Verfahren zur Optimierung des MSG-Schweißens mit ... - E-LIB Bremen [PDF]

der die Beendigung nicht mehr miterleben durfte. ... zesskenngrößen des Werkstoffübergangs und relevante elektrische Pro

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Verfahren zur Optimierung des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen auf der Basis visueller und elektrischer Informationen

Vom Fachbereich für Physik und Elektrotechnik der Universität Bremen zur Erlangung des akademischen Grades eines

DOKTOR-INGENIEUR (Dr.-Ing.)

genehmigte Dissertation von

Dipl.-Ing. Stefan Nordbruch

aus Stuttgart

Gutachter: Zweitgutachter: Prüfer: Promotionskolloquium:

Prof. Dr.-Ing. A. Gräser Prof. Dr.-Ing. habil G. Thiele Prof. Dr.-Ing. D. Popovic Prof. Dr.-Ing. W. Anheier 27. Januar 2005

Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Automatisierungstechnik an der Universität Bremen und am Friedrich-Wilhelm-BesselInstitut Forschungsgesellschaft m.b.H. Ich danke Herrn Prof. Dr.-Ing. Axel Gräser, der es mir ermöglichte, meine wissenschaftliche Arbeit auf einem interessanten Gebiet auszuüben und mir den Freiraum gab, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Weiter möchte ich meiner Prüfungskommission danken, zu nennen sind Herr Prof. Dr.-Ing. habil. Georg Thiele als zweiter Gutachter, sowie Herr Prof. Dr.-Ing. Dobrivoje Popovic und Herr Prof. Dr.-Ing. Walter Anheier als Prüfer. Meinen ehemaligen Kollegen danke ich für die Diskussionen, die Unterstützungen und die gute Zusammenarbeit. Zu nennen sind im speziellen Dr.-Ing. Christian Martens, Dipl.-Ing. Ulrich Krebs, Dipl.-Ing. Erwin Wendland und Dipl.-Ing. Lothar Renner. Ein besonderer Dank gilt Dr.-Ing. Petra Tschirner, die mit Ihren wertvollen Anregungen und Beiträgen sowie der Durchsicht des Manuskripts zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Ebenso danke ich allen Studenten, die durch Ihre Studien- und Diplomarbeiten einen Beitrag zu dieser Arbeit geleistet haben. Des Weiteren bedanke ich mich bei der Firma EWM HIGHTEC WELDING GmbH und den Herren Prof. Dr.-Ing. Heinrich Hantsch und Dipl.-Ing. Hanno Riemer für die gute Zusammenarbeit innerhalb der Kooperationsprojekte. Zuletzt gilt mein ganz spezieller Dank meinen Eltern, meiner Schwester und meiner Freundin Yvonne, die mich während dieser Arbeit stets unterstützt und motiviert haben. Ohne Ihr Verständnis wäre die Verwirklichung dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Stefan Nordbruch

Diese Arbeit ist meinem Vater gewidmet, der die Beendigung nicht mehr miterleben durfte.

Kurzfassung Die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs und die Aufzeichnung der elektrischen Schweißsignale sind beim Metall-Schutzgasschweißen mit Impulslichtbogen von besonderer Bedeutung. Die Methoden werden in allen Phasen der Forschung, Entwicklung und Anwendung eingesetzt. Für die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs werden in der Regel Hochgeschwindigkeitskameras mit einer zusätzlichen Beleuchtung eingesetzt, die für viele Anwendungen eine Reihe von Nachteilen aufweisen. Für eine automatische Auswertung von visuellen und elektrischen Informationen existieren keine Verfahren. In der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung eines Konzeptes und dessen Umsetzung für eine prozessbegleitende visuelle Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs beim MSGSchweißen mit Impulslichtbogen in Kombination mit einer synchronisierten Aufzeichnung der zeitlichen Verläufe relevanter elektrischer Schweißparameter beschrieben. Des Weiteren beinhaltet das Konzept die Auswertung der aufgezeichneten Informationen in Bezug auf relevante visuelle Prozesskenngrößen des Werkstoffübergangs und relevante elektrische Prozesskenngrößen der elektrischen Schweißparameter. Ziel des Konzeptes ist eine Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation des Schweißprozesses. Im Einzelnen werden folgende Aufgaben in der Arbeit behandelt: • Die Entwicklung eines Konzeptes zur visuellen Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs in Kombination mit einer synchronisierten Aufzeichnung von zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter. • Die Untersuchung der hoch dynamischen CMOS-Kameratechnologie anhand von verschiedenen CMOS-Kameras in Bezug auf deren Eignung zur visuellen Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs. Die Untersuchung berücksichtigt neben der Helligkeitsdynamik des Lichtbogens vor allem die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Werkstoffübergangstropfens. Zur besseren Beurteilung der Eigenschaften der CMOS-Technologie sind diese mit den Eigenschaften der CCD-Technologie anhand einer CCD-Kamera verglichen worden. • Die Entwicklung von Verfahren zur automatisierten Ermittlung von Prozesskenngrößen aus den zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter. • Die Entwicklung von Verfahren zur automatisierten Ermittlung von Prozesskenngrößen aus den visuellen Informationen des Werkstoffübergangs. • Die Entwicklung von Verfahren zur Aufbereitung und Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen. • Die Untersuchung der entwickelten Teilverfahren und des gesamten Sensorsystems auf deren Eignung für eine in späteren Arbeiten anzustrebende Regelung des Schweißprozesses auf der Basis der visuellen und elektrischen Prozesskenngrößen.

Abstract The visual observation of the metal transfer and the recording of electrical parameters of the pulsed gas metal arc welding are very important. These methods are used in all phases of research, development and application. Normally, high speed cameras in combination with an additionally lighting unit were used for the visual observation of the metal transfer. However, these systems have some disadvantages for many applications. Furthermore, no methods exist for the analysis of the recorded visual and electrical data. In this work the development and conversion of a concept for the visual online observation of all states of the metal transfer in combination with the simultanious and synchronized measurement of relevant electrical welding process signals (current, voltage, etc.) is described. Additionally, the concept contains the automatic analysis of the recorded data refering to relevant visual parameters of the metal transfer and relevant parameters of the electrical welding process signals. Aim of the concept is the inspection, analysis, optimisation and documentation of the welding process. In detail, this work focuses on the following tasks: • The development of a concept for the visual observation of all states of the metal transfer in combination with the simultanious and synchronized measurement of relevant electrical welding process signals. • The analysis of the high dynamic CMOS technology based on the applicability of differrent CMOS cameras for visual observation of the metal transfer. Important points of the analysis were the brightness dynamic of the arc, the velocity and the acceleration of the metal transfer drops. For a better evaluation of the characteristic and results of the CMOS technology, it has ben compared with the CCD technology (on the basis of a CCD camera). • The development of methods for the automatic calculation of characteristic parameters out of the measured electrical welding signals. • The development of methods for the automatic extraction of visual parameters out of the recorded metal transfer images. • The development of methods for the automatic preparation and analysis of the caluculated visual and electrical parameters. • The analysis of the developed methods and the entire sensor systems on their ability for a control of the process using the visual and electrical parameters as basis for future works.

I

Inhaltsverzeichnis 1 Motivation, Einleitung und Gliederung ...................................................................................1 1.1 Motivation....................................................................................................................................1 1.2 Einleitung.....................................................................................................................................1 1.3 Gliederung....................................................................................................................................2 2 Metall-Schutzgasschweißen .......................................................................................................3 2.1 Einordnung...................................................................................................................................3 2.2 Verfahrensprinzip ........................................................................................................................3 2.3 Lichtbogen ...................................................................................................................................4 2.4 Werkstoffübergang ......................................................................................................................5 2.5 Verfahrensvarianten.....................................................................................................................7 2.5.1 Unterscheidungsarten................................................................................................................7 2.5.2 Impuls- und Kurzlichtbogen .....................................................................................................8 2.5.2.1 Impulslichtbogen ....................................................................................................................8 2.5.2.2 Kurzlichtbogen .....................................................................................................................11 2.6 Relevante Parameter und Einflussgrößen ..................................................................................12 2.7 Fehler und deren Ursachen ........................................................................................................13 3 Stand der Technik und Problemanalyse ................................................................................15 3.1 Visuelle Beobachtung des MSG-Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs...................................................................................................................15 3.2 Anwendung der visuellen Beobachtung und der Aufnahme von elektrischen Schweißsignalen ........................................................................................................................18 3.3 Zusammenfassung und Analyse des Stands der Technik ..........................................................22 4 Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen .........................................................................25 5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation .........................................................................................................................27 5.1 Einleitung und Ziel ....................................................................................................................27 5.2 Optimale Aufnahmefrequenz für die visuelle Beobachtung......................................................27 5.3 Synchronisation der visuellen Beobachtung..............................................................................29 5.4 Prozesskenngrößen ....................................................................................................................31 5.5 Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen .......................................................................32 5.6 Zusammenfassung des Konzeptes .............................................................................................33 5.7 Übertragbarkeit des Konzeptes auf das MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen.........................34 6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen ...........................................................37 6.1 Einleitung, Ziel und Rahmenbedingungen ................................................................................37 6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung ......................................................................................................................37 6.2.1 Ziele.........................................................................................................................................37 6.2.2 Verfahrensprinzip....................................................................................................................38 6.2.3 Erzeugung des Steigungsmodells............................................................................................39 6.2.4 Bestimmung der Prozessvariante ............................................................................................42 6.2.5 Bestimmung der charakteristischen Punkte ............................................................................43 6.2.6 Berechnung der Prozesskenngrößen .......................................................................................45 6.2.7 Gesamtverfahren und Beispiele ..............................................................................................47 6.3 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen von gleichmäßigen (nicht periodischen) Signalen...............................................................................................................50 6.3.1 Ziele.........................................................................................................................................50 6.3.2 Prozesskenngrößenermittlung .................................................................................................51 6.3.3 Beispiel....................................................................................................................................53

II

7

Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSGWerkstoffübergangs .................................................................................................................54 7.1 Einleitung, Rahmenbedingungen und Ziel ................................................................................54 7.2 CCD-Technologie ......................................................................................................................54 7.2.1 Grundlagen, Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen .......................................54 7.2.2 CCD-Kamera: PULNiX TM-9700..........................................................................................59 7.2.2.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen ..................................................................59 7.2.2.2 Sensorarchitektur und Auslesevorgang ................................................................................60 7.2.2.3 Untersuchung der Abhängigkeiten von Shutterzeiten, Tropfenfluggeschwindigkeiten und der Abbildung des Tropfens auf dem Sensor..............60 7.2.2.4 Praktische Verifikation und Bewertung ...............................................................................62 7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie .....................................................................................67 7.3.1 Grundlagen, Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen .......................................67 7.3.2 CMOS-Kamera: LOGLUX®-HDRC® ....................................................................................73 7.3.2.1 Funktionsweise, Eigenschaften und Spezifikationen ...........................................................73 7.3.2.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen................................................................73 7.3.2.1.2 Dynamik und Ausgangskennlinie......................................................................................74 7.3.2.1.3 Auslesen des Sensors.........................................................................................................75 7.3.2.2 Untersuchung und Verifikationen der theoretischen Eigenschaften, Entwicklung eines Kameraeinstellungsverfahrens und Bewertung ..........................................................81 7.3.2.2.1 Allgemeine Erprobung ......................................................................................................81 7.3.2.2.2 Verfahren zur optimalen Anpassung der Kennlinie ..........................................................84 7.3.2.2.2.1 Einleitung, Rahmenbedingungen und Ziel .....................................................................85 7.3.2.2.2.2 Zusammenhänge zwischen den Kameraparametern und dem Grauwerthistogramm ......................................................................................................86 7.3.2.2.2.3 Schätzungsverfahren.......................................................................................................88 7.3.2.2.2.4 Randproblematik bei sehr dunklen und überstrahlten Aufnahmen ................................89 7.3.2.2.2.5 Beispiel für Schätzverfahren ..........................................................................................91 7.3.2.2.3 Praktische Untersuchung der Auswirkungen des klassischen Ausleseprinzips bzw. des Pixelshutters .......................................................................................................93 7.3.2.2.4 Bewertung..........................................................................................................................99 7.3.3 CMOS-Kamera: Falldorf-FUGA1000 ....................................................................................99 7.3.3.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen ................................................................100 7.3.3.2 Ausgangskennlinie .............................................................................................................101 7.3.3.3 Auslesen des Sensors .........................................................................................................101 7.3.3.4 Praktische Erprobung und Bewertung................................................................................103 7.3.4 CMOS-Kamera: Photonfocus MV-D1024k..........................................................................103 7.3.4.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen ................................................................103 7.3.4.2 LINLOGTM-Verfahren .......................................................................................................105 7.3.4.3 Sensorarchitektur für den globalen Shutter ........................................................................106 7.3.4.4 Untersuchung der Abhängigkeiten von Shutterzeiten, Tropfenfluggeschwindigkeiten und der Abbildung des Tropfens......................................106 7.3.4.5 Praktische Verifikation der theoretischen Eigenschaften und Bewertung .........................107 7.3.5 CMOS-Hochgeschwindigkeitskameras: Weinberger SPEEDCAM Visario und Redlake MotionPro ...............................................................................................................109 7.3.5.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen ................................................................109 7.3.5.2 Untersuchung der Abhängigkeiten von Shutterzeiten, Tropfenfluggeschwindigkeiten und der Abbildung des Tropfens......................................111 7.3.5.3 Beispielaufnahmen und Bewertung ...................................................................................112 7.4 Zusammenfassung, Bewertung und Fazit ................................................................................115 8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen.....................................................119 8.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziele..................................................................119 8.2 Automatische Ermittlung des Abbildungsmaßstabes ..............................................................120

