefragt bei den konzeptionellen Planungen und erst recht bei den konkreten Vorbereitungen für den Einzug in die Königliche Villa: Ihr Engagement bei der Organisation, beginnend mit all den Einkäufen, der Ausschreibung diverser Aufträge, der Koordination von Firmen bis hin zum Einräumen, Sortieren und Neuordnen der Aktenberge und der Bibliothek haben wir alle sehr geschätzt!

Gerlinde Schneider (Foto: BLfD, Silvia Codreanu-Windauer)

Im April 2007 war alles geschafft, und Frau Schneider konnte nun im obersten Stock der Villa ihr neues Büro mit Domblick beziehen. Es liegt gleich neben dem Chefbüro, also passend für ihre stets perfekt ausgeführte Hauptaufgabe, die „rechte Hand des Chefs“ zu sein. Dass es dann gleich mehrere „Chefs“ waren – Dr. Engelhardt, „der Neue“ aus Landshut (jetzt Dr. Steinmann – der „ganz Neue“), Dr. Codreanu, die „alte Chefin“, und Dr.

Koch, ebenfalls aus Landshut – hat ihr keinerlei Probleme bereitet. In den vergangenen zehn Jahren erweiterten immer neue Aufgaben den ursprünglichen Arbeitsbereich. Manche stellten für Gerlinde Schneider zwar eine Herausforderung dar, besonders die Einführung des FIS, wurden von ihr aber mit der ihr eigenen Ruhe gemeistert. Im Zusammenhang mit diesen Erfassungen musste sie zeitweise einmal wöchentlich nach München pendeln, um die dortigen Kolleginnen zu unterstützen, aber auch das nahm sie geduldig hin. Viel Freude bereitete Frau Schneider die Betreuung der Bibliothek und die Mitarbeit bei den verschiedenen Publikationen unserer Dienststelle. Nicht der kleinste Rechtschreibfehler entging ihr beim Korrekturlesen der Manuskripte! Hier wird sie uns besonders fehlen, ebenso bei der Organisation der unterschiedlichen Veranstaltungen in der Königlichen Villa. Dass Gerlinde Schneider uns verlässt, bedauern wir sehr. Wir hoffen, dass sie nun ungestört ihren Hobbys – Tai-Chi, Wandern und Reisen – nachgehen kann und viele, viele Jahre gesund und glücklich ihre Rente genießt. Silvia Codreanu-Windauer

Michael Kling – Juristische Aufgaben Stabsstelle GK Dienststelle München Tel.: 089 2114-357 E-Mail: [email protected]

sophischen Themen beschäftigt und während des Studiums gleich ab dem zweiten Semester an einem Lehrstuhl für Strafrecht, Rechtsphilosophie und

Seit dem 1. September 2014 ist der Jurist Michael Kling am BLfD tätig, um hier seinen sog. Außendienst zu absolvieren. Er ist in München geboren und aufgewachsen, hat dort auch sein Abitur gemacht und an der LudwigMaximilians-Universität (LMU) Jura studiert. Die Juristerei ist ein weites Feld mit vielen Spezialgebieten, das viele Bereiche wie Philosophie, Wirtschaft, Soziologie, internationalen Beziehungen oder weitere Aspekte der menschlichen Existenz berührt. Herr Kling hat sich zu einem sehr erheblichen Teil mit strafrechtlichen und auch rechtsphilo-

Michael Kling (Foto: privat)

Rechtssoziologie gearbeitet. Ab dem fünften Semester hat er auch eine kleine AG in Strafrecht an der LMU gehalten. Später im Studium kam noch das Arbeitsrecht als weiterer Schwerpunkt hinzu, nachdem er sich entschieden hatte, Arbeitsrecht zu seinem Wahlfach zu machen. Nach seinem Referendariat hat Michael Kling fast zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Franzen am Lehrstuhl für deutsches, europäisches und internationales Arbeitsrecht und bürgerliches Recht gearbeitet. Im März 2011 wechselte er ans damalige Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Dort hat er unter anderem in den Gebieten Arbeitsrecht und Kulturgutschutzrecht gearbeitet. 89

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„Der Wechsel an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bietet für mich eine großartige Möglichkeit, meine Erfahrungen aus meiner Arbeit

am Ministerium einzubringen. Außerdem kann ich hier in einer interdisziplinär arbeitenden Behörde täglich sehr viel Neues lernen“, sagt Herr

Kling nach den ersten Monaten in seiner neuen Dienststelle, an der er sich sehr wohl fühlt. DE

Tobias Ritthaler – Personelle Verstärkung der EDV Bereich G3 – Informations- und Kommunikationstechnik Dienststelle München Tel.: 089 2114-373 E-Mail: [email protected] Seit August 2014 verstärkt Tobias Ritthaler im BLfD den Bereich G3, also die Informations- und Kommunikationstechnik, landläufig EDV. Der junge Kollege stammt aus dem oberbayerischen Weilheim und hat eine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker gemacht. Seine Schwerpunkte waren dabei Informationstechnologie und Elektrotechnik. Dass er gerade in der Denkmalpflege einen Arbeitsplatz gesucht hat, ist kein Zufall und nicht nur der Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit geschuldet, sondern kommt auch seinem Interesse entgegen: „Da mich

Tobias Ritthaler (Foto: privat)

die bayerische Geschichte schon immer interessierte, kann man hier von vielen Kollegen ständig Neues und Interessantes über unser Bundesland

erfahren“, sagt Tobias Ritthaler. Und natürlich fand er auch die bevorzugte Lage des BLfD bzw. der Alten Münze in der Münchner Innenstadt verlockend. Die über Bayern verteilten Dienststellen machten ihn neugierig, auch dort die Orte kennen zu lernen, da dies viel Abwechslung in den Büroalltag bringt. Im täglichen Umgang mit den Computern und sonstigen Bürogeräten schätzt er die Abwechslung, die dank der vielen verschiedenen Dienststellen, Abteilungen und Persönlichkeiten nie verloren geht. Auch die vielen Spezialgeräte, welche zur Denkmalpflege benötigt werden, stellen immer wieder neue Herausforderungen dar, denen sich der Systemelektroniker aber gerne stellt. DE

Haushalt hier und dort: Andrea Hamitaga Referat G 4 – Innere Organisation, Personal, Haushalt, Sachgebiet: Haushalt Dienststelle München Tel.: 089 2114-372 E-Mail: [email protected] Seit dem 15. September 2014 verstärkt Andrea Hamitaga das Sachgebiet Haushalt im Referat G 4 – Innere Organisation, Personal, Haushalt. Frau Harmitaga stammt aus dem Landkreis Ebersberg. Mittlere Reife machte sie an der städtischen Riemerschmid-Wirtschaftsschule in München am Isartor. Beim Goethe-Institut folgte eine Ausbildung mit IHK-Abschluss, die sie wegen guter Leistungen schneller als üblich abschließen konnte. Danach war sie als Sachbearbeiterin im Goethe-Institut e. V. angestellt. Nach einer Elternzeit nahm sie die berufliche Tätigkeit an 90

Andrea Hamitaga (Foto: privat)

einer der Geschäftsstellen der LudwigMaximilians-Universität auf. Während der Ausbildung hatte ihr Schwerpunkt bei den kaufmännischen

Bereichen wie Rechnungswesen, Betriebswirtschaft und Kosten-LeistungsRechnung gelegen, was ihr besonders liegt und bis heute Spaß macht. Dieses Wissen hat sich in der Geschäftsstelle der LMU noch durch die Besonderheiten des Freistaats Bayern erweitert. Das kommt ihr nun bei dem abwechslungsreichen, anspruchsvollen Aufgabengebiet im Landesamt zugute. Dass sie selbständiges Arbeiten sehr schätzt, freut auch den Arbeitgeber; ebenso wie ihre Bereitschaft zu und Freude an spezifischen Fortbildungen, amtlich wie auch in Eigenregie. Privat ist Andrea Hamitaga eine Katzenliebhaberin und Besitzerin eines Ragdoll- und eines Britisch-KurzhaarKaters. Als weiteres Hobby verrät uns die Haushaltsspezialistin, dass sie seit ca. zehn Jahren gern tanzt. DE

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Kathrin Müller M. A.: Volontärin mit Publikations- und Klosterkompetenz Volontärin mit Schwerpunkt Baudenkmalpflege Dienststelle München Tel.: 089 2114-346 E-Mail: [email protected]

rend des Studiums unter anderem bei der Digitalisierung und Internetpräsentation des Reallexikons zur Deutschen Kunstgeschichte mitgewirkt hatte. So konnte sie ihre speziellen

Kathrin Müller (Foto: BLfD, Karlheinz Hemmeter)

Ein denkmalpflegerischer Frischling ist sie eigentlich nicht mehr: Zumindest was die „Theorie“ angeht hat Kathrin Müller bereits eine fünfjährige „Amtserfahrung“ hinter sich – und zwar als wissenschaftliche Hilfskraft im Publikationsreferat, wo sie das BLfD und alle Referate aus einer ganz besonderen Sicht kennenlernte: aus der Zusammenarbeit mit den Referenten als Autoren und aus deren Texten. Die Herstellung denkmalpflegerischer Publikationen ist ihr seitdem geläufig – von der Textredaktion bis zur Drucklegung. Bei dieser intensiven Beschäftigung mit den Inhalten und Aufgaben aller möglichen Fachbereiche blieb es nicht aus, dass immer wieder Aussagen zu überprüfen waren, zu denkmalfachlichen Themen recherchiert oder gar selbst Textentwürfe und Texte verfasst werden mussten. Bei der Arbeit für das Publikationsreferat kam ihr zugute, dass sie wäh-

Kenntnisse digitaler Präsentation bei der Herstellung einer Datenbank für die seit der Gründung des Landesamtes 1908 erschienenen Publikationen einbringen – ein großer Nutzen für das BLfD: Nun kann man das Schriftgut des Amtes auch online über Register und Schlagworte erschließen (http://www.blfd.bayern.de/denkmalerfassung/publikationswesen/datenbank/). Ab April 2014 hat sie freiberuflich einen Band für die amtseigene Schriftenreihe betreut und konnte da das zuvor Gelernte auch selbstständig unter Beweis stellen. Von der Theorie aber drängte es sie zur Praxis. Mit dem Antritt eines wissenschaftlichen Volontariats am 1. Dezember 2014 hofft sie, ihrem Berufswunsch, einer Beschäftigung im Bereich der Denkmalpflege, näher zu kommen: „Das endlich ‚live‘ zu erleben, worüber ich in den letzten Jahren so viele Texte gelesen und lektoriert

habe, also die Denkmalpflege in all ihren Facetten kennenzulernen, freut mich besonders – und auch der Kontakt mit Menschen und Denkmälern. Ich mag unsere Kulturlandschaft und will dazu beitragen, dass sie erhalten bleibt.“ In München geboren und aufgewachsen, beschäftigt und begeistert sie die Kunst und Kultur Bayerns schon länger. Für ihre Magisterarbeit im Fach Kunstgeschichte hatte sie deshalb auch die Wallfahrtskirche Weihenlinden bei Bad Aibling gewählt. Besonders beim Schlagwort „Zisterzienser“ sprudelt es sofort aus ihr heraus. Die sonst nur mit Fuchs, Hase und dem lieben Gott ihr Dasein teilenden Klosterbrüder hatte sie sich als Thema ihrer Doktorarbeit gewählt, genauer gesagt den Kirchenbau des Ordens in der Barockzeit in Süddeutschland. Damit hatte sie sich einen bisher extrem stark vernachlässigten Bereich der Kunstgeschichte ausgesucht, wird zisterziensisches Bauen doch sonst vor allem mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht. Im Frühjahr 2014 wurde sie damit an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. Schon nach den ersten paar Monaten im Referat Denkmalerfassung/ Denkmalliste sieht Kathrin Müller ihre Erwartungen mehr als erfüllt. Da sie das Haus und viele der Kollegen und Kolleginnen schon kannte, hat sie keine große Eingewöhnungszeit gebraucht. „Alle Referenten führen mich bereitwillig in die Probleme vor Ort ein, verdeutlichen das Prozedere und geben mir Tipps. Ich habe mich sofort heimisch gefühlt und freue mich jetzt schon sehr darauf, auch die anderen Referate und die praktische Denkmalpflege kennenzulernen.“ Dass in ihrem Curriculum nicht mehr vorgesehen ist, auch mal ins Publikationsreferat „reinzuschmecken“, ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Htr

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Nachruf auf Dr. Siegfried Hofmann Archivdirektor, Kulturreferent, Stadtheimatpfleger und Vorsitzender des Historischen Vereins von Ingolstadt Geboren am 13. Februar 1930 in Nürnberg, verbrachte Siegfried Hofmann die Kindheit in Kinding/Altmühltal und besuchte die Oberschule in Eichstätt. 1951–56 Studium an der LudwigMaximilians-Universität München (Historische Hilfswissenschaften, Bayerische Geschichte, Geschichte, Theologie). 1956 Promotion zum Dr. phil. bei Prof. Hans Rall mit einer umfangreichen Dissertation über „Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294“, die 1967 in den Münchener Historischen Studien gedruckt wurde. 1957–60 Archivschule München, abgeschlossen 1960 mit der Staatsprüfung für den höheren Archivdienst. Ab 1.7.1960 trat er die nach dem Tod von Dr. Max Grünzinger freigewordene Stelle des Leiters von Stadtarchiv, Wissenschaftlicher Bibliothek und Schloßmuseum (wie es damals noch hieß) in Ingolstadt an. 1994 folgte der Eintritt in den Ruhestand. Leiter des Stadtarchivs, der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek und des Stadtmuseums 1960–94: Seine Berufsanfänge fielen in eine schwierige Zeit. Mit dem Beschluss, das Bayerische Armeemuseum im Neuen Herzogsschloss zu eröffnen, begann 1965 die Auslagerung in das damalige Seuchenlazarett beim Kreuztor, Friedhofstr. 2 1/2. Umzug 1968 in das ehem. Gaswerk und die Städtischen Werke an der Esplanade, dann 1975 Umzug ins neurenovierte Kavalier Hepp. Dem rastlosen Einsatz und seiner immensen Arbeitsleistung war es zu verdanken, dass das Archiv nicht in Vergessenheit geriet. 1981 konnte das Stadtmuseum neu eröffnet werden. Die Gesamtkonzeption trägt seine Handschrift, mit der Eröffnung der Abteilung vom „Handwerk bis zur Industrialisierung“ wurde der Ausbau 1992 abgeschlossen. Weitere Funktionen: Stadtheimatpfleger 1961–97, wobei sein besonderes Anliegen der Erhaltung historischer Bausubstanz galt. Dafür kämpfte er, wie z. B. bei geplanten Abbrüchen von 92

Stadtmauerbereichen beim ChristophScheiner-Gymnasium, bei der Renovierung des Ickstatthauses oder bei der Erhaltung der Festungsanlagen der klassizistischen Festung. 1. Vorsitzender des Historischen Vereins Ingolstadt 1971–97, im Jahr 2000 Ehrenmitglied; Kulturreferent der Stadt Ingolstadt 1981–94; 2. Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt 1971–90 (1990 Ehrenmitglied); 1. Diözesanratsvorsitzender der Diözese Eichstätt von 1967–71; Mitglied des Diözesangeschichtsvereins Eichstätt.

Siegfried Hofmann (Foto: privat)

Veröffentlichungen zur Erforschung der Stadtgeschichte in Auswahl: im „Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt“ ca. 70 Beiträge seit 1964, in den „Ingolstädter Heimatblättern“ ca. 90 seit 1960, das große zweibändige Ingolstadt-Werk, 1974 zusammen mit Prof. Dr. Theodor Müller und Dr. Wilhelm Reissmüller herausgebracht, 1981 der Band über die Bilddokumente der Stadt und 1986 als Band IV ein umfangreicher Bildband über Ingolstadt mit teilweisen Quelleneditionen, 1986 zusammen mit Dr. Gerd Treffer der Band über Cosmas

Damian Asam und die Kirche Maria de Victoria, 1988 ein umfängliches Buch mit historischen Ansichten Ingolstadts, als Quellenedition die Urkunden zum Hl. Kreuz, die Quellenbände Urkunden des Hl.-Geist-Spitals sowie die Urkunden des Rates der Stadt. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass sowohl das Grabungsbüro des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege als auch die Forschungsstelle Manching, Außenstelle der RömischGermanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, nach Ingolstadt kamen. Tatkräftig unterstützte er den Ausbau der Anatomie zum Deutschen Medizinhistorischen Museum und der Donaukaserne zum Museum für Konkrete Kunst. Der Historische Verein Ingolstadt trauert um seinen langjährigen Vorsitzenden und sein Ehrenmitglied Dr. Siegfried Hofmann. Er starb nach längerer Krankheit am Reformationstag des Jahres 2014. Wer ihn erlebt hat, war fasziniert von seiner Präsenz, dem Fluss seiner Rede, seiner Gedanken und Analysen. Vor den Augen der Zuhörer und Leser entstand ein komplexes historisches Gemälde, das fesselte und staunen ließ. Und es ist schwer vorstellbar, dass dieser Mann nicht mehr auftreten wird, dass diese Stimme nicht mehr zu hören sein wird, bayerisch gefärbt, in weichen und harten Worten Themen erörternd, die ihn beschäftigten: Kultur in ihrer umfassenden Bedeutung, sein Universalthema ohne explizite Differenzierungen in Teilbereiche. Mit einem großen Pinsel zeichnete Siegfried Hofmann die universalen und lokalen Begebenheiten, bettete sie ein in das Gedankengut der damaligen Zeitgenossen, spürte ihren Ideen nach und verdeutlichte viele historische Entwicklungen aus der Kraft der Worte. In seinem Lebenslauf spiegeln sich die Brüche der Zeit und formten seinen speziellen, distanzierten Blick auf die Geschichte. Das Erleben des Dritten Reiches, seine tiefe Religiosität und die

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sich daraus entwickelnden Konflikte haben sicher Einfluss gehabt auf seine Zurückhaltung, Themen der Zeitgeschichte in seinen Forschungskanon aufzunehmen. Umso breiteren Raum nahmen die Epochen des frühen bis späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in seinem Spektrum ein. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist außergewöhnlich lang. In der Rede von Oberbürgermeister Dr. Alfred Lehmann anlässlich der Verleihung des Kulturpreises der Stadt 2006 wurde er als ein Mann des geschriebenen Wortes gerühmt. In kaum nachvollziehbaren Dimensionen vollzog sich ein Urkunden- und Aktenstudium der Ingolstädter Geschichte, gemäß dem Motto seines Doktorvaters Prof. Dr. Hans Rall, dass sich das „erweislich Wahre“ nur in den Akten findet. Studium und Analyse der Quellen führten ihn in viele Archive, ließen ihn Einblicke nehmen in vergessene Ereignisse, brachten erstaunliche Querverweise zutage. Das große Ganze und das kleine Detail wurden in seinen Reden und Schriften zu einem schillernden Teppich verwoben. Die Lektüre war nicht einfach, manche Gedankengänge bedurften mehrmaligen Lesens. Dr. Hofmann zeichnete ein universales Wissen und Verstehen aus. Seine literarischen Interessen waren breit

gestreut von Lyrik zu Prosa und zeitgenössischen Traktaten. Vor allem die Werke der Jesuiten standen im Vordergrund, und das gesamte Wirken dieses Ordens wurde zum Schwerpunkt einer großen Ausstellung und eines fundierten Kataloges. Selbst Michael Skasa, der Nestor des Bayerischen Rundfunks, bemühte sich nach Ingolstadt, um diese außergewöhnliche Ausstellung zu besichtigen und zu besprechen. Eine von uns allen bewunderte Energie feuerte ihn an, bis ins hohe Alter, ja bis kurz vor seinem Tod Forschung zu betreiben, über Fernleihe Bücher zu bestellen und sie sich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Im milden Licht seiner großen Schreibtischlampe saß Dr. Hofmann über vielen Manuskriptseiten gebeugt. Viele Stapel lagen um ihn herum, und er schrieb mit schneller Hand seine berühmten, nur Eingeweihten lesbaren Textseiten, ergänzt und erweitert um kleine Zettel. Erst mit dem Computer und der Möglichkeit des Text- und Fußnoteneinfügens trat eine spürbare Erleichterung im Entziffern seiner Texte ein. Im Kreise seiner Familie fand Siegfried Hofmann Unterstützung und Förderung bei der Einführung dieser neuen Technologie. Die Familie war ihm immer Ankerpunkt und Mittelpunkt, trotz der vielen Verpflichtungen, die er als Kul-

turreferent zumal zu bewältigen hatte. Seine Frau und seine vier Töchter brachten immer große Geduld und großes Verständnis auf. In seinen Erzählungen konnten wir die Mühsale der Campingreisen mitverfolgen, uns die vielen kunsthistorischen Reiseziele vorstellen und auch die Geduld und die Liebe erfahren, die in der gesamten Familie einschließlich der Schwiegersöhne, Enkelinnen und Enkel spürbar ist. Wir bewunderten den Zusammenhalt, den Umgang und die gegenseitige Fürsorge, auch in schwierigen Situationen. Ein langes und erfülltes Leben hat Siegfried Hofmann durchschritten, voller Höhen und Tiefen. Er konnte mitleiden und mitempfinden, wenn Unrecht oder Unbill geschah. Er konnte aufbrausen und schneidend formulieren – alles aber im Bewusstsein, für die Erkenntnis und das Verständnis des Menschen und seiner Geschichte tätig zu sein. Bereits die wenigen aufgeführten biografischen Daten verdeutlichen die großen „Äcker“ (Zitat Prof. Dr. Hans Rall), die Siegfried Hofmann bestellt hat. Wie kaum ein anderer lebte er sein Engagement in einem weiten Radius kompetent und eloquent und zeitaufwendig. Beatrix Schönewald

Nachruf auf Franz Krippner Die Landschaft um das schwäbische Nördlingen herum mit dem Namen „Ries“ ist durch geologische Erforschungen erst nach dem letzten Krieg als Meteoritenkrater erkannt worden und hat durch das dortige Feldtraining der Apollo-Astronauten eine gewisse Berühmtheit erlangt. Weit weniger bekannt ist, dass das Ries durch seine zentrale Lage in Europa und als Schnittpunkt alter Fernwege für archäologische Forschungen beste Erkenntnismöglichkeiten für die frühe Menschheitsgeschichte bietet. Franz Krippner hat für deren Erschließung seine ganze Kraft mit damals noch ungeahntem Erfolg eingesetzt. Nachdem er zunächst auf der Alb, besonders im Kesseltal, bei Begehung

der Felder neue Fundstellen entdeckt und deren Kenntnis der damaligen Außenstelle Augsburg des BLfD durch ausführliche Fundmeldungen übermittelt hat, ging er auf den Vorschlag einer systematischen Begehung des Rieses im Sinne einer Landesaufnahme ein. Er fing im äußersten Nordwesten mit der Gemarkung Fremdingen an. Als sich dann Werner Paa bald für das Nordostries anschloss, arbeitete Krippner südlich weiter. Schon durch den Nördlinger Apotheker Dr. Ernst Frickhinger war das Ries als Fundlandschaft in der Archäologie zu einem besonderen Ruf gekommen. Aber erst durch die vorbildliche systematische Begehung ab den 1970er Jahren konnte die Riesforschung ein trag-

fähiges wissenschaftliches Fundament bekommen. Krippner beging die Äcker, vielfach unterstützt von seiner Frau, wiederholt zu fast allen Jahreszeiten in Gummistiefeln – trotz Erfrierungen an den Füßen als Kriegsfolge. Er trug die Fundstellen auf Flurkarten 1 : 5000 genau ein und beschrieb sie ausführlich mit Berücksichtigung der Topographie und Bonität der Böden auf den amtlichen Fundmeldeformularen. Die Geldmittel für die zahllosen Bahnfahrten von Augsburg ins Ries, für die vielen Karten und Fundkartons hat er nicht nur selbst aufgebracht, sondern die Abertausende von Funden auch kostenlos an die Museen Nördlingen und Donauwörth abgegeben. 93

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Krippner gebührt unter anderem nicht nur das Verdienst, die älteste und größte altsteinzeitliche Freilandstation Bayrisch Schwabens mit Tausenden von Artefakten entdeckt, sondern auch die Siedlungsstellen der ersten Bauern im Ries aufgespürt zu haben, was zu Forschungsgrabungen der Universitäten Erlangen und Frankfurt geführt hat. Der äußerst bescheidene und uneigennützige Franz Krippner, dem durch die Kriegsereignisse und Vertreibung ein Studium verwehrt war, hat als Autodidakt durch seine Tätigkeit im Gelände, die Mitarbeit am Historischen Atlas von Bayerisch Schwaben und mit seinen wissenschaftlichen Aufsätzen in der archäologischen Forschung Akzente gesetzt. Die Fähigkeit, Erkenntnisse allgemeinverständlich zu formulieren, führte schließlich zu seinem mit vielen Fotos durch seine Frau illus-

trierten und lesenswerten Buch „Vom Inferno zur Kulturlandschaft“, einer Zusammenfassung der vorgeschichtlichen Besiedlung des Impaktkraters Ries. Von schwerer Krankheit erlöst, verstarb Franz Krippner im Juli 2014 im Alter von 94 Jahren. Günther Krahe

Franz Krippner (Foto: privat)

Zum Tod von Michael Geins Der Passauer Stadtrat und Fotograf Michael Geins hat im Jahr 2013 mehrere Tausend fotografische Aufnahmen für die Denkmaltopografie Stadt Passau gemacht. Der Band ist letztes Frühjahr in unserer Reihe der Denkmäler in Bayern erschienen. Am 16. Mai 1942 in Passau geboren und dort zum Augenoptiker ausgebieldet, machte Geins sein Hobby, die Fotografie, alsbald zum Beruf und eröffnete ein eigenes Geschäft, das bekannte Fotoatelier „Foto Geins“ (früher Raßhofer und Geins) in der Theresienstraße. 1977 legte er die Meisterprüfung des Fotografenhandwerks ab, trat 1984 das Erbe des Fotografen Schütz an und übernahm 1990 Foto Adolph. Immer mehr interessierten ihn historische Aufnahmen, welche die Sozial- und Kulturgeschichte Passaus vermitteln. So ist es ihm zu verdanken, dass viele der fotografischen Werke von Franz Weismann, der mit seiner Kamera das Alltagsleben Passaus dokumentiert hat, erhalten geblieben sind. Geins nahm die Arbeit auf sich, mehrere Ausstellungen mit Fotos von Weismann zu organisieren und dessen Werk im Gedächtnis der Stadt zu ver94

ankern. Und er wurde nicht müde, die Geschichte Passaus durch historische Aufnahmen zu vermitteln. Neben dieser großen Leidenschaft war er bereits früh politisch aktiv, zu-

Michael Geins (Foto: Peter Geins, Passau)

letzt ab 2008 als Stadtrat. Schwerpunkte seiner Arbeit waren immer kulturelle und wirtschaftspolitische Themen, Stadtentwicklung, Jugend- und Seniorenarbeit. Er übernahm zahlreiche Ehrenämter und wurde bereits 1969 für seine Bemühungen um Jugend und Kultur in die Vereinigung der Lamplbrüder aufgenommen. Die Menschen, die Geschichte und die Kultur der Stadt lagen ihm am Herzen, sodass er wie selbstverständlich zum ehrenamtlichen Verwaltungsrat das Stadtarchiv wurde. Fotografische Meisterschaft und Sachkenntnis hatten ihn dafür prädestiniert, auch die Fotos für den Band in der bekannten Reihe der Denkmaltopografien anzufertigen. Lange Wege, mehrfaches Nachfotografieren, wenn das Wetter, das Licht und Wünsche der Textbearbeiter es erforderten, oder schwierige Identifizierungs- und Standortprobleme nahm er ohne Murren auf sich. Wer hätte mehr Freude an dieser Arbeit, mehr Wissen und Engagement mitgebracht? Michael Geins verstarb am 8. Februar nach kurzer, schwerer Krankheit. Htr

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AKTIVITÄTEN Tagung „Archäologie in Oberbayern“ in Starnberg Rund 160 Zuhörerinnen und Zuhörer ließen sich am Freitag, 10. Oktober 2014, die neusten Ergebnisse aus der oberbayerischen Bodendenkmalpflege vorstellen. Geladen hatten die Stadt Starnberg und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. In ihren einleitenden Grußworten zeigte sich die Erste Bürgermeisterin Eva John erfreut, die Veranstaltung erstmals ausrichten zu können. Was gerade den Landkreis Starnberg als Tagungsort prädestiniert, führte Landrat Karl Roth aus: Die Region kann insbesondere in jüngster Zeit mit ihren archäologischen Ergebnissen von Gilching über Gauting bis zum interkommunalen Gewerbegebiet Inning-Wörthsee und dem Weltkulturerbe der Roseninsel aufwarten. Danach begrüßte Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Er plädierte dafür, mehr Bewusstsein für das kulturelle Erbe zu schaffen, indem die Öffentlichkeit mit solchen Veranstaltungen umfassend über Bodendenkmäler informiert wird. Unkenntnis führe nicht zum Schutz, sondern führe häufig zur Zerstörung von Kulturgütern. Der von der bayerischen Bodendenkmalpflege seit vielen Jahren beschrittene Weg der Transparenz diene dazu, den hohen immateriellen Wert der Bodendenkmäler kennen und schätzen zu lernen und fördere einen umsichtigen Umgang mit dem uns anvertrauten kulturellen Erbe. Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil machte in seinem Grußwort deutlich, wie wichtig das Engagement der ehrenamtlichen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Gebiet der Bodendenkmalpflege sei. Dies gelte gerade in einem Landkreis wie Starnberg, der aufgrund seiner siedlungsgünstigen Lage einen Kristallisationspunkt archäologischer Fundstätten darstelle. Bodendenkmalpflege fasziniere, da diese durch die Begleitung und Unterstützung auf dem Weg von der Fundmeldung bis zur Publikation Geschichte erst erlebbar mache − Geschichte, die die eigene Vergangenheit als Basis für die Gegenwart reflektiere. „Wir finden hier unsere Geschichte“, so Pfeil. Vorbildliches Engagement der Stadt und des Landkreises Starnberg und eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Landratsamt und BLfD ermögliche erst die Präsentation so vielfältiger Ergebnisse rund um Starnberg,

Führung im archäologischen Freigelände St. Benedikt (Foto: BLfD, Ulf Händler)

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hob Dr. Jochen Haberstroh vom Landesamt zur Einleitung hervor. Durch das Interesse der Starnberger Bevölkerung und der Entscheidungstragenden in den zuständigen Behörden an ihrer Geschichte werde bei Bauvorhaben regelmäßig das Landesamt als beratende Fachbehörde hinzugezogen. So ergebe sich ein aufschlussreiches Bild der Vergangenheit oder es werde möglich, Bodendenkmäler durch Umplanungen zu erhalten. Fachvorträge Die elf Vorträge behandelten das breite Spektrum der bayerischen Archäologie, wie es durch die Umsetzung einer flächendeckenden Bodendenkmalpflege erst möglich wird: Keine Bodendenkmälergruppe wird bevorzugt behandelt. So zeigt sich, dass Bayerns Geschichte lückenlos in allen Epochen nachgezeichnet werden kann. Erreicht wird dies mit Hilfe von Grabungsfirmen, die bei Bauvorhaben die fachgerechte Dokumentation der Befunde und die Bergung der Funde übernehmen, damit enge Partner des Landesamtes und der Kommunen sind und durch ihre Arbeit ebenfalls die bayerische Archäologie als Wissenschaft befördern. Im ersten Vortrag informierten in Kooperation von Landesamt und der Fachfirma Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht Dr. Martin Pietsch vom BLfD und Dr. Jakob Leicht über römische Brandgräber in Kösching. Dr. Sabine Mayer vom BLfD referierte im Anschluss zur Neubewertung des späteisenzeitlichen und römischen Brandopferplatzes auf dem Schongauer Schlossberg. Die regionale Besonderheit der frühmittelalterlichen Tuffplattengräber in Kombination mit Datierungsmöglichkeiten durch die Radiokarbonmethode war Gegenstand eines Vortrages von Dr. Ulrike Scholz. Über ein Projekt innerhalb der Stadt Starnberg berichtete Dr. Christian Later vom BLfD bei seinem Vortrag zur Entwicklung der Kirche und des Friedhofes St. Benedikt, der vom frühen Mittelalter bis in die Barockzeit genutzt wurde. Durch das weitsichtige Handeln der Stadt Starnberg, die das Gelände nach der „Wiederentdeckung“ der Reste von St. Benedikt dem Eigentümer abkaufte, konnten hier die 96

umfang- und aufschlussreichen Untersuchungen erfolgen. Ein Vortrag über die Anthropologie des Friedhofes schloss sich an (Dr. Kristin von Heyking und Dr. Ferdinand Neuberger, AnthroArch GbR). Die Synthese der archäologischen Untersuchung und der anthropologischen Ergebnisse soll in naher Zukunft in der Reihe „Starnberger Stadtgeschichte“ publiziert werden. Um es nicht bei der Theorie zu belassen, ging es nach der Mittagspause ins Gelände. Vor Ort referierten Dr. Haberstroh und Dr. Later im archäologischen Freigelände von St. Benedikt über die Geschichte des Platzes. Das Vortragsprogramm fortsetzend, präsentierte Dr. Tobias Pflederer (Bayerische Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V.) den aktuellen Stand der unterwasserarchäologischen Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung von Kempfenhausen im Starnberger See. Ausführlich stellte dann Marcus Guckenbiehl, Heimatpfleger und Stadtarchivar der Stadt Germering, die Erkenntnisse aus verschiedenen Grabungen im Stadtgebiet Germering (Lkr. Fürstenfeldbruck) dar und erläuterte die Gräber bzw. Bestattungssitten am Ende der Jungsteinzeit. Ein ungewöhnlicher Vortrag behandelte die sogenannte zeitgeschichtliche Archäologie: Bei den Hinterlassenschaften aus der NSZeit handelt es sich um wichtige, auch archäologisch fassbare Zeugnisse der Vergangenheit, die Aufschlüsse über diesen jungen Abschnitt der Geschichte liefern. Entsprechend ausgewertet können sie als „unbestechliche“ Quelle (im Gegensatz zu subjektiven Zeitzeugenberichten) fungieren. Der Vortrag von Torsten Dressler M. A., Archäologiebüro ABD-Dressler, über die Ausgrabungen des KZ-Außenkommandos Kaufering VII bei Landsberg am Lech machte dies deutlich. Über den Bau der Nordumgehung von IngolstadtEtting und die dabei aufgedeckten Fundstellen aus den verschiedensten Epochen berichtete Dr. Gerd Riedel vom Stadtmuseum Ingolstadt. Dass Archäologie viel zur Aufklärung der Baugeschichte einer eigentlich schriftlich gut dokumentierten Festung beitragen kann, zeigte der Vortrag von Dr. Ruth Sandner, BLfD, über die Bayerische Landesfestung Ingolstadt. Gro-

ße Bauvorhaben im Rahmen der dynamischen Stadtentwicklung sind der Auslöser für die noch andauernden, großflächigen Untersuchungen. Der letzte Vortrag beschäftigte sich mit einem Bauprojekt in der Innenstadt von München. Bei den Bodeneingriffen für den Aus- und Umbau von Maximilianstraße 6 und 8 wurden im Hinterhof, der an die „Alte Münze“, dem Sitz des Landesamtes angrenzt, detaillierte Ausgrabungen durchgeführt, die u.a. einen Teil der Münchener Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert aufdeckten (Dr. Arne Schmid-Hecklau, ARCHBAU Bayern). Fazit Der Großteil der vorgestellten wertvollen Informationen zur oberbayerischen Geschichte konnte dem „Bodenarchiv“ nur entlockt werden, da die Städte und Landratsämter in Zusammenarbeit mit dem BLfD die archäologische Begleitung der verschiedenen Bauvorhaben durch qualifizierte Fachfirmen veranlassten. Dass die Behörden über unbekannte Fundstellen in Kenntnis gesetzt werden und Ausgrabungen ungehindert stattfinden können, verdanken sie bürgerlichem Engagement. Die Zuhörerschaft − ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und archäologisch Interessierte − nahmen durch Nachfragen und Diskussionsbeiträge regen Anteil an den Vorträgen. Es zeigte sich, wie wichtig derartige Veranstaltungen sind, um den Kontakt zur Bevölkerung zu vertiefen und für die Belange der Bodendenkmalpflege weiter zu sensibilisieren. Um ein gutes Gleichgewicht zwischen der notwendigen Stadt- und Landentwicklung durch Bauprojekte und dem Schutz der Kulturdenkmäler zu erreichen, ist ein regelmäßiger Austausch unabdingbar. Das BLfD betrachtet den ungehinderten Informationsfluss als Kernaufgabe und wird sich weiter dafür engagieren, dies gemeinsam mit seinen Partnern in Verwaltung und Wissenschaft zu ermöglichen. Ein besonderer Dank für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung gebührt der Organisatorin Annette Kienzle M. A., Leiterin des Kulturamtes in Starnberg. Claudia Rohde

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Der Mittelfränkische Archäologentag 2014 in Treuchtlingen Neolithische Erdwerke, Bratgruben, römische Vici, Karlsgraben und … Auf Einladung der Stadt Treuchtlingen fand mit großzügiger Unterstützung von Stadt und Landkreis WeißenburgGunzenhausen vom 24.–26. Oktober der Mittelfränkische Archäologentag 2014 statt. Das vor allem von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dienststelle Nürnberg organisierte intensive Vortragsprogamm spannte einen weiten chronologischen und regionalen Bogen durch Mittelfranken. Es wurde ergänzt durch die Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e. V. als Mitveranstalter und eine spannende Exkursion zum Karlsgraben, dem römischen Weißenburg und dem ehemaligen Kloster Heidenheim, wo in der letzten Zeit im Rahmen der Ortskernsanierung vielfältige neue Erkenntnisse zur Klostergeschichte gewonnenen werden konnten. Heimlicher Höhepunkt der Tagung war aber sicher die Besichtigung der Oberen Burg Treuchtlingen mit anschließendem Empfang mit Mittelaltermusik und entsprechend gewandetem „Personal“. C. Sebastian Sommer

Unter Führung von Lukas Werther besichtigte die Exkursionsgruppe hier den zur Zeit in einem umfangreichen Forschungsprogramm untersuchten Karlsgraben (Foto: BLfD, C. Sebastian Sommer)

Daten, Straten, Steine – „Arbeitsgespräch Pestenacker“ tagt in Landsberg am Lech Das Projekt Pestenacker Praktisch jedermann im Landkreis Landsberg am Lech kennt die Ausgrabung bei Pestenacker. Sie ist für die Landsberger das Synonym für Archäologie im Landkreis. Kein Wunder, denn die Grabungen dort zogen sich von 1988 bis 2004 hin. Sie galten den neolithischen Feuchtbodensiedlungen Pestenacker und Unfriedshausen. Immer wieder ist in den örtlichen Zeitungen darüber berichtet worden. Inzwischen spricht sich herum, dass die Bodendenkmäler zu Welterbestätten geworden sind. Daher ist es naheliegend, dass die alljährliche Konferenz der rund 20 am Projekt Pestenacker forschenden Wissenschaftler, das „Arbeitsgespräch Pestenacker“, in Landsberg stattfindet, wie dies auch heuer zum 6. Mal der Fall

war. Gemäß den mit der Nominierung zum Welterbe eingegangenen Verpflichtungen ist die Forschungstätigkeit deutlich angeschwollen. Das Referat Siedlungs- und Kulturlandschaftsdokumentation im BLfD koordiniert die Einzelprojekte. Zu den Vorträgen werden ausgewählte Multiplikatoren, etwa die Vorstände des Historischen Vereins oder des Fördervereins Pestenacker, als Gäste eingeladen. Eingangs hob Landrat Thomas Eichinger hervor, wie sehr man sich dem historischen und prähistorischen Erbe der Landschaft verbunden fühle. Der Landkreis sei daher bereit, unter Bezugnahme auf die Ergebnisse einer vom BLfD angeratenen, im Vorjahr erstellten Machbarkeitsstudie Mittel in Höhe von 320 000 € in die Welterbestätte zu investieren.

Vorträge der Tagung Es folgten die archäologischen Vorträge: Dr. Sybille Bauer hat die absoluten Daten der Siedlung einer Revision unterzogen. Auch weiterhin wird als Gründungsdatum 3496/95 v. Chr. gesehen. Nach einem Großbrand im Jahr 3491 v. Chr. dauerte die Folgesiedlung, deren Umfang und Häuserzahl noch ungeklärt ist, bis ca. 3483/82 v. Chr. Weitere Siedlungsspuren lassen sich erst wieder um 3457 und 3450 v. Chr. vor allem im Bereich des Zugangsweges ausfindig machen. Aus diesem Areal stammen auch die jüngsten, auf 3411/10 v. Chr. datierten einzelnen Pfähle, die nahelegen, dass der Zugangsweg weiterhin benutzt wurde. Auch Guntram Schönfeld wies in seinem Referat darauf hin, dass nach 97

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Pestenacker, Gde. Weil, Lkr. Landsberg a. Lech. Mehrphasenplan der Ausgrabung (Zeichnung: BLfD, Ursula Vestner)

dem Großbrand längst nicht alle Häuser wieder aufgebaut worden sind. Nur Haus 1 ist eindeutig als Neubau wieder errichtet worden. Einige Häuser (Nr. 2,

6, 8) scheinen renoviert worden zu sein, während andere (Nr. 4 und 9) wüst liegen geblieben sind und erst später, während der Siedlung II, überbaut

Unfriedshausen, Gde. Geltendorf, Lkr. Landsberg a. Lech. Beilklinge aus Diorit, rechts Beilklingen aus Andesit-Porphyrit (Fotos: BLfD, Martin Mach)

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wurden. Auch die bisher nur sondierten Hausplätze westlich des Loosbaches scheinen nach einem Großbrand während der ersten Siedlungsphase wüst geblieben zu sein. Der Brand hat demnach vor allem den Westteil der Siedlung verwüstet, der dann wohl nicht mehr aufgebaut wurde. Nach Ansicht des Referenten hat man im östlichen Teil einen Wiederaufbau bzw. eine Renovierung betrieben. Noch unverstanden ist die Geschichte des Hausplatzes 3. Hier ist kein massiver Brandhorizont nachgewiesen worden. Auf der ruinösen Haustenne lagerten 20–30 cm organisches Material, in der Hauptsache Strohhäcksel. Darüber fanden sich Estriche und ein Feuerstellenrest, der den Hausplatz 3 überbaute. Haus X erweist sich nach Fundamentaufbau sowie Raumgliederung und -ausstattung als enge Parallele zu den Häusern der älteren Siedlungsphasen. Trotz – vermutlich langjähriger – Siedlungsunterbrechung war somit noch immer ein baugleicher Haustyp im Gebrauch. Mit den Felsgesteinfunden aus Unfriedshausen wandte sich Prof. Herbert Scholz vom Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der Technischen Universität München einem Forschungsgebiet zu, das in den Anfängen des Projekts Pestenacker gestreift worden war, nach dem Ende des DFG-Projekts aber keine Fortsetzung gefunden hatte. Die „flankierende“ Befassung mit

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diesem Thema wurde akut, nachdem eine ältere Magisterarbeit sich mit dem Herstellungsprozess der Beilklingen beschäftigt hatte. Die Gesteine gelten mehr oder weniger als eingetragen, denn im anmoorigen Talboden des Verlorenen Baches gibt es keine natürlich vorkommenden Gerölle. Die Bewohner haben also gesammelt. Es handelt sich um ein Spektrum, wie es Prof. Scholz auch in benachbarten Kiesgruben vorgefunden hat. Allerdings erweist sich das Artenspektrum gefundener Steine aus Kiesgruben im Vergleich mit jenen in Unfriedshausen eingebrachten nach den Mengenanteilen als ganz unterschiedlich. Offensichtlich ist zielgerichtet gesammelt worden, wahrscheinlich aus den Bächen. Denn Kiesgruben waren wohl nicht zugänglich. 30 % der gesammelten Steine sind Porphyrite und Diorite sowie 20  % Sandsteine. Alle anderen Arten machen jeweils weniger als 3 % aus. Die meisten Gesteinsarten stam-

men aus den Zentralalpen. Lediglich die Reiselsberger Sandsteine aus der voralpinen Gebirgszone scheinen als große Platten direkt antransportiert worden zu sein. Sie wurden großenteils als Reibsteine verwendet. Es fällt auf, dass die so gerne zu Beilklingen verarbeiteten Diorite, Porphyrite und Sandsteine für diesen Zweck als reichlich ungeeignet erscheinen. Es wäre zu wünschen, dass diese Zusammenhänge weiter erforscht werden können. Doch damit richtet sich der Blick schon auf zukünftige Aufgaben, denen traditionsgemäß der Tagungsabschluss gilt. PD Dr. Jörg Faßbinder plant 2015 eine elektrische Widerstandskartierung des Talbodens bei Pestenacker. Das im vorigen Jahr aufgrund von Wirbellosenresten und Isotopenanalysen nachgewiesene stehende Gewässer bei der Siedlung soll damit auf seinen Umfang hin erkundet werden. Mit Dipl.-Biol. Edith Schmidt beschäftigt sich seit dem Vorjahr eine

ausgewiesene Wirbellosen-Forscherin mit den Vorkommen in der Siedlung. Erste Ergebnisse deuten auf extrem feuchte Lebensbedingungen hin. Arten wie der Dungkäfer und Landschnecken, die trockeneres Milieu mögen, kommen nicht vor, wohl aber Muscheln. Schmidt wird also demnächst anhand der Untersuchung von Proben ihre Schlüsse ziehen. Anna Dohr wird im Januar 2015 ihre Dissertation zu den Tierknochen der neolithischen lechrainischen Siedlungen beginnen. Dr. David Underwood, der inzwischen seine Dissertation über den neolithischen Silexhandel in Südbayern und die Stellung Pestenackers druckreif gemacht hat, wird sich nun der Fundverteilung des Silex in der Siedlung Pestenacker widmen. Pestenacker und kein Ende – genau so war es eigentlich geplant. Guntram Schönfeld

Unter Wiesen und Wadis – Archäologische Geophysik im Ries und anderswo Sonderausstellung im RieskraterMuseum Nördlingen Der Arbeitsbereich Geophysikalische Prospektion am BLfD hat in Zusammenarbeit mit dem RieskraterMuseum Nördlingen eine Ausstellung über die hier geleistete Geländearbeit und ihre Ergebnisse konzipiert, die momentan in Nördlingen gezeigt wird. Geophysikalische Methoden gewähren heute einen scharfen Blick in die oberste Bodenschicht und offenbaren so bislang verborgene Spuren einstiger Siedlungen. Eisenoxide in Böden, die Neubildung magnetischer Mineralien durch Bodenbakterien und den Gebrauch von Feuer, Bodenverdichtung oder verborgene Fundamente lassen sich durch Magnetometer, mit Widerstandsmessungen oder Bodenradar Punkt für Punkt vermessen und mittels Bildverarbeitung flächenhaft visualisieren. Die resultierenden Bilder sind vergleichbar einem Röntgenbild oder einem Computertomogramm in der Medizin. Im Verbund mit mo-

Hahnenberg bei Möttingen (Luftbild/Magnetogramm: BLfD, Otto Braasch/Jörg Faßbinder)

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dernen Satellitenaufnahmen, mit der Luftbildarchäologie oder dem luftgestützten Laserscan hat sich die geophysikalische Prospektion in den letzten Jahren von einer bloßen Hilfswissenschaft der Archäologie zu einem eigenständigen Wissenschaftszweig weiterentwickelt. Allein aus der geophysikalischen Kartierung der Denkmale lassen sich neue Fragestellungen zur weiteren Forschung entwickeln. Geophysikalische Prospektion bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Befunde eines archäologischen Denkmals in seiner Gesamtheit insbesondere dort zu erfassen, wo eine Ausgrabung unmöglich oder unbezahlbar ist

bzw. dort, wo ein Denkmal unberührt erhalten bleiben soll. Typologische Kenntnisse aus vergleichbaren ergrabenen Anlagen ermöglichen vielfach eine Datierung und Einordnung in eine bekannte Zeitstufe. Damit wird die Archäologie nicht überflüssig, sondern sie wird um eine bedeutende Methode ergänzt und grundlegend erweitert. Die Sonderausstellung zeigt eine Auswahl eindrucksvoller Forschungsergebnisse aus aller Welt, die nicht nur archäologisch bedeutsam sind, sondern auch in ästhetischer Hinsicht beeindrucken. Vor allem wird dem Besucher ein Fenster zur Vergangenheit und Vorgeschichte Bayerns und insbesondere aus

dem Nördlinger Ries präsentiert, das sich auf den Messbildern in abstrakter Weise darstellt. Jörg Faßbinder

Sonderausstellung RieskraterMuseum Nördlingen 21. Nov. 2014 – 19. April 2015 Dienstag bis Sonntag 10–12 Uhr und 13.30–16.30 Uhr www.rieskrater-museum.de

Fossa Carolina – Großbaustelle in der Alten Münze Ein Rückblick zur Ausstellung Zwischen dem 5. September und dem 10. Oktober 2014 konnten wir die Sonderausstellung „Großbaustelle 793 – Das Kanalprojekt Karls des Großen zwischen Rhein und Donau“ über das laufende Forschungsprojekt zum Karlsgraben in der Säulenhalle der Alten Münze zeigen (siehe DI 158, S. 102 f. und DI 159, S. 59). Nachdem die Ausstellung zuvor im Museum für Antike Schiffahrt in Mainz, einem Museum des Römisch-