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8.2.1 Grundlagen, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ....................................................120 8.2.2 Verfahren zur automatischen Ermittlung des Abbildungsmaßstabes ...................................123 8.2.2.1 Prinzip und Ansatz des Verfahrens ....................................................................................123 8.2.2.2 Aufgabenspezifische Schwellwertberechnung...................................................................124 8.2.2.3 Bereichsermittlung für eine Vermessung der Drahtelektrode............................................129 8.2.2.4 Ermittlung des Drahtelektrodendurchmessers und Berechnung des Abbildungsmaßstabes.........................................................................................................132 8.2.3 Zusammenfassung, Beispiele, Beurteilung und Fazit ...........................................................134 8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen......................................................................................................................135 8.3.1 Ziele, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ...............................................................135 8.3.2 Bildvorverarbeitung ..............................................................................................................136 8.3.2.1 HDRC®-Kameraaufnahmen ...............................................................................................136 8.3.2.1.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel ...........................................................137 8.3.2.1.2 Adaptive Kontrastverstärkung.........................................................................................137 8.3.2.1.2.1 Integrierte Verfahren ....................................................................................................138 8.3.2.1.2.2 Kontrastverstärkung mithilfe des Verfahrens von [Neyc93]........................................142 8.3.2.1.2.3 Erweiterung des Verfahrens von [Neyc93] ..................................................................143 8.3.2.1.2.4 Ablauf und Demonstration des Verfahrens ..................................................................149 8.3.2.1.3 Kompensation örtlich variierender Beleuchtungseinflüsse und Sensorempfindlichkeiten .................................................................................................149 8.3.2.2 CCD-Kameraaufnahmen ....................................................................................................152 8.3.2.2.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel ...........................................................153 8.3.2.2.2 Kantenbasierte Vorverarbeitung......................................................................................153 8.3.3 Segmentierung.......................................................................................................................155 8.3.3.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel ..............................................................155 8.3.3.2 HDRC®-Kameraaufnahmen ...............................................................................................156 8.3.3.2.1 Ausgangslage...................................................................................................................156 8.3.3.2.2 Anisotropie-Koeffizienten-Verfahren .............................................................................156 8.3.3.2.3 Beispiel ............................................................................................................................157 8.3.3.3 CCD-Kameraaufnahmen ....................................................................................................157 8.3.3.3.1 Ausgangslage...................................................................................................................157 8.3.3.3.2 „Ende der fallenden Flanke“-Verfahren..........................................................................158 8.3.3.3.3 Beispiel ............................................................................................................................158 8.3.4 Merkmalsextraktion ..............................................................................................................160 8.3.4.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel ..............................................................160 8.3.4.2 Objektdetektion ..................................................................................................................160 8.3.4.3 Ermittlung von Merkmalen ................................................................................................161 8.3.4.3.1 2D-Merkmale ..................................................................................................................162 8.3.4.3.2 3D-Merkmale ..................................................................................................................165 8.3.4.3.2.1 Modellierungsansatz.....................................................................................................165 8.3.4.3.2.2 Volumen .......................................................................................................................167 8.3.4.3.2.3 Oberfläche ....................................................................................................................171 8.3.4.4 Beispiele für die Merkmalsextraktion ................................................................................174 8.3.5 Klassifikation ........................................................................................................................176 8.3.5.1 Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel ..............................................................176 8.3.5.2 Numerisch basierte Klassifikation .....................................................................................177 8.3.5.2.1 Maximum-Likelihood-Klassifikator mit Mahalanobis-Distanz ......................................177 8.3.5.2.2 Verfahren zur Auswahl von Merkmalen für die Klassifikation ......................................181 8.3.5.2.3 Praktische Umsetzung der Merkmalsauswahl und der Klassifikation ............................181 8.3.5.2.3.1 Umsetzung mit festdimensioniertem und lernenden Ansatz ........................................181 8.3.5.2.3.2 Umsetzung mit einem mehrstufigen Ansatz.................................................................184 8.3.5.2.3.3 Softwaretechnische Umsetzungen ................................................................................185

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8.3.5.2.4 Fazit und Bewertung........................................................................................................185 8.3.5.3 Fuzzy-Logik basierte Klassifikation ..................................................................................186 8.3.5.3.1 Verfahren zur Klassifikation ...........................................................................................186 8.3.5.3.1.1 Entwurf der Zugehörigkeitsterme, Regeln, usw. ..........................................................187 8.3.5.3.1.2 Softwaretechnische Umsetzung....................................................................................189 8.3.5.3.1.3 Ergebnisse, Bewertung und Fazit .................................................................................190 8.3.5.4 Vergleich und Bewertung der Ansätze...............................................................................190 8.3.6 Zusammenfassung, Spezifikationen, Beurteilung und Fazit.................................................190 9 Statistische Auswertung und Prozesskontrolle....................................................................196 9.1 Einleitung, Ziele und Rahmenbedingungen.............................................................................196 9.2 Statistische Auswertung...........................................................................................................196 9.2.1 Kennzahlen............................................................................................................................196 9.2.2 Beispiel..................................................................................................................................197 9.3 Statistische Prozesskontrolle....................................................................................................198 9.3.1 Kontrollkarten .......................................................................................................................198 9.3.1.1 Einleitung ...........................................................................................................................198 9.3.1.2 Karten .................................................................................................................................199 9.3.2 Prozessfähigkeit ....................................................................................................................203 9.3.3 Beispiel..................................................................................................................................205 10 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick................................................................................210 11 Anhang ....................................................................................................................................216 11.1 Grundlagen und Begrifflichkeiten der Radiometrie, Photometrie, Sensorik und Bildverarbeitung ......................................................................................................................216 11.2 Einführung in die Bildverarbeitung .........................................................................................219 11.2.1 Bildvorverarbeitung ..............................................................................................................220 11.2.2 Segmentierung.......................................................................................................................221 11.2.3 Merkmalsextraktion ..............................................................................................................222 11.2.3.1 Einleitung ...........................................................................................................................222 11.2.3.2 Global verwendete Verfahren der Merkmalsextraktion.....................................................223 11.2.4 Klassifikation ........................................................................................................................224 11.2.4.1 Einleitung ...........................................................................................................................224 11.2.4.2 Einführung in die Fuzzy-Logik (basierte Klassifikation)...................................................225 12 Literaturverzeichnis ...............................................................................................................232 12.1 Quellen und Verweise..............................................................................................................232 12.2 Veröffentlichungen ..................................................................................................................240

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1 Motivation, Einleitung und Gliederung 1.1 Motivation Das Schweißen ist das im Handwerk und in der industriellen Fertigung am häufigsten angewandte Fügeverfahren. Trotz der weit verbreiteten Anwendung stellt sich das Schweißen mit zum Teil erheblichen Wissensdefiziten dar [Baes97]. Die amerikanische Industrie und der amerikanische Schweißverband bezeichneten das Schweißen auf einem Strategieworkshop im Jahr 2001 als ein empirisch basiertes Verfahren [Ener01]. Gründe für die Wissensdefizite und Einschätzungen sind unter anderem die Komplexität des Schweißens, die hohe Anzahl unterschiedlicher Schweißverfahren und die Vielfältigkeit von Prozess- und Störgrößen. Zum Verständnis aller Zusammenhänge sind umfangreiche Kenntnisse aus den Fachgebieten Physik, Chemie, Metallurgie, Thermodynamik, Elektrotechnik, Mechanik und Verfahrenstechnik notwendig. Für eine Verminderung der Wissensdefizite wurden eine Vielzahl von Zielen, Strategien und Lösungsansätzen erarbeitet und vorgestellt (siehe z. B. [Cull98] und [Ener01]). Eines der wichtigen Themen ist die Entwicklung von neuen Verfahren und Systemen • zur Steigerung des Verständnisses der verschiedenen Schweißverfahren (z. B. durch verbesserte oder neue Beobachtungsmöglichkeiten), • zur Vereinfachung der verschiedenen Schweißverfahren (z. B. durch Unterstützung bei der Einstellung von Prozessparametern) und • zur Inspektion, Überwachung, Regelung und Dokumentation.

1.2 Einleitung Eines der am häufigsten verwendeten Schweißverfahren ist das Metall-Schutzgasschweißen (MSGSchweißen) mit seinen verschiedenen Verfahrensvarianten. Gründe hierfür sind unter anderem, dass das Verfahren sowohl manuell als auch in unterschiedlichen Automatisierungsgraden eingesetzt werden kann, eine große Flexibilität aufweist und aufgrund von automatisch zugeführten Zusatzstoffen über eine hohe Schweißdauer verfügt. Das zentrale Phänomen des Metall-Schutzgasschweißens ist der Werkstoffübergang, d. h. die Überführung eines Zusatzstoffes innerhalb des Lichtbogens in das werkstückseitige Schweißbad. Für das menschliche Auge ist der Werkstoffübergang aufgrund der extremen Helligkeit des Lichtbogens und der Geschwindigkeit des Vorgangs nicht sichtbar. Der Werkstoffübergang wird durch eine Vielzahl von elektrischen Schweißparametern beeinflusst. Die wechselseitige Beziehung der Parameter bestimmt in einem hohen Maß die resultierende Fertigungsqualität. Die vorliegende Arbeit leistet für das MSG-Schweißen einen Beitrag zur Vereinfachung der Prozessanalyse, -optimierung und -dokumentation. Für die Verfahrensvariante Impulslichtbogen werden Methoden und Verfahren zur visuellen Beobachtung des Werkstoffübergangs, zur Ermittlung von visuellen und elektrischen Prozesskenngrößen sowie deren statistische Aufbereitung entwickelt und vorgestellt. Im Einzelnen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit den Themen: • Entwicklung eines Konzeptes zur visuellen Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs in Kombination mit einer synchronisierten Aufzeichnung von zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter und einer Auswertung der aufgezeichneten Daten • Untersuchung von Kameratechnologien und -systemen in Bezug auf deren Eignung für die visuelle Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs • Entwicklung von Verfahren zur automatisierten Ermittlung von Prozesskenngrößen aus zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter • Entwicklung von Verfahren zur automatisierten Ermittlung von Prozesskenngrößen aus visuellen Informationen der Lichtbogenzone und im speziellen des Werkstoffübergangs

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1 Motivation, Einleitung und Gliederung



Entwicklung von Verfahren zur statistischen Aufbereitung und Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen

1.3 Gliederung In Kapitel 2 wird eine Einführung in das MSG-Schweißen gegeben. Neben einer allgemeinen Darstellung des Verfahrens werden der Lichtbogen, der Werkstoffübergang, die verschiedenen Verfahrensvarianten und einige grundlegende Fehler des Fertigungsprozesses beschrieben. Der Stand der Technik und die vorhandenen Probleme des MSG-Schweißens in Bezug auf die vorliegende Arbeit werden in Kapitel 3 erläutert und analysiert. Basierend auf dieser Analyse werden in Kapitel 4 die konkrete Aufgabenstellung der Arbeit, deren Rahmenbedingungen und eine Abgrenzung zum Stand der Technik beschrieben. In Kapitel 5 werden die Ansatzpunkte, das Prinzip und der Ablauf einer neuen Methode für eine kombinierte und synchronisierte Erfassung von visuellen Informationen des Werkstoffübergangs und relevanten elektrischen Schweißparametern sowie für eine Auswertung der aufgezeichneten Informationen vorgestellt. Die detaillierte Beschreibung der Verfahren zur automatisierten Ermittlung von Prozesskenngrößen aus zeitlichen Verläufen der relevanten elektrischen Schweißparameter stellt Kapitel 6 vor. In Kapitel 7 wird untersucht, inwieweit aktuelle Kameratechnologien und -systeme für die visuelle Beobachtung und Aufzeichnung der Vorgänge innerhalb der Lichtbogenzone und im speziellen des Werkstoffübergangs geeignet sind. Die relevanten Eigenschaften verschiedener Charge-CoupledDevice- und hoch dynamischer Complementary-Metal-Oxide-Semiconductor-Kameras, sowie deren zugrunde liegenden Technologien, werden vorgestellt, analysiert, am Schweißprozess verifiziert und bewertet. Die konkrete Entwicklung von verschiedenen Verfahren zur Ermittlung von Prozesskenngrößen aus visuellen Informationen der Lichtbogenzone und des Werkstoffübergangs beschreibt Kapitel 8. Verfahren zur statistischen Aufbereitung und Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen stellt Kapitel 9 vor. Abschließend folgt in Kapitel 10 eine Zusammenfassung und Bewertung der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen, entwickelten Verfahren und erzielten Ergebnisse.

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2 Metall-Schutzgasschweißen Das Kapitel gibt eine Einleitung in das Metall-Schutzgasschweißen (MSG-Schweißen, engl.: gas metal arc welding, GMAW). Die Einführung beinhaltet eine Einordnung des Verfahrens innerhalb der Schweißtechnik sowie Beschreibungen des Verfahrensprinzips, des Lichtbogens, des Werkstoffübergangs und der verschiedenen Verfahrensvarianten. Zusätzlich werden einige grundlegende Fehler des Fertigungsprozesses sowie deren Ursachen vorgestellt. Aufgrund der Komplexität des MSG-Schweißverfahrens ist die Einführung auf die Anforderungen dieser Arbeit begrenzt. Für detailliertere Beschreibungen sei unter anderem auf [OBri91], [Fahr94], [Dilt94], [Kill91], [Sche85] und [Corn88] sowie für die speziellen Themen der Unterkapitel auf die dort aufgeführten Literaturquellen verwiesen.

2.1 Einordnung Das Lichtbogenschweißen wurde 1885 erfunden und beinhaltet eine Reihe von unterschiedlichen Schweißverfahren. Eines der heute industriell bedeutendsten Lichtbogenschweißverfahren ist das um 1950 erfundene MSG-Schweißen. Die Eingliederung des Lichtbogenschweißens und des MSGSchweißverfahrens innerhalb der Schweißtechnik zeigt Bild 2.1.

Bild 2.1: Einordnung des Metall-Schutzgasschweißens [DIN1910]

2.2 Verfahrensprinzip Beim MSG-Schweißen brennt ein Lichtbogen zwischen dem Werkstück und einer abschmelzenden massiven Drahtelektrode. Das Werkstück und das Drahtelektrodenende werden aufgrund der Wärmeentwicklung des Lichtbogens angeschmolzen. Durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Kräfte wird ein Metalltropfen von der Drahtelektrode abgelöst und in das werkstückseitige Schweißbad überführt. Die Drahtelektrode wird hierbei dem Schweißprozess mithilfe einer Fördereinrichtung kontinuierlich zugeführt. Zur Vermeidung von unerwünschten chemischen Reaktionen zwischen dem Schweißprozess und der umgebenden Atmosphäre wird ein Schutzgas verwendet. Dieses Schutzgas strömt aus einer die Drahtelektrode konzentrisch umgebenden Düse aus und schützt das Schweißbad, die Drahtelektrode und den Lichtbogen vor der Atmosphäre. Bild 2.2 verdeutlicht den Aufbau und das Prinzip des MSG-Schweißverfahrens.

4

2 Metall-Schutzgasschweißen

Bild 2.2: Aufbau und Prinzip des Metall-Schutzgasschweißens [DIN1910]

2.3 Lichtbogen Der Lichtbogen ist für das MSG-Schweißen von besonderer Bedeutung. Das Entstehungs- und Funktionsprinzip sowie einige optische Eigenschaften (Strahlung, Intensitäten, usw.) werden im Folgenden beschrieben.

Entstehungs- und Funktionsprinzip Der Lichtbogen ist eine Bogenentladung zwischen dem Werkstück und der Drahtelektrode in einem Gas durch Ionisation der Gasmoleküle. In der Regel ist die atmosphärische Luft ein schlechter Leiter für den elektrischen Strom. Ist der Abstand zwischen dem Werkstück und der Drahtelektrode jedoch klein und die angelegte Spannung hoch, so kann es zu einer Gasentladung, d. h. der Bildung eines Lichtbogens kommen.