Germanischen Zentralmuseums, erfolgreich „gelaufen“ war, stellten wir auch in München großes und vor allem positives Interesse fest. Das Pressereferat des BLfD, vor allem Alexandra Beck, war verantwortlich für die sehr gute Öffentlichkeitsarbeit, sodass fast alle regionalen und überregionalen Medien darüber berichteten. 4 250 Personen sahen sich die Ausstellung an, wovon 740 auch die

Ausstellung zur Fossa Carolina. Gedränge in der Säulenhalle der Alten Münze (Foto: BLfD, Karlheinz Hemmeter)

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Chance wahrnahmen, an einer der Führungen am Tag des offenen Denkmals oder an einem der festgelegten Abendtermine um 18 Uhr teilzunehmen. Nicht nur die beachtliche Zahl der Besucher, auch zahlreiche Fragen, Diskussionsbeiträge, Gedanken und anregende Vorschläge bewiesen ein ausgesprochen großes Interesse an dem Thema. Auch das Wachpersonal stellte fest, dass kaum jemand durch die Ausstellung hetzte, die meisten Besucher sogar sehr lange vor den Schautafeln verweilten, sich aufmerksam die Texte durchlasen und ihre Eindrücke im Gästebuch überaus positiv artikulierten. Die drei begleitenden abendlichen Fachvorträge von Dr. Lukas Werther, Dr. Stefanie Berg-Hobohm, Dr. Sven Linzen und Prof. Dr. Peter Ettel in der Münchner Volkshochschule im Gasteig wurden ebenfalls dankbar angenommen und von zusammen 285 Personen besucht. Schon erwähnt habe ich das hohe Maß an Informiertheit, das immer wieder zu angeregten Diskussionen führte. Anscheinend hatten manche den Begleitband zur Ausstellung bereits gelesen, waren an den Karlsgraben gefahren und kamen bestens präpariert mit ausformulierten Fragen in die Vortragsabende. Es dürfte damit über die Zahl der bisher Interessierten hinaus

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eine richtige Fangemeinde gewonnen worden sein. Die vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum konzipierte und durch die Wissenschaftler fachlich vorbereitete Sonderausstellung über das, wie wir immer wieder betonen müssen, noch nicht abgeschlossene Forschungs-

projekt Karlsgraben, wird als nächstes nach Treuchtlingen gehen, weitere Orte stehen noch nicht fest. Über Vorschläge und Einladungen würden wir uns sehr freuen. Alle, die die Erforschung des Karlsgrabens weiter verfolgen möchten, können sich auf der Webseite der Deut-

schen Forschungsgemeinschaft informieren: http://www.spp-haefen.de/de/ die-projekte/fossa-carolina. Stefanie Berg-Hobohm

20th Annual Meeting of the European Association of Archaeologists (EAA) 10.–14. September 2014, Istanbul An dem 20. Jahrestreffen der EAA hatten sich über 2400 Teilnehmer angemeldet. Das Programm umfasste 1229 Vorträge und 267 Poster-Präsentationen, die in die Themengruppen „Connecting Seas – Across the Borders“, „Managing Archaeological Heritage: Past and Present“, „Ancient Technologies in Social Context“, „Environment and Subsistence: Geosphere, Ecosphere and Human Interaction“, „Times of Change: Collapse and Transformative Impulses“ und „Retrieving and Interpreting the Archaeological Record“ gegliedert waren. Trotz dieser großen Teilnehmerzahl war die Tagung perfekt organisiert und auch ein Wechsel zwischen den einzelnen Sektionen in den Kaffeepausen problemlos möglich. Angesichts des sehr umfangreichen Programms war es kaum möglich, auch nur annähernd eine repräsentative Anzahl von Vorträgen zu hören, sodass eine strikte Begrenzung stattfinden musste. Im Round-Table „Archaeology, Ecology and Planning: Collaborative Approaches to Landscape Management and Planning“, das von neun Kollegen aus ganz Europa, darunter Gerhard Ermischer vom Spessart-Projekt, organisiert worden war, spielte der umstrittene Ilisu-Staudamm am Tigris eine große Rolle. Obwohl die Organisatoren eigentlich geplant hatten, auch andere Projekte mit unwiederbringlichen Eingriffen, wie z. B. Braunkohletagebau, vorzustellen, konzentrierte sich die Diskussion größtenteils auf dieses politisch stark umstrittene Projekt, besonders da einige Teilnehmer zu ausgesprochenen Gegnern des Bauvorhabens gehörten. In den Redebeiträgen wurde deutlich, dass es nicht nur darum ging, die ar-

chäologischen Stätten vor der Überflutung auszugraben bzw. zumindest notdürftig zu dokumentieren, sondern dass auch eine Reihe von „Soft Skills“ erhaltenswert und dokumentations-/ erforschungswürdig wären. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen arabischen Dialekt, der nur noch in dieser Gegend gesprochen wird. Weiterhin wurde auf das umfangreiche Wissen der bäuerlichen Bevölkerung, besonders der Frauen, über die Nutzung von Wildpflanzen und -tieren im Laufe eines Jahresrhythmus hingewiesen, das durch die Umsiedlung beim Bau des Staudammes verloren ginge. Auch sollten mündliche Überlieferungen und Sagen zu einzelnen Orten dokumentiert werden, da auch dieses Wissen bei einer Umsiedlung nicht mehr weiter traditiert würde. Als kritisch wurde jedoch betrachtet, traditionelle Handwerke, wie im vorliegenden Fall Korbflechterei, in neue Siedlungen zu übertragen und als beruflichen Schwerpunkt auszubauen, da es sich möglicherweise um Handwerke handelt, die sowieso schon vom Aussterben bedroht sind und durch Förderung dieser Tätigkeiten eine Art Disneyland entstehen würde. In einer von schwedischen, norwegischen und niederländischen Kollegen organisierte Session „Preservation in situ or Excavation“ wurde eine Reihe von Negativ-Beispielen über in-situPräsentationen gezeigt. So beispielsweise eine mittelalterliche Schicht mit Feuchtbodenerhaltung unter einem Kaufhaus in Jönköping in Schweden, die in den 1960er Jahren unter einem Betonfußboden versiegelt war. Durch Absenken des Grundwassers waren diese Schichten inzwischen geschrumpft,

sodass die Erhaltung ursprünglicher organischer Teile zerstört worden war. Ein weiteres Negativbeispiel war die Errichtung eines Hotels an der historischen Brücke in Bergen, bei der die Spundwände, die den Grundwasserpegel im Bereich der historischen Bauten hochhalten sollten, leckten, sodass es dort ebenfalls zu Verlusten im Boden kam. Zusätzlich wurde bemängelt, dass bei der Erhaltung im Boden bisher keine technischen Möglichkeiten der Überwachung bekannt wären. Außerdem wurde die Frage gestellt, wie lange und für wen es erhalten bleiben solle. In den Niederlanden ist in den Poldern des Ijsselmeers für diese Frage zumindest ein Archäologe hauptamtlich abgestellt worden, während in den meisten anderen Denkmalämtern diese Frage bisher noch nicht behandelt wurde. In der Diskussion zeigte sich, dass die Meinung, Ausgraben sei besser als vor Ort erhalten, durchaus nicht von allen geteilt wurden. Im Gegenteil, es wurde auf die Schwierigkeit der Fundkonservierung von bisher ausgegrabenen Materialien hingewiesen und zusätzlich angemerkt, dass unpublizierte Funde in großen Mengen in den Museen vorhanden seien, sodass sich durch einen Ausgrabungsstop kein Mangel an Forschungsmöglichkeiten ergeben würde. Vielleicht fasste ein britischer Kollege die Diskussion am treffendsten zusammen: „in-situ preservation is like democracy, it is not optimal, but is the best we have at the moment“. Eine andere Session galt der „Archaeology of late Medieval and Early Modern Mass Graves“. Bei ihrer Untersuchung zum englischen Bürgerkrieg führte Rachel Askew aus, dass kaum 101

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Gräber oder Gedenkstätten aus dieser Zeit bekannt sind, obwohl es sich um eine der blutigsten Auseinandersetzungen in England gehandelt hat. Ähnlich verhält es sich in Mitteleuropa für den Dreißigjährigen Krieg, wobei sie die Untersuchung des Massengrabes von Alerheim, Lkr. Donau-Ries, als lobenswerte Ausnahme erwähnte. Ein anderes Thema stellte Stelios Lekakis von der Universität Athen vor, indem er über den archäologischen Dienst berichtete, der 1919 in Smyrna, dem heutigen Izmir, eingerichtet worden war und bis 1922 die Denkmalpflege in der griechischen Treuhandzone wahrgenommen hatte. Ziel war es damals, im Gegensatz zu der türkischen Praxis,

Grabungslizenzen an Ausländer zu vergeben und zu zeigen, dass die Griechen in der Lage wären, eine moderne, nach europäischem Vorbild geschulte Denkmalpflege zu betreiben und Ausgrabungen selbst durchzuführen. In diesem Zusammenhang wurden auch einzelne Monumente aus Grabungen restauriert, wobei es sich aber fast immer um Hinterlassenschaften aus byzantinischer Zeit handelte. Umgekehrt baute man eine ehemalige kleine örtliche Moschee zu einem Grabungsdepot um. Dahinter stand der klare politische Wille, dieses Gebiet – im Rahmen der Megali Idea (große Idee) – als altes griechisches Siedlungsgebiet auszuweisen.

Neben dem akademischen Vortragsprogramm gab es wie üblich eine Reihe von Social Events, bei denen der abendliche Empfang in einem der Vorgärten des illuminierten Topkapi Palastes, sicherlich zu den Höhepunkten zählte. Die Annual Party fand in dem restaurierten ehemaligen, vom preußischen Baubeamten August Jasmund zwischen 1888 und 1890 errichteten Endbahnhof des Orientexpresses statt, in dem deutsche Bahnhofsarchitektur mit orientalischen Stilelementen angereichert ist. Das nächste jährliche Treffen der EAA findet vom 2. bis 5. September 2015 in Glasgow, Schottland, statt. Timm Weski

Die Fortbildung macht’s! „Restaurator im Handwerk“ für Kirchenmaler und Vergolder geht ins fünfte Jahr Bereits zum fünften Mal in Folge kann die Meisterschule für das Vergolderund Kirchenmalerhandwerk in München den Fortbildungskurs „Restaurator im Handwerk“ anbieten. Der Kurs zielt darauf ab, Instandsetzungsmaßnahmen an Baudenkmälern und an historischen Ausstattungen eigenverantwortlich planen, entwickeln und ausführen zu können. Dabei stehen werkstofftechnische, handwerksgeschichtliche und technologische Belange im Vordergrund. Vermittelt werden auch Vorschriften und fachliche Richtlinien. Hinzu kommt das Erlernen fachspezifischer Bestandsaufnahmen, Dokumentationen und Kalkulationen. Dozenten sind, neben den Fachlehrern der Schule, Fachleute aus Handwerk und Wirtschaft, sowie Behördenvertreter der Bayerischen Schlösserverwaltung und des Landesamtes für Denkmalpflege. Voraussetzung für die Teilnahme ist der Meistertitel. Seit 2004 haben 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Kurs erfolgreich abgeschlossen, wovon etwa 70 % nach wie vor im Bereich des erlernten Handwerks tätig sind. Die Hälfte von ihnen arbeitet regelmäßig in Projekten der Denkmalpflege. Immer wieder besuchen auch Interessenten aus Österreich und Südtirol den Kurs. 102

Kreuzwertheim, Kirchplatz 4. Das 1546 erbaute Haus birgt zahlreiche Befunde, die im Rahmen der laufenden Instandsetzung bewahrt und mit einbezogen wurden (Foto: BLfD, Martin Brandl)

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Amorbach, ehemalige Abteikirche; Architekt Staib erläutert die Dachwerksreparaturen (Foto: Margarete Hauser, Meisterschule für das Vergolder- und Kirchenmalerhandwerk, München)

Das Landesamt für Denkmalpflege ist Kooperationspartner und bietet Führungen durch die Amtswerkstätten, Besuche des Bauarchivs in Thierhaupten und eine mehrtägige Einführung in die praktische Bau- und Kunstdenkmalpflege an. Ergänzend werden Lerneinheiten in Form von Vorträgen abgehalten (Geschichte der Denkmalpflege, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Begriffe und Methoden der Bau- und Kunstdenkmalpflege). An Objekten lernen Der Kurs 2014/15 hat 10 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und startete mit einer dreitägigen Exkursion zum Thema Theorie und Praxis der Denkmalpflege in Karlstadt (Landkreis MainSpessart). Gebietsreferent Dr. Martin Brandl stellte am ersten Tag Bürgerhäuser des 16. Jahrhunderts vor. Hier wurden das Anfertigen von Bestandsskizzen sowie die Erstellung eines Orientierungssystems geübt. Darüber hinaus sollten Baugeschichte, Konstruktion, aber auch Schäden beobachtet werden. In Kreuzwertheim wurde anschließend das „Frühmessnerhaus“ von 1546 (d) besichtigt, das seine gesamte bauzeitliche Grundriss- und Wandstruktur im ersten Obergeschoss bewahrt hat. Die Anwesenden lernten Besonderheiten wie Eselsrückenbogen, Schwarze Küche und Seelfenster kennen und erfuhren, wie diese Befunde in ein Nutzungskonzept (Büro- und

Wohnräume) einzubinden sind. Es folgte ein Rundgang durch das Stadtmuseum in Miltenberg mit dem Museumsleiter Hermann Neubert M. A. Das Museumskonzept der ehemaligen Amtskellerei von 1541 integriert die Haus- und Baugeschichte, insbesondere den Fachwerkbau der Stadt Miltenberg. Hier konnten die Anforderungen einer musealen Präsentation diskutiert werden. Am zweiten Tag stand u. a. die kirchliche Denkmalpflege im Landkreis Miltenberg im Mittelpunkt. Eine herausragende Sanierungsmaßnahme läuft derzeit an der ehemaligen Abteikirche in Amorbach, errichtet von 1742

bis 1745 nach Plänen von Maximilian von Welsch. Die Kirche hat bisher noch keine grundlegende Sanierung, wie sie für die meisten Kirchen typisch ist, erfahren, und der zurückhaltende Bauunterhalt die bestehende Raumschale im Wesentlichen nicht verändert. Bei jeder Innensanierungen ist zunächst der Zustand des Dachs und des Dachwerks zu klären, da sich statische Problemen im Dach- und Mauerwerk zumeist auf die Innenschale auswirken: Hier sind Kirchenmaler und Restauratoren auf die Hilfe bzw. Vorarbeit von Architekt und Tragwerksplaner angewiesen und sollten deshalb die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des Tragens und Lastens an einem historischen Gebäude kennen. Das Dachwerk der Abteikirche, eine mehrgeschossige liegende Stuhlkonstruktion aus Eichenholz mit firstparallel eingebautem Hängewerk, hatte zu ca. 80 % beschädigte Fußpunkte, die alle zimmermannsmäßig zu reparieren waren. „Wasser weg vom Haus“ – dieser einfache Grundsatz ist nicht zu vernachlässigen, da Feuchtigkeit oft die Ursache für Schäden an profanen wie sakralen Denkmälern ist. Die ehemalige Klosterkirche zu Himmelthal (Gemeinde Eschau), die im Kern auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und ihr heutiges Erscheinungsbild um die Mitte des 18. erhielt, hatte seit längerer Zeit nasse und – wie die Proben eines Bauphysikers auch zeigten – versalzte Füße. Da die Ursache des Problems die unweit des Baus durch das Tal fließende Elsava ist, war es nur möglich, Maß-

Himmelthal, Langhaus der ehemaligen Klosterkirche mit der Leiterin des Stiftungsamtes Maike Schmidt-Hartig (Foto: Margarete Hauser)

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Aschaffenburg. Lichthof des Rathauses mit Silikatmalerei (Foto: BLfD, Martin Brandl)

nahmen wie die Wiederertüchtigung der Außendrainage mit Sockelabdichtung sowie Putzaustausch und Ersatz durch ein angepasstes Opferputzsystem durchzuführen. Aber auch die Verbesserung der Dachentwässerung sowie der Bodengestaltung können bei der Suche nach Schadensursachen und einem passenden Sanierungskonzept eine Rolle spielen. Das Aschaffenburger Rathaus, ein monumentaler Bau von Diez Brandi aus dem Jahr 1958, besteht aus einer Betonskelettkonstruktion, die mit gesägten, ein ornamentales Muster formenden Miltenberger Sandsteinplatten verkleidet ist. Dazwischen sitzen fassadenbündig nach wie vor die bauzeitlichen Fensterflügel aus eloxiertem Aluminium. Bei der Sanierung wird es unter anderem um die energetische Ertüchtigung gehen (Innendämmung, Fensterersatz). Beim Rundgang im Inneren war auf die Schmucktechniken der Wand, Decken und Bodengestaltungen hinzuweisen. Ähnlich wie in den Repräsentationsbauten der Wiederaufbauzeit in München (z. B. Herkulessaal in der Residenz) sind auch hier vergleichbare Techniken angewandt worden (sog. Hornstuck an den Flurwänden, Silikatmalerei im Lichthof). Stiftspfarrer Martin Heim führte anschließend in Geschichte und Kunst der 104

unmittelbar nebenan liegenden ehemalige Stiftskirche, der heutigen katholischen Pfarrkirche St. Peter und Alexander, ein. Ihre aktuelle Raumschale geht auf ein Nachkriegskonzept zurück, bei dem die Präsentation der verbliebenen Ausstattungsstücke im Vordergrund stand. Seither wird der Raum durch den Kontrast weißer Wandflächen zu stumpf rot gefasster Werksteinarchitektur bestimmt. Anhand von Farbskizzen

sollten die Kursteilnehmer Vorschläge für ein behutsames Restaurierungskonzept entwickeln, das die in der Nachkriegszeit gefundene Grundlinie beibehielt. Den Abschluss bildete der Besuch des Gentil-Hauses, ein Zweigmuseum der Stadt Aschaffenburg, das 1922 von dem Pumpenfabrikanten und Kunstsammler Anton Gentil im gründerzeitlichen Villenviertel erbaut wurde. Die städtischen Restauratoren Sabine Denecke und Martin Höpfner sowie die Kuratorin Ines Otschik führten durch die Fachwerkvilla, die im Inneren durch ein verkleidetes Eisengerüst getragen wird, äußerlich aber wie ein Massivbau anmutet. Die Räume weisen als Teile des künstlerischen Raumkonzepts Wandverkleidungen aus Holz auf. Dieser „Materialmix“ bildet den Ausgangspunkt für inzwischen dort sich entwickelnde Schadensbilder wie Anobienbefall, Pilz- und Schimmelbildung, darunter Hausschwamm. Stichworte der Diskussion waren hier „Monitoring“, also die kontrollierte Begleitung und Messung von umweltrelevanten Faktoren wie z. B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit, das baldmöglichst mit der Erstellung eines Raumbuchs zur Schadenskartierung verbunden werden sollte. Die an den Kursanfang gesetzte Unterrichtseinheit mit Beispielen vor Ort hat die Einführung in das Themenfeld

Aschaffenburg. Gentil-Villa, Wohnzimmer im ersten Obergeschoss (Foto: Städtische Museen Aschaffenburg; Ines Otschik)

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Aschaffenburg, Ehemalige Stiftskirche St. Peter und Alexander. Erläuterungen durch Stiftspfarrer Martin Heim (Foto: Margarete Hauser)

der praktischen Bau- und Kunstdenkmalpflege als Ziel. Selbstverständlich tragen im Kursfortgang weitere Fachleute zur Vertiefung bei. Im Rahmen der Abschlussprüfung wird ein Baudenkmal als Prüfungsobjekt für den

Aufgabenbereich Dokumentation und Befund in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege ausgewählt – auch hier ein deutlicher Bezug zur Praxis. Natürlich müssen sich der „Restaurator und die Restauratorin im

Handwerk“ anschließend durch eigene Leistung im Berufsleben und in der Zusammenarbeit mit den Partnern der Denkmalpflege bewähren. Martin Brandl

Kontaminiert – Dekontaminiert: Strategien zur Behandlung biozidbelasteter Ausstattungen Tagung im Rahmen der Werkstattgespräche des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Am 16. und 17. Oktober 2014 luden die Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zu einer weiteren Tagung im Rahmen der „Werkstattgespräche“ ein. Die diesjährige Veranstaltung wurde von den Fachbereichen Möbel (Dr. Katharina v. Miller und Daniela Bruder M. A.) und Skulptur (Rupert Karbacher und Lisa Miethe M. A.) initiiert und organisiert. Bereits der Titel „Kontaminiert – Dekontaminiert: Strategien zur Behandlung biozidbelasteter Ausstattungen“ wies auf die Brisanz der Thematik hin. Die Nachfrage war dementsprechend groß, weshalb die Veranstaltung in den Saal des Literaturhauses mit seinen 270 Plätzen gelegt wurde, was dennoch nicht für alle Interessenten ausreichte. Schon allein an diesem Zuspruch lässt sich ablesen, dass sich die Frage nach den Dekontaminierungsmöglichkei-

ten biozidbelasteter Kulturgüter auch im Bereich der Denkmalpflege immer öfter stellt. Bis in die 1980er Jahre wurden chemische Wirkstoffe wie PCP, Lindan u. a. im Holzschutz eingesetzt. Diese Materialien belasten bis heute zahlreiche Bau- und Kunstwerke. Im Mittelpunkt der Tagung stand daher die Vorstellung der aktuell angewandten Verfahren zur Dekontaminierung belasteter Objekte, deren Möglichkeiten und Grenzen veranschaulicht wurden. Holzschutz – Geschichte, Methoden, Materialien Der erste Themenblock befasste sich zunächst mit der Geschichte des Holzschutzes im musealen Umfeld und in der Denkmalpflege und führte schließlich zu den heute gebräuchlichen Methoden und derzeit zugelassenen Materialien. Beiträge aus Österreich und der

Schweiz gaben interessante Einblicke in die Praxis der Nachbarländer. Ein weiterer Schwerpunkt war Aspekten des Gesundheits- und Arbeitsschutzes gewidmet. Wesentlich waren hier auch die rechtlichen Grundlagen und deren oft sehr schwierige Umsetzung in der Praxis. Betroffen davon sind nicht nur die Nutzer, sondern im Zuge laufender Maßnahmen auch die ausführenden Restauratoren, Handwerker, Planer etc. Die intensive Diskussion dieser Problematik zeigte den großen Informationsbedarf. Weitere Beiträge widmeten sich der Analytik: Welche Art von Probenahme ist sinnvoll und zu welchen Zeitpunkten sollen die Messungen erfolgen, um ein möglichst realistisches Bild über die Biozidbelastung zu erhalten. Auch ging es darum, welche naturwissenschaftlichen Methoden konkret zur 105

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Das Tagungsteam: von links Lisa Miethe, Dr. Katharina von Miller, Daniela Bruder (Foto: BLfD, Restaurierungswerkstätten)

Verfügung stehen, um das tatsächliche Ausmaß einer Kontamination zu erfassen und zu bewerten, damit zielgerichtete und richtig dimensionierte Strategien entwickelt werden können. An Hand eines Beispieles aus der Praxis konnte die Notwendigkeit der Schadstoffanalysen vor, während und nach den Arbeitsproben zur Dekontaminierung veranschaulicht werden. Ohne die intensive Begleitung durch das beteiligte Labor wäre in diesem Fall eine ungeeignete Methode zum Einsatz gekommen, mit der Folge, dass durch die hier zunächst angedachte Feuchtreinigung Biozide eher aktiviert als eleminiert worden wären. Der erste Veranstaltungstag schloss mit einem Abendvortrag von Prof. Dr. Erich Schöndorf in der Säulenhalle der Alten Münze. Bewegend zeichnete er ein vielschichtiges und mehr als nachdenklich stimmendes Bild von den Holzschutzmittelprozessen der 1980er Jahre, für die er über dreizehn Jahre hinweg in Vertretung der Opferverbände als Staatsanwalt des Umweltdezernats Frankfurt Verantwortung getragen hat. Dekontaminierungsverfahren Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt der Tagung lag auf der Vorstellung der heute in der Praxis zur Verfügung stehenden Dekontaminierungsverfahren. Immer wieder wurde das anwendungs106

bezogene Spezifikum der Einzelmethode aufgezeigt, aus der sich oft auch die Begrenzung in den Einsatzmöglichkeiten ableitet. So sind beispielsweise einige der Verfahren nur für ungefasstes Kulturgut, andere hingegen ausschließlich für transportable oder kleine Objekte geeignet. Einige Referenten zeigten auch Möglichkeiten auf, bei denen die Kombination unterschiedlicher Verfahren zum Erfolg führte. Fazit: Bei der Dekontamination geht es immer um die Entwicklung von spezifisch erarbeiteten Einzellösungen

– Patentrezepte schließen sich aus. Die Konzeptionsentwicklung hierfür ist durch die zu berücksichtigenden vielschichtigen Aspekte äußerst komplex. Dies alles erfordert fachliches Knowhow, Zeit und Geld. Auch die Durchführung stellt die Eigentümer vor erhebliche Herausforderungen, die einer intensiven und qualifizierten Begleitung bedürfen. Bei der Vorbereitung der Tagung richteten die Amtswerkstätten einen Posteraufruf an die Restaurierungsfakultäten der Hochschulen, um die hier entstandenen aktuellen Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für den fachlichen Austausch stellte sich hierbei dankenswerter Weise Prof. Dr. Achim Unger, Autor einschlägiger Standardwerke des Holzschutzes, zur Verfügung. Dem Aufruf folgten Studenten und Absolventen deutscher, österreichischer und Schweizer Hochschulen. Die inhaltlich sehr interessanten Poster stellten eine abwechslungsreiche Ergänzung der Tagung dar. Fazit Als Veranstaltung der Amtswerkstätten zielte die Tagung selbstverständlich auf restauratorische Fragen. Durch die weitgefächerte Einladung von Referenten aus ganz unterschiedlichen Fachkreisen kam es jedoch zu einem fruchtbaren interdisziplinären Aus-

Durch Poster lernen (Foto: BLfD, Restaurierungswerkstätten)

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tausch zu dieser komplexen Thematik. Eine Weiterentwicklung der heute oft noch unbefriedigenden Dekontaminationsmöglichkeiten ist nur durch das

kontinuierliche Zusammenwirken verschiedener Berufsgruppen möglich. Die positive Resonanz zeigt, dass die Tagung ein wichtiger Beitrag für die

Kooperationspartner des Hauses war. Ein Tagungsband ist geplant. Daniela Bruder und Lisa Miethe

Baracken – Bauernhäuser – Dachwerke Jahrestreffen des Arbeitskreises für Hausforschung in Bayern 2014 in Dachau Am 23. Mai 2014 fand in Dachau das 32. Jahrestreffen des Arbeitskreises für Hausforschung in Bayern statt, organisiert von Herbert May, Georg Waldemer und Ariane Weidlich. Die Veranstaltung mit insgesamt zehn Vorträgen und anschließendem Exkursionsteil bot ein breites inhaltliches Spektrum, das vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, von ländlichen Bauten aus der Region über Kirchendachwerke bis zu Behelfsheimen und Baracken reichte. Nach Grußworten des Generalkonservators des BLfD, Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil, und der Heimatpflegerin des Landkreises Dachau, Dr. Birgitta Unger-Richter, gab Georg Waldemer eine Einführung zu Tagungsort und Programm. Der Vortragsteil startete mit dem Thema „Dachau und Umland“. Dr.-Ing. Christian Kayser (Büro Barthel und Maus, München) trug die überraschenden Ergebnisse der bauhistorischen Analyse eines Bauernhauses, dem Wohnhaus des ehemaligen Dreiseithofes „Michlbauer“ in Purtlhof, vor. So konnte der Nachweis geführt werden, dass das Wohnhaus bauzeitlich als Ständerbohlenbau (1607 d) errichtet worden war, vermutlich im 18. Jahrhundert wurden die Wände dann durch Mauerwerk ersetzt. Die Schadenskartierung zeigte, dass der Westgiebel bereits zu jener Zeit massive Schäden aufwies, was in der Folge zu einer Schrägstellung des gesamten Dachstuhls führte. Trotz der frühen Erbauungszeit konnte das Haus, das zu den ältesten bekannten bäuerlichen Bauten in der Region zählte, nicht vor dem Abriss gerettet werden. Dipl.-Ing. Eva Fritz vom Büro für Bauforschung, Weißenburg, stellte das städtebaulich markante Hörmann-Anwesen in Dachau vor. Der an der Hangkante des Schlossberges situierte Komplex, bestehend aus Gasthaus und Brauerei, geht auf das 16. Jahrhundert zurück und

Ottenhofen, Lkr. Neustadt a. d. Aisch – Bad Windsheim. Behelfsheim, erbaut 1944, vor der geplanten Übertragung ins Fränkische Freilandmuseum im Frühjahr 2015 (Foto: Markus Rodenberg)

erhielt seine bauliche Ausgestaltung im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Untersuchung der insgesamt drei Kellerebenen sowie der Dachwerke ergab vier dicht aufeinanderfolgende Bauphasen von 1742 bis 1770. Als letztes Beispiel aus der Region präsentierte Dipl.-Ing. Oliver Lindauer (Büro für Bauforschung, München) die ehemalige Taferne in Erdweg, ein im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammendes Gasthaus, dessen äußeres Erscheinungsbild im frühen 19. Jahrhundert überformt wurde. So waren die Fassaden des an der Hauptstraße gelegenen stattlichen Gebäudes mit aufwendigen Wandmalereien, – nachgewiesen wurden die hll. Florian und Sebastian – und Fensterrahmungen geschmückt. Im zweiten Teil des vormittäglichen Programms ging es um „Bauten im Nationalsozialismus“. Markus Ro-

denberg (wissenschaftlicher Volontär am Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim) gab einen Überblick zu Behelfsheimen für Ausgebombte 1943–45: „Damit jeder Volksgenosse sein Heim zurückerhält“. Ausgehend von einem konkreten Beispiel der Museumsarbeit, dem Behelfsheim in Ottenhofen, stellte Rodenberg weitere noch existente Beispiele aus dem Landkreis Neustadt/ Aisch vor. In einem historischen Exkurs skizzierte er anhand von Bautypen, Entwürfen, Siedlungsplänen und Ausstattungsvorschlägen die Grundzüge nationalsozialistischer Wohnungsbaupolitik, die in Kriegs- und Notzeiten Behelfsheime als idyllische Mehrgenerationenhäuser propagierte. Außer dem fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim haben sich in den letzten Jahren verschiedene Freilichtmuseen des Themas angenommen und Behelfsheime transloziert 107

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(LVR Freilichtmuseum Kommern und Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren). Auch Lorenz Burger ,wissenschaftlicher Volontär am Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen, berichtete aus einem laufenden Projekt: „Gefangenenlager und Gotteshaus. Baracken in der Oberpfalz“. Vom späten 18. Jahrhundert bis in die Nachkriegsjahre reicht die Geschichte der einfachen, oftmals militärisch genutzten Zweckbauten, die als mobiles Lazarett, Magazin, Gefangenenlager oder provisorischer Wohnraum für „Displaced Persons“ dienten. In Amberg ist eine sogenannte Barackenkirche bis heute Sakralraum der dortigen russisch-orthodoxen Gemeinde. Auf die Mittagspause folgte der Block „Varia“ mit überregionalen Berichten zu Neuigkeiten aus der Hausforschung in Bayern. Nach Regensburg zurück ins 10. Jahrhundert wurden die TagungsteilnehmerInnen von Dr. Silvia Codreanu-Windauer und Franz Herzig (beide BLfD) geführt. Die noch nicht abgeschlossene archäologische Grabungskampagne auf dem Gelände des Donaumarktes brachte bislang erstaunliche Befunde zur frühmittelalterlichen Uferbebauung, die als Fragmente eines Holzgebäudes, vielleicht ein Fischerhaus, sowie eines Bohlenwegs interpretiert wurden. In den Feuchtsedimenten der historischen Uferzone, die deutlich näher an der Stadt verlief als heute, hatten sich Rundhölzer und massive Pfosten erhalten. Mittels C14-Methode konnten sie in die Zeit von 900 bis 975 datiert werden. Begleitende dendrochronologische Untersuchungen bestätigten diesen Zeithorizont und lieferten Erkenntnisse zu den verwendeten Holzarten Kiefer und Weißtanne. Der folgende Referent Dieter Gottschalk (Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim) skizzierte anhand vieler Belege aus Franken und Nordhessen Entwicklung und Varianten einer Dekorationsform, deren Ursprünge er in Norditalien sieht: „Gestupft oder gelocht: ein Putzmuster im Wandel der Zeit“. Ein frühes Beispiel nördlich der Alpen stellen die repräsentativen Massivbauten der Hofkanzlei in Ansbach dar, deren gestupfte und stark farbige Fassaden um 1600 datiert werden. Noch früher datiert die analoge Putzgestaltung am „Küchenbau“ des Residenzschlosses Neuburg a. D., 108

Dachau. Schloss, Holzdecke im Saal (Foto: Freilichtmuseum Glentleiten, Ariane Weidlich)

die den 1530er Jahren zuzusprechen ist. Gestupfte Oberflächen in Verbindung mit eingeritzten oder eingeglätteten Fugen sollten das Erscheinungsbild von sorgfältig bearbeitetem Quadermauerwerk erzeugen. Gestützt wird diese Interpretation durch Quellenbelege zum historischen Farbenhandel – in Materiallisten wird die Farbe Ocker als „Steinfarbe“ bezeichnet. Zum Ende des Vortragsteils stellten zwei junge Absolventinnen des Masterstudiengangs Denkmalpflege der Universität Bamberg die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeiten vor; beide waren von Dr. Thomas Eißing betreut worden. Im Mittelpunkt der Arbeit von Susanne Nitschel standen Fragen zum Dachwerk und zur Datierung der Wallfahrtskirche Maria de Rosario in Dimbach (Lkr. Kitzingen)

und zu vergleichbaren Bauten. Nitschel konnte durch Befunde am Dachwerk des Langhauses nachweisen, dass die Decke ursprünglich aus einer Holztonne bestanden hatte. Dendrochronologisch ließ sich das darüber befindliche Dachwerk, eine Sparrendachkonstruktion mit Kehlbalkenlage und Kreuzstreben, in die Jahre 1349–51 datieren. Insgesamt haben sich in Franken noch sieben spätmittelalterliche Holztonnen erhalten, die älteste von 1340/41 (d) in St. Magdalena in Herzogenaurach. Die Dimbacher Wallfahrtskirche bildet damit derzeit das zweitälteste bekannte Beispiel der Region. Vermutlich gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde die spätmittelalterliche Tonne durch eine flache Balkendecke ersetzt, um 1767 dann im Zuge der barocken Überfor-

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mung des Kirchenraums die rezente Stuckdecke eingebracht. Einen ebenfalls monografischen Ansatz verfolgte Johanna Besold in ihrer Masterarbeit zum Dachwerk der Wolfgangskirche in Puschendorf (Lkr. Fürth). Auch für diesen Kirchenbau diente St. Magdalena in Herzogenaurach als Vorbild. Mit den klassischen bauhistorischen Methoden des verformungsgerechten Aufmaßes und der Dendrochronologie konnte die Referentin nachweisen, dass bauzeitlich erst der Chor (1490 d) und dann das Langhaus (1495 d) errichtet wurden. Das spätmittelalterliche Gerüst über dem Langhaus – die Decke ist als holzverschalte Spiegeltonne ausgebildet – besteht aus einem zweifachen Kehlbalkendach mit liegendem Stuhlgerüst in der unteren Ebene und einem darüber befindlichen zweifach stehenden Stuhl. Insgesamt drei Hängehölzer mit Zugbalken bestimmen das Raumbild. Die zusätzlichen Querbalken stammen aus einer späteren Bauphase (1575 d). Am Dachtragwerk des Chores festgestellte historische Eingriffe (1692 d) ließen sich durch begleitende archivalische Recherchen erklären: Ein Wasserschaden hatte die Reparaturmaßnahme erforderlich gemacht. Dr.-Ing. Thomas Eißing (Insti-

tut für Archäologie, Bauforschung und Denkmalpflege an der Universität Bamberg) berichtete über aktuelle Erkenntnisse zu dem imposanten Dachwerk der Dominikanerkirche in Bamberg, das seit 25 Jahren immer wieder Gegenstand von bauhistorischen Analysen ist, und die er gemeinsam mit David Grüner und Studierenden der Jahrgänge 2010 bis 2012 erarbeitet hatte. So konnten durch Beobachtungen am Gefüge und mittels der Dendrochronologie für das 15. Jahrhundert drei verschiedene Varianten an Deckenausbildungen im Langhaus rekonstruiert werden. Bauzeitlich (1401/02 d) handelte es sich um eine nach oben, in den Dachraum hin offene Konstruktion, die vom Raumeindruck her vermutlich an eine riesige Scheune erinnerte. Knapp 50 Jahre später (1450/51 d) wurde die offene Konstruktion verbrettert. Dabei wurden an den für Holztonnen charakteristisch abgerundeten Kopfbändern des stehenden Stuhls wechselweise Bohlen und Bretter angenagelt. Eißing sprach in diesem Zusammenhang von der optischen „Illusion einer Wohnstube“. Wieder 30 Jahre später musste die Kastentonne durch eine zwischen den Gespärren zusätzlich eingebrachte Aufhängung

statisch ertüchtigt werden. 1715/16 (d) erfolgte eine zeittypische Modernisierung, wobei die rezente verputzte Halbtonne eingebaut wurde. Das spätmittelalterliche Dachwerk wird heute durch ein filigranes Subsidiärtragwerk ergänzt. Die Längsaussteifung des 15 m hohen Dachwerks wird durch eine diagonale Schalung gewährleistet. Abgerundet wurde das Jahrestreffen durch Exkursionsangebote zu sehr unterschiedlichen Zielen: So in der Altstadt von Dachau einschließlich des Schlosses mit der kunstgeschichtlich bedeutenden Holzdecke aus den Jahren um 1585, in die hinsichtlich Konstruktion und integrierter Heiztechnik bemerkenswerten Gewächshäuser der sogenannten Kräutergartenanlage („Plantage“) des KZ Dachau sowie nach Altomünster, wo die Organisatoren tatkräftig durch Professor Wilhelm Liebhart, einen ausgewiesenen Kenner seines Heimatortes, unterstützt wurden. Ausdrücklich erwähnt werden soll die aktive Teilnahme des wissenschaftlichen Nachwuchses aus Universitäten und Freilichtmuseen, was wir als hoffnungsvolles Signal für zukünftige Treffen interpretieren. Ariane Weidlich

Vor ICE und Neubaustrecke – Eisenbahn und Denkmalpflege Industriedenkmalpflege-Tagung 2014 in Chemnitz Zum Thema Vom 29. September bis 1. Oktober fand in Chemnitz die diesjährige Herbsttagung der Arbeitsgruppe Industriedenkmalpflege statt. Das Thema: „Denkmale der Eisenbahngeschichte – Denkmalwerte vermitteln“. Im Einführungsreferat umriss Dr. Michael Streetz vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen im Stadtverordnetensaal des Rathauses das komplexe Thema und präsentierte eine Fülle an relevanten Fakten. Zum Thema Eisenbahn gibt es inzwischen zahlreiche Bücher, Zeitschriften, Filme und Bildersammlungen. Allein in Deutschland existieren etwa 420 Eisenbahnvereine, die in ehrenamtlicher Arbeit insgesamt 2000 Dampflokomotiven, darüber hinaus Die-

sel- und elektrische Triebfahrzeuge, Reisezug- und Güterwagen, Bahnstrecken, Kunstbauten und Gebäude betreuen, zum großen Teil betriebsfähig erhalten und einsetzen. Probleme mit dem Erhalt historischer Eisenbahnbauten, Fahrzeuge und Gleisanlagen haben naturgemäß marktwirtschaftlich orientierte Konzerne wie die Deutsche Bahn AG. Veraltetes und Verbrauchtes wurde schon immer durch Neues ersetzt, Bahnanlagen wurden und werden vergrößert, veraltete Technik erneuert. Bahntrassen müssen den gestiegenen Ansprüchen angepasst und neue Strecken gebaut werden. Verluste sind damit unvermeidbar. Aber schon immer wurden besondere Stücke der Eisenbahn auch erhalten, meist in den bahneigenen

Museen. Gemeinsam mit den Vertretern der Denkmalämter werden nicht nur die auffälligen Empfangsgebäude der Bahnhöfe als Denkmale erkannt und entsprechend erfasst. Die Untersuchungen betreffen beispielsweise auch Bahnbetriebswerke mit ihren speziellen Ausstattungen, Rangierbahnhöfe, sonstige Werke oder verschiedene Kunstbauten. Inzwischen werden auch ganze Bahnstrecken untersucht, ihrer historischen und technikgeschichtlichen Bedeutung entsprechend erforscht und gegebenenfalls als Denkmal ausgewiesen. Der prachtvolle Ratskeller bot eine stilvolle Kulisse zum Erfahrungsaustausch, der durch Impulsreferate einzelner Mitglieder zu Detailproblemen angeregt wurde. 109

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Chemnitz-Hilbersdorf. Historischer Rangierbahnhof; rekonstruierte Seilablaufanlage: Spanntürme und Befehlsstellwerk (Alle Fotos: BLfD, Eberhard Lantz)

Der historische Rangierbahnhof in Chemnitz-Hilbersdorf Für den folgenden Tag standen bedeutende Bahnanlagen im Chemnitzer Stadtteil Hilbersdorf auf dem Programm, so der zwischen 1896 und 1902 entstandene Chemnitzer Rangierbahnhof, seinerzeit einer der größten in Deutschland mit dem klassischen Betriebsablauf: Rangierlokomotiven drückten aufzulösende Güterzüge einen Ablaufberg, den „Eselsrücken“ hinauf, auf dessen Kulminationspunkt die zuvor gelockerten Kupplungsbügel mit Knüppeln aus den Kupplungshaken gehebelt wurden. Die abgekuppelten Wagen rollten dann per Schwerkraft das Gefälle hinunter, wurden durch Weichen auf das jeweilige Zielgleis der Gleisharfe geleitet und konnten dort wieder zu neuen Güterzügen zusammengestellt werden. Um die drei verwendeten Rangierlokomotiven einzusparen, richtete man 1930 eine Seilablaufanlage ein, erfunden von dem zwischen 1952 und 1957 tätigen Präsidenten der Deutschen Bundesbahn Friedrich Edmund Frohne, die bis 1991 in Betrieb blieb und dann stillgelegt wurde. Nach Schließung des Bahnhofs Ende 1996 demontierte man die Gleise. Der Verein Eisenbahnfreunde „Richard Hartmann“ baute seit 2009 einen 110

funktionsfähigen Abschnitt der Seilablaufanlage wieder auf und richtete im dazugehörigen Befehlsstellwerk eine Ausstellung ein. Beides gehört zum neuen Technikmuseum Seilablaufanlage, dem derzeit weltweit einzigen seiner Art. Die gesamte Anlage liegt in leichtem Gefälle und wurde nachts von zahlreichen Lampen auf hohen Masten ausgeleuchtet.

Die Geschwindigkeit der abrollenden Wagen konnte beim „Seilablauf“ mit flachen Seilwagen, die auf einem zwischen den Schienen verlegten Schmalspurgleis auf- und abgezogen wurden, reguliert werden. Dabei ertönte von diesen aus Sicherheitsgründen ein ständiges „Gebimmel“. (Die Pfeifsignale der Rangierlokomotiven im Betrieb waren sicher „störender“.) Die von dem Seilwagen geschobenen Wagen des Zuges wurden voneinander getrennt, indem der Rangierer einen kleinen flachen Schuh an einer Stange vor ein Rad der ersten Wagenachse auf die Schiene hielt und ihn leicht abbremste, was ausreichte, um den dadurch lose gewordenen Kupplungsbügel auszuhebeln. Die abgekuppelten Wagen wurden dann wie beim „klassischen Rangieren“ auf die Gleisharfe verteilt. Der gesamte Betriebsablauf wird von dem inzwischen vereinseigenen Befehlsstellwerk 3 mit seinem markanten Uhrturm gesteuert und überwacht. Der Antrieb der Seilwagen erfolgt von dem um 1930 errichteten Maschinenhaus auf dem Gelände des benachbarten Sächsischen Eisenbahnmuseums, in dem sich noch die funktionstüchtigen elektrischen Antriebsmaschinen der Erstausstattung befinden. Durch Fördergelder von Bund, Land, Stadt und Deutscher Stiftung Denkmalschutz konnten inzwischen Dach,

Bahnbetriebswerk Hilbersdorf (Sächsisches Eisenbahnmuseum). Maschinenhaus, Antriebsmotoren und Seiltrommeln der Seilablaufanlage

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Steuerpult im Befehlsstellwerk 3, im Hintergrund Seilablaufanlage

Wände und Fenster des Maschinenhauses saniert und eine Verlängerung der Gleise um etwa 500 m ermöglicht werden. Die Eisenbahnfreunde unterstützten die Vorhaben beim Gleisbau durch hohe Eigenleistungen.

Das Sächsische Eisenbahnmuseum Der stark anwachsende Zugverkehr um die Jahrhundertwende machte eine Trennung von Personen- und Güterverkehr notwendig, was am

neuen Rangierbahnhof in ChemnitzHilbersdorf zum Bau eines reinen Güterzug-Bahnbetriebswerkes führte – das angesprochene heutige Sächsische Eisenbahnmuseum. Zur Zeit der königlich sächsischen Staatsbahn hieß es traditionell Heizhaus und ist bis heute vollständig und als größtes noch in Europa funktionstüchtig erhalten: zwei Rundlokschuppen mit Drehscheiben und ehemals je 26 Lokständen, Hochbekohlung, Kranbekohlung, Besandungsanlage, Wasserkränen, Auschlackgruben, Achssenke, Auswaschanlage, Wasseraufbereitungsanlage und Werkstatt mit historischen Werkzeugmaschinen sowie Verwaltungsund Sozialbauten. Eine beeindruckende Fahrzeugsammlung steht in den beiden Rundschuppen – natürlich hauptsächlich Güterzuglokomotiven, Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven verschiedenster Baureihen in bestem Pflegezustand. Weiterhin gibt es eine 600 mm-Feldbahn mit mehreren Lokomotiven, historische Personen- und Güterwagen sowie eine Modellbahnanlage und Ausstellungen. Der hier ganz real

Bahnbetriebswerk Hilbersdorf. Hochbekohlung und Rundschuppen

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nachvollziehbare Betrieb eines solchen Heizhauses kommt zum Glück ganz ohne Events und die sonst gern angebotenen Bespaßungen aus. Nach einem kurzen Rundgang durch die renovierte Schönherrfabrik folgten im Ratssaal des historischen Rathauses weitere Vorträge zum Thema Eisenbahn und Denkmalpflege und die interne Sitzung der amtlich bestellten Mitglieder der AG. Als Nachfolger von Dr. Matthias Baxmann vom brandenburgischen Landesamt wurde Michael Hascher zum Gruppensprecher gewählt. Der Tagesausklang fand in Karls Brauhaus unter den Augen des monumentalen Denkmals von Karl Marx statt. Aktuelle Problemfälle in Chemnitz Der letzte Tag war brandaktuellen Problemfällen in Chemnitz gewidmet: dem vollständig erhaltenen Südbahnhof und dem stählernen Eisenbahnviadukt über den Chemnitzfluss. Marc Boeßert vom DB AG Immobilien-Sanierungsmanagement machte deutlich, dass beide Objekte im Zuge des Streckenausbaus durch Neubauten ersetzt würden. Er verwies auf Sachzwänge wie Instandhaltung, Finanzierbarkeit, andere Nutzungsmöglichkeiten oder Verkehrssicherungspflicht. Bei der Argumentation der Denkmalpfleger wurde deutlich, dass der Dialog früher hätte stattfinden sollen – nicht erst wenn Planungen bereits weit fortgeschritten sind. Dass der Umgang mit historischer Eisenbahntechnik durchaus auch ein Anliegen der Öffentlichkeit ist, beweist ein angestrebter Bürgerentscheid zum Eisenbahnviadukt. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens für diesen imposanten Bau eine für alle Seiten vertretbare Lösung gefunden werden kann. Eberhard Lantz

Bahnbetriebswerk Hilbersdorf. Rundschuppen mit Güterzuglokomotiven, Wasserkran und Drehscheibe