Bild 2.3: Ladungstransport innerhalb des Lichtbogens

In dem sich zwischen Werkstück und Drahtelektrode aufbauenden elektrischen Feld werden elektrisch geladene Teilchen (Elektronen) auf den gegennamigen Pol beschleunigt. Auf dem Weg zur Anode treffen die Elektronen mit hoher Energie auf Gasmoleküle, die durch den Zusammenstoß in ihre Atome zerlegt werden. Die positiven Ionen bewegen sich zur Kathode, die negativ geladenen Ionen und die aus der Atomhülle herausgelösten Elektronen entsprechend zur Anode. Auf dem Weg zur Anode können die Elektronen durch weitere Stoßvorgänge wieder Gasmoleküle ionisieren. Ein durch diesen Vorgang zum elektrischen Leiter gewordenes Gas wird auch als Plasma bezeichnet. Wie im Bild 2.3 dargestellt, wird im so gebildeten Lichtbogen in beiden Richtungen Ladung transportiert. Dieser Vorgang, auch Stoßionisation genannt, ist in erster Linie für die Lichtbogenbildung von Bedeutung. Für die Lichtbogenerhaltung sind im Wesentlichen die Feld- und die Glühemission verantwortlich. Unter der Feldemission wird der Austritt von Elektronen aus Metallen aufgrund eines anliegenden Feldes verstanden. Beim Anlegen des elektrischen Feldes werden die Elektronen in Richtung der Anode beschleunigt, wodurch aus dem Metall neue Elektronen austreten können. Die Glühemission ist der Austritt von Elektronen aus der Oberfläche aufgrund von zugeführter thermischer Energie.

2.4 Werkstoffübergang

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Strahlung, Spektrum und Intensitäten Die Ionisation der Gasmoleküle bewirkt eine elektromagnetische Strahlung mit einem speziellen Spektrum. Kennzeichen eines solchen Spektrums ist, dass einem kontinuierlichen Spektrum ein Linienspektrum überlagert ist. Bild 2.4 stellt diese Eigenschaft an einem Beispiel dar. Je nach Schweißprozess, Schweißgeräteinstellungen und Materialien ändern sich die Strahlung und das Spektrum.

Bild 2.4: Beispiel eines Lichtbogenspektrums [Schi01]

Ein Teil der Strahlung befindet sich im für den Menschen sichtbaren Bereich. Die aus den Spektren resultierenden Intensitäten bzw. Helligkeiten, d. h. die vom menschlichen Auge wahrgenommenen Farbwerte, können beim Schweißen bis zu 106 Abstufungen aufweisen [Graf95].

2.4 Werkstoffübergang Der Werkstoffübergang im Lichtbogen ist ein komplexer Prozess und wird durch eine Vielzahl von Mechanismen und Parametern beeinflusst. Durch die Wärmeentwicklung des Lichtbogens wird sowohl das Werkstück als auch das Drahtelektrodenende verflüssigt. Ausgelöst durch ein Zusammenspiel verschiedener Kräfte wird ein flüssiger Metalltropfen von der Drahtelektrode abgelöst und in das werkstückseitige Schweißbad überführt. Die Art und Form, wie der Tropfen von der Drahtelektrode in das Schweißbad übergeht, kann dabei je nach Verfahrensvariante unterschiedlich sein.

Kräfte beim Werkstoffübergang Der Werkstoffübergang wird von Kräften beeinflusst, welche die Tropfenablösung fördern, als auch von solchen, die die Ablösung erschweren. In der Literatur, wie zum Beispiel in [Fahr94], [Eich89], [Kill91], [Sche85] und [Corn88], werden folgende Kräfte genannt: • Gravitationskräfte • Oberflächenkräfte flüssiger Schmelzen • Elektromagnetische Kräfte • Plasmaströmungen der Gase und des Metalldampfs • Gas- und Dampferuptionen durch in der Schmelze ablaufende chemische Reaktionen oder Verdampfungen bei Überhitzung der Schmelze • Externe magnetische Zusatzkräfte • Externe mechanische Zusatzkräfte Die Gravitation zieht den Tropfen beim Schweißen in waagerechter und senkrechter Schweißposition nach unten. Ist das Gewicht des Tropfens auf einen kritischen Wert angestiegen, so wird dieser gegen die Wirkung der Oberflächenspannung von der Drahtelektrode abgelöst. Die Gravitation ist bei einigen Schweißprozessen von großer Bedeutung, aber nicht alleinige Übergangskraft, da sonst kein Überkopfschweißen möglich wäre. Die Viskosität und die Oberflächenspannung eines schmelzflüssigen Tropfens wirken der Ablösung entgegen und sind abhängig vom verwendeten Metall. Beide nehmen zum Beispiel mit zunehmender Temperatur ab, sodass sich feinere Tropfen bilden können.

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2 Metall-Schutzgasschweißen

Elektromagnetische Kräfte wirken auf jeden stromdurchflossenen Leiter. Die Wirkungslinie dieser nach dem Physiker Lorenz benannten Lorenzkraft steht jeweils senkrecht zum Eigenmagnetfeld und gleichzeitig senkrecht zur jeweiligen Stromflussrichtung. Bild 2.6 stellt diesen Zusammenhang schematisch dar. Die Lorenzkraft versucht, den elektrischen Leiter radial einzuschnüren. Dieses ist in der Schweißtechnik als Pincheffekt (engl. to pinch = drücken) bekannt. Die Pinchkraft wirkt selbstverstärkend, indem sie weiter wächst, wenn sich durch beginnende Einschnürung der stromführende Leiterquerschnitt verkleinert. Mit zunehmender Einschnürung entsteht eine axiale Kraftkomponente, die den ablösenden Tropfen in Richtung Schmelzbad beschleunigt.

Bild 2.5: Kräfte beim Werkstoffübergang in schematischer Darstellung [Kill91]

Durch den Pincheffekt entsteht am Drahtelektrodenende eine wesentlich größere Stromdichte als im werkstückseitigen Schmelzbad. Folge davon ist eine Kompression des Eigenmagnetfeldes am Drahtelektrodenende und damit eine größere radiale Kraftwirkung des Magnetfeldes. Diese führt über die gesamte Länge des Lichtbogens zu einer ungleichmäßigen Verteilung des Druckes und damit zu einer Strömung des Plasmas mit hoher Geschwindigkeit. Die entstehende Sogwirkung der Strömung unterstützt die Ablösung des Tropfens und ermöglicht unter anderem einen Werkstoffübergang gegen die Gravitation.

Bild 2.6: Pincheffekt und dessen Kräfte auf die Drahtelektrode [Kill91]

Die Ablösung des Tropfens von der Drahtelektrode und seine Beschleunigung in Richtung Werkstück werden zudem durch expandierende Gase unterstützt. Ein Tropfen, der sich im Lichtbogen bildet, nimmt mit steigender Temperatur in Abhängigkeit von seiner Löslichkeit große Mengen von Gasen auf. Bei sinkender Temperatur werden diese Gase wieder ausgeschieden. Beim Schweißen führt dies zu einer explosionsartigen Ausscheidung der Gase unterhalb der Drahtelektrodenspitze und damit zur Ablösung und unter Umständen zur Zerstäubung des Tropfens. Bild 2.5 zeigt noch zwei weitere Kräfte, die den Werkstoffübergang beeinflussen. Zum einen übt der Lichtbogen selbst statische Kräfte aus, die den Tropfen anheben. Zusätzlich kann es, wenn der Lichtbogen punktförmig am Tropfen ansetzt, zu einer starken Überhitzung und einer resultierenden Verdampfung des Metalls führen. Der austretende Dampfstrahl wirkt wie eine Rückstoßkraft und kann den Tropfen anheben, an der Ablösung hindern oder seitlich wegschleudern. Zudem treten noch mechanische Kräfte auf, die die Tropfenablösung beeinflussen. Diese resultieren entweder aus Schwingungen des Brennervorschubsystems oder können durch ein periodisches Anschmelzen der Drahtelektrode am Kontaktrohr entstehen. Die Kräftebilanz ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, wie Grundwerkstoff, Schutzgas, Zusatzstoffen, Schweißposition, Schweißparametern, Schweißstromquellendynamik und einigen weiteren Einflussgrößen.

2.5 Verfahrensvarianten

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Werkstoffübergangformen In Abhängigkeit vom Schweißverfahren und einer Vielzahl von Schweißparametern beeinflussen unterschiedliche Effekte den Werkstoffübergang. Daraus resultieren unterschiedliche Werkstoffübergangsformen, die in [DIN1910] grob in die Gruppen „Freier Tropfen“, „Grobtropfiger Übergang“, „Feintropfiger Übergang“ und „Kurzschlussübergang“ eingeteilt sind. In [Lanc79], [Dilt76], [Sche85] und [Kill84] werden für eine detailliertere Einteilung weitere Merkmale verwendet, wie z. B. die Tropfenform. Bild 2.7 stellt eine daraus resultierende Einteilung dar. Werkstoffübergangsformen

Kurzschlussübergang

Globular

Fallend

Freier Tropfenflug

Explodierend

Zurücktreibend

Rotierend

Sprühübergang

Fließend

Projektil

Bild 2.7: Einteilung der Werkstoffübergangformen

Unterteilt wird der Werkstoffübergang im ersten Ansatz zwischen dem „Kurzschlussübergang“ und dem „Freien Tropfenflug“.

a.) b.) Bild 2.8: Werkstoffübergangsformen in schematischer Darstellung (Auswahl) a.) Kurzschlussübergang b.) Freier Tropfenflug (speziell Projektilübergang)

Beim Kurzschlussübergang wird der Metalltropfen über eine Kurzschlussbrücke von dem Drahtelektrodenende in das Schmelzbad überführt. Bild 2.8a stellt dies schematisch dar. Beim Übergang „Freier Tropfenflug“ geht der Metalltropfen, wie der Name ausdrückt, im freien Flug von der Drahtelektrode zum Schmelzbad über. Es existiert kein Kontakt zwischen dem Drahtelektrodenende und dem Schmelzbad, wie Bild 2.8b darstellt. Der Übergang ist in die Untergruppen „Globular“, „Sprühübergang“ und „Explodierend“ gruppiert, die zum Teil weiter unterteilt sind.

2.5 Verfahrensvarianten Die Vielseitigkeit des MSG-Schweißprozesses führte zur Entwicklung von verschiedenen Verfahrensvarianten mit unterschiedlichen Eigenschaften und Anwendungsbereichen.

2.5.1 Unterscheidungsarten Nach [DIN1910] wird das MSG-Schweißen anhand der eingesetzten Schutzgase und der Art des Lichtbogens unterteilt.

Unterscheidung nach Schutzgas Bei der Unterscheidung nach Schutzgasen wird zwischen dem Metall-Inertgasschweißen (MIGSchweißen) und dem Metall-Aktivgasschweißen (MAG-Schweißen) unterschieden. Beim MIGSchweißen werden chemisch inaktive Edelgase verwendet, wie z. B. Argon. Die Gase beeinflussen die Ausbildung des Lichtbogens, reagieren jedoch nicht mit dem Schweißbad. Beim MAGSchweißen werden chemisch aktive Edelgase verwendet, wie z. B. Kohlendioxid. Diese Gase beeinflussen die metallurgischen Vorgänge im Lichtbogen und im Schweißbad. Das MAG-Verfahren wird zum Schweißen unlegierter und niedriglegierter Baustähle, das MIG-Verfahren zum Schweißen höher legierter Stähle und Nichteisen-Metallen, wie zum Beispiel Aluminium und Kupfer, eingesetzt.

8

2 Metall-Schutzgasschweißen

Unterscheidung nach Lichtbogenart Die Unterscheidung in Bezug auf die Lichtbogenart ist abhängig von der verwendeten Spannung der Schweißenergiequelle und dem verwendeten Schutzgas, die alle wiederum die Werkstoffübergangsform beeinflussen. Im Allgemeinen wird der Prozess in die fünf Varianten Kurz-, Übergangs-, Sprüh-, Lang- und Impulslichtbogen unterteilt. Neben diesen Varianten treten in letzter Zeit noch Sonder- und Mischformen auf, die hier allerdings nicht weiter beschrieben werden. Tabelle 2.1 stellt den Zusammenhang zwischen den Lichtbogenformen, den Werkstoffübergangsformen und dem Auftreten von Kurzschlüssen, d. h. dem Erlöschen und Wiederanzünden des Lichtbogens dar. Die Lage der Lichtbogenarten im Spannung/Stromstärke-Diagramm stellt Bild 2.9 dar. Tabelle 2.1: Unterscheidung des MSG-Schweißverfahrens Variante Werkstoffübergangscharakteristiken fein- bis feinsttropfig

kurzschlussfrei, gleichmäßig

Langlichtbogen

grobtropfig

unregelmäßig im Kurzschluss, teils kurzschlussfrei

Übergangslichtbogen

grobtropfig

unregelmäßig im Kurzschluss

Kurzlichtbogen

feintropfig

im Kurzschluss, gleichmäßig

Impulslichtbogen

einstellbar

kurzschlussfrei, gleichmäßig

Spannung [V]

Sprühlichtbogen

Bild 2.9: Lichtbogenbereiche beim MSG-Schweißen in schematischer Darstellung

2.5.2 Impuls- und Kurzlichtbogen Für die vorliegende Arbeit sind das Impuls- und Kurzlichtbogenverfahren von Interesse, die im Folgenden vorgestellt werden. Für Beschreibungen der weiteren Verfahren bzw. für weiterführende Informationen wird zum Beispiel auf [Corn88], [Dilt94], [Fahr94] und [Kill91] verwiesen.

2.5.2.1 Impulslichtbogen Die Beschreibung des Impulslichtbogenverfahrens beinhaltet das Verfahrensprinzip sowie eine Vorstellung der charakteristischen elektrischen Prozesskenngrößen und der verfahrenstechnischen Prozessspezifikationen.

Verfahrensprinzip Dem Impulslichtbogenverfahren liegt ein pulsierender Verlauf des Schweißstroms und der eingebrachten Energie zugrunde. Der Stromverlauf wird durch einen niedrigen Grundstrom und einem überlagerten periodischen Impulsstrom mit einstellbarer Frequenz erzeugt. Der pulsierende Verlauf der Schweißstromstärke wird erreicht, indem die Schweißstromquelle periodisch zwischen zwei Arbeitspunkten umschaltet. Für die Einstellung der Grund- und Impulsphase müssen mindestens Drahtvorschubgeschwindigkeit, Impulsphasenzeit, Grundphasenzeit, Impulsspannung, Impulsstrom und Grundstrom aufeinander abgestimmt werden. Bild 2.10 stellt den Vorgang des Werkstoffüber-

2.5 Verfahrensvarianten

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Spannung Stromstärke

gangs in Abhängigkeit zu den zeitlichen Verläufen der Schweißstromstärke und -spannung schematisch dar.

Bild 2.10: Zusammenhang von Werkstoffübergang, Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen (schematisch)

In einer Reihe von modernen Schweißstromquellen wird heutzutage eine Abwandlung der zeitlichen Verläufe der Schweißstromstärke und -spannung verwendet. In die abfallende Flanke des Impulses wird eine horizontale Verlaufskomponente integriert. Die Komponente wird unter anderem auch als „Rucksack“ 1 bezeichnet. Bild 2.11 stellt die modifizierten Verläufe der Schweißstromstärke und der Schweißspannung schematisch dar. Ziel der integrierten Phase ist die Erzeugung eines relativ konstanten Feldes zur Zeit der Flugphase und als Folge eine „ruhigere“ Überführung des abgelösten Tropfens in das Schweißbad.

Bild 2.11: Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen mit „Rucksack“ (schematisch)

Unabhängig vom eingesetzten Modell („Standard“ oder „Rucksack“ 2 ) wird durch die Stromimpulse ein im Rhythmus der Impulsfrequenz gesteuerter Tropfenübergang erreicht.

Charakteristische elektrische Prozesskenngrößen Die Verläufe der Schweißstromstärke und -spannung werden in der Literatur und speziell bei modernen Schweißenergiequellen durch eine Vielzahl von Parametern beschrieben. Die Gängigen sind im Folgenden aufgeführt. • Mittelwert für Stromstärke Im und Spannung Um • Effektivwert für Stromstärke Ieff und Spannung Ueff • Pulsphasenwert für Stromstärke Ip und Spannung Up • Grundphasenwert für Stromstärke Ig und Spannung Ug • Dauer tper und Frequenz fper einer Periode • Dauer der Pulsphase tp und der Grundphase tg • Dauer der positiven Pulsphasenflanke tppf und der negativen Pulsphasenflanke tnpf Existiert eine Rucksackphase, werden zudem noch die folgenden Parameter verwendet: • Rucksackphasenwert für Stromstärke Ir und Spannung Ur • Dauer der Rucksackphase tr und der negativen Pulsrucksackphasenflanke tnrf 1 2

Bezeichnung wird im Folgenden verwendet Modellbezeichnungen werden im Folgenden verwendet

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2 Metall-Schutzgasschweißen

Bild 2.12 stellt alle Parameter für das (Standard-) Impulslichtbogenschweißen und Bild 2.13 für das Impulslichtbogenschweißen mit Rucksack grafisch dar.

Bild 2.12: Charakteristische Parameter einer Periode von Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen

Bild 2.13: Charakteristische Parameter einer Periode von Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen mit Rucksackphase

Verfahrenstechnische Prozessparameter Als günstigste Werkstoffübergangsform, bei einem nicht zu hohen Gesamtstrom, gilt beim Impulslichtbogenschweißen der Übergang eines Tropfens pro Impuls. Bezeichnet wird dieser Übergang im Allgemeinen als „Ein-Tropfen-Pro-Impuls-Übergang“. Der Durchmesser der übergehenden Tropfen liegt je nach Einstellung der Schweißparameter zwischen 0,5- und 1,5-mal des Drahtelektrodendurchmessers [Sche85]. Als optimal wird ein Durchmesser in etwa des Drahtelektrodendurchmessers angesehen [Dorn88] [Grot93]. Als geometrische Form wird in der Regel ein runder Tropfen als vorteilhaft bewertet, da dieser bezogen auf dessen Volumen die minimale Oberfläche aufweist [Dorn88]. In Abhängigkeit von den Werk- und Zusatzstoffen sowie der Einstellung der Schweißparameter treten beim Impulslichtbogenschweißen Frequenzen von 25 bis 250 Hz [Eich85] und Impulszeiten zwischen 1 und 3 ms auf [Baum90] [Matz90]. Die Tropfen erreichen Fluggeschwindigkeiten zwischen 20 und 200 cm/s [Grot93] [Jaco92] [Eich85] [Sche85] und Beschleunigungen beim Abriss von der Drahtelektrode von bis zu 3 km/s2 [Sche85].

2.5 Verfahrensvarianten

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2.5.2.2 Kurzlichtbogen Die Beschreibung des Kurzlichtbogenverfahrens beinhaltet das Verfahrensprinzip sowie eine Vorstellung der charakteristischen elektrischen Prozesskenngrößen und der verfahrenstechnischen Prozessspezifikationen.

Verfahrensprinzip Beim Kurzlichtbogenschweißen bildet sich am Drahtelektrodenende unter Einfluss der Lichtbogenwärme ein kleiner Tropfen. Durch eine kontinuierliche Drahtzufuhr, dessen Vorschubgeschwindigkeit größer als die Schmelzgeschwindigkeit ist, wird der entstehende Tropfen zum Schmelzbad geschoben. Es entsteht ein Kurzschluss zwischen Drahtelektrode und Schmelzbad, wodurch der Lichtbogen erlischt. Durch die Oberflächenspannung des Bades wird der Tropfen weiter in die Schmelze hineingezogen. Die Verbindung zwischen der Drahtelektrode und dem Schmelzbad wird auch als Kurzschlussbrücke oder Tropfenhals bezeichnet. Durch die Kurzschlussbildung sinkt die Spannung ab und die Stromstärke steigt stark an. Die steigende Stromstärke bewirkt eine zunehmende Einschnürung durch den Pincheffekt und eine steigende Temperatur innerhalb des Tropfens. Die rasch abnehmende Verbindung zwischen der Drahtelektrode und dem Schweißbad wird so stark erhitzt, dass diese verdampft. Drahtelektrode und Schmelze werden dadurch getrennt und ein neuer Lichtbogen gezündet. Dieser Zyklus wiederholt sich immer wieder von Neuem und es kommt auf diese Weise zu einem regelmäßigen Wechsel von Kurzschluss- und Lichtbogenbrennphasen. Bild 2.14 stellt den Vorgang des Werkstoffübergangs in Abhängigkeit zu den zeitlichen Verläufen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung schematisch dar.

Bild 2.14: Zusammenhang von Werkstoffübergang, Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Kurzlichtbogenschweißen (schematisch)

Charakteristische elektrische Prozesskenngrößen Die Verläufe der Schweißstromstärke und -spannung werden in der Literatur und speziell bei modernen Schweißenergiequellen durch eine Vielzahl von Parametern beschrieben. Die Gängigen sind im Folgenden aufgeführt und im Bild 2.15 grafisch dargestellt. • Mittelwert der Stromstärke Im und Spannung Um • Effektivwert der Stromstärke Ieff und Spannung Ueff • Maximaler Wert der Stromstärke Ip • Mittelwert der Stromstärke Il und Spannung Ul in der Lichtbogenbrennphase • Mittelwert der Stromstärke Ik und Spannung Uk in der Kurzschlussphase • Dauer tper und Frequenz fper eines Periodendurchgangs

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2 Metall-Schutzgasschweißen

• Dauer der Kurzschlussphase tk und der Lichtbogenbrennphase tl • Dauer der abfallenden Flanke der Spannung tfk (Kurzschlussbildung) • Dauer der steigenden Flanke der Spannung tfl (Lichtbogenbildung) U Ul Ueff Um

Uk tfk tk I

t

tfl tl tper Ip Ik Im

Ieff Il

t

Bild 2.15: Charakteristische Parameter einer Periode von Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Kurzlichtbogenschweißen

Verfahrenstechnische Prozessparameter Die Frequenz des regelmäßigen Wechsels von Kurzschluss- und Lichtbogenbrennphasen und die Zeit in dem ein Kurzschluss vorliegt sind stark vom Werkstoff, Schutzgaszusammensetzung, Schweißstromstärke und -spannung abhängig. Für die Frequenz wird zum Beispiel in [Baum90] ein Bereich von 50 bis 150 Hz und für die Kurzschlussphasenzeit werden zum Beispiel in [Nemc98] und [Hira96] Zeiten im Bereich von 1 bis 4 ms genannt.

2.6 Relevante Parameter und Einflussgrößen Um eine optimale Schweißnaht zu erhalten, müssen konstruktionsrelevante, werkstoffrelevante und prozessrelevante Parameter berücksichtigt werden. Konstruktionsrelevante Parameter sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel Blechdicke, Fugenart, Fugengeometrie und Schweißposition. Die physikalischen Eigenschaften (Dichte, Wärmeleitfähigkeit, spezifisches Gewicht, usw.) und die chemische Zusammensetzung von Werk- und Zusatzstoffen definieren die Gruppe der werkstoffrelevanten Parameter. Die prozessrelevanten Parameter können grob in die Gruppen „Konstant“ und „Veränderlich“ unterteilt werden. Die „konstanten“ Parameter werden in der Regel vor der Schweißung definiert. Zu dieser Gruppe zählen zum Beispiel: • Verfahrensvariante (Impulslichtbogen, Kurzlichtbogen, usw.) • Schutzgas (Art und Menge) • Brennereinstellung und Kontaktrohrabstand • Streckenenergie (Vorwärmtemperatur, Abkühlzeit, usw.) • Drahtelektrodendurchmesser

2.7 Fehler und deren Ursachen

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Die „veränderlichen“ Parameter werden während der Schweißung an die Rahmenbedingungen angepasst. Beispiele für diese Parameter sind: • Schweißgeschwindigkeit • Lichtbogenleistung • Schweißstromstärke und -spannung (inklusive aller beschreibenden Parameter) • Drahtvorschubgeschwindigkeit und Abschmelzleistung Die Parameter aller Bereiche (konstruktions-, werkstoff- und prozessrelevant) sind auf komplexe Weise voneinander abhängig und nicht vollständig mathematisch erforscht und modelliert. In den meisten Fällen sind allerdings die qualitativen Zusammenhänge aus einer Vielzahl von Versuchen und aus der Erfahrung heraus bekannt. Für einen Überblick sei z. B. auf [Park93] verwiesen.

2.7 Fehler und deren Ursachen Wie bei allen Fertigungsverfahren treten auch beim Schweißen eine Vielzahl von Fehlern mit unterschiedlichen Entstehungsursachen auf. Nahezu alle Fehler an Schmelzverbindungen sowie teilweise deren Ursache werden in [DIN8524], [Baue91] und [Dilt95] aufgeführt. [Dilt95] unterteilt die Fehlerursachen in: • Fehler durch unsachgemäße Fertigung • Werkstoffverursachte Schweißfehler • Korrosion Die häufigsten Schweißfehler entstehen durch eine unsachgemäße Fertigung. Im Folgenden werden einige relevante Fehler dieser Gruppe sowie deren Ursachen vorgestellt. Je nach Lage relativ zur Nahtoberfläche werden die Fehler in äußere und innere Nahtfehler unterteilt. Relevante äußere Nahtfehler sind Schweißspritzer, Einbrand- und Randkerben. Bindefehler, unverschweißte Stellen, Einschlüsse und Poren sind relevante innere Nahtfehler. Spritzer sind Metalltropfen, die nach dem Entstehen außerhalb der Naht oder auf der bereits erstarrten, noch heißen Nahtoberfläche auftreten.

Bild 2.16: Werkstück mit Schweißnaht und einigen markierten Spritzern

a.)

b.)

c.)

Bild 2.17: Beispiele zur Spritzerentstehung inkl. Entstehungsursachen a.) Herausschleudern von Spritzern aus dem Schmelzbad durch zu schnelles Eintauchen der Tropfen in das Schmelzbad u. a. infolge von nicht optimalen Schweißparametern b.) Spritzerentstehung infolge von zerplatzenden Tropfen u. a. aufgrund von zu hohen Schweißspannungen c.) Spritzerentstehung durch Zerreißen der Kurzschlussbrücke u. a. infolge von zu hoher Strombelastung und Überhitzung des Metallfadens [Sche85]

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2 Metall-Schutzgasschweißen

Neben Werkstoffverlusten beeinflussen Spritzer unter bestimmten Bedingungen die Schweißnahtgüte ungünstig und verursachen Zusatzkosten durch Nacharbeit. Ursachen für Spritzer sind unter anderem die Verwendung von nicht optimalen Schweißparametern und falschen Zusätzen. Je nach Ursache entstehen Spritzer auf unterschiedliche Weise. Bild 2.17 stellt drei Möglichkeiten der Spritzerentstehung schematisch dar. Einbrand- und Randkerben sind rinnenförmige, oft schlackegefüllte Vertiefungen am Übergang zwischen angeschmolzenem Grundwerkstoff und Schweißgut. Eine häufige Ursache für die Entstehung der Kerben ist eine zu hohe Schweißspannung. Bindefehler sind unverschweißte Stellen zwischen Grundwerkstoff und Schweißgut oder einzelnen Schweißlagen. Ein vorlaufendes Schmelzbad, hervorgerufen durch eine zu hohe Stromstärke, ist zum Beispiel eine Ursache für Bindefehler. Bei der mechanischen Porenbildung werden infolge der Schweißwärme expandierende Gase eingeschlossen. Eine Ursache der Porenbildung ist zum Beispiel, dass das Schweißgut aufgrund einer zu hohen Schweißgeschwindigkeit nicht ausreichend ausgegast ist.

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3 Stand der Technik und Problemanalyse In diesem Kapitel wird der Stand der Technik vorgestellt und analysiert. Der Schwerpunkt liegt aufgrund der Vielfältigkeit und der Komplexität der Schweißtechnik beim MSG-Schweißen. Im Fokus der Betrachtungen stehen die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs beim Impulslichtbogenschweißen und die Aufzeichnung von elektrischen Schweißsignalen sowie deren Auswertung aus der Sicht der Bild- und Messsignalverarbeitung. Grund hierfür ist, dass die Zusammenhänge des Werkstoffübergangs und der elektrischen Schweißsignale in einem hohen Maße die Qualität der Schweißung bestimmen (Kapitel 2). Damit sind zum Beispiel nach [Knoc86] und [Siew97] die elektrischen Schweißsignale bzw. deren Kenngrößen in Kombination mit visuellen Kenngrößen des Werkstoffübergangs die optimale Grundlage für Systeme und Verfahren zur Parameterauswahl, Parameteroptimierung, Überwachung, Inspektion und Regelung. Im Folgenden werden Verfahren zur visuellen Beobachtung des MSG-Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs beschrieben. Im Anschluss wird der Stand der Technik von Einsatzgebieten vorgestellt, die eine visuelle Beobachtung und eine Aufzeichnung der elektrischen Schweißsignale verwenden. Am Ende des Kapitels wird der Stand der Technik zusammengefasst und analysiert. Für einen Überblick über weitere Sensoriken, Systeme, Steuerungs- und Regelungsverfahren sei unter anderem auf die in Tabelle 3.1 aufgeführten Literaturquellen verwiesen. Tabelle 3.1: Auswahl von Literaturverweisen für spezielle Themen Literaturquelle Thema [Nomu94]

Überblick über Sensoriken, Steuerungs- und Regelungssysteme in der Schweißtechnik

[Naid98]

Überblick und Status von Steuerungs- bzw. Regelungsstrategien für das MSG-Schweißen

[Suga98]

Status der automatisierten Inspektion von Schweißaufgaben

3.1 Visuelle Beobachtung des MSG-Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs Die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs ist eines der ältesten und mit am häufigsten eingesetzten Verfahren zur Analyse des MSG-Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs. Gründe hierfür sind die Komplexität des Prozesses, die relativ schnellen Vorgänge im Lichtbogen und die extremen Lichtbedingungen. Im Folgenden werden einige Verfahren zur visuellen Beobachtung vorgestellt. Unterteilt sind die Verfahren bezüglich der Verwendung bzw. Art von zusätzlichen Beleuchtungsquellen.

Verfahren mit zusätzlicher Beleuchtungsquelle im Gegenlichtverfahren Aufgrund der aufgeführten Probleme (Lichtverhältnisse, Geschwindigkeiten, usw.) werden heutzutage in der Regel digitale Hochgeschwindigkeitsvideokameras auf der Basis der Charge-CoupledDevice-Technologie (CCD, dt.: ladungsgekoppelte Schaltung/Bauelemente) in Verbindung mit einer zusätzlichen Beleuchtung als Gegenlichtquelle zur Beobachtung des Werkstoffübergangs eingesetzt. Die zusätzliche Beleuchtung ist aufgrund der geringen Dynamik der Kameras von ungefähr 50 bis 70 dB (siehe Kapitel 7) in Bezug zu der Helligkeitsdynamik des Lichtbogens von bis zu 120 dB (siehe Kapitel 2.3) notwendig. In der Regel wird ein optischer Laser mit vorgeschaltetem Beam-Expander als Lichtquelle zur Kontrasterhöhung der Lichtbogenzone verwendet. Da der Laser seine Energie auf einer Lichtwellenlänge abgibt, überstrahlt er bei dieser Wellenlänge den Lichtbogen. Durch einen schmalbandigen Kamerafiltervorsatz kann die gesamte Lichtemission des Lichtbogens in den anderen Wellenlängenbereichen ausgeblendet werden. Im Gegenlichtverfahren eingesetzt, ergibt sich dadurch ein maximaler Kontrast zwischen der Hintergrundbeleuchtung durch

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3 Stand der Technik und Problemanalyse

den Laser und dem zu betrachtenden Werkstoffübergang. Die eingeschränkte Dynamik der Kamera verliert bei dieser Beleuchtungsmethode an Bedeutung, da eine Einstellung der Blendenwerte auf die Hintergrundbeleuchtung (Wellenlänge des Lasers) erfolgen kann, und das Objekt immer dunkel, d. h. als Schatten erscheint. Z. T. werden statt des optischen Lasers auch Xenon-Hochdrucklampen [Kill84] oder Drehstrom-Kohlelichtbogenlampen [Dorn82a] [Dorn82b] [Dorn84] als Gegenlichtquelle verwendet. Den prinzipiellen Systemaufbau des Verfahrens zeigt Bild 3.1.

Bild 3.1: Beobachtung mit CCD-Hochgeschwindigkeitskamera (HG) mit zusätzlicher Beleuchtung (i. d. R. optischer Laser) als Gegenlichtquelle

Das Verfahren liefert durch die Aufnahme von einigen tausend Bildern pro Sekunde über einen sehr kurzen zeitlichen Abschnitt (Aufnahmedauer durch Kameraspeicher begrenzt; detaillierte Beschreibung in Kapitel 7) detaillierte Informationen über den Werkstoffübergang. Die Drahtelektrode und der Tropfen erscheinen durch die Gegenlichtbeleuchtung als Schatten. Bild 3.2 stellt dies an einigen Bildern einer Aufnahmesequenz eines Werkstoffübergangs beim Impulslichtbogenschweißen dar. Zusätzlich zeigt Bild 3.3 zur besseren Verdeutlichung der Leistungsfähigkeit des Gegenlichtverfahrens Bilder einer Aufnahmesequenz von einem Werkstoffübergang beim Kurzlichtbogenschweißen. Detailliert ist das Gegenlichtverfahren in [Alle85] beschrieben. Weitere Beschreibungen, einschließlich der Problematik der geringen Dynamik der CCD-Kameras, folgen in Kapitel 7.

Bild 3.2: Aufnahmesequenz von einem Werkstoffübergang beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen. Aufgenommen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera in Verbindung mit einer zusätzlichen Gegenlichtquelle

Bild 3.3: Einige Bilder einer Aufnahmesequenz von einem Werkstoffübergang beim MSGSchweißen mit Kurzlichtbogen. Aufgenommen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera in Verbindung mit einer zusätzlichen Gegenlichtquelle [Fron01a]

Verfahren ohne zusätzliche Beleuchtungsquelle bzw. ohne Gegenlichtverfahren In [Moot91a] und [Moot91b] wird ein System auf der Basis einer CCD-Kamera und einem InfrarotFiltersatz zur Beobachtung des Tropfenübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen beschrieben, dass keine zusätzliche Beleuchtungsquelle verwendet. Den prinzipiellen Systemaufbau zeigt Bild 3.4. Die Kontrastverminderung erfolgt durch den Infrarot-Filtersatz, dessen Charakteristiken in Bild 3.5 dargestellt sind, im Bereich der maximalen Strahlungsintensität (Infrarot) des Lichtbogens. In diesem Bereich liegen die Helligkeitsunterschiede im Dynamikbereich der Kamera [Moot91a]. Die verwendete Kamera wies eine Dynamik von 66 dB auf, und ist aus diesem Grund eigentlich nicht in der Lage den Werkstoffübergang innerhalb des Lichtbogens (ca. 120 dB) zu beobachten.

3.1 Visuelle Beobachtung des MSG-Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs

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Lichtbogen Tropfen Schmelzbad Werkstück Kamera mit IR-Filter

Bild 3.4: Beobachtung des Werkstoffübergangs mit einer CCD-Kamera und einem InfrarotFiltersatz (IR)

Die Beispiele des Beitrages zeigen allerdings auch nur Aufnahmen, • die eine fast binärartige Darstellung aufweisen, • in denen keine Details der Umgebung zu erkennen sind, • in denen die Übergänge zwischen den Lichtbögen und den Werkstoffübergangstropfen kaum oder gar nicht zu erkennen sind und • in denen Werkstoffübergangstropfen nur dann zu erkennen sind, wenn sich diese außerhalb des Lichtbogens befinden. Aus diesen Gründen scheint dieses Verfahren nur bedingt für die Beobachtung des Schweißprozesses geeignet zu sein. Allerdings ist anzumerken, dass dieser Einschätzung nur die Bilder der gedruckten Beiträge und keine Originalbilder zugrunde liegen. Die Einschätzung wird allerdings dadurch unterstützt, dass keine weiteren Beiträge zu finden waren, die sich auf dieses Verfahren beziehen oder es verwenden (siehe auch Kapitel 3.2). Zudem ermöglicht das System nur eine maximale Aufnahmefrequenz von 60 Hz. Diese Frequenz ist für eine lückenlose Beobachtung des Schweißprozesses nicht ausreichend, da beim Impulslichtbogenschweißen Werkstoffübergangsfrequenzen zwischen 25 und 250 Hz auftreten können (siehe Kapitel 2.5.2.1). Interessant ist allerdings der Ansatz des Verfahrens, bei dem nur eine Aufnahme pro Werkstoffübergang aufgenommen wird und an der eine Aussage über die Stabilität und Qualität des Schweißprozesses möglich ist. Die Auslösung der Aufnahme wird auf ein elektrisches Schweißsignal (z. B. Schweißstromstärke) synchronisiert ausgeführt. Eine detailliertere Beschreibung des Synchronisationsverfahrens folgt in Kapitel 5.

Bild 3.5: Spektrale Transmissionsgrade der verwendeten Filter (BG20 und RG780) [Moot91a]

Die Einschätzung, dass eine detaillierte Beobachtung des Schweißprozesses mit einer CCD-Kamera nur mit einer zusätzlichen Beleuchtungsquelle möglich ist, wird zudem durch die Beiträge von [Bloo91] und [Scha91] unterstützt. In dem dort beschriebenen System werden ebenfalls eine CCDKamera und Infrarotfilter verwendet. Allerdings wird zusätzlich ein Laser zur Aufhellung der Schweißszene eingesetzt. Ziel des Verfahrens ist die Beobachtung des Schweißbades und nicht des Werkstoffübergangs, für das eine geringere Helligkeitsdynamik benötigt wird. In diesem Fall ist es scheinbar ausreichend, dass der Laser nicht als Gegenlichtquelle verwendet wird. Den prinzipiellen Systemaufbau zeigt Bild 3.6.

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3 Stand der Technik und Problemanalyse

Bild 3.6: Beobachtung des Schweißbades mit einer Fernsehkamera in Kombination mit IR-Filtern und einem Laser zur Aufhellung der Schweißszene

In [Wang94] wird ein weiteres System zur Beobachtung des Tropfenübergangs beim MSGSchweißen auf der Basis einer CCD-Hochgeschwindigkeitskamera beschrieben, das keine zusätzliche Beleuchtungsquelle verwendet. Das System nutzt den experimentell ermittelten Zustand, dass im zeitlichen Verlauf der vom Lichtbogen emittierten optischen Strahlung genau zum Zeitpunkt der Tropfenablösung ein Einbruch in der Intensität stattfindet und so die Tropfenablösung ohne eine zusätzliche Beleuchtungsquelle beobachtet werden kann. Dieser Zustand wurde beim Schweißen von Aluminium unter Benutzung eines Schutzgasgemisches aus 85 % Argon und 15 % Kohlendioxid bzw. von reinem Argon festgestellt. Die Ergebnisse des Verfahrens konnten bei eigenen Versuchen mit einem Schutzgasgemisch aus 82 % Argon und 18 % Kohlendioxid, einer Drahtelektrode aus Stahl (SG2), unlegierten Stahlproben und den Schweißgeräten [EWM1] und [EWM2] nicht nachvollzogen werden. Grund hierfür ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren stark von den Regelungsmodellen der Schweißgeräte und den verwendeten Werkstoffen, Materialien und Schutzgasen abhängig ist. Bei einer möglichen Umsetzung des Verfahrens lässt sich allerdings nur die eine spezielle Phase beobachten. Andere Phasen können aufgrund der Intensität des Lichtbogens nicht beobachtet werden. Ein ähnlicher Ansatz wird in [Niep83] für das MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen vorgestellt. Bei dem beschriebenen Verfahren wird die Aufnahme zur Zeit der Erlöschung des Lichtbogens ausgelöst. Zu diesem Zeitpunkt kann die Aufnahme mit einer Fernsehkamera ohne eine zusätzliche Beleuchtung aufgrund des nicht vorhandenen Lichtbogens durchgeführt werden. Die Auslösung der Kameraaufnahme wird durch eine Synchronisation auf die Schweißspannung erreicht. Allerdings war das Ziel des Verfahrens die Beobachtung des Schweißbades und nicht des Werkstoffübergangs. Neben der Tatsache, dass nicht der Werkstoffübergang beobachtet wurde, ergibt sich bei diesem Verfahren wieder das Problem, dass nur eine spezielle Phase beobachtet werden kann. Zudem ist das Verfahren nicht auf das Impulslichtbogenverfahren übertragbar, da hier der Lichtbogen nicht erlischt. Den prinzipiellen Systemaufbau und das Synchronisierungskonzept zeigt Bild 3.7.

Bild 3.7: Beobachtung des Schweißbades beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen mit einer Fernsehkamera zum Zeitpunkt des Erlöschens des Lichtbogens inklusive des Synchronisationsablaufes

3.2 Anwendung der visuellen Beobachtung und der Aufnahme von elektrischen Schweißsignalen Im Folgenden werden die wichtigsten Einsatzgebiete der visuellen Beobachtung des Werkstoffübergangs und der Aufzeichnung von elektrischen Schweißsignalen beschrieben. Ziel ist es, einen Überblick über die verschiedenen Einsatzgebiete, deren Anforderungen und Probleme aufzuzeigen. Gleichzeitig stellt die Beschreibung einen Teilüberblick über den Stand der Technik im Bereich des MSG-Schweißens im Allgemeinen dar.

3.2 Anwendung der visuellen Beobachtung und der Aufnahme von elektrischen Schweißsignalen

19

Forschung Der MSG-Schweißprozess kann als ein sehr komplexes Zusammenwirken von einer Vielzahl von chemischen und physikalischen Vorgängen angesehen werden (siehe Kapitel 2). Zusätzlich beeinflussen viele Parameter den Schweißprozess. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl von Einflussfaktoren existieren zum Teil erhebliche Wissensdefizite. Ein Hauptziel derzeitiger Arbeiten ist, das Wissen über den komplexen Werkstoffübergang und dessen Wechselbeziehungen mit den elektrischen Schweißsignalen zu vervollständigen. Der Einfluss einiger Parameter, wie z. B. der Schweißstromstärke und der Schweißspannung können mittlerweile durch mathematische Modelle mithilfe theoretischer, experimenteller und statistischer Analysen beschrieben werden. Viele Vorgänge innerhalb des Schweißprozesses sind allerdings zu komplex, um mathematisch modelliert zu werden [Dilt97]. Die meisten vorgestellten Modelle sind statischer Natur und beschreiben nur ungenügend die sehr dynamischen Vorgänge. Weiterhin basieren die Modelle in der Regel auf einer Vielzahl von Annahmen und berücksichtigen keine Störgrößen. Eine Auswahl von Untersuchungen zum Werkstoffübergang stellt Tabelle 3.2 dar. Die vorgestellten Arbeiten demonstrieren die Wissensdefizite, da hauptsächlich die grundsätzlichen Vorgänge untersucht werden. Belegt wird dies durch die folgende Aussage aus dem Beitrag von [Toll02]: Aus den zum Teil noch nicht vollständig abgeschlossenen Analysen ist erkennbar, dass der Tropfenübergangsprozess beim MSG-Schweißen eher deterministisch als stochastisch ist. Dies widerspricht der bisher in der „Schweißgemeinschaft“ vorherrschenden Annahme, dass der Prozess stochastisch ist. In Bezug auf die vorliegende Arbeit ist von besonderer Bedeutung, das zur Verifizierung der Modelle, zur Untersuchung der Vorgänge, usw. im Allgemeinen immer die visuelle Beobachtung mit Hochgeschwindigkeitskameras in Kombination mit einer Gegenlichtquelle sowie die Aufzeichnung der elektrischen Schweißsignale verwendet werden. Tabelle 3.2: Auswahl von Literaturverweisen für spezielle Themen Literaturquelle Thema [Kim89], [Kim93a] und [Kim93b]

Analyse und Modellierung des Werkstoffübergangs

[Rhee92]

Untersuchung des Werkstoffübergangs (Arten, Formen, Tropfentemperaturen, Abhängigkeiten, usw.)

[Wath82]

Untersuchung der Tropfenbildung und -ablösung

[McEl89]

Simulation des Werkstoffübergangs (Ablösephase) und des thermischen Flusses

[Moor98]

Modellierung des MSG-Schweißprozesses (Wärmeund Massentransfer) als Basis für spätere Regelungen

[Ozec98]

Modellierung des MSG-Schweißprozesses (Tropfenmasse, Abschmelzrate, usw.)

[Kill84]

Untersuchung des Werkstoffübergangs unter Verwendung verschiedener Schutzgase, Werkstoffe, usw. zur Klassifizierung des Werkstoffübergangs

[Schm99]

Untersuchung des Werkstoffübergangs und der Auswirkungen von Parametern (z. B. Drahtvorschub auf Tropfenvolumen)

[Wang03]

Übersicht über verschiedene Modelle und Analysen des Werkstoffübergangs

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3 Stand der Technik und Problemanalyse

Parameterauswahl, -optimierung und -analyse Die Wissensdefizite, die vereinfachten Modelle, die unterschiedlichen Schweißgeräte, die unterschiedlichen Eigenschaften der verwendeten Werkstoffe und Materialien, die Vielzahl der einzustellenden Parameter und die nicht ohne weiteres erkennbaren Wechselwirkungen zwischen den einstellbaren Parametern und der entstehenden Schweißnaht machen die Auswahl und Optimierung der Schweißparameter sowie die Analyse der Schweißung zu einer komplizierten Aufgabe. Hinzu kommt, dass die Vorgänge im Lichtbogen – insbesondere der Werkstoffübergang – relativ schnell ablaufen und damit für den Schweißer nicht erkennbar sind. Dieser erfasst daher andere Informationen, wie z. B. die Größe und Form des Schweißbades, die Lichtbogenlänge oder das Lichtbogengeräusch, und verarbeitet diese Informationen. Diese Informationen sind allerdings das Resultat und nicht die Ursache von Parameteränderungen, Störungen, usw. Damit ist die optimale Einstellung der Schweißparameter und die Analyse der Schweißung in einem hohen Maße von dem Wissen und der Erfahrung des Schweißers und dessen subjektiven Empfindens abhängig, die zudem schlecht reproduzierbar sind. Aus diesem Grund wird intensiv an folgenden Themen gearbeitet: • Ermittlung und Bereitstellung (z. B. Merkblätter und Veröffentlichungen) von optimalen Parametern für bestimmte Kombinationen von Schweißaufgaben, Werkstoffen, Materialien, usw. • Verfahren bzw. Programme zur Auswahl und Optimierung von Parametern • Verfahren bzw. Programme zur Simulation von Schweißaufgaben • Verfahren bzw. Programme zur Analyse von Schweißaufgaben In Bezug auf die vorliegende Arbeit ist wieder von Bedeutung, dass zur Erstellung, Entwicklung, Verifizierung, usw. eine hohe Anzahl von Versuchsreihen durchgeführt wurden, die mit Hochgeschwindigkeitskameras in Verbindung mit einer Gegenlichtquelle sowie mit Messsystemen für die elektrischen Schweißsignale aufgezeichnet und anschließend analysiert wurden. Für einen kleinen Überblick und ein besseres Verständnis werden im Folgenden einige Beispiele zu den aufgeführten Themen vorgestellt. In [NN88] wird ein Forschungsvorhaben für das Impulslichtbogenschweißen beschrieben, in dem über 2.000 Versuche mit unterschiedlichen Parametereinstellungen und Kombinationen aus Werkstoffen, Materialien, usw. durchgeführt wurden. Alle Versuche wurden mit einer Hochgeschwindigkeitskamera im Gegenlichtverfahren aufgezeichnet. Die Aufnahmen wurden nach den Kriterien Tropfenübergangsart, Spritzermenge, Spritzerform und Lichtbogenlänge analysiert und aus den Ergebnissen eine Beurteilung für die Schweißnaht erstellt. Auf der Basis der Ergebnisse aus [NN88] stellt [Welz89] für das Impulslichtbogenschweißen Einstellhilfen in Form von Abläufen, Diagrammen und Tabellen vor. In [Park93] und [Dilt97] wird ein Fuzzy-Logik basiertes Expertensystem für das MAG-Schweißen mit Impulslichtbogen vorgestellt, dass zur Parameterauswahl, Prozessoptimierung und zur Ursachenermittlung von Schweißfehlern eingesetzt werden kann. Für die Auswahl von optimalen Parametern gibt der Anwender die Schweißaufgabe und einige Parameter vor und erhält Vorschläge zu bestimmten Schweißparametern und gegebenenfalls zur Fugengeometrie. Die Parameteroptimierung wird auf bestehenden Parametern und Daten von Probeschweißungen durchgeführt. In mehreren Iterationen schlägt das Expertensystem auf der Basis der Daten optimierte Parameter vor. Mithilfe einer zusätzlichen Fehlerdiagnoseeinheit können speziell auf die vorhandene Situation abgestimmte Abhilfemaßnahmen zu verschiedenen Fehlerarten abgerufen werden. In [Subr99] wird ein Annäherungsverfahren zur Auswahl von optimalen Parametern für das MSGSchweißen mit Impulslichtbogen zur Erreichung des Ein-Tropfen-Pro-Impuls-Übergangs vorgestellt. Basis des Verfahrens sind u. a. vom Anwender aufzunehmende Schweißdaten (Stromstärke, Spannung, Schweißgeschwindigkeit, usw.), ein experimentell ermitteltes Model (basierend auf dem Grundstrom und der Grundphasenzeit) und einige experimentell ermittelte Konstanten.

3.2 Anwendung der visuellen Beobachtung und der Aufnahme von elektrischen Schweißsignalen

21

Entwicklung von Schweißgeräten und Zubehör Durch die Fortschritte in der Computer- und Halbleitertechnologie besitzen moderne Schweißgeräte eine Vielzahl von Prozessoren und Speicherbausteinen. Die Komponenten ermöglichen die Integration von immer umfangreicheren Schweißmodellen, die durch eine Vielzahl von Parametern angepasst werden müssen. In der Praxis stellt die Einstellung optimaler Parameter jedoch selbst für geübtes Personal ein komplexes Problem dar. Dieser Zusammenhang wurde schon in den 80er Jahren erkannt [Pusc87]. Zur Vereinfachung der Parametereinstellung verfügen immer mehr Schweißgeräte über vordefinierte Schweißprogramme, die für unterschiedliche Kombinationen von konstruktions-, werkstoff- und prozessrelevanten Parametern (siehe Kapitel 2.6) angepasste Modelle und Datensätze beinhalten. Entwickelt werden diese herstellerspezifischen Modelle und Datensätze u. a. mit Erfahrungswissen, Expertenprogrammen und umfangreichen Versuchsreihen. Diese werden zur weiteren Analyse mithilfe der beschriebenen Hochgeschwindigkeitskamerasysteme mit Gegenlichtquellen und elektrischen Schweißsignalmesssystemen aufgezeichnet. D. h., der Gerätehersteller übernimmt die Aufgabe der Parameterauswahl und -optimierung für „Standard“-Schweißaufgaben. Die Bedienung solcher Geräte ist trotz der erheblichen Parameteranzahl nicht nur für speziell ausgebildete Personen möglich. Nach Eingabe der konstruktions- und werkstoffrelevanten Parameter werden entsprechende Modelle mit den dazugehörigen Datensätzen konfiguriert und während der Schweißung entsprechend überwacht und geregelt. Bedingt durch dieses Konzept sind die Bedienelemente einfach gehalten, wie das Beispiel in Bild 3.8 zeigt.

Bild 3.8: Bedienelement eines modernen Schweißgerätes [EWM01a]

Bild 3.9: Beispiel für die „Experteneinstellung“ von Schweißgeräten zur Anpassung an spezielle Aufgaben [EWM01c]

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3 Stand der Technik und Problemanalyse

Für viele Anwendungen reichen allerdings die vordefinierten „Standard“-Schweißprogramme nicht aus. Die Parameterkombinationen müssen an die speziellen Aufgaben und Gegebenheiten angepasst werden. Abhängig vom Hersteller werden hierfür unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung gestellt. Beispiele sind zusätzliche Menüs oder die Konfiguration mithilfe externer Computer und speziellen Softwareprogrammen. Bild 3.9 verdeutlicht die zweite Möglichkeit anhand einer Abbildung der Bildschirmanzeige einer Herstellersoftware [EWM01b], die die Anpassung von bis zu 256 unterschiedlichen Schweißprogrammen ermöglicht. D. h., für nicht „Standard“-Schweißaufgaben muss der Anwender weiterhin die komplexe Parameteranpassung und -optimierung durchführen. Die Entwicklung von Schweißgerätezubehör, wie z. B. des Brenners, sowie der Werkstoffe und Materialien entspricht in der Regel der Entwicklung der Schweißgeräte. D. h., neben dem Erfahrungswissen werden umfangreiche Versuchsreihen durchgeführt, die wiederum mit Hochgeschwindigkeitskamerasystemen mit Gegenlichtquellen und Messsystemen für elektrische Schweißsignale aufgezeichnet und im Anschluss analysiert werden.

3.3 Zusammenfassung und Analyse des Stands der Technik Aus dem Stand der Technik ergibt sich, dass die visuelle Beobachtung des Schweißprozesses und insbesondere des Werkstoffübergangs, sowie die Aufzeichnung der elektrischen Schweißsignale von besonderer Bedeutung sind. Diese Methoden werden in allen Phasen der Forschung, Entwicklung und Anwendung eingesetzt, wie Bild 3.10 zusammenfassend darstellt.

Bild 3.10: Einsatz der visuellen Beobachtung des Werkstoffübergangs und der Aufzeichnung von elektrischen Schweißsignalen

Wie beschrieben, werden heutzutage CCD-Hochgeschwindigkeitskameras in Verbindung mit einer zusätzlichen Beleuchtungsquelle zur visuellen Beobachtung des Werkstoffübergangs verwendet. Die Systeme liefern detaillierte Informationen über den Werkstoffübergang, weisen allerdings eine Reihe von Nachteilen auf. Die Wichtigsten sind: • Aufgrund der Gegenlichtbeleuchtung ist nur die Beobachtung von einigen wenigen Schweißsituationen möglich, wie z. B. dem Auftragsschweißen. Die Beobachtung von Schweißungen in Zwangslagen, wie z. B. dem Schweißen in Ecken mit den damit verbundenen Auswirkungen auf den Schweißprozess, ist nicht möglich. • Die Aufnahmedauer ist stark begrenzt und dadurch unter Umständen nicht repräsentativ für den gesamten Prozess. • Die Beobachtung ausgewählter Phasen bzw. Zeitpunkte ist nur begrenzt möglich. Im Allgemeinen stehen zwar verschiedene Triggerungsmöglichkeiten zur Verfügung, die sich allerdings auf die erste Aufnahme beziehen. Alle weiteren Aufnahmen werden kontinuierlich aufgezeichnet. • Die Beobachtung von Auswirkungen von Parameteränderungen ist aufgrund der hohen Aufnahmefrequenz nur nach Ende aller Aufnahmen und nicht direkt möglich.

3.3 Zusammenfassung und Analyse des Stands der Technik

23

• Durch das kontinuierliche Aufnahmeprinzip und die hohen Aufnahmefrequenzen werden je nach Anwendung auch redundante Informationen aufgenommen. • Die Beobachtung und Analyse der Aufnahmen sind aufgrund der hohen Anzahl zeit- und rechenintensiv. • Beim Einsatz eines optischen Lasers als zusätzliche Beleuchtungsquelle müssen sicherheitstechnische Aspekte berücksichtigt werden, die das Einsatzfeld begrenzen. • Die Zuordnung zu anderen wichtigen Informationen, wie z. B. den elektrischen Schweißparametern Schweißstromstärke oder -spannung, ist schwierig. • Die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten sind sehr hoch. Aufgrund der Nachteile eignen sich die Hochgeschwindigkeitssysteme hauptsächlich zur Klärung spezieller Probleme des Schweißprozesses, wie zum Beispiel zur Modellverifizierung bei der Grundlagenforschung. Für eine prozessbegleitende Verwendung, wie zum Beispiel zur Überwachung, Inspektion, Regelung und Qualitätsdokumentation, sind die Systeme relativ ungeeignet. Das Verfahren in [Moot91a] und [Moot91b] (siehe Kapitel 3.1) stellt einen interessanten Ansatz zur Lösung von einigen der aufgeführten Probleme dar. Die auf einen Schweißparameter synchronisierte Aufnahme eines Bildes pro Werkstoffübergang ermöglicht eine gezielte Aufnahme bestimmter Phasen des Prozesses, eine prozessbegleitende Anwendung und eine Aussage bezüglich der Stabilität und Qualität des Werkstoffübergangs anhand einer Aufnahme und somit des gesamten Schweißprozesses. Allerdings ist die Qualität der Aufnahmen (soweit nachvollziehbar, siehe beschriebene Erläuterungen) aufgrund der nicht verwendeten zusätzlichen Beleuchtungsquelle sowie die geringe Aufnahmefrequenz für eine detaillierte Beobachtung und automatische Analyse nicht ausreichend. Diese Probleme könnten durch den Einsatz einer hoch dynamischen Kamera auf der Basis der Complementary Metal-Oxide Semiconductor-Technologie (CMOS; dt.: Komplementärer MetallOxid-Halbleiter) unter Umständen gelöst werden. Eine für diese Arbeit bedeutende Eigenschaft dieser Kameratechnologie ist der sehr hohe Helligkeitsdynamikbereich von mehr als 106:1 bzw. 120 dB [RR99] [FhG00] [Weis01a]. Diese Dynamik entspricht ungefähr der Dynamik des Lichtbogens (siehe Kapitel 2.3). D. h., es könnte mit den Kameras möglich sein, den Schweißprozess und insbesondere den Werkstoffübergang ohne eine zusätzliche Beleuchtung mit einer ausreichenden Qualität aufzunehmen. Zusätzlich ermöglicht die Technologie im Gegensatz zu Standard-CCDKameras (d. h. keine Hochgeschwindigkeitskameras) hohe Aufnahmefrequenzen sowie einen direkten und angepassten Zugriff auf die Daten. Aufgrund der Eigenschaften und den Tatsachen, dass • die ersten für den industriellen Einsatz geeigneten hoch dynamischen CMOS-Kameras (z. B. [KWD98a]) erst in den späten 90er Jahren vorgestellt wurden [Weis01b], • heutige CMOS-Kameras inzwischen eine Reife erreicht haben, die sie zu einer ernsthaften Konkurrenz von CCD-Kameras werden lassen [GS02] [Weis01b], • die Entwicklung der CMOS-Technologie sehr dynamisch ist [Ro02] [Weis01b] und • das sich die CMOS-Technologie in Zukunft schneller als die CCD-Technologie entwickeln wird [Ro02] [Weis01b], ist die Verwendung der hoch dynamischen CMOS-Kameras für die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs eine interessante und zu untersuchende Möglichkeit. Aus dem Stand der Technik ist weiterhin ersichtlich, dass der Werkstoffübergangstropfen in der Regel geometrisch vermessen wird. So werden oft die Zusammenhänge zwischen den elektrischen Schweißsignalen, wie zum Beispiel der Stromstärke und der Drahtvorschubgeschwindigkeit, und den geometrischen Tropfengrößen Radius, Durchmesser und Volumen untersucht und beschrieben. Beispiele sind [John91], [Subr98], [Zhen99], [Zhu97], [Rhee92], [Matz90], [Schm99], [Kim89], [Kim93a], [Kim93b], [Kill84], [Moot91a], [Jaco92], [Welz89], [NN88], [Choi98], [John92] und [Watk92]. Allerdings wird in keinem Beitrag ein Verfahren zur automatischen visuellen Analyse der Aufnahmen bezüglich der untersuchten Kenngrößen beschrieben. Aus dieser Tatsache kann mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass die Aufnahmen manuell ausgewertet wurden.

24

3 Stand der Technik und Problemanalyse

Des Weiteren wird aus dem Stand der Technik deutlich, dass die Aufzeichnung der zeitlichen Verläufe der elektrischen Schweißsignale und insbesondere der Stromstärke, Spannung und Drahtvorschubgeschwindigkeit, wie die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs, ein Standardwerkzeug bei der Forschung, Entwicklung und Anwendung sind. Ähnlich wie bei der Auswertung der visuellen Aufnahmen konnte für das Impulslichtbogenschweißen kein Verfahren ermittelt werden, das eine automatische Ermittlung der wichtigsten Kenngrößen der elektrischen Schweißsignale ermöglicht, wie zum Beispiel der Pulsstromhöhe, der Grundstromhöhe und der mittleren Drahtvorschubgeschwindigkeit (siehe Kapitel 2.5.2.1 für eine detaillierte Auflistung). Für das Kurzlichtbogenschweißen wird in [Rehf94], [Hero95] und [Rehf99] ein Verfahren beschrieben, das für das MSG-Dünnblechschweißen aus den elektrischen Schweißsignalen (speziell Schweißstromstärke, Schweißspannung und Drahtvorschubgeschwindigkeit) die für diese Variante charakteristischen Parameter (wie z. B. Brenn- und Kurzschlusszeiten) ermittelt. Verwendet werden die Parameter zur Bewertung der Nahtqualität in Bezug auf Kriterien wie Nahtdicke, Einbrandkerben und Nahtschuppung [Hero95].

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4 Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen Aus der Einleitung und Motivation in Kapitel 1, der Vorstellung des MSG-Schweißprozesses in Kapitel 2, dem beschriebenen Stand der Technik sowie dessen Analyse in Kapitel 3 ergibt sich folgender Sachverhalt: Die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs und die Aufzeichnung der elektrischen Schweißsignale sind beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen von besonderer Bedeutung. Die Methoden werden in allen Phasen der Forschung, Entwicklung und Anwendung eingesetzt. Für die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs existiert ein Verfahren, das für viele Anwendungen eine Reihe von Nachteilen aufweist (siehe Kapitel 3). Für eine automatische Auswertung der aufgezeichneten visuellen und elektrischen Informationen existieren (soweit bekannt) keine Verfahren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Konzeptes und dessen Umsetzung für eine prozessbegleitende visuelle Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs beim MSGSchweißen mit Impulslichtbogen in Kombination mit einer synchronisierten Aufzeichnung der zeitlichen Verläufe relevanter elektrischer Schweißparameter. Weiterhin soll das Konzept die automatische Auswertung der aufgezeichneten Informationen in Bezug auf relevante visuelle Prozesskenngrößen des Werkstoffübergangs und relevante elektrische Prozesskenngrößen der elektrischen Schweißparameter ermöglichen. Auf der Basis dieser Eigenschaften soll das umgesetzte System für eine Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation genutzt werden können. Weiterhin sollen die Kenngrößen, sofern möglich, auch als Basis für eine Prozessüberwachung und -regelung verwendet werden können. Eine schweißtechnische Auswertung der aufgezeichneten und ermittelten Informationen ist nicht Bestandteil dieser Arbeit. Aus diesem Ziel ergeben sich folgende Teilaufgaben: • Die Entwicklung eines Konzeptes zur visuellen Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs in Kombination mit einer synchronisierten Aufzeichnung von zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter. • Die Untersuchung der hoch dynamischen CMOS-Technologie anhand von verschiedenen CMOS-Kameras in Bezug auf deren Eignung zur visuellen Beobachtung und Aufzeichnung des Werkstoffübergangs. Bei der Untersuchung sind neben der Helligkeitsdynamik des Lichtbogens vor allem die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Werkstoffübergangstropfens zu berücksichtigen. Zur besseren Beurteilung der Eigenschaften der CMOS-Technologie sind diese mit den Eigenschaften der CCD-Technologie anhand einer CCD-Kamera zu vergleichen. • Die Entwicklung von Verfahren zur automatischen Ermittlung von Prozesskenngrößen aus den zeitlichen Verläufen relevanter elektrischer Schweißparameter. • Die Entwicklung von Verfahren zur automatischen Ermittlung von Prozesskenngrößen aus den visuellen Informationen des Werkstoffübergangs. • Die Entwicklung von Verfahren zur automatischen Aufbereitung und Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen. • Die Umsetzung des Konzeptes in ein Sensorsystem. • Der Test der einzelnen Verfahren und des gesamten Sensorsystems. • Die Untersuchung der entwickelten Teilverfahren und des gesamten Sensorsystems auf deren Eignung für eine in späteren Arbeiten anzustrebende Regelung des Schweißprozesses auf der Basis der visuellen und elektrischen Prozesskenngrößen. Zur Verifizierung der Verfahren und des umzusetzenden Systems steht der in Bild 4.1 dargestellte Systemaufbau mit den im folgenden aufgeführten Komponenten zur Verfügung: • MSG-Impulslichtbogenschweißgeräte [EWM1] [EWM2] • Schweißtisch mit automatischem Vorschub • Istwert-Auskopplung für die Schweißstromstärke und -spannung • Istwert-Auskopplung für die Drahtvorschubgeschwindigkeit • Unterschiedliche CCD- und CMOS-Kameras (siehe Kapitel 7)

26

4 Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen

• Computer Der Computer beinhaltet eine intelligente Messkarte mit einem eigenen Prozessor und einem Echtzeitbetriebssystem. Mit der Messkarte können elektrische Schweißsignale aufgezeichnet und mit zu entwickelnden speziellen Echtzeitprogrammen die Kameraaufnahmen auf die Schweißsignale synchronisiert ausgelöst werden. Weiterhin sind im Computer die Framegrabber für die unterschiedlichen Kameras integriert. Der Schweißtisch besteht aus einer feststehenden Brennerhalterung und einer linearen Vorschubeinheit zur Beförderung der Werkstoffproben während der Schweißung. Die Geschwindigkeit des Vorschubs ist einstellbar. Die verschiedenen Kameras sind so positioniert und ausgerichtet, dass deren optische Achsen in etwa einem senkrechten Winkel mit dem Brenner stehen. Für die verwendete CCD-Kamera steht zusätzlich eine Beleuchtungsquelle zur Verfügung, die als Gegenlichtquelle eingesetzt wird und im Systemaufbau nicht eingezeichnet ist.

Bild 4.1: Systemaufbau für die vorliegende Arbeit

Des Weiteren stehen der Arbeit zur Verifizierung folgende Kombinationen aus Geräten, Einstellungen, Spezifikationen, Werkstoffen und Materialarten zur Verfügung (zum Teil vorgegeben durch eine zugrunde liegende Förderung [AiF]): • Schutzgasgemisch aus 82 % Argon und 18 % Kohlendioxid (Bezeichnung z. B. Krysal 18) • Drahtelektrode aus Stahl (Typ: SG2) mit einem Durchmesser von 1,2 mm • 5 mm dicke Werkstoffproben aus unlegiertem Stahl • Senkrechte Brenneranstellung (siehe auch Schweißtisch) • Auftragsschweißen (Wannenposition)

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5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation In diesem Kapitel wird das zugrunde liegende Konzept der vorliegenden Arbeit vorgestellt. Alle folgenden Kapitel beschreiben die Umsetzung einzelner Teile des Konzeptes bzw. dafür notwendige Untersuchungen. Das Kapitel gliedert sich in eine Einleitung mit der Vorstellung des Ziels, dem die Untersuchung der optimalen visuellen Aufnahmefrequenz folgt. Im Anschluss werden die visuellen und elektrischen Prozesskenngrößen erläutert. Nach einer Zusammenfassung des Konzeptes folgt eine zusätzliche Vorstellung, wie das für das MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen entwickelte Konzept auf das MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen übertragen werden könnte bzw. teilweise wurde.

5.1 Einleitung und Ziel Ziel der vorliegenden Arbeit ist entsprechend Kapitel 4 die Entwicklung eines Systems zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen auf der Basis von visuellen Informationen des Werkstoffübergangs und elektrischen Schweißparametern. Sofern möglich, soll das System bzw. die Ergebnisse zusätzlich die Basis für eine in späteren Arbeiten umzusetzende Überwachung und Regelung bilden. D. h., das System muss eine prozessbegleitende Arbeitsweise aufweisen. Die bisher zur visuellen Beobachtung eingesetzten Hochgeschwindigkeitskameras in Verbindung mit den Gegenlichtquellen sind für ein solches System aus einer Reihe von Gründen (siehe Kapitel 3.3) nicht geeignet. Aus informationstechnischer Sicht sind die wesentlichen Gründe die hohe Aufnahmefrequenz und die geringe Aufnahmedauer, mit denen eine prozessbegleitende Arbeitsweise nicht möglich ist. Weiterhin existieren weder für die visuellen Informationen noch für die zeitlichen Verläufe der elektrischen Schweißparameter Verfahren zur automatischen Ermittlung von auswertbaren Kenngrößen, die für die meisten der oben aufgeführten Ziele (Beurteilung, Überwachung, usw.) notwendig sind. Daraus ergibt sich, dass für die Entwicklung eines Konzeptes und dessen Umsetzung folgende Fragen untersucht werden müssen: • Welche Informationen sind für eine Beobachtung, Inspektion, Beurteilung, Analyse, Optimierung, Dokumentation, Überwachung und Regelung notwendig und gleichzeitig prozessbegleitend auswertbar. • Welche visuellen und elektrischen Kenngrößen des einzelnen Werkstoffübergangs existieren und sind für eine Beurteilung, Analyse, Optimierung, Überwachung und Regelung verwendbar. • Wie können die ermittelten Kenngrößen der einzelnen Werkstoffübergänge zur Beurteilung, Analyse, Optimierung, Überwachung und Regelung des gesamten Schweißprozesses verwendet werden.

5.2 Optimale Aufnahmefrequenz für die visuelle Beobachtung Beim MSG-Schweißprozess mit Impulslichtbogen handelt es sich um einen periodischen Vorgang. Der Werkstoffübergang ist mit den elektrischen Schweißsignalen Stromstärke und Spannung gekoppelt, wie in Bild 5.1 schematisch dargestellt ist. Charakteristisch für einen solchen Prozess ist, dass sich Merkmale wie zum Beispiel die Tropfenanzahl und die Tropfenform innerhalb der gleichen Phase eines Werkstoffübergangs bzw. einer Periode nicht ändern. Treten Änderungen der Merkmale auf, repräsentieren diese Änderungen gleichzeitig Abweichungen im Prozess, wie in Bild 5.2 bis Bild 5.6 schematisch an Beispielen dargestellt ist. D. h., aus visueller Sicht ist es für einen solchen Vorgang ausreichend, den Werkstoffübergang einmal pro Periode in der gleichen Prozessphase aufzunehmen. Die Gleichmäßigkeit und damit Stabilität eines solchen Prozesses ist anhand einer Aufnahme pro Werkstoffübergang eindeutig beschreibund beurteilbar.

28

5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation

Bild 5.1: Periodizität beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogenschweißen

Bild 5.2: Gleichmäßiger Prozess: Ein-Tropfen-Pro-Impuls-Übergänge

Bild 5.3: Ungleichmäßiger Prozess: Kein Tropfen

Bild 5.4: Ungleichmäßiger Prozess: Tropfenkette

Bild 5.5: Ungleichmäßiger Prozess: Großer Tropfen

Bild 5.6: Ungleichmäßiger Prozess: Nachtropfen

Bild 5.7: Ungleichmäßiger Prozess: Spritzer

Entsprechend den in Kapitel 2.5.2.1 aus der Literatur aufgeführten minimalen und maximalen Frequenzen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen von ungefähr 25 bis 250 Hz müsste ein visuelles Beobachtungssystem somit eine Aufnahmefrequenz von bis zu 250 Hz ermöglichen. Mit dieser Aufnahmefrequenz würde das System in Bezug zu den Hochgeschwindigkeitssystemen eine erhebliche Datenreduktion ermöglichen, wie in Tabelle 5.1 dargestellt ist. Die aufgenommenen visuellen Daten würden in Bezug auf die Ziele (Beurteilung, Überwachung, usw.) im Gegensatz zu den Hochgeschwindigkeitssystemen keine redundanten Informationen enthalten. Je nach zur Verfügung stehender Hardware (Kamera, Computer, Monitor, usw.) und den notwendigen Auswerteverfahren ermöglicht die Datenreduktion somit unter Umständen eine prozessbegleitende Beobachtung und Auswertung von visuellen Kenngrößen.

5.3 Synchronisation der visuellen Beobachtung

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Tabelle 5.1: Informationsreduzierung bei einer Aufnahme pro Werkstoffübergang in Bezug zu Hochgeschwindigkeitssystemen mit üblichen Aufnahmefrequenzbereichen Frequenz des Frequenz bei einer Aufnahmefrequenz InformationsreduSchweißAufnahme pro Werkeines Hochgeschwinzierung zwischen prozesses stoffübergang (A) digkeitssystems (H) A und H in % 25

25

2.000

98,7

25

25

10.000

99,7

250

250

2.000

87,5

250

250

10.000

97,5

5.3 Synchronisation der visuellen Beobachtung Das Prinzip der visuellen Beobachtung aus dem vorherigen Abschnitt beruht auf einer Aufnahme pro Werkstoffübergang in der gleichen Prozessphase. Allerdings ist der Schweißprozess nicht vollständig gleichmäßig, sondern variiert u. a. in der Periodenzeit. Dadurch ist der Schweißprozess jedoch nicht instabil oder fehlerhaft. Aus diesem Grund können die Aufnahmen nicht in festen Zeitabständen aufgenommen werden. In diesem Fall würden die Aufnahmen einen instabilen und fehlerhaften Prozess darstellen, wie Bild 5.8 schematisch zeigt. I

t

U

A

t t = const

t = const

t = const

t

Bild 5.8: Problem bei Aufnahmen mit festen Zeitabständen

Zur Synchronisation der Auslösung der Aufnahmen lässt sich die Kopplung zwischen dem Werkstoffübergang und dem zeitlichen Verlauf der Schweißspannung bzw. des Schweißstromes nutzen. Um jeweils die exakt gleiche Phase auch bei leicht variierenden Periodenzeiten zu beobachten und aufzunehmen, wird die Aufnahme nach dem Erreichen eines Triggerkriteriums, dessen Flanke und Wert einstellbar sind, und nach einer einstellbaren Verzögerungszeit ausgelöst. Dieser Zusammenhang ist in Bild 5.9 dargestellt.

Bild 5.9: Synchronisation der Aufnahme auf den MSG-Schweißprozess mit Impulslichtbogen

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5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation

Als Synchronisationssignal wird in dieser Arbeit die Stromstärke verwendet, da diese von dem Schweißgerät geregelt wird und für die Synchronisation bzw. für das Triggerkriterium einen eindeutigeren Verlauf aufweist. Dieser Zusammenhang ist in Bild 5.10 an aufgenommenen zeitlichen Verläufen der Schweißstromstärke und -spannung zu erkennen. Durchgeführt wird die Synchronisation und gleichzeitig die Aufzeichnung der elektrischen Schweißparameter in der vorliegenden Arbeit mithilfe speziell entwickelter Echtzeitprogramme. Diese werden direkt auf der intelligenten Messkarte (siehe Kapitel 4) ausgeführt. U [V]

45

I [A]

450

36

360

27

270

18

180

9

90

0

0

Stromstärke Spannung

0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 5.10: Schweißstromstärke und -spannung (Rucksackmodell)

Durch die getriggerte, periodische Aufnahmemethode entsteht das virtuelle Bild eines quasistationären Vorgangs, d. h. eines stillstehenden Tropfens. Unregelmäßigkeiten innerhalb des Schweißprozesses fallen sofort als abweichende Aufnahmen auf. Die Auswirkungen geänderter oder sich ändernder Schweißparameter auf den Prozess können direkt, d. h. prozessbegleitend sichtbar gemacht werden. Aufgrund des variablen Triggerkriteriums und der variablen Verzögerungszeit kann jede Prozessphase des Schweißprozesses (Ablösung des Tropfens, Flug des Tropfens und Übergang des Tropfens in das Schweißbad) gezielt beobachtet und aufgenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass die interessierende Prozessphase selbst kein eindeutiges Triggerkriterium besitzt. Den Fall des quasistationären Werkstoffübergangs inklusive der Synchronisation stellt Bild 5.11 schematisch dar.