Stahlviadukt über dem Chemnitzfluss

Termine in Bayern 2015 Tag des offenen Denkmals in Bayern

Ingolstadt

Altdorf

Limeskongress

Tagung: Archäologie in Bayern

13. September 2015

12.–23. September 2015

23.–25. Oktober 2015

www.tag-des-offenen-denkmals.de

www.limes2015.org

www.gesellschaft-fuer-archaeologie.de

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FEUILLETON Welcher Sohn? Geistesgeschichtliche Hintergründe Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt verwahrt einen frühchristlichen Elfenbeinkamm aus Griesheim, der dort als Grabfund zutage kam. Der Kamm trägt auf beiden Seiten der Griffplatte eine Reliefdarstellung. Als ich im letzten Herbst an einer Führung durch den Ausstellungsraum zur Vor- und Frühgeschichte des Landesmuseums teilnahm, wies der Führer auf diesen Elfenbeinkamm als bedeutendes Ausstellungsstück hin: Die Reliefs zeigen zwei Wunder Jesu, die im Neuen Testament beschrieben werden. Das eine ist die Hochzeit zu Kana, dem Führer und den Betrachtern ein Begriff. Das andere – da kommt der Führer ins Stocken. Es handle sich um die Heimkehr des Sohnes, … des Sohnes, aber von wem jetzt, wie hieß er gleich? Er kenne sich im Christentum nicht so aus, entschuldigt er sich und sucht auf der Beschreibung in der Vitrine nach dem Namen. Also die Heimkehr des Sohnes des Hauptmanns von Kapharnaum. Aha, denkt die Gruppe, worauf es schulterzuckend weitergeht. Gemalte Szenen verstehen Anfang des Jahres 2015 kam der Film „National Gallery“ in die Kinos. Drei Stunden geballte Kunstgeschichte stürmen auf den Betrachter ein: Die National Gallery in London hinterfragt ihre Aufgabe als kulturelle Institution, macht sich intensive Gedanken um Kunstvermittlung, zeigt Beispiele aus ihrer Arbeit. Kundige Führer erläutern mit all ihrem Hintergrundwissen Gemälde und versuchen, den Museumsbesuchern Zugänge zu den ausgestellten Werken zu eröffnen. Ein Bild soll man aus seiner Zeit heraus begreifen können. Das Gemälde hat im Gegensatz zum Film keine Zeit, sondern nur den einen Augenblick. Es ist eine Momentaufnahme, der Höhepunkt eines Geschehens. Es versammelt aber in sich die Vorge-

schichte, die Befindlichkeiten, das Innenleben der Beteiligten. Um diese Momentaufnahmen erfassen zu können, muss man den Kontext kennen, die Geschichte, aus der die Aufnahme stammt. Dies fällt umso leichter, je genauer man die Begebenheiten kennt. Ein Bild ohne Hintergrundgeschichte muss hingegen rätselhaft bleiben. Wir bleiben aufs Raten angewiesen, wenn es um Kunst aus vorgeschichtlichen Zeiten oder fremden Kulturen geht. Ein neolithisches Gefäß mit Darstellung zweier Menschen beispielsweise, gefunden in Murr im Lkr. Freising, wurde als „Hochzeitsbecher“ interpretiert. Sicher ist dabei nur, dass es sich um eine unbeweisbare Vermutung handelt! Ebenso wenig wissen wir Genaueres über das Situlenfest oder etwa die Darstellungen auf dem GundestrupKessel, weil uns jeweils das zugehörige Narrativ fehlt. Historischen und bekannten Erzählungen entspringende Bilder können wir lesen; bei anderen Gemälden hilft uns der Bildtitel. Wenn wir aber die Narrative vergessen, werden auch die Bilder stumm. Wir begeben uns der Chance, uns in klassische Situationen hineinzuversetzen und damit uns selber besser zu begreifen, die eigene Rolle zu finden. „What we must remember is, how this was originally intended to be seen.“ So wird im Film „National Gallery“ das florentinische Gemälde des Jacopo di Cione „Krönung der Jungfrau“ (1371) eingeführt. Man solle sich das Bild im Lichtschein flackernder Kerzen in der dunklen Kirche vorstellen. – Wir werden eingeladen nachzuempfinden, was in der Philisterin Delila in Peter Paul Rubens‘ „Samson und Delilah“ (1609/10) vorgeht, als sie den starken Mann verrät und ans Messer liefert. – Wir dürfen uns überlegen, was der fleißig in der Küche arbeitenden Martha gesagt wird in Diego Velázquez‘ „Christus im Haus von

Maria und Martha“ (um 1618). – Wir sehen Mose in Nicolas Poussins „Die Anbetung des Goldenen Kalbes“ (1633/34). Mose, so meint der Museumsführer, könnte auch gesagt haben: „Die gute Nachricht: Ich habe die Gebote heruntergehandelt auf zehn. Aber die schlechte: Ehebruch ist weiterhin dabei.“ Auch diesen Spaß verstehen wir nur, wenn wir wissen, worum es geht. Die Narrative kennen und heranziehen Zurück zum Kamm aus Griesheim. Man sieht im ersten Bild links zwei große Gefäße am Boden und insgesamt vier Personen, die mit Händen auf die Gefäße hinweisen. Ohne die Überlieferung zu kennen, was könnte das sein? Ein Plädoyer für ausreichende Vorratshaltung? Ein Verkaufsgespräch auf dem Markt? Ein Töpfer erhält seinen Gesellenbrief? Bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–12) kennen wir die handelnden Personen: Maria, die Diener, der fürs Mahl Verantwortliche, der Bräutigam, Jesus Christus. Es ist überaus reizvoll, diese Rollen einmal für sich abzutasten und auszuprobieren, wozu man selber neigt, wie man selber sich verhalten würde bzw. im eigenen Leben sich verhält. Die zweite Szene, ein Heilungswunder (rechts eine Person in einem großen Bett, links davon drei Personen in unterschiedlichem Gestus), zeigt nicht etwa die „Heimkehr des Sohnes“ des Hauptmanns von Kapharnaum, sondern die Heilung von dessen Knecht (Mt 8,5–13; Lk 7,1–10; Joh 4,46–54 spricht von einem königlichen Beamten und dessen Sohn). Zeitgenössische analoge Darstellungen unterstützen diese Lesart. Zu bedenken bleibt, dass es sich bei diesem Wunder um eine „Fernheilung“ handelt, die Personen also nicht alle am selben Ort versammelt waren. Laut Johannesevangelium war dies nach der Hochzeit zu Kana das zweite Wunder in Jesu öffentlicher Tätigkeit, also auch 113

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in dieser Hinsicht in die Nähe der ersteren Wundertat gerückt. Höchst modern an dieser Geschichte ist der tatkräftige und selbstbewusste Hauptmann („Ich habe selber Soldaten unter mir, sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem anderen: Komm!, so kommt er.“)

Dieser Mann, der sich seiner Amtsgewalt zu bedienen weiß, dem angesichts der Krankheit aber die Hände gebunden sind, liefert ein Glaubenszeugnis, das selbst Jesus in Erstaunen versetzt. Realist und Glaubender zu sein, schließt sich offenbar nicht aus.

Aber: Nicht-Wissen und Verstehen schließt sich aus. Es lohnt sich daher, unsere Erzählungen nachzulesen und weiter zu erzählen. Doris Ebner

„Wenn’s erst einmal Josephi is‘, so endet auch der Winter g‘wiss“ Josephstag am 19. März – St. Joseph in der Münchner Maxvorstadt Gegen die Bauernregel in der Überschrift lässt sich partout nichts einwenden: Sie stimmt immer. Schwieriger mit der Wahrscheinlichkeit wird es erst mit Sprüchen wie „Ist’s am Josephstag klar, folgt ein fruchtbar Jahr“ – oder, je nach Regel, „ein gutes Honigjahr“. Klar ist zumindest, dass es mit „Josephi“ bald Frühling wird (offiziell am Tag danach, am 20. März), was man in Italien in ebensolche Sprüche geformt hat wie: am Josephstag flögen die Schwalben übers Dach, da wirft man das Licht weg und holt das Vesperbrot raus oder legt, wie im Mailändischen, die Bettwärmer weg. Mit Lilie, Beil und Winkelmaß Beim einfachen Volk in den katholischen Gegenden war der hl. Joseph früher sehr verehrt und ganz beliebt als Namensgeber – wovon in Bayern so beliebte Koseformen wie Sepp und Bep, Bepperl und Beppo zeugen. In kirchlicher Darstellung und im Brauchtum drehte sich bei Joseph und Josephi, wie uns das Ökomenische Heiligenlexikon berichtet, das wir noch öfter als Zeugen anrufen müssen, alles um hauptsächlich drei Gebiete, Jungfräulichkeit, Familie und Handwerk: Mädchen bekamen Blumenkränze, die ihre Jungfernschaft bewahren sollten oder – wenn das ersterem auch ein bisschen widersprechen mag – Blumensträuße, um leichter einen Bräutigam zu finden. Aber es ging ja immer um einen anständigen, war Joseph ja zugleich der Patron der Ehe: Auch Jungverheiratete gaben sich, um gegen Versuchungen gefeit zu sein, einen „Josephsring“. Der hl. Joseph, der – obgleich die Bibelauslegung unter den Christen nicht ganz einheitlich ist – mit Maria in einer „Josephsehe“ gelebt haben soll, gilt als guter Familienvater und 114

fleißiger Handwerker und damit auch als deren Patron. Die Kirche lässt ihn deshalb gerne mit dem Jesuskind auf dem Arm abbilden – in Spanien ist der Josephstag gar Vatertag – oder mit dem Beil an der Arbeit und gibt ihm auch die Symbole der Reinheit, weiße Lilie oder blühenden Stab, und die Taube als Attribut. Die berufliche Einschränkung

Gebhard Fugel: Gemälde „Heilige Familie“ (Postkarte, privat)

auf „Joseph, den Zimmermann“ – mit dem Winkelmaß als Attribut – hat es nicht immer gegeben, wird er im Altgriechischen doch als Τέκτωυ bezeichnet, was Bauhandwerker meint, der mit Holz und Stein umgeht, auch Baumeister – und Joseph heute noch zum Patron der Ingenieure und Architekten macht. Praktisch wie die Bayern sind, die alles

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lebend im Neuen Testament auftaucht, als Jesus zwölfjährig im Tempel mit den Pharisäern diskutiert, geht man danach von seinem alsbaldigen Tod aus. Konsequent wird er deshalb in der Kunst zumeist als hochbetagt dargestellt – was das keusche Eheleben dann auch wahrscheinlicher macht.

München, St. Joseph. Franz Xaver Braunmiller: Gemälde „Zweifel Josephs“ (Foto: Karlheinz Hemmeter)

Schutzpatron der Handwerker und hl. Joseph, der Arbeiter Der Festtag des hl. Joseph wird in allen christlichen Kirchen, wenn auch an unterschiedlichen Tagen, gefeiert, so z. B. in der armenischen Kirche am 29. Oktober, der koptischen am 20. Juli oder in verschiedenen orthodoxen Kirchen im Dezember/Januar. Erst sehr spät kam es in der Westkirche zur Feier des Josephs-

– und auch den Frühlingsanfang – gern mit einem guten Essen in Verbindung bringen, ging man nach der Messe am Josephstag in den Biergarten, um die erste Maß der Saison zu sich zu nehmen. Und aus dem Bayerischen Wald wird berichtet, dass an dem Tag auch die Frauen das einzige Mal im Jahr mit ins Wirtshaus durften, wo sie von ihren Männern ein Glas Wein und ein Essen spendiert bekamen. Ein Engel erschien ihm im Traum In der Bibel wird gar nicht so viel über den Zieh- und Nährvater Joseph von Nazareth berichtet: In Bethlehem sei er geboren, aus dem Stamme Davids, weshalb er sich dorthin zur von den Römern angeordneten Volkszählung begeben musste und danach – auf Anweisung eines im Traum erschienenen Engels – mit seiner Familie nach Ägypten floh, um dem von Herodes verordneten Kindermord zu entgehen. Engel spielen in der Josephsvita eine große Rolle, erklärte ihm ein solcher ja auch im Traum, dass seine schwangere Verlobte ihr Kind vom Heiligen Geist empfangen habe und er sie deshalb nicht verstoßen dürfe. Dem Streit um die nicht so ganz zu belegende Keuschheit der Eheleute Joseph und Maria stellt man auf altchristlicher und dann katholischer Seite ein seit dem 4. Jahrhundert geltendes Dogma der „immerwährenden Jungfräulichkeit“ Mariens gegenüber, eine der 245 unverrückbaren Glaubenswahrheiten. Da Joseph das letzte Mal

München, St. Joseph, um 1910 (Foto: St. Joseph, Pfarrarchiv)

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München, St. Joseph, Blick zum Chor, vor 1944 (Foto: St. Joseph, Pfarrarchiv)

kultes: Der 19. März wurde angeblich erstmals um 850 auf der Reichenau gefeiert – man vermutet, um das heidnische Fest der Minerva als Patronin der Handwerker zu ersetzen. Nach intensiver Beschäftigung mittelalterlicher Mystiker und Bettelordensvertreter mit dem Leben und Wirken Josephs verkündete Papst Sixtus IV. 1479 offiziell den Festtag des Heiligen, der dann 1621 als Festtag in den römischen Kalender eingeführt

wurde. Schon im Jahr davor, 1620, soll Kaiser Ferdinand II. mit seinem Bild in die Schlacht am Weißen Berg gezogen und siegreich wieder herausgekommen sein. Man machte Joseph daraufhin zum Hausheiligen der Habsburger und führte seinen Feiertag im Habsburger Reich ein – weshalb heute noch in einer Reihe österreichischer Bundesländer an dem Tag schulfrei ist und ihn deshalb vermutlich auch die Kroaten als Schutz-

Kreuzwegstation „Jesus begegnet seiner Mutter“, Entwurf (Foto: BLfD)

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heiligen verehren. Über die Spanischen Niederlande wurde er außerdem zum Schutzpatron Belgiens. Wann die unzähligen Orte, die Joseph, San Giovanni oder San Jose im Namen tragen, gegründet wurden, müsste im Einzelnen verfolgt werden. Sie finden sich jedoch auf der ganzen Welt. Am 4. Mai 1664 wurde auch Bayern bei einem Festakt in der Karmeliterkirche unter den Schutz des hl. Joseph gestellt. Das 19. Jahrhundert brachte dann den endgültigen Durchbruch seiner Verehrung, als Papst Pius IX. den Heiligen 1870 zum Schutzpatron der ganzen Kirche erklärte. Von nun an gibt es die zahlreichen nazarenischen Darstellungen, die schließlich in popularisierter Form als Öldrucke in alle Schlafzimmer gelangten. 1937 hat man in der katholischen Kirche erkannt, dass Joseph zwar vor der Staatsmacht geflohen, sich aber als braver Handwerker nicht gegen sie vereinnahmen hat lassen. So machte man das selbst, und Papst Pius XI. erhob ihn zum Patron all derer, die gegen den Kommunismus kämpfen. Papst Pius XII. legte 1955 noch nach, indem er den 1. Mai zum Festtag „Hl. Joseph, der Arbeiter“ machte. Nun weiß der christliche Arbeiter doch, wo er an jenem Tag hingehört!

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Lange galt der Josephstag in vielen Ländern als gesetzlicher Feiertag – und wie Wikipedia weiß, ist er es immer noch in verschiedenen Schweizer Kantonen, in Liechtenstein, Costa Rica, Kolumbien und Spanien. Italien hat den Feiertag erst 1977 abgeschafft, Bayern 1968, jedoch gibt es in beiden Ländern kräftige Strömungen, die an seiner Wiedereinführung arbeiten. Seit 1985 ist das hierzulande die schlagkräftige KöniglichBayerische Josephspartei, die dies mit ihren weltweit 6500 Mitgliedern (nach eigenen Angaben) vornehmlich durch jährliche Treffen in Festzelten versucht. Pfarr- und Kapuzinerkirche St. Joseph in München Als Beispiel für viele Josephskirchen sei hier St. Joseph am Josephsplatz in der Münchener Maxvorstadt vorgestellt. Auch sie hat ein hartes Kriegslos getroffen, was uns siebzig Jahre nach Kriegsende durchaus bewusst sein darf. Die

Kreuzwegstation „Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuze“, Entwurf (Foto: BLfD)

wachsende Bevölkerung im München des späten 19. Jahrhunderts, als die Stadt jedes Jahrzehnt um etwa 100 000 Einwohner wuchs, machte neue Kir-

Ehem. Hochaltargemälde, Druck vor 1944 (Foto: St. Joseph, Pfarrarchiv)

chen in den Neubaugebieten erforderlich. So wandte sich 1896 das Erzbistum München und Freising an das Provinzkapitel der Kapuziner mit der Bitte, einen Konvent mit einer Ordenskirche in der Maxvorstadt zu errichten, dem eine Seelsorgestelle angegliedert werden sollte. Genehmigte wurde die neue Kapuzinerniederlassung 1897 durch den Prinzregenten Luitpold von Bayern. P. Linus Mörner gründete einen Kirchenbauverein und trieb Gelder – rund eine halbe Million Mark – für den Bau auf. Die Grundsteinlegung erfolgte 1898. Beim Aushub des Fundaments stellte man – wie P. Karl Kleiner der Chronik entnahm – befriedigt fest, dass man mit dem eigenen Material den Bedarf an Sand und Kies abdecken konnte. Die Weihe als Filialkirche von St. Ludwig nahm am 15. Juni 1902 Erzbischof Franz Josef von Stein vor. Damit konnte die doch ein Stück entfernte Pfarrkirche an der Ludwigstraße vorübergehend entlastet werden. Doch bereits wenige Jahre später, am 19. September 1913, erfolgte die Erhebung zur selbstständigen Pfarrei, die nach wie vor von den Kapuzinern betreut wurde. Mit der großen, tonnengewölbten Wandpfeilerkirche wurde auch die italienische Spätrenaissance des 16./17. Jahrhunderts, wie Friedrich Kobler im Dehio Oberbayern feststellte, vorbildlich für den bayerischen Kirchenbau der Neostile. Der Plan dafür stammte von dem Münchner Architekten Prof. Hans Schurr, der zahlreiche weitere kirchliche Gebäude in Bayern zwischen 117

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Kreuzwegstation „Jesus stirbt am Kreuz“, Druck nach Wandbild, vor 1944 (Foto: St. Joseph, Pfarrarchiv)

Waldsassen und St. Ottilien, Fürth, Immenstadt und Breitbrunn am Chiemsee entwarf, in München auch St. Wolfgang in Haidhausen und St. Mariä Schutz in Pasing. Nach P. Kleiner sind die Maße der Kirche beachtlich: 79 m lang, 31 m breit, die Höhe bis zum Gewölbescheitel 24 m und die Turmhöhe 63 m. Prägend

für den Bau war und ist der ausgestellte vierstöckige Nordturm mit Kuppel und Laterne sowie die gestelzten Halbkreisfenster im Langhaus. Die Westfassade hatte ursprünglich einen kurvierten Abschluss und Rundbogenfenster, im Innern ein kassettiertes, kräftig stuckiertes Gewölbe.

Gebhard Fugel: Gemälde „Tod des hl. Joseph“ (Postkarte, privat)

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In den Jahren 1904 bis 1908 schuf der damals sehr angesehene, 1863 in der Nähe von Ravensburg geborene Maler Gebhard Fugel das Hauptaltarblatt und freskierte einen monumentalen Kreuzweg an die Seitenwände. Fugel hatte ab 1879 an der Kunstschule in Stuttgart studiert, sich auf Historienmalerei und christliche Motive spezialisiert und galt als „Erneuerer der christlichen Kunst“. 1893 gründete er mit Kollegen in München die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst und wurde 1905 zum königlichen Professor ernannt. Neben zahlreichen Gemälden und Illustrationen für Schulbücher zur biblischen Geschichte schuf er auch großformatige Wandgemälde. Er arbeitete zunehmend in einem nazarenisch beeinflussten Stil, in den zahlreichen Wandgemälden mit monumentalen flächigen Kompositionen mit stimmungsvollen Licht- und Farbschöpfungen. Am bekanntesten ist allerdings heute das 1140 Quadratmeter große Altöttinger Golgatha-Panorama von 1902/03, bei dem er mit Josef Krieger zusammenarbeitete und die figürlichen Teile übernommen hat. Kriegszerstörung und Wiederaufbau Fugels Werk in St. Joseph ging 1944 zugrunde: Am 13. Juni rissen zwei Sprengbomben die ganze Kirche auf, zerstörten das Gewölbe, die Fassade und den Chor und vernichteten die gesamte Ausstattung, darunter den Choraltar mit Fugels im Stil der venezianischen Hochrenaissance gemalten „Verehrung des hl. Joseph durch die hll. Franz von Assisi, König Ludwig IX. von Frankreich, König David und Bischof Benno“ und die erwähnten 14 Kreuzwegbilder. Im Keller erhalten geblieben ist Fugels Ölskizze des Altargemäldes, das zur Erinnerung an der Südwand im Chor aufgehängt wurde. Geborgen werden konnten aus der Kirchenruine auch die Skulpturen einer Schutzmantelmadonna (1902 von Edmund Beckmann), eines hl. Antonius und der Elisabeth von Thüringen, eine Stiftung Kaiser Franz Josefs in Erinnerung an seine Gemahlin Sissi. Der Aufstellung einer hölzernen Notkirche auf dem Josephsplatz 1946 folgte von 1950 bis 1952 der Wiederaufbau der Kirche in stark vereinfachter Form durch Oswald Eduard Bieber. Die Westfassade erhielt nun einen Dreiecks-

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giebel und rechteckige Fenster. Erst bei der Generalsanierung 1984 bis 1990, bei welcher man den Nachkriegsbau stabilisierte, erhielt die große Tonne eine zarte historisierende Rahmenstuckierung mit dekorativen Rosetten – ein so gewollter, anders auch kaum finanzierbarer, aber nur sehr schwacher Abklatsch des reichen Vorgängerschmucks. Als Weihbischof Dr. Anton Scharnagel am 6. Juni 1952 den neuen Hochaltars konsekrierte, kam mit diesem und in der Folge dem ganzen Zyklus großformatiger Gemälde zum Leben Josephs, die der Maler Franz Xaver Braunmiller für die Längswände schuf, eine ganz neue künstlerische Handschrift in den Kirchenraum. Das zweigeteilte Altargemälde zeigt im oberen Teil Einzelfiguren des Kirchenpatrons zwischen Theresa von Ávila und dem Franziskaner Bernhardin von Siena. Im Querformat darunter unterstellt Kurfürst Ferdinand Maria 1664 Bayern dem Schutz des hl. Joseph und überreicht seinem Vetter Albert Sigmund, dem Bischof von Frei-

St. Joseph, Kriegszerstörungen, 1945 (Fotos: BLfD)

sing, die Urkunde. Die neuen Kreuzwegstationen schnitzte der Oberammergauer Max Schauer zwischen 1960

und 1970, zeittypisch in blockhaften Formen mit sprechenden Details, Blickwendungen und Gesten. Die 14 Gemäl-

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St. Joseph, Blick zum Chor, 2014 (Foto: Karlheinz Hemmeter)

de von Scharnagel aus dem Leben des hl. Josef verraten ihre Entstehung in der Nachkriegszeit. Sie sind nach dem bühnenhaften Raumschema der Früh- und Hochrenaissance, in kräftigen, wenig changierend auf die Figuren konzentrierten Farben und in einer leicht expressiven, alle Figuren etwas maniriert überstreckenden Darstellungsweise gehalten. Dargestellt sind u. a. die Abstammung Josephs, die Engelsverkündigung, die Niederkunft Mariens und

Verehrung des Kindes durch die Weisen aus dem Morgenland, die Flucht nach Ägypten, der zwölfjährige Jesus im Tempel und der Tod Josephs. Der in der Bibel so bescheiden auftretende hl. Joseph nimmt darin mit seiner optischen Präsenz sofort jeden Besucher ein. Dass er hier nur „behände“ „dem Winter ein Ende“ macht, ist das allerwenigste, was man ihm zutraut.

Literatur P. Karl Kleiner: Pfarrkirche St. Joseph, MünchenSchwabing, hrsg. v. Kath. Pfarramt St. Joseph, München, 1991. Das Panorama in Altötting, Arbeitshefte des BLfD, Nr. 48, München 1990. Franz Lurz: Im Umkreis von St. Joseph leben. 100 Jahre Pfarrkirche. 90 Jahre Pfarrei St. Joseph, München 2002.

Karlheinz Hemmeter

Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd. IV: München und Oberbayern, hier bearb. v. Friedrich Kobler, München/Berlin 2006, S. 767 f.

lär in Bayern! Dazu kommt noch, dass sich das Grundstück mit den Kellern seit der Eingemeindung von Unterhaid (östlichster fränkischer Weinort) im Jahr 1978 im Eigentum der Gemeinde Oberhaid (Bierfranken) befindet. Eine Instandsetzung der gesamten Kellergasse war dringend notwendig, um dieses einzigartige fränkische Grenzkleinod vor dem Verfall zu retten. Da unklar war, welche Rechte und Pflichten jeder einzelne Kellerbesitzer

hatte und sogar die Gemeinde nicht wusste, ob sie nun einfach so als Bauherrin auftreten könne, war die Situation etwas prekär. Streit? Unterhaider gegen Oberhaider, Bierbrauer gegen Weinbauer? Jeder Einzelne vertrat seine Interessen und wollte verständlicherweise für die gegnerische Gemeinschaft auf gar keinen Fall etwas investieren. Der Begriff „Wutbürger“ wurde nicht erst 2010 über „Stuttgart 21“ begründet, sondern schon

Bestimmt spannend … … war der Übertritt des Generalkonservators Mathias Pfeil von Bier- zu Weinfranken (oder von Wein- zu Bierfranken?). Egal wie – auf jeden Fall ist bei den Unterhaider Kellern der vortrefflichste Ort, diese Grenze zu überqueren. „Warum?“ – ganz einfach: Die Besonderheit liegt in der direkten räumlichen Überlagerung: Die Bierkeller reichen bis zu 18 m unter das Grundstück eines benachbarten Weinbauern – Schau an: Aber nicht nur das ist singu120

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2005 in Unterhaid. Tatsächlich kam es zu fast schon unerträglichen Zwistigkeiten, ehemalige Freunde wurden zu Feinden. Und fast wäre auch ein fränkischer Wein-Bier-Krieg ausgebrochen, hätte man nicht in letzter Sekunde eine Bürgerversammlung einberufen, an der alle 29 Kellerbesitzer ihre Sorgen und Probleme darlegen konnten. Es wurde heiß diskutiert. Letztendlich beruhigen konnte dann ein Versprechen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege: „Alle Keller werden auf Staatskosten vermessen.“ Gesagt, getan! Nach der Planerstellung war eine Grundbucheintragung möglich. Jeder einzelne Kellerbesitzer bekam das Eigentumsrecht in Form einer Grunddienstbarkeit für Unterirdisches und ein Erbbaurecht für sogenannte oberirdische Anlagen (Kellerhaus, Terrassen, Kegelbahn). Zwei neue Flurstücke entstanden, Rechte und Pflichten wurden festgehalten, und die Gemeinde konnte als Bauherrin auftreten. Fördermittel wurden locker gemacht. Nach Fertigstellung der Maßnahme setzte sich der Hauptkellerbesitzer vehement dafür ein, dass die Kellergasse durch Betrieb belebt bleibt. Denn was nützt das schönste Kulturerbe, wenn es nach der Renovierung wieder im Dornröschenschlaf verfällt? So hat sich denn seit Mai 2014 ein beständiger Pächter gefunden, der in der warmen Jahreszeit täglich ab 16 Uhr den Hauptkeller und die Kegelbahn öffnet und die üblichen fränkischen Brotzeitspezialitäten anbietet (https://de-de.facebook.com/gambrinus.keller.unterhaid). Ein Besuch ist sehr zu empfehlen, von Bamberg aus kann bequem am Main entlang geradelt werden, für den Wan-

Der 2. Bürgermeister von Oberhaid Peter Deusel mit Generalkonservator Mathias Pfeil und MDL Heinrich Rudrof in der Kellergasse (Foto: Barbara Herbst, Gößweinstein)

Unterhaider Keller, bei der Besichtigung (Foto: Barbara Herbst, Gößweinstein)

derer ist es anspruchsvoller, dafür kann er aber von Oberhaid einfach mit dem Zug oder unter der Woche von Unterhaid mit dem Bus zurückfahren (http:// www.oberhaid.de/index.php?id=150). Mit dem Auto wäre wohl zumindest für die Rückfahrt ein Chauffeur angesagt. Oje – jetzt habe ich den lieben Herrn Generalkonservator ganz vergessen,

Ausstellung „Adolf Voll – Architekt seiner Zeit“ Vernissage: Freitag 22. Mai 2015, 19.30 Uhr Adolf Voll (1881–1965), Münchner und Fürstenfeldbrucker Architekt und Stadtplaner, wird zum ersten Mal mit einer Ausstellung gefeiert, die sein Schaffen und die zeitlichen Umstände in Fürstenfeldbruck zeigt. Bauaufgaben, die eine wachsende Stadt zu bewältigen hat, wie ein städtischer Schlachthof, Badehäuser,

Wohngebäude und Stadtplanung, sind mit Adolf Volls Werken zu verknüpfen. Gezeigt werden Pläne und Fotografien seiner Bauten in Fürstenfeldbruck wie auch von Zeitgenossen. Damit wird die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebbar gemacht und das Werk Volls in einen größeren Kontext eingebettet.

der sich doch extra im September 2014 Zeit genommen hat, die Unterhaider Keller zu besuchen! Nun, ich denke, die Fotos sprechen für sich. Und, wie man deutlich sieht: Das Bier hat gesiegt, zumindest in der Kellergasse, hoffentlich zum Wohle aller. Simone Kreuzeder

Adolf Voll – Architekt seiner Zeit Kulturwerkstatt HAUS 10 Kloster Fürstenfeld 10b, 82256 Fürstenfeldbruck 23. Mai bis 7. Juni 2015 Fr 16 – 18 Uhr, Sa/So 10–18 Uhr Tel./Fax. 08141 41448 [email protected] [email protected]

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Archäologie im Archiv: ein Aktenfund zum Ersten Weltkrieg

Thaldorf, Lkr. Kelheim. Notiz aus dem archäologischen Ortsakt von 1914

Die archäologischen Ortsakten-Archive des BLfD bieten einen reichen Quellenbestand zu Funden und Fundstellen und zur Geschichte der archäologischen Erforschung Bayerns. Manche Dokumente geben zuweilen auch Hinweise auf zeitgenössische Ereignisse, wie die scheinbar belanglose Notiz auf einer Planskizze zum sog. „Schlössl“, einem wohl künstlich angelegten Plateau mit Mauerresten in der Nähe des niederbayerischen Ortes Thaldorf im Landkreis Kelheim. Die Anlage wurde zunächst als mutmaßlicher spätrömischer Burgus angesprochen, dürfte jedoch aus heutiger Sicht eher einen mittelalterlichen Burgstall darstellen.

Interessant sind die persönlichen Bemerkungen des Urhebers dieser Planskizze, eines gewissen A. Gräßl aus Stadtamhof (heute Stadtteil von Regensburg) am „5. Mobilmachungstag 1914 (statt am letzten Heimatkurstag)“, „vor Einberufung zum Heere“. Der Verfasser scheint sich der persönlichen, aber wohl auch der historischen Tragweite der von ihm erlebten Zeitläufte bewusst gewesen zu sein und wollte dies – für wen auch immer – dokumentieren. In Anbetracht der von der Geschichtsschreibung immer wieder kolportierten Kriegsbegeisterung in der deutschen Bevölkerung wirken seine Worte eher nüchtern, fast skeptisch. Unser Protago-

nist hat sich wohl nicht wie viele andere freiwillig gemeldet. Da die Mobilmachung in Bayern am 2. August 1914 einsetzte, stammt das Dokument also vom 6. August, was auch zu dem erwähnten „Heimatkurs“ passt, auf den ein Stempel der Schriftleitung der Zeitschrift „Deutsche Gaue“ auf der Rückseite der Skizze den entscheidenden Hinweis liefert. Bei der Zeitschrift handelt es sich um das Organ des Vereins „Heimat“, 1899 von Kurat Christian Frank in Kaufbeuren zur Förderung der Heimatkunde gegründet. Sie hatte mit bald 5000 Abonnenten offenbar großen Erfolg. In Heft 291/292 aus dem Jahr 1914 wird für den 4.–6. August ein Heimatkurs in Kaufbeuren angekündigt, welcher „der Einübung in der Inventarisation der Kultur- und Naturdenkmale gewidmet sein“ sollte und sich an ehrenamtlich tätige Heimatforscher richtete. Ähnliche Veranstaltungen finden erst in jüngster Zeit wieder statt. Angesichts der politischen Lage wurde der Lehrgang offenbar abgesagt, was A. Gräßl wohl dazu nutzte, die heimische Landschaft auf der Suche nach Denkmälern zu durchsteifen. Viel mehr ist über Herrn Gräßl ohne Quellenforschung nicht bekannt. Immerhin hat er den Krieg überlebt, da er in den 1920er Jahren als ehrenamtlicher Mitarbeiter unter der Berufsbezeichnung „Bauassesor“ in den Regensburger Ortsakten noch einmal aufscheint. Daniel Meixner

Das kulinarische Denkmal Ei, Ei, Ei – eine Möhrentorte à la 19. Jahrhundert „Schon wieder die Zahl der Kochbücher vermehrt?“ – mit diesem fast entschuldigenden Satz im Vorwort beginnt Henriette Davidis ihr „Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche.“ Vermehrt hat sie die Zahl der Kochbücher in Deutschland tatsächlich: 122

Erschien ihr Werk 1845 erstmals noch in einer Auflage von nur 1000 Stück, druckte man schon bei der sechsten Auflage 10 000 und bei späteren Auflagen bis zu 40 000 Exemplare! Es wurde im Deutschland des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu einem regelrechten Hit und gehörte zur Grundausstattung vieler Haushalte. Die 1801 im westfälischen Wegern an der Ruhr

(heute Wetter) geborene Pfarrerstochter brachte es zu einer der berühmtesten Kochbuchautorinnen und Köchinnen ihrer Zeit. Aus ihrer Arbeit als Erzieherin und Gouvernante heraus entstanden, gewissermaßen begleitend, mehrere hauswirtschaftliche Bücher, die als Teil eines umfassenden Erziehungsund Bildungsprogrammes für Mädchen und Frauen gedacht waren. Durch die

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Wurzel- oder Möhrentorte 300 g Wurzeln, 14 Eier, 330 g durchgesiebter Zucker, 1 Citrone, 300 g süße, 70 g bittere, geriebene Mandeln, 2 gehäufte Eßlöffel fein durchgesiebtes Kartoffelmehl oder gute Stärke. Die Wurzeln werden gewaschen, in Wasser kaum halb gar gekocht, und wenn sie ganz kalt geworden sind, gerieben; das Herz bleibt zurück. Dann rührt man zu 300 g die Eidotter mit dem Zucker, dem Saft und der teilweise abgeriebenen Schale einer Citrone und den Mandeln, gibt die Wurzeln hinzu, rührt dies eine halbe Stunde, mischt den steifen Schaum von 9 Eiern mit dem Kartoffelmehl durch und bäckt die Masse 1 ½ Stunde wie Mandeltorte. (Zitiert nach: Henriette Davidis: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 35. Auflage, Bielefeld 1896, S. 499 Nr. 26.)

gesellschaftlichen Umwandlungen, in der das Bürgertum eine immer größere Rolle spielte, erhöhte sich der Bedarf an Haushaltsliteratur, die sich gezielt an Neulinge richtete, um diesen die Grundlagen zu vermitteln. Das „Praktische Kochbuch“ wurde „Mit besonderer Berücksichtigung der Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen“ deshalb auch ein beliebtes Hochzeitsgeschenk. Trotz des einschlagenden Erfolgs lebte Henriette Davidis als unverheiratete Frau ein recht bescheidenes Leben. Sie konnte wohl erst relativ spät, etwa im Alter von 74 Jahren, von ihren Veröffentlichungen leben: Im Jahr 1857 bezog sie, zunächst zur Untermiete, eine eigene Wohnung in Dortmund, wo sie 1876 starb. Von Davidis’ vielen Anleitungen haben wir exemplarisch – und passend

Von Liane Schimmel gebacken und fotografiert

zu Ostern für alle Hasen – das Rezept für eine Möhrentorte ausgewählt. Die Anzahl der Eier, die uns heute extrem erscheinen muss, ergibt sich vermutlich aus der Tatsache, dass das Rezept aus einer Zeit stammt, in der Backpulver (das erst ab etwa 1860 verstärkt für die großindustrielle Herstellung von Brot eingesetzt und in den 1890er Jahren von August Oetker kleinportioniert für Hausfrauen vermarktet wurde) noch nicht zur Verfügung stand. Angela Schürzinger

Erdäpfelkas aus dem Dreiburgenland im Bayerischen Wald Kartoffelkäse ist ein traditioneller Brotaufstrich aus dem ostbayerisch-westösterreichischen Raum und hat nichts

mit Käse zu tun. Es war ein Armeleute-Essen und wurde früher den Erntehelfern zur Brotzeit gereicht – je nachdem, wie spendabel der Bauer war, mit Süßrahm oder saurer Milch angemacht. Kartoffeln, Milch, Rahm, Brot und Butter hatten die Bauern aus eigener Produktion zu Hause. Das hier abgedruckte Rezept stammt aus der Gemeinde Fürstenstein im Landkreis Passau; es existieren jedoch zahlreiche – z. T. wohl schon modern „verfeinerte“ – Variationen mit unterschiedlichen Zutaten wie Sauerrahm, Gewürzgurken, Knoblauch, Senf, verschiedenen Kräutern (z. B. Petersilie) und Gewürzen wie Kümmel, Muskat, Fenchel, Anis, Koriander u. a. Heute gilt der Erdäpfelkas als Delikatesse. Htr

Erdäpfelkas 1 kg gekochte mehlige Kartoffeln vom Vortag, mittelfein gerieben, 200 g süßer Rahm (Schlagsahne), 200 g Magerjoghurt, 1 mittelgroße Zwiebel, fein gehackt, 1 Bund Schnittlauch in Röllchen geschnitten, Salz und Pfeffer. Die Zutaten vorsichtig vermengen, reichlich salzen und pfeffern, in einer Schüssel anrichten, mit Pfeffer und Schnittlauch bestreuen. Einen Hedern (Haufen) auf ein mit Butter bestrichenes Bauernbrot häufen – je mehr, desto besser schmeckt es. Von Irma und Wera Matheis, Oberpolling, zubereitet und fotografiert

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Denkmalrätsel Wieder haben wir aus der laufenden Digitalisierung der fotografischen Altbestände fünf unbeschriftete Aufnahmen ausgewählt, zu denen wir fragen: Wer kennt das Denkmal? Wir freuen uns über jede Information! Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Bildarchiv, Hofgraben 4, 80539 München. Tel. 089/2114-382 bzw. -261 [email protected] Alle bislang ungelöst gebliebenen Denkmalrätsel können unter www.blfd.bayern.de/download_area/ fotos/index.php „Denkmalrätsel“ eingesehen werden.

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Auflösung der Denkmalrätsel • in Heft 158, Juli 2014, S. 100: 1) Hof des Hauses Katharinenstr. 4, Leipzig, 1943 zerstört; 4) Portal von Katharinenstr. 19, Leipzig • in Heft 159, November 2014, S. 128: 1) bleibt leider ein Rätsel 2) ehem. Stadtmauer, sog. Hexenviertel, Landsberg a. Lech; 3) Glonn von Süden, Lkr. Ebersberg; 4) Stuckdecke im 1945 zerstörten Rückermainhof in Würzburg; 5) Münster Heidenheim am Hahnenkamm, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen

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Als Gewinner eines Buchpräsentes wurden ausgelost: Gotthard Kemmether, 15207 Frankfurt (Oder), Karla Greipl, 94481 Grafenau und Martin Straus, 97688 Bad Kissingen. Es sei allen ganz herzlich Dank gesagt für ihre Beteiligung und Mithilfe. Markus Hundemer und Marion-Isabell Hoffmann

© Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

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Im Reich der Sinne – Avantgarde und Innovation

Mürsbach (oben): Ein wenig Privatsphäre sollte man sich schon erhalten! Name ist Programm: Im historischen Bierkeller Erlangen ist für alle Platz

Baum- versus Denkmalpflege oder Win-winSituation? Marterl und vielleicht zukünftiges Naturdenkmal bei KronachSeelach

Christo on tour durch Hallstadt Waldsassen: Außerordentliche „sacra conversazione“ in den Restaurierungswerkstätten (Foto: BLfD, Bernd Symank, alle anderen Fotos: BLfD, Roland Feitenhansl)

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Schätze aus dem Bildarchiv Fotonachlass Familie Härlin, Gauting – Teil 2 (München 1935–45) Während im älteren Bestand des Nachlasses Härlin im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Glasplattennegative mit Motiven aus Gauting dominieren (siehe DI 159, S. 130 ff.), wurden ab 1930 zahlreiche Fotos auf Kleinbildfilmen und frühen AGFA-Color-Dias in München aufgenommen. Von besonderem Interesse sind jene Aufnahmen, auf de-

nen die umfänglichen städtebaulichen Veränderungen in München unter den Nationalsozialisten festgehalten sind: etwa die Errichtung von Verwaltungsgebäuden, der Bau von Bunkern sowie die planmäßige Beseitigung historischer Gebäude. Daneben gibt es Fotos von großformatigen Plakatierungen zur Reichstagswahl 1936 oder dem

Festumzug zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst 1937 wie von ersten Bombenschäden in der Innenstadt. Die privaten Aufnahmen der Unternehmerfamilie Härlin visualisieren so eindrucksvoll auch diese Geschichte der Stadt. Ingeborg v. Quillfeldt und Markus Hundemer

Links oben: Katharina-von-Bora-Straße/ Karlstraße, Baustelle des „Fernheizwerkes der NSDAP“, dahinter der „Parteibau“, das heutige „Haus der Kulturinstitute“ im Bau, 1935 Oben: Odeonsplatz auf Höhe des Denkmals Ludwigs I.: Festumzug zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst 1937 Links: Am Karlstor, Wahlplakate zur Reichstagswahl am 29. März 1936

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Links oben: Das von der Bebauung freigeräumte Areal für die Errichtung der heutigen Oberfinanzdirektion (erbaut 1938–42), im Hintergrund das Eckgebäude Sophien-/ Arcostraße, 1937 Rechts oben: Blick vom Alten Finanzgarten auf die Baugrube des heutigen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (erbaut 1938/39) in Richtung Von-der-Thann-/ Ecke Ludwigstraße; die Vorgängerbauten waren wie das ehemals an der Ludwigstraße liegende Herzog-Max-Palais bereits 1937 abgerissen worden Mitte und unten: Frauenkirche, ehem. Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße und Künstlerhaus am Lenbachplatz von Westen, vor 1938, gleicher Fotostandort: Abriss der ehem. Hauptsynagoge an der Herzog-MaxStraße 1938

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Links: Abbruch der ev. Kirche St. Matthäus in der Sonnenstraße, 1938 Oben: Hochbunker in der Blumenstraße im Bau, Fertigstellung 1941 Unten: Blick vom Amira- zum Wittelsbacherplatz: erste Bombenschäden am sog. Palais ArcoZinneberg, wohl 1942

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LITERATUR Landsberg am Lech – Denkmal für Denkmal Vorstellung der Denkmaltopographie von Stadt und Landkreis am 8. November 2014 „Ich wünsche mir, liebe Gäste, dass Sie stolz sind, wenn Sie dieses Schwergewicht in Ihren Händen halten: Jedes Gramm Buch ist Ihre Heimat mit ihrer Tradition, ist Ihr Landkreis und Ihre Stadt in all ihren Facetten und bilderreichen Geschichten. Und jedes Gramm Buch ist ein Teil Ihrer Identität. Ich wünsche Ihnen viel Lese- und Blättervergnügen – Gramm für Gramm, Seite für Seite.“ Generalkonservator Dipl.Ing. Architekt Mathias Pfeil pflanzte bei seiner Vorstellung des wieder schwerstgewichtigen Bandes der Denkmaltopographie sicher vielen der zahlreichen Anwesenden den Wunsch ins Herz, den schönen Doppelband zu besitzen: „Landsberg am Lech, Stadt und Landkreis“, zweibändig, CLII+984, also zusammen 1136 Seiten stark und 5100 Gramm schwer, um bei der Maßeinheit des Generalkonservators zu bleiben! Nicht ohne Stolz hatten Landrat Thomas Eichinger und Oberbürgermeister Mathias Neuner zuvor die durchaus kurzweilige Entstehungsgeschichte der umfangreichen Publikation angesprochen und den Initiatoren, Landrat a. D. Walter Eichner, Oberbürgermeister a. D. Ingo Lehmann und Generalkonservator a. D. Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, allesamt, wie man sieht, inzwischen außer Dienst, gedankt. Erste Kontakte hatte es bereits 2005 gegeben, die Vereinbarung zur Erstellung des Werkes wurde 2008 unterschrieben – aber, so die erstaunlich selbstlosen Politiker, man arbeite ja nicht für sich und für den Augenblick. Eine solche Arbeit brauche halt seine Zeit, und man stehe schließlich in einer Wirkungskontinuität. Die hier vorgelegten Bände seien ein wenig für die „Ewigkeit“: für die Nachkommen, damit auch diese einmal wüssten, was an Denkmälern vorhanden war. Obwohl: Nicht dass man beabsichtige, jetzt, nachdem alles so schön dokumentiert sei, die Abrissbirnen anrollen zu lassen.

Region voller Kunst Dazu ist Landsberg am Lech auch viel zu schön: sowohl die herrliche mittelalterliche Stadt in ihrem beinahe vollständig erhaltenen Mauerring wie der Landkreis mit seinen vielen bedeutenden Sehenswürdigkeiten im schwäbisch-bayerischen Grenzgebiet. Schwäbisch-bayerisch war ein Schlagwort der Veranstaltung, ein Hinweis auf den eigenständigen Kulturkreis, in dem Einflüsse aus Augsburg wie München gleichermaßen zur Wirkung gelangten. An die 1100 Baudenkmäler, über 400 davon allein in der Stadt, und 600 Bodendenkmäler haben Eingang in die Denkmalliste gefunden und damit in diese Denkmaltopographie. Dießen fällt jedem ein, wenn vom Landkreis Landsberg die Rede ist, der grandiose Rokoko-Kirchenbau von Johann Michael Fischer. Die Stadt Landsberg setzt diesem die imposante Stadtpfarrkirche entgegen, erbaut nach Plänen des Berner Münsterbaumeisters Matthäus Ensinger. Alle Epochen haben in der Region hochwertige Sakralbauten hinterlassen: das 12. Jahrhundert den unverputzten romanischen Tuffquaderbau St. Jakob in Unterschondorf bis hin zum 20., aus dem die zeltartige Autobahnkirche von Josef Wiedemann in Windach stammt. Ein Schwerpunkt liegt – in bayerisch-schwäbischen Landen – natürlich auf der Bau- und Ausstattungskunst des 18. Jahrhunderts. Es hat hier so viele überragende Raumkunstwerke geschaffen, dass man notgedrungen nur einzelne wenige herausgreifen kann: z. B. St Petrus und Paulus in Windach oder die stattliche Wandpfeilerkirche St. Johannes d. T. in Kaufering, beide mit vorzüglichen Wessobrunner Stuckaturen von Johann und Joseph Schmuzer (um 1700). Aus der Zeit um 1732 stammt die Umgestaltung der Pfarrkirche Unsere Liebe Frau in Walleshausen, einem Gemeindeteil von Geltendorf. Natürlich findet sich auch hier wieder Wesso-

brunner Bandelwerkstuck, diesmal von Franz Xaver Feichtmayr d. Ä., finden sich Fresken des Augsburgers Johann Georg Wolcker, Skulpturen von Joseph Hagn und ein Hochaltar des Türkheimers Dominikus Bergmüller – alles Künstler, die im Landkreis immer wieder auftauchen. So z. T. in der MauritiusKirche in Weil, deren Régence-Stuckierung zwischen 1715 und 1740 entstand. In den Stilmitteln der Zeit um 1756/57 präsentiert sich die reich ausgestattete Eresinger St.-Ulrichskirche, umgestaltet von Dominikus Zimmermann und Mitarbeitern, mit kräftigem farbigen Rocaille-Stuck und Deckengemälden zum Kirchenpatron. Als vierpassförmiger Zentralbau ist die schöne Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Mutter in Vilgertshofen um 1690 errichtet worden – und auch hier waren Wessobrunner am Werk: als Baumeister, Stuckateure und Altarbauer; Thassilo Zöpf (1751) und Johann Baptist Baader (1770) schufen den eleganten Stephansaltar mit Gemälden. Ein Neubau von 1766 ist St. Petrus und Paulus in Eching am Ammersee mit Deckenfresken von Christian Wink. Die Kirche St. Vitus in Egling an der Paar, das Hauptwerk von Franz Anton Kirchgrabner aus der Zeit um 1770, steht in der Nachfolge Johann Michael Fischers. Für die Ausstattung stehen u. a. Namen wie Franz Seraph Zwinck, Johann Georg Dieffenbrunner und Lorenz Luidl. Epfenhausen, Pittriching, Rott, Thaining usw.: Viele könnte man nennen. Auf die Luidl-Werkstatt, die hier fast überall über Generationen hinweg vertreten ist, sei nur hingewiesen. Die Profanbauten geraten neben den Kirchen fast in den Hintergrund. Dabei ist die Stadt Landsberg für ihr mittelalterliches Bayertor weithin bekannt und ihr Rathaus mit seiner reichen Stuckfassade von Dominikus Zimmermann reckt sich stolz aus den schlichten bayerischschwäbischen Bürgerfassaden heraus. Natürlich stehen neben den stattlichen 129