Bild 5.11: Quasistationärer Werkstoffübergang aufgrund der synchronisierten Aufnahme

Zusätzlich lässt sich durch die Umsetzung der Synchronisation einstellen, dass sich die Verzögerungszeit zwischen dem Erreichen des Triggerkriteriums und der Aufnahme während einer Aufnahmeserie linear vergrößert. In diesem Fall wird ein Werkstoffübergang durch die Aneinanderreihung von aufeinander folgenden Werkstoffübergangsphasen dargestellt. Dieser Vorgang stellt einen

5.4 Prozesskenngrößen

31

virtuellen Werkstoffübergang aus verschiedenen Tropfen dar, wie in Bild 5.12 schematisch dargestellt ist.

Bild 5.12: Virtueller Werkstoffübergang

Das beschriebene und in der vorliegenden Arbeit verwendete visuelle Beobachtungs- und Synchronisationsprinzip entspricht dem in [Moot91a] vorgestellten Verfahren (siehe Kapitel 3.1).

5.4 Prozesskenngrößen Zur Beurteilung, Analyse, Optimierung, Überwachung und Regelung des Werkstoffübergangs müssen bzw. sollten Kenngrößen verwendet werden, die zum einen den Werkstoffübergang eindeutig beschreiben, und zum anderen in der Schweißtechnik verwendet werden.

Visuelle Prozesskenngrößen Für die Beurteilung, Analyse, usw. des einzelnen Werkstoffübergangs können verschiedene visuelle Kenngrößen verwendet werden. Einige wurden bereits in Kapitel 3.2 bei der Beschreibung des Stands der Technik im Bereich Forschung erwähnt. Zusätzlich wurden in Kapitel 2.5.2.1 (Verfahrenstechnische Prozessparameter) einige Richtgrößen für einen optimalen Werkstoffübergang aus der Literatur vorgestellt. Die vorgestellten und in der Schweißtechnik verwendeten Kenngrößen waren • Tropfendurchmesser, • Tropfenradius und • Tropfenvolumen.

Bild 5.13: Visuelle Kenngrößen Tropfenvolumen VT und Tropfendurchmesser DT beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen

Des Weiteren sind entsprechend den Untersuchungen bezüglich der optimalen Aufnahmefrequenzen in Kapitel 5.2 noch die Tropfenanzahl, die Tropfenform (rundlich, länglich, usw.) und das Vorkommen von Spritzern als Kenngrößen verwendbar.

32

5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation

Prozesskenngrößen der elektrischen Schweißsignale Die Kenngrößen der elektrischen Schweißparameter Stromstärke und Spannung ergeben sich aus deren zeitlichen Verläufen. Die Kenngrößen wurden in Kapitel 2.5.2.1 vorgestellt und sind in Bild 5.14 zusammengefasst dargestellt. Diese Kenngrößen sind in der Regel bei allen modernen Schweißgeräten einstellbar und somit für eine Beurteilung, Analyse, usw. von besonderer Bedeutung.

Bild 5.14: Elektrische Prozesskenngrößen beim Impulslichtbogenschweißen (oben: Standardmodell, unten: Rucksackmodell)

Die Kenngrößen weiterer Schweißparameter, wie zum Beispiel der Drahtvorschubgeschwindigkeit, ergeben sich aus der Signalart dieser Parameter. Die zeitlichen Verläufe dieser Parameter sind gleichmäßig, wie zum Beispiel in Bild 5.15 am Beispiel der Drahtvorschubgeschwindigkeit zu erkennen ist. Zur eindeutigen Beschreibung solcher Signale sind statistische Kenngrößen, wie Mittelwert, minimaler Wert, maximaler Wert, usw. geeignet.

Bild 5.15: Drahtvorschubgeschwindigkeit vD als Beispiel für gleichmäßige elektrische Schweißsignale

5.5 Auswertung der ermittelten Prozesskenngrößen Die ermittelten visuellen und elektrischen Prozesskenngrößen beschreiben die einzelnen Werkstoffübergänge. Für eine Beschreibung des gesamten Schweißprozesses ist eine Auswertung der Kenngrößen der einzelnen Werkstoffübergänge notwendig. Hierfür bieten sich die statistische Analyse und statistische Prozesskontrollkarten an. Mit den Kenndaten einer statistischen Analyse, wie z. B. Mittelwert, Modalwert, Standardabweichung, Varianz, usw. ist eine Aussage über den Zustand des gesamten Schweißprozesses möglich. Durch den zusätzlichen Einsatz von statistischen Prozesskontrollkarten, wie zum Beispiel der Mittelwertkarte oder der Standardabweichungskarte, sind zudem Aussagen möglich, ob bestimmte Parameter bzw. Parameterkombinationen während des Schweißprozesses eingehalten werden. Als

5.6 Zusammenfassung des Konzeptes

33

Beispiel sei hier der Tropfendurchmesser aufgeführt, der nach [Dorn88] in etwa gleich dem des Drahtelektrodendurchmessers sein sollte (siehe Kapitel 2.5.2.1).

Bild 5.16: Durchmesser der Drahtelektrode DD und des Tropfens DT

5.6 Zusammenfassung des Konzeptes Zur besseren Verdeutlichung des Konzepts für die Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen sind im Bild 5.17 alle Schritte grafisch dargestellt. Zudem wird an dem Bild die Datenreduktion des Konzeptes deutlich. Periode k

k+1

IS, US, vD

IS, US, vD

...

Bild des Werkstoffübergangs

Zeitliche Verläufe von elektrischen Schweißparametern

t

t

Aufnahme von Daten pro Periode

Bild des Werkstoffübergangs

Zeitliche Verläufe von elektrischen Schweißparametern

Ermittlung von Merkmalen pro Periode

Ermittlung von Merkmalen pro Periode

Visuelle Merkmale des Werkstoffübergangs

Visuelle Merkmale des Werkstoffübergangs

Merkmale von elektrischen Schweißparametern

IS, US, vD

...

t

Aufnahme von Daten pro Periode

k+n

Merkmale von elektrischen Schweißparametern

Aufnahme von Daten pro Periode

...

Bild des Werkstoffübergangs

Ermittlung von Merkmalen pro Periode

...

Visuelle Merkmale des Werkstoffübergangs

Ermittlung von Merkmalen der Perioden k bis k+n

Datenreduktion

Visuelle Merkmale der Werkstoffübergänge

Zeitliche Verläufe von elektrischen Schweißparametern

Merkmale von elektrischen Schweißparametern

Aussage bzgl. Stabilität, Güte, usw.

Bild 5.17: Ablauf des gesamten Verfahrenskonzepts inklusive der Darstellung der Datenreduktion

Merkmale von elektrischen Schweißparametern

34

5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation

5.7 Übertragbarkeit des Konzeptes auf das MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen Zur Demonstration der Leistungsfähigkeit des Konzeptes bei gleichzeitiger Allgemeingültigkeit wird im Folgenden gezeigt, wie in einer späteren Arbeit das vollständige Konzept auf das MSGSchweißen mit Kurzlichtbogen übertragen werden könnte. Die Schweißvariante ist kein Bestandteil der vorliegenden Arbeit, aber in der Praxis von besonderer Bedeutung. Das Kurzlichtbogenschweißen weist wie das Impulslichtbogenschweißen einen periodischen Verlauf des Werkstoffübergangs und der gekoppelten elektrischen Schweißsignale Stromstärke und Spannung auf (siehe auch Kapitel 2.5.2.2). Diesen Zusammenhang stellt Bild 5.18 schematisch dar. Entsprechend den Erläuterungen beim Impulslichtbogenschweißen ist es somit auch für das Kurzlichtbogenschweißen ausreichend, eine Aufnahme pro Werkstoffübergang zu beobachten und aufzuzeichnen. Änderungen des Schweißprozesses sind wiederum durch abweichende Aufnahmen direkt sichtbar, wie in Bild 5.19 bis Bild 5.21 schematisch dargestellt ist.

Bild 5.18: Periodizität des MSG-Schweißens mit Kurzlichtbogen

Beim optimalen, d. h. gleichmäßigem Prozess (Bild 5.19) sollte die Kurzschlussbrücke in der gleichen Prozessphase in etwa immer die gleiche Breite aufweisen. Abweichungen von diesem Zustand stellen Unregelmäßigkeiten im Prozess dar, wie zum Beispiel wenn die Brücke schon getrennt ist (Bild 5.20) oder Spritzer auftreten (Bild 5.21).

Bild 5.19: Gleichmäßiger Prozess

Bild 5.20: Ungleichmäßiger Prozess: Kein Kurzschluss

Bild 5.21: Ungleichmäßiger Prozess: Spritzer

Die Synchronisation der Aufnahmen auf den Schweißprozess ist ebenfalls der beim Impulslichbogen ähnlich. Ein Unterschied besteht darin, dass die Synchronisation auf die Schweißspannung und nicht auf die Stromstärke durchgeführt werden muss bzw. sollte. Die Spannung ist zum einen der bestimmende Parameter des Prozesses und zum anderen für die Synchronisation aufgrund der Verlaufsform (z. B. zur Zeit des Kurzschlusses) geeigneter. Den Ablauf des Synchronisationsverfahrens für das Kurzlichtbogenschweißen stellt Bild 5.22 schematisch dar.

5.7 Übertragbarkeit des Konzeptes auf das MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen

35

Bild 5.22: Ablauf der synchronisierten Aufnahme beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen

Durch die Synchronisationsmethode und die beiden einstellbaren Möglichkeiten der Verzögerungszeit (konstant bzw. linear ansteigend) ergeben sich wie beim Impulslichtbogenschweißen entweder der quasistationäre oder der virtuelle Werkstoffübergang. Die jeweiligen Abläufe und deren Auswirkungen auf die Aufnahmeabbildungen stellen Bild 5.23 und Bild 5.24 schematisch dar.

Bild 5.23: Quasistationärer Werkstoffübergang beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen I

t

U

A

t tv = ∆t

T

tv = 2∆t

T

tv = 3∆t

T

Bild 5.24: Virtueller Werkstoffübergang beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen

T

t

36

5 Konzept zur Beobachtung, Inspektion, Analyse, Optimierung und Dokumentation

Als visuelle Prozesskenngröße, mit der die einzelnen Werkstoffübergänge und die komplette Sequenz analysiert, beurteilt, überwacht, dokumentiert, geregelt, usw. werden könnten, wäre die Kurschlussbrückenbreite geeignet. Diese Breite ist entweder null, oder weist einen Wert größer null auf, wie in Bild 5.25 schematisch dargestellt ist.

Bild 5.25: Auswertbare visuelle Prozesskenngröße „Brückenbreite“ b beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen

Die Prozesskenngrößen der elektrischen Schweißparameter Stromstärke und Spannung ergeben sich wiederum aus deren zeitlichen Verläufen. Die gängigen Kenngrößen und die zeitlichen Verläufe der beiden Parameter stellt Bild 5.26 dar (siehe auch Kapitel 2.5.2.2). Für alle weiteren Schweißparameter und deren Prozesskenngrößen, wie zum Beispiel der Drahtvorschubgeschwindigkeit, ergeben sich keine Änderungen.

Bild 5.26: Auswertbare elektrische Prozesskenngrößen beim MSG-Schweißen mit Kurzlichtbogen

Die Auswertung, Beurteilung, Überwachung, usw. der kompletten Sequenzen wären mit dem Konzeptschritt beim Impulslichtbogen identisch.

37

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen Im folgenden Kapitel werden Verfahren zur automatischen Ermittlung von elektrischen Prozesskenngrößen des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen beschrieben. Das Kapitel beginnt mit einer Einleitung und der Vorstellung der Ziele und Rahmenbedingungen. Im Anschluss werden die Verfahren beschrieben und an Beispielen demonstriert.

6.1 Einleitung, Ziel und Rahmenbedingungen Eine Grundlage des Beobachtungs-, Analyse- und Optimierungskonzepts aus Kapitel 5 ist die Ermittlung von Prozesskenngrößen aus den zeitlichen Verläufen der elektrischen Schweißsignale. Als zeitliche Signale werden in der Praxis mindestens die Schweißstromstärke, die Schweißspannung und die Drahtvorschubgeschwindigkeit betrachtet. Die beiden ersten Signale weisen einen periodischen Verlauf auf (siehe Kapitel 2). Die Drahtvorschubgeschwindigkeit ist ein gleichmäßiges (nicht periodisches) Signal, wie in Bild 6.1 schematisch dargestellt.

Bild 6.1: Drahtvorschubgeschwindigkeit als Beispiel für gleichmäßige elektrische Signale

Ziel der neu entwickelten Verfahren ist die Ermittlung der in der Praxis gängigen Prozesskenngrößen aus den zeitlichen Verläufen der elektrischen Signale der Schweißstromstärke, der Schweißspannung und von bis zu sechs (bedingt durch die Eigenschaften der Messkarte) weiteren gleichmäßigen Signalen. Entsprechend dem Konzept aus Kapitel 5 ist mit diesen Kenngrößen die Einstellung und Analyse des Schweißprozesses möglich. Bedingt durch die Eigenschaften der Messkarte sowie des Bild- und Messwertaufnahmeprinzips können Teile der zeitlichen Verläufe nicht aufgenommen werden (siehe Bild 6.2). Für die Berechnung der Prozesskenngrößen müssen diese Regionen approximiert werden.

Bild 6.2: Nicht gemessene Regionen der elektrischen Schweißparameter am Beispiel der Schweißstromstärke und -spannung

Bedingt durch das Aufnahmeprinzip ist die Messung zum Zeitpunkt T im weiteren immer die Messung zum Zeitpunkt t=0. Weiterhin wird angenommen, dass die gemessene Zeit tT->T mit der Dauer der Periode tper identisch ist.

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung Die Beschreibung des Verfahrens zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung gliedert sich in mehrere Abschnitte. Nach einer Vorstellung der Ziele werden die einzelnen Verfahrensschritte beschrieben. Im Anschluss folgen eine Zusammenfassung der einzelnen Verfahrensschritte und eine Demonstration des Verfahrens an Beispielen.

6.2.1 Ziele Ziel des Verfahrens ist die automatische Bestimmung der relevanten Prozesskenngrößen für die Varianten „Standard“ und „Rucksack“ des Impulslichtbogenschweißens. Die relevanten Kenngrößen der Standardvariante sind:

38

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

• Mittelwert für Stromstärke Im und Spannung Um • Effektivwert für Stromstärke Ieff und Spannung Ueff • Pulsphasenwert für Stromstärke Ip und Spannung Up • Grundphasenwert für Stromstärke Ig und Spannung Ug • Dauer tper und Frequenz fper einer Periode • Dauer der Pulsphase tp und der Grundphase tg • Dauer der positiven Pulsphasenflanke tppf und der negativen Pulsphasenflanke tnpf Die Rucksackvariante