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Kirchen auch stattliche Pfarrhöfe, rufen Schlösser wie in Greifenberg, Hurlach und Kaltenberg Geschichte pur hervor: Hofmarken und alte Geschlechter, Greifenberger und Hurnloher, Haldenberg, Hundt oder Perfall und natürlich die Wittelsbacher, die sie alle beerbten – ehe sie es aufs Theater oder in Ritterturniere gebracht haben. Reiche Münchner und Augsburger Bürger haben Villen und Gutshäuser an den Ufern des Ammersees bei Schondorf, Utting oder Dießen erbaut, Hubert von Herkomer seinen berühmten Wohnturm am Landsberger Lechufer, und Ferdinand von Piloty schuf die beindruckende Ausmalung des Rathaussaales. Mit den Feuchtbodensiedlungen bei Pestenacker und Unfriedshausen trat der Landkreis in den Club der Weltkulturerbestätten ein. Die über 5500 Jahre alten Fundstellen konnten durch ihre guten Erhaltungsbedingungen viel über den Hausbau, die Bekleidung und Lebensgewohnheiten der Altheimer Kultur übermitteln. Auch aus allen späteren Perioden sind Grab- und Wohnstätten nachgewiesen. Die Ausgrabung der 450 spätbronzezeitlichen Brandgräber bei Hurlach erbrachte wegen der Beigabenkombinationen völlig neue Einblicke in die Bestattungssitten jener Zeit im südbayerischen Alpenvorland. Die drei Grabhügelgruppen im Westerholz Nähe Haltenberg mit bronzezeitlichen und früheisenzeitlichen Bestattungen konnten durch den Einsatz modernster Technik wie Airborne-Laser-Scans erstmals in völliger Eindeutigkeit abgebildet werden. Die Reste römerzeitlicher Villen finden sich im Nahbereich der Via Claudia Augusta, die einst über die ansehnliche römische Siedlung Epfach-Abodiacum nach Augsburg führte. Und auch noch für die frühmittelalterliche Besiedlung ist das römische Straßennetz das erste Gerüst. Reihengräberfelder bei Epfach und Penzing, Siedlungen in Hurlach und Igling, Befestigungen bei Fuchstal, Grabstellen in Egling an der Paar, Ringwälle bei Igling und Rott, frühe Sakralbauten wie Rieden am Ammersee oder Kloster Sandau bei Landsberg, Turmhügel und Burgställe wie Schönenburg bei Dießen, die Abschnittsbefestigung bei Pitzling oder welfische Höhenburgen – unendlich Vieles ist archäologisch nachgewiesen und weist den ganzen Raum als eine kulturelle Wiege mit vielfälti130

gen Zeugnissen der letzten Jahrtausende aus. Legion an Mitarbeitern Ein Heer von Mitarbeitern aus dem Landesamt, verschiedenen städtischen und bischöflichen Behörden, Museen und Archiven, von Kunsthistorikern und Archäologen, Geografen und Historikern war auch diesmal wieder damit beschäftigt, dem Bearbeitungsgebiet die Geheimnisse zu entreißen. Anlässlich der Erarbeitung des Bandes fand die übliche Überprüfung des Denkmalbestandes und die Aufbereitung für die Internetdarstellung statt. Michael Forstner, Fotograf in Diensten des Landesamtes, lichtete monatelang die Denkmäler ab. Die beiden Hauptautoren, Dr. Karl Gattinger und Dr. Grietje Suhr, durchkämmten historische wie aktuelle Publikationen, sahen die Akten der Baubehörden und Archäologen, die Restaurierungsdokumentationen und Archive durch. Als Grundlage für die Stadt Landsberg dienten die vier Inventarbände, welche vor wenigen Jahren Dr. Dagmar Dietrich vorgelegt hat. Eine Reihe fundierter Kenner der Region Landsberg lieferten einführende Beiträge: zur Kulturlandschaft (Dr. Gerhard Ongerth), zur Archäologie (Dr. Walter Irlinger, Dr. C. Sebastian Sommer, Dr. G. Suhr), zur Geschichte und Kunstgeschichte (Dr. K. Gattinger, Dr. Georg Paula, Dr. Guido Treffer) und zur

Hauslandschaft (Dr. Georg Waldemer). Von den zahlreichen außerhäusigen Unterstützern seien – zumindest stellvertretend, aber unbedingt – die Kreisheimatpflegerin des Landkreises, Frau Dr. Heide Weißhaar-Kiem, und der Heimatpfleger der Stadt, Dr. Werner Fees-Buchecker, genannt. Ihr enormes Fachwissen und Engagement haben wesentlich zum Erfolg beigetragen. Die zahlreichen Denkmalkarten lieferte der sehr versierte Dipl.-Geograf Johannes Valenta. Der Preis für Engelsgeduld und Ausdauer aber geht wieder einmal an die im Redigieren und Layouten von Topographien nicht zu schlagende Kunsthistorikerin Danica Tautenhahn M.A. Feierstunde für ein Buch Samstag Nachmittag, herrliches Herbstwetter und ein voller Sitzungssaal im Landratsamt Landsberg am Lech! Die Vorstellung des Doppelbandes am 8.  November 2014 hatte sich weit verbreitet, und kein geladener Gast wollte es sich nehmen lassen, dem Ereignis beizuwohnen: die beteiligten Mitarbeiter von Stadtverwaltung, Landratsamt und Landesamt für Denkmalpflege, die Vertreter der Gemeinden, die Autoren und eine beträchtliche Anzahl historisch interessierter Bürger. Auch der Verleger Fritz Pustet hatte den weiten Weg aus Regensburg nicht gescheut. Ein Duo mit Holzblasinstrumenten zauberte weltmännische Feierlichkeit

Vorstellung der Denkmaltopographie Stadt und Landkreis Landsberg a. Lech, von links: Oberbürgermeister Mathias Neuner, Landrat Thomas Eichinger, Autorin Dr. Grietje Suhr, Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil, Autor Dr. Karl Gattinger (Foto: BLfD, Dorothee Ott)

LITER ATUR

Landsberg a. Lech (Foto: BLfD, Michael Forstner)

in den Saal, französische Barockstimmung. Auf dem Podium waren in voller Länge Landsberger Topographie-Bände aufgereiht: ein Streifen Dießen aus der Luft – ein Streifen wie aus einer Filmrolle geschnitten. Den ersten Band erhielt der anwesende Altlandrat Walter Eichner überreicht. Strahlend ließen sich dann – noch von der Aura französischer Töne und lobender Worte über das gelungene Werk umschwebt – der Hausherr Landrat Eichinger, Mitherausgeber Oberbürgermeister Neuner und Laudator Generalkonservator Pfeil zusammen mit den beiden Hauptautoren von der Presse ablichten. Ein finaler Umtrunk mit Salzstangen und Grissini bezeugte zwar durch letztere ein weiteres weltmännisches Verhältnis – diesmal zu Turin –, stand aber in einem merklichen Gegensatz zu den überbordenden Rokoko-Kirchenausstattungen der Region – also wohl Demonstration von Weltgewandtheit und spezieller bayerischschwäbischer Feieropulenz in einem!

Zumindest lockerte Schaumwein Seele und Zunge – und der Bücherstand lockte die aufgestaute Neugier. Landsberg aber lag in glänzender tiefer Nachmittagssonne: eine märchenhaft bunte Reihe alter Häuser am Lech und glitzernde weiße Lichter auf den Wassern. Denkmaltopographie versus App „Was ist der Reiz an diesen zwei dicken Bänden, wo es heute unzählige Apps, ja sogar einen hauseigenen Bayerischen Denkmalatlas gibt, an dem man Informationen zu den Denkmälern abrufen kann? Man kann in diesem kostenlos und tagesaktuell alle Eintragungen der bayerischen Denkmalliste abfragen“ – kokettierte der Generalkonservator – mit Augenzwinkern. Denn, gut: „Informationen“, „Eintragungen“, „Denkmalliste“, „Kurzbeschreibungen, „erster Überblick“ – die Denkmaltopographie aber ist eben der Unterschied! „Sie ist weit mehr, ein Spiegel der Denkmäler und ihres Umfeldes. Sie zeigt den aktu-

ellen Forschungsstand: Welche Art von Denkmal steht an welchem Ort? Wer hat es warum, wie und wann errichtet? Welches Schicksal hat das Denkmal im Laufe der Zeit erlebt?“ Diesen Fragen geht die Denkmaltopographie nach und versucht Antworten darauf zu finden. Sie gibt den Denkmälern ihren Stellenwert im Kontext der Umgebung und zeigt in sorgfältig recherchierten Beiträgen auf, was besonders und charakteristisch für die jeweilige Denkmallandschaft ist. Und eine reiche Bebilderung macht die Worte augenscheinlich. „Eine amtliche Denkmalpflege“ – so Generalkonservator Pfeil, um auch einmal das berufliche Anliegen aufblitzen zu lassen – „kann nur dann Erfolge erzielen, wenn die Bevölkerung, die in und mit den Denkmälern lebt, hinter ihr und hinter ihren Denkmälern steht. Denn Heimat macht sich eben besonders an der bebauten Umwelt fest. Und der beste Weg, die Denkmäler der Heimat zu schützen und sich für sie einzusetzen, ist deren Kenntnis. Heute, wo Vieles nur noch nach seinem pekuniären Wert bemessen wird, muss die Denkmalpflege die ideellen Werte vermitteln, um unsere Identität zu bewahren.“ Und dazu will und kann die Denkmaltopographie beitragen. Die neue Publikation beinhaltet das gesamte aktuelle Verzeichnis dieses an hervorragenden Denkmälern so reichen Landkreises und der Großen Kreisstadt in einer ausführlich erläuterten und mit Fotos und Karten bebilderten Version. Als Zusammenfassung der bekannten historischen Informationen ist sie jedem Freund der Heimat, jedem Besucher und jedem Denkmalinteressierten ein unabdingbares Nachschlagewerk. Karlheinz Hemmeter Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 137

Der Dom zu Regensburg – Baugeschichte und Ausstattung Textband 2 des Gesamtinventars vorgestellt Mit einer bereits vorweihnachtlichwinterlich angehauchten Feier in unserer Dienststelle in Regensburg wurde der neue Band des Inventars zum

Regensburger Dom der Öffentlichkeit vorgestellt. Glühwein und Weihnachtsplätzchen passten zum Spätnachmittag des 16. Dezembers 2014, und ein frosti-

ges Wetter mit leichtem Schneetreiben hatte die aus München anreisenden Mitarbeiter des BLfD schon richtig eingestimmt. Auch die wissenschaftlichen 131

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Herausgeber der Publikation, die beiden Hauptautoren Prof. em. Dr. Achim Hubel (ehemals Universität Bamberg) und Prof. Dr.-Ing. Manfred Schuller (Technische Universität München) bereuten es nicht, die weiten Wege zurückgelegt zu haben. Alle fühlten sich sofort wohl in der der Königlichen Villa, dem begrenzten, aber heeren Reich von Dr. Silvia Codreanu, in der die Praktische Denkmalpflege Bodendenkmäler für die Regierungsbezirke Oberpfalz und Niederbayern beheimatet ist. „Die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Ergebnisse zum Regensburger Dom ist ein einmaliges Projekt, das europaweit Beachtung findet und nun kurz vor dem Abschluss steht: Die Zusammenarbeit verschiedenster Fachdisziplinen hat ein sehr konkretes Bild vom Regensburger Dom, von seiner Baugeschichte, von seiner künstlerischen Ausstattung gezeichnet. Die Publikation ist ein herausragender Beitrag zur Denkmalforschung in Bayern“, so Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil. Mit diesem Textband liegen nun bereits vier Bände des Gesamtwerkes „Der Dom zu Regensburg“ in der Reihe der Inventare des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, „Die Kunstdenkmäler von Bayern, N. F.“, vor. Den Abschluss wird der dritte Textband bilden, der im Moment in Arbeit ist. Damit hat das Landesamt bewiesen, dass es im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten und im Dienste der Denkmäler erstklassige Forschungsarbeit leistet oder diesbezüglich mit überragenden Kennern zusammenarbeitet, deren Arbeit unterstützt und in geeigneten Medien der Öffentlichkeit bekanntmacht. Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts hatten Kunsthistoriker, Architekten, Denkmalpfleger, Restauratoren und Experten anderer Disziplinen unter der Leitung der Professoren Hubel und Schuller den Regensburger Dom 25 Jahre lang als Modellfall einer gotischen Kathedrale untersucht. Sie nutzten dabei die schrittweise, vom Landesamt betreute Restaurierung des Baues und seiner Innenausstattung. Der nun vorliegende zweite Textband widmet sich den Ergebnissen der Bauforschung, der Bau-, Architektur- und Kunstgeschichte. Die Publikation beginnt mit dem romani132

Vorstellung des zweiten Textbandes zum Regensburger Dom; von links: Verleger Friedrich Pustet, Hauptautor Prof. em. Dr. Achim Hubel und Generalkonservator Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil (Foto: BLfD, Alexandra Beck)

schen Dom (Karl Schnieringer), der sich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Sie beschreibt detailliert, wie der gotische Dom nach einem Brand 1273 neu errichtet wurde und sich bis 1500 baulich entwickelte (Schuller). Sie erläutert Schritt für Schritt die Bautechnik, die Konstruktion und die einzelnen Bauphasen. Weitere Beiträge befassen sich mit der Stilgeschichte (Markus T. Huber), dem Verhältnis des Regensburger Doms zur französischen Gotik und zu Vorbildern in Prag (Peter Kurmann). Damit findet auch eine Einordnung des Bauwerks in den europäischen Kontext

statt. Besonderen Stellenwert haben in der Publikation die Skulptur und Bauplastik des Doms (Hubel), das Hauptportal (Peter Knoch, Friedrich Fuchs, Hubel), die mittelalterliche Ausstattung und die Glasmalerei (Hubel). Ein Kapitel widmet sich dem Domschatz (Hubel), zwei weitere zeichnen die Farbigkeit der Architektur im Dom und ihre Veränderung im Laufe der Zeit nach (Jürgen Michler, Michael Kühlenthal). Auch hochrangige Vertreter wichtiger Institutionen erwiesen den Herausgebern und Autoren trotz des grimmigen Wetters die Ehre, zollten der Forschungsleistung Achtung und unterstrichen dadurch die Bedeutung der Veröffentlichung: Das Bistum Regensburg war durch Domdekan Prälat Anton Wilhelm, der Kirchenkreis Regensburg durch den evang.-luth. Regionalbischof Dr. Hans-Martin Weiss, die Stadt durch die 3. Bürgermeisterin, Frau Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die Universität durch Vizepräsident Prof. Dr. Nikolaus Korber und das Staatliche Bauamt durch den Ltd. Baudirektor Hans Weber vertreten. Stolz konnte dann Prof. Hubel den Band zusammen mit Generalkonservator Pfeil und dem Verleger Friedrich Pustet in die Blitzlichter halten. Alexandra Beck, Dorothee Ott und Karlheinz Hemmeter

Regensburger Dom, sog. Passionsfenster, 14. Jh., Ausschnitt (Foto: Achim Hubel)

Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 138

LITER ATUR

Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege 2012/13 Auch der neueste Zwei-Jahresband der Bayerischen Denkmalpflege für die Jahre 2012 und 2013 beweist wieder, dass im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gearbeitet wird – wobei in dem dicken Band nur ein Bruchteil unserer täglichen Arbeit dokumentiert ist. Und auch die Archäologen haben noch eigene Publikationen für diesen Zweck. Dokumentieren – das ist das richtige Wort, dokumentieren für jetzt und für die „Ewigkeit“, denn das BLfD will hier (wenigstens) exemplarisch transparent machen, was, warum und wie passiert: wie Forschung eingesetzt wird, um belastbare Ergebnisse zu erhalten, Ergebnisse, die bestimmte Entscheidungen nach sich ziehen und bestimmte Techniken erfordern. Hier wird die Arbeit in der Praxis vermittelt, werden Überlegungen skizziert, Wege und Maßnahmen aufgezeigt und begründet. Die Jahresberichte dokumentieren und vermitteln die Beratungstätigkeit durch zahlreiche Beispiele aus der praktischen Denkmalpflege sowie der Denkmalerfassung und -forschung in allen Regierungsbezirken. Die unterschiedlichen Arbeitsbereiche, die Restaurierungswerkstätten, die Bauforschung, flächenbezogene oder kunstwissenschaftliche Denkmalforschung, historische Kulturlandschaftserforschung, die Archäologie mit linearen Projekten, die Geophysik, Luftbildarchäologie, Feuchtbodenarchäologie, die Limeser-

forschung und Hohlraumerfassung: Sie alle legen wesentliche Ergebnisse ihrer Jahresarbeit offen. Das Referat Dokumentationswesen, das Bild- und Planarchive betreut und das Schriftgut verwaltet, sortiert, konserviert, digitalisiert und für Abfragen zur Verfügung stellt, sowie das Referat Publikationswesen und das Justitiariat legen Rechenschaft ab. Auch das Zentrallabor und die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen stellen ihre höchst vielfältigen Arbeitsbereiche vor, und wieder gibt es eine Übersicht der Grabungen und Fundplätze im Berichtszeitraum. Dem Berichtsteil ist ein Block mit wissenschaftlichen Beiträgen vorgeschaltet, die, von der Römerzeit bis in die 1970er Jahre, rund zwei Millenien Kulturgeschichte in Bayern abdecken. Dank sei Experten der Dendroarchäologie wie Franz Herzig, der hier einen Brunnen der römischen Kaiserzeit aus Aschheim bei München bearbeitet und datiert, und Hochachtung vor dem Archäologenteam Janet Schramm, Helmut Voß und Britt Nowak-Böck, dem es gelungen ist, Reste eines römischen Korbgefäßes zu identifizieren und zu rekonstruieren. Ein anderes Arbeitsteam um Josef Bauch hat sich mit Eichenpfählen historischer Brücken an der Altmühl beschäftigt und ebenfalls dendrochronologisch eingeordnet. Elke Reese hat sich mit der schwierigen Deutung des Skulpturenschmucks zweier romanischer Portale in der Nähe von Neustadt

a. d. Donau befasst und Florian Schröter mit der Ikonographie der Stuckdekoration im Bamberger Domkapitelhaus. Ein Bauernhaus mit geheimnisvoller Geschichte, die „Villa Goldonkel“, hat Anja Säbel untersucht, Thomas Wenderoth sich dem außergewöhnlichen Thema des barocken Mietzinshauses gewidmet, das ein Grundelement barocker Stadtstrukturen bildet. Wolfram Lübbeke, ein Experte der Ausmalung von Rathaussälen des späten 19. Jahrhunderts, hat sich mit dem Münchner „Malerfürsten“ Ferdinand Wagner befasst, dessen Arbeiten sich in Rathäusern und Schlössern in Bayern und weit darüber hinaus befinden. Und Thomas Kupferschmied verfasste – dazu ergänzend – einen Beitrag über die Restaurierung des Kleinen Rathaussaales in Passau mit seinen Wagner-Gemälden. Auf ganz Aktuelles, was die Denkmallandschaft betrifft, greift schließlich Bernd Vollmar mit seinen Überlegungen zur Nachkriegsarchitektur der 1960er und 1970er Jahre zu. Natürlich finden sich, wie immer brav aufgelistet, die Veröffentlichungen des Amtes, der Personalstand und das Organigramm – Dokumentation und Nachschlagewerk. Susanne BöningWeis M.A. hat sich, wie seit vielen Jahren, bravourös der langwierigen Arbeit der Zusammenstellung der Texte und ihrer Redaktion gewidmet. Htr Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 138

Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 55, 2014 Mit 324 Seiten etwas dünner als inzwischen gewohnt, ist der neue Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege erschienen. Der geringere Umfang ist dem Umstand geschuldet, dass der folgende Band 56 zum Limeskongress 2015 schon relativ rasch folgen wird. Die Beiträge dieses Bandes verteilen sich auf drei Themenbereiche. Am Beginn geht es um die Verabschiedung von Wolfgang Czysz in den Ruhestand, der seit 1977, also 36 Jahre lang, beim Bayerischen Landesamt für Denkmal-

pflege als Gebietsreferent in Schwaben tätig war. Das Schriftenverzeichnis von Wolfgang Czysz weist fast 240 Titel aus und zeugt von der außerordentlichen Produktivität des provinzialrömischen Archäologen. Sein reiches Schaffen lässt C. Sebastian Sommer in seiner Verabschiedungs-Laudatio Revue passieren. Zum Ende von Czysz’ aktiver Laufbahn fand im Juni 2014 an seiner Dienststelle in Thierhaupten ein Kolloquium über römische und frühmittelalterliche Mühlen statt, die auch Czysz selber stark

beschäftigt hatten. Die dort gehaltenen Vorträge sind in Kurzzusammenfassungen in dem Band festgehalten, und auf diese Thematik bezieht sich auch das Titelbild, das einen Mühlsteinbruch in Altenbeuern zeigt. Der zweite Themenbereich ist eine Rückschau auf 150 Jahre Bodendenkmalpflege in Bayern. Das Landesamt hatte im Zusammenhang mit einem Kolloquium des Verbandes der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. Claudia Rohde mit 133

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dieser Forschungsarbeit beauftragt. Sie stellt in ihrem umfangreichen Beitrag die Entwicklungen zwischen 1808 und 1958 vor. Überraschend führt sie dem Leser vor Augen, wie schon in den Anfängen der Schutzgedanke vertreten wurde, wie er uns heute brandaktuell erscheint. Erstaunliche Kontinuitäten sind in der 150-jährigen Zeitspanne zu verfolgen. Sehr eindrücklich dargestellt sind aber auch die maßgeblichen handelnden Personen, die ausführlich porträtiert werden. Nicht zuletzt geht dem Leser umfänglich die Tragödie des Nationalsozialismus und des Krieges auf, die keinen Zeitgenossen verschonte. Insgesamt wird im Beitrag von Claudia Rohde sehr deutlich, dass es immer einen Anfang vor dem Anfang gab und auch eine Amtsgeschichte aus Übernahme und Weitergabe besteht. Als Drittes folgt ein Themenblock mit vier Beiträgen zu Pestenacker und Unfriedshausen, seit 2011 Teil des UNESCOWelterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Der umfangreichste Beitrag ist die schon vor mehr als zehn Jahren abgeschlossene Dissertation von David Underwood, welche sich mit den Silexartefakten aus Pestenacker und Unfriedshausen und den jungneolithischen Silexindustrien des Alpenvorlands be-

fasst. Aus dem spröden Material entfaltet Underwood ein spannendes Panorama von Wirtschaftsbeziehungen in der Jungsteinzeit. Thomas Lessig-Weller nimmt sich die Beil- und Axtklingen aus Pestenacker vor. In seiner Magisterarbeit hatte er am Fundmaterial, das neben fertigen Geräten auch schadhafte sowie Halbfabrikate und Produktionsabfälle umfasst, das Hauptaugenmerk auf die Herstellungs-

abläufe gerichtet: Auswahl des Rohmaterials, grobe Formgebung, Feinbearbeitung, Schliff und ggf. Reparatur. Die Ergebnisse legt er hier vor. Der Geologe Herbert Scholz setzt sich eingehend mit den Felsgesteinen mit und ohne Bearbeitungsspuren und Steinwerkzeugen auseinander, die bei der Ausgrabung in Unfriedshausen zutage kamen. Sie stammen aus quartären Geschieben des IsarLoisach-Vorlandgletschers. Nach petrografischer Untersuchung kann er sie den alpinen Herkunftsgebieten zuordnen und petrografische Gruppen zusammenstellen. Die Bedeutung, welche die Naturwissenschaften bei der Beschäftigung mit der Archäologie haben, wird in einem vierten Aufsatz einer Autorengruppe um Renate Matzke-Karasz deutlich. Hier geht es um faunistische und isotopen-geochemische Analysen eines Sedimentprofils in Pestenacker. Anhand der Ostracoden- und Gastropodenfauna ziehen die Autoren Rückschlüsse auf die seinerzeitigen feuchten und terrestrischen Habitate. DE Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 137

Mittelalterliche Mühlsteinbrüche im bayerischen Inntal Die Erforschung von Mühlsteinbrüchen in Bayern ist aus Sicht der Archäologen schon lange ein Desiderat. Die vorliegende Publikation von Wolfgang Czysz, der bis zum Jahr 2014 das Referat Praktische Denkmäler Bodendenkmäler – Mittelfranken/Schwaben in der Dienststelle Thierhaupten leitete, beschäftigt sich ausführlich mit Geschichte und Technik dieses für die Menschheitsgeschichte so wichtigen Wirtschaftszweiges. Eine allgemeine Einführung zeigt die Entwicklung der Getreidemühle von der vorgeschichtlichen Handmühle bis hin zur frühmittelalterlichen Wassermühle. Historische Quellen und Bildzeugnisse ergänzen die archäologischen Funde und Befunde. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt bei der Beschreibung und Interpreta134

tion der Mühlsteinbruchregion rund um die Ortschaften Neubeuern, Altenbeuern, Brannenburg und Oberaudorf im Landkreis Rosenheim. Ein Dutzend Mühlsteinbrüche sind hier bekannt; sie wurden nachweislich zum Teil schon im frühen Mittelalter genutzt. Ausgangspunkt der Forschungen, die neben Vermessungen und technischen Untersuchungen vor Ort auch naturwissenschaftliche Analysen der Gesteinsmaterialien umfassten, waren einige Mühlsteinbruchstücke aus „Neubeurer Mühlsandstein“, die 1993 in der frühmittelalterlichen Wassermühle von Dasing im Landkreis Aichach-Friedberg gefunden worden waren. Die anschauliche grafische Umsetzung von zahlreichen topografischen Plänen der Steinbrüche und großformatige Fotos der heute noch spekta-

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kulär anmutenden Geländedenkmäler machen das Buch – auch wegen seines handlichen Formats – zu einem wertvol-

len Begleiter für jeden, der sich auf die Spuren der Steinhauer begeben will. Red.

Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 137

Alte Bauernhäuser neu erleben: Wohn(t)raum im Denkmal Publikation als Leitfaden und Ideensammlung Natur, Stille, Panorama – diese Aspekte sind nicht die einzigen Vorteile, die das „Landleben“ zu bieten hat. Thomas Drexel zeigt mit seiner Publikation „Alte Bauernhäuser neu erleben – Umbauen, sanieren, einrichten“, dass insbesondere die baukulturellen Werte das Landleben interessant machen können. Sein Buch präsentiert zwanzig Beispiele aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – Bauernhäuser, die vorbildlich instandgesetzt wurden. Anhand dieser Projekte wird deutlich, wie die Herausforderungen, denen sich Bauherren bei der Instandsetzung von historischem Baubestand gegenübersehen, gemeistert werden können. In seiner ausführlichen Einleitung gibt der Autor einen Überblick über die Thematik und nimmt künftigen Bauherren die Scheu vor einem Altbau. Seine Anregungen decken ein weites Themenspektrum ab – von Finanzierungsfragen über die Abstimmung mit den Denkmalbehörden bis zur Wahl von Planern und Handwerkern. Die Demut vor dem Bestand und der Verzicht auf Überformung historischer Zeugnisse bringen die besonderen Qualitäten eines (denkmalgeschützten) alten Hauses erst zum Vorschein, so Drexel: auf das Haus zu hören bedeutet, seine wertvolle Atmosphäre zu bewahren. Beginnend mit einer sorgfältigen Untersuchung des Baubestands über die Kostenplanung und Fördermöglichkeiten nimmt der Autor seinen Leser auf dem Weg zum eigenen historischen Wohnhaus an die Hand. Dass Wohnen im Altbau nicht bedeutet, ohne Strom und fließend Wasser auskommen zu müssen, ist fraglos. Dass Wohnen im Altbau aber auch zeitgemäßen Komfort, energetische Optimierung und ein hervorragendes Raumklima mit sich bringt, erläutert die Publikation ausführlich und mit einschlägigen Beispielen.

Die Anregungen und Hilfestellungen, die Drexel seinem Buch voranstellt, werden im Hauptteil, der zahlreiche Gebäude mit Text und Bildern beschreibt, veranschaulicht. Das Spektrum reicht vom Berner Bauernhaus über eine Alphütte im Kleinwalsertal bis zu einem Flachhallenhaus in den Elbmarschen. Immer wieder wird deutlich, wie ehemalige Wirtschaftsräume,

wie Scheunen, Ställe oder Tennen zu Wohnräumen umgenutzt werden können. Bei jedem Beispiel geht Drexel auf die Baugeschichte des Hauses ein und beschreibt detailliert die Instandsetzung des Anwesens mit ihren Besonderheiten. Sieben der vorgestellten Bauernhäuser stehen in Bayern, wovon einige mit der Bayerischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet wurden. Die Instandsetzung der Gebäude fand jeweils in enger Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege statt. Ein schöner Nebeneffekt der Herangehensweise und Auswahl von Thomas Drexel ist, dass er die große

Bandbreite der bayerischen Baukultur sichtbar macht und zeigt, wie abwechslungsreich die Hauslandschaft hier einst war: Die Vielfalt reicht vom Allgäuer Flurküchenhaus über ein fränkisches Sandsteinhaus mit hölzernem Laubengang und hohem Giebel zu einem Jurahaus mit dem typischen, mit Kalkplatten gedeckten Dach. Ein mit Lerchenschindeln verkleidetes Waldlerhaus im Bayerischen Wald und ein oberbayerischer Bundwerkstadel, der heute als Wohnhaus genutzt wird, gehören ebenso dazu, wie ein idyllisch gelegenes Kniestockhaus im Chiemgau. Die natürlich vorhandenen Baumaterialien gaben der historischen Hauslandschaft ihr Gesicht. Thomas Drexel macht dies anhand der Beispiele deutlich und schlägt so auch den Bogen zu seinen einleitenden Erläuterungen. Neben der Beantwortung baulicher Fragen finden sich – jeweils an den ausgewählten Projekten veranschaulicht – auch für die Einrichtung und Gestaltung historischer Bauernhäuser zahlreiche Anregungen. Die vielen Farbfotos – die meisten stammen vom Autor selbst – zeigen nicht nur Ausschnitte, sie geben wirklich Einblicke in die Gebäude. Im Anhang listet Drexel die wichtigsten Adressen für Beratung und Förderung sowie der Architekten und Planer, die an den im Buch vorgestellten Projekten beteiligt waren, auf. Die Themen Bauen, Architektur, Wohnen liegen Thomas Drexel am Herzen: Er hat eine Vorliebe für den historischen Bestand. Seine Begeisterung für das Alte, für die Denkmäler, teilt er in seiner Publikation „Alte Bauernhäuser neu erleben“, dieser gedruckten Reise zu besonderen bäuerlichen Anwesen, eindrucksvoll auch mit dem Leser. Dorothee Ott Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 137

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Die Welt der Wikinger Im Jahr 2002 brachte der OetingerVerlag ein Kinderbuch rund um die Wikingerzeit heraus. Darin wird eine spannende Geschichte von den Bewohnern der Siedlung Birka erzählt. Birka liegt auf der schwedischen Insel Björkö, westlich von Stockholm. Björn Ambrosiani, einer der Autoren des Buches, untersuchte die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Siedlung in den 1990er Jahren archäologisch. Der Geschichtenschreiber Mats Wahl erdachte sich aus den Fakten der Ausgrabung in Birka und anderen wie Ribe oder Haithabu das Abenteuer „Die Leute von Birka. So lebten die Wikinger“, und eine, zumindest allen Kindern „bekannte Hand“, nämlich die von Sven Nordqvist, Erfinder von Pettersson und Findus und mehrfacher Preisträger, u. a. des Deutschen Jugendliteraturpreises, erweckte die Figuren mit Stift und Farbe zum Leben. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die Geschwister Holmsten und Vigdis. Beide wohnen mit ihren Eltern Sigurd und Gudrun, den zwei jüngeren Schwestern Thora und Ragnfrid und den Leibeigenen Anje und HinkeRu in einem kleinen Haus in Birka. Der Leser trifft die Familie, als gerade der Winter über die kleine Ostseeinsel hereinbricht. Holmsten und Anje machen sich mit Pferd und Schlitten auf, Holz aus dem Wald zu holen. Sie waren schon auf dem Rückweg, als sie plötzlich von mehreren ausgehungerten Wölfen angegriffen werden. Das Pferd wird stark attackiert, und trotz der schnellen Hilfe von Anje wird auch Holmsten schwer verletzt. Es ist schon Nacht, und sie können nicht weiter. Die Wölfe sind noch längst nicht satt. Glücklicherweise kommt mit der Morgendämmerung auch Hilfe aus dem Dorf. Doch Holmsten geht es schlecht. Er hat hohes Fieber, und niemand weiß, ob er überlebt. Eine heilkundige, etwas furchterregend aussehend Frau wird gerufen, die Holmsten bittere Medizin einflößt. Er fantasiert schon im Fieber, wohl auch wegen der verwegenen Geschichten, die sein Onkel Åke am Feuer nebendran Familie und Freunden erzählt – von Karl dem 136

Großen, Harun al-Rashid und blauen Elefanten. Glücklicherweise wirkt die Medizin, und Holmsten wird wieder gesund. Es passiert noch viel um die zwei Geschwister, bis eines Tages Vigdis ihren allabendlichen Spaziergang macht. Anje begleitet sie, und er ist bewaffnet, denn im Hafen liegen Jüten vor Anker – man muss vorsichtig sein. Diese Sorge war nicht unbegründet, denn die beiden kommen an diesem Abend nicht wieder nach Hause. Holmsten und sein Vater suchen in der Dunkelheit – doch erst am nächsten Tag wird das Ausmaß erkennbar: Anje liegt erschlagen am Ufer, die Axt noch im Nacken und von der Schwester keine Spur. Nachbarn erzählen von Frauenschreien, die sie in der Nacht von einem schnell ablegenden Jütenschiff gehört haben. Vigdis muss entführt worden sein.

Man weiß, dass die Jüten aus Haithabu kamen, einer Stadt an der Küste Jütlands. Viele Schiffstagesreisen entfernt. Aber an eine Verfolgung war in den nun kommenden stürmischen Herbst- und Wintermonaten nicht zu denken. Doch mit den ersten Boten des Frühlings steigen Holmsten, Onkel Åke und weitere Wagemutige in ein kleines Segelschiff und machen sich auf den Weg. Das jugendliche Leserherz darf auf diese Reise nach Haithabu gespannt sein und ebenso auf den zweiten Teil des Buches. Dort stellt Björn Ambrosiani die Lebenswelt der Wikinger: der Menschen aus Nordwegr-Norwegen, aus Svear-Schweden, aus Dänemark,

Gotland und Bornholm im Zeitraum zwischen 800 und 1100 n. Chr. aus historisch-archäologischer Sicht vor. Städte wie Haithabu, das heute zu Deutschland gehört, waren bedeutende Handelsplätze und zählen zu den frühesten Stadtgründungen in Nordeuropa. Dort ließen sich hoch spezialisierte Handwerker wie Bronzegießer, Schmiede, Kamm- und Glasperlenhersteller, Kürschner, Schuhmacher und andere Spezialisten nieder. Auf dem Gebiet des Schiffbaus waren die Nordländer ebenfalls Meister: Schiffsfunde wie das Langboot, ein Ruder- und Segelfahrzeug mit spitzen Steven an beiden Enden, zeigen das. Auf ihren Handelsreisen, aber auch auf den Raubzügen fuhren sie damit in die Welt hinaus: Amerika, Spanien, Istanbul, ans Schwarze Meer und weiter bis nach Bagdad. Auch nach Aachen sind sie gekommen: In den 80er Jahren des 9. Jahrhunderts brannte dort die Kaiserpfalz ab. Der erste urkundlich festgehaltene Überfall geschah im Jahr 793 auf das Kloster Lindisfarne an der Küste Nordenglands. Die Mehrzahl der Leute aus dem Norden jedoch waren Bauern, die auf verstreuten Höfen oder in Dörfern wohnten. Die detailreichen und auch lustigen Zeichnungen, die Abbildungen von Fundstücken aus Ausgrabungen und die guten Erklärungen dazu zeigen das Wikingerleben: das Brotbacken auf Brateisen, den Hausbau und die Veränderungen der Bauweise, die Wikingerzüge und Siedlungsgebiete, was ein Thing ist und wie Recht gesprochen wurde, und auch von Göttern wie Odin, Thor, Freyja oder Frikko wird berichtet, ebenso wie vom Glaubenswechsel zum Christentum. Das alles und noch viel, viel mehr können Kinder ab 8 Jahren in diesem tollen Buch erfahren und erleben. Ina Hofmann Bezugsmöglichkeiten: siehe S. 138

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Münchner Volk Verlag mit dem Bayerischen Kleinverlagspreis ausgezeichnet Am 5. Dezember 2014 zeichnete Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle den Münchner Volk Verlag in einem Festakt im Münchner Literaturhaus für seine verlegerische Arbeit aus. Der Verlag wurde mit dem Bayerischen Kleinverlagspreis geehrt. Das Bayerische Fernsehen berichtete über das Ereignis am 8.  Dezember 2014 in der Abendschau. Aus der Pressemitteilung des Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst: „Der Volk Verlag macht Lust auf Bayern mit einer breitgefächerten Palette von hochwertigen Sachbüchern jenseits der gängigen Bayern-Klischees“, sagte Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle heute bei der Verleihung des Bayerischen Kleinverlagspreises in München. Das Programm des Volk Verlags umfasst mehr als 200 Titel zu München und Bayern in einer breitgefächerten Palette hochwertiger Sachbücher und Bildbände zu Geschichte, Denkmalpflege, Architektur und Brauchtum, auch Hörbücher und Kalender sowie Comics und Kinderbücher. Minister Spaenle: „Der Verleger Michael Volk ist einer, der sich mit unbändiger Energie dem Büchermachen – dem Bücher-über-Bayern-machen – verschrieben hat. Michael Volk spürt das Abseitige auf, das Ungewöhnliche. Er stöbert in den Nischen und fördert Erstaunliches zutage. Mit dem Volk Verlag bekommen wir so den weiten Blick über das große Ganze und wir lernen immer wieder das überraschende Detail kennen. Der Verlag beherrscht

Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle überreicht Michael Volk den Bayerischen Kleinverlagspreis (Foto: Wolfgang Weber)

die Weitwinkel-Perspektive ebenso wie den Zoom.“ „Mit dem Bayerischen Kleinverlagspreis werden bayerische Unternehmen ausgezeichnet, die die Verlagslandschaft im Freistaat mit frischen Ideen und großer Begeisterung für neue Autorinnen und Autoren und Programme beleben. Das trifft auf den Volk Verlag in besonderem Maße zu“, unterstrich der Minister abschließend. Der Preis ist mit 7 500 Euro dotiert und wird in diesem Jahr zum sechsten Mal vom Bayerischen Kunstministerium auf Vorschlag einer Jury vergeben. (PM 449/2014: Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Pressestelle, Henning Gießen, stellv. Pressesprecher) Der Volk Verlag hat auch eine Anzahl der vom BLfD verlegten Publikationen

herausgebracht, die fast alle Publikumsrenner geworden sind. Von den inzwischen bereits neun Bänden der Schriftenreihe des BLfD, die ein Feld zwischen Archäologie und Restaurierungsfragen abdecken, sind bereits einige vergriffen, andere nur noch in Restexemplaren vorhanden. Die vier Bände „Genuss mit Geschichte“ und „Geschichte auf der Spur“, die auch durch Funk und Fernsehen bekannt geworden sind, konnten gar mehrmals nachgedruckt werden. Jüngst kam ein Nachdruck der Vorschläge zum Wiederaufbau der Münchner Altstadt heraus, den der damalige Stadtrat Karl Meitinger 1946 herausgab. Mit der Drucklegung der Denkmaltopographie der Stadt Aschaffenburg hat der Verlag ein ehrgeiziges Projekt in Angriff genommen. Htr

Bezugsmöglichkeiten von vorgestellten Publikationen Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 55. Hrsg. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2014 (in Kommission bei Dr. Rudolf Habelt Verlag GmbH, ISBN: 3-7749-3933-2, 324 S., zahlreiche farbige Abb., € 47) Czysz, Wolfgang: Mittelalterliche Mühlsteinbrüche im bayerischen Inntal,

Friedberg 2014 (Likias Verlag, ISBN: 978-3-9812181-9-0, 128 Seiten, 99 farbige Abb., € 14,80) Drexler, Thomas: Alte Bauernhäuser neu erleben – Umbauen, sanieren, einrichten. München 2014 (Deutsche Verlagsanstalt, ISBN: 978-3-421-03906-4, 152 Seiten, ca. 200 farbige Abb., € 49,99)

Gattinger, Karl / Suhr, Grietje: Landsberg am Lech, Stadt und Landkreis. Denkmäler in Bayern, Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland, Band I.14, zwei Teilbände, Regenburg 2014 (Friedrich Pustet Verlag, ISBN: 978-3-7917-2449-2; 1136 S., über 3500 z. T. farbige Abb., € 69)

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Hubel, Achim / Schuller, Manfred: Der Dom zu Regensburg. Die Kunstdenkmäler von Bayern, Band 7, Textband 2. Hrsg. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege. Mit Beiträgen von Friedrich Fuchs, Markus T. Huber, Peter Knoch, Michael Kühlenthal, Peter Kurmann, Jürgen Michler und Karl Schnieringer, Regensburg 2014 (Friedrich Pustet Verlag, ISBN: 978-3-7917-2334-4, 632 Seiten, über 570 Abb., € 64) Gesamtedition: Die Kunstdenkmäler von Bayern, Band 7: Der Dom zu Regensburg. Textband 1 (2013), Textband 2 (2014), Textband 3

(noch nicht erschienen), Bd. 4: Fotodokumentation (2012, vergriffen), Bd. 5: Tafeln (2010) Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege. Forschungen und Berichte, Band 66/67 für die Jahre 2012/2013. Hrsg. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2015 (Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin/München, ISBN: 978-3-42207282-4, ISSN: 0341-9150, ca. 612 Seiten, Farbtafeln und zahlreiche SW-Abb.) Maier, Eva: Stuckmarmor und Raumgestaltung. Johann Michael

Feichtmayrs Stuckmarmorausstattungen sakraler Innenräume und deren Bedeutung. Inhalte – Projekte – Dokumentationen. Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Nr. 5, München 2012 (Volk Verlag, ISBN: 978-3-86222-105-9, 237 Seiten, zahlreiche Farbabb., € 19,90) Nordqvist, Sven / Wahl, Mats / Ambrosiani, Björn: Die Leute von Birka. So lebten die Wikinger, Hamburg 2002 (Verlag Friedrich Oetinger, ISBN: 3-789-5111-4, 96 S.,€ 14,90)

Hinweise auf Publikationen zu denkmalpflegerischen Fragen Bei der Redaktion eingegangen: Architektur und Kunstgeschichte Huber, Markus T.: Die Westfassade des Regensburger Doms. Konvention und Innovation in einem spätmittelalterlichen Hüttenbetrieb, Regensburg 2014 (Verlag Schnell & Steiner GmbH, ISBN: 978-3-7954-2820-4, 471 S., 360 Sw-Abb. und 16 Farbtafeln, € 49,95) Die vorliegende Publikation zur Westfassade des Regensburger Doms schließt eine Lücke in der bisherigen Forschungsgeschichte. Während der plastische

Schmuck der Westfassade, deren Entstehungsgeschichte sich nahezu über zwei Jahrhunderte erstreckt, eingehend bearbeitet wurde, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit einer umfassenden Untersuchung ihrer architektonischen Einzelformen, um anhand der Entstehungsgeschichte sich den Fragen zum Formen- und Ideentransfer in der Baukunst dieser Epoche zu nähern. Beginnend mit einer ausführlichen Übersicht zum bisherigen Forschungsstand, einer Schilderung der Baugeschichte und Vorstellung der relevanten Baumeister mit einer Kurzbiografie und Daten zu deren wichtigsten Werken, leitet die Arbeit zu einer detaillierten Baubeschreibung über, die als Grundlage der fundierten Analyse und stilgeschichtlichen Einordnung dient. Darüber hinaus beschränkt sich die Untersuchung nicht auf eine Analyse des Regensburger Domes, sondern zeichnet auch die Wechselbeziehungen und gegenseitigen Einflüsse der wichtigsten Kunstzentren des ausgehenden Mittelalters und die Stellung des Regensburger Domes in diesem komplexen System nach. Barocke Kunst und Kultur im Donauraum. Beiträge zum Internationalen Wissenschaftskongress 9.–13. April 2013 in Passau und Linz. Bd. 1 und 2. Hrsg. von Karl Möseneder, Michael Thimann, Adolf Hofstetter, Petersberg 2014 (Michael Imhof Verlag, ISBN: 978-37319-0021-4, € 99)

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Das Rathaus von Aschaffenburg. Ein neu entdecktes Baudenkmal der Fünfziger-Jahre. Fotografien von Walter Vorjohann. Hrsg. von der Stadt Aschaffenburg, Aschaffenburg 2014 (Hirmer Verlag GmbH, ISBN: 978-37774-2354-8, 133 S., € 39,90) Walhalla 2004–2014. Werkbericht zur Restaurierung der Ruhmeshalle Hrsg. vom Staatlichen Bauamt Regensburg, Regensburg 2014 (Verlag Friedrich Pustet, ISBN: 978-37917-2602-1, 160 S., € 19,95)

Architektur der Erholung – Alpenraum und Mittelgebirge. Reihe: Jahrbuch für Hausforschung, Bd. 59. Hrsg. vom Arbeitskreis für Hausforschung, Marburg 2014 (Jonas Verlag, ISBN: 978-3-89445-443-2, 388 S., 30 €) Staffel, Klaus: Das Jurahaus. Ein Bild von einem Haus. Regensburg 2014 (Verlag Friedrich Pustet, ISBN: 978-37917-2635-9, 255 S., € 24,95) Partikel, Helga: Jurahaus. Stille Schönheit im Altmühltal. München 2014 (Volk Verlag, ISBN: 978-3-86222-161-5, 320 S., € 29,90) Der Weismannstadel in Hemau. Hrsg. von Thomas Feuerer, Reihe: Regensburger Beiträge zur Heimatforschung, Bd. 1, Kollersried 2013 (Verlag Th. Feuerer, ISSN (Print): 2197-1218, 72 S., € 11,80)

Ein reich bebilderter Beitrag, in dem mehrere Beispiele von Jurastadel präsentiert werden, führt in die Thematik ein. Ein weiterer Aufsatz stellt die Geschichte und Bedeutung des Blauhornund des Weismannstadels heraus. Im Folgenden widmet sich die Publikation ausführlich der Restaurierung des Weismannstadels. Anschaulich werden in Wort und Bild die verschiedenen Instandsetzungsmaßnahmen dargestellt und alle Arbeitsschritte dokumentiert, von der Holzrestaurierung über die Eindeckung des typischen Kalkplattendaches bis zur Restaurierung des Mauerwerks und jeweils der Zustand vorher und nachher aufgezeigt. Der Band schließt mit einer Würdigung des Weismannstadels im Hinblick auf seine denkmalpflegerische Bedeutung ab.

Sonstiges Sprengard, Christoph/Treml, Sebastian/ Holm, Andreas H.: Technologien und Techniken zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden durch Wärmedämmstoffe. Metastudie Wärmedämmstoffe – Produkte – Anwendungen – Innovationen. Stuttgart 2014 (Fraunhofer IRB Verlag, ISBN: 978-3-8167-9254-3, 283 S., € 35) Krause, Martin/Mayer, Klaus/Ballier, Gregor/Borchardt, Kerstin/ Chinta, Kumar Prashanth/Effner, Ute/ Milmann, Boris/Müller, Sabine/ Nowak, Thomas: Hochgenaue Strukturerkennung von Holzbauteilen mit 3D-Ultraschall. Reihe: Bauforschung für die Praxis, Bd. 109. Stuttgart 2014 (Fraunhofer IRB Verlag, ISBN: 978-38167-9212-3, 101 S., € 30) Bergerhausen, Hans-Wolfgang: Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500–1650. Hrsg. von Ulrich Wagner, Reihe: Fontes Herbipolenses, Würzburg 2014 (Verlag Ferdinand Schöningh, ISBN: 978-3-87717-851-5, 764 S.)

Externe Autoren dieses Hefts Mathias Conrad Sankt-Michael-Straße 30, 92284 Poppenricht Prof. Dr. Wolfgang Czysz Dr.-Wilhelm-Lohmüller-Str. 46, 86316 Friedberg E-Mail: [email protected] Dr. Günther Krahe Hallstattstraße 7 86316 Friedberg Dr. Jakob Leicht Archäologisches Büro Birgit Anzenberger M. A. Bergmannstraße 3, 80339 München E-Mail: [email protected] Rainer Linke St. Ulrichstraße 31, 86343 Königsbrunn E-Mail: [email protected] Siglinde Matysik Arbeitskreis für Vor- und Frühgeschichte Füssener Straße 124, 86343 Königsbrunn E-Mail: [email protected] Dr. Volker Rößner Köslau 37, 97486 Königsberg E-Mail: [email protected] Claudia Rohde M. A. Johann-Schill-Str. 22, 79232 Buchheim Dr. Beatrix Schönewald Leiterin von Stadtarchiv, Stadtmuseum und Wissenschaftlicher Stadtbibliothek Ingolstadt Auf der Schanz 45, 85049 Ingolstadt E-Mail: [email protected] Julia Weidemüller M.A. Geographisches Institut – Abteilung Historische Geographie Meckenheimer Allee 166, 53115 Bonn E-Mail: [email protected] Ariane Weidlich Bezirk Oberbayern, Freilichtmuseum Glentleiten An der Glentleiten 4, 82439 Großweil E-Mail: [email protected]

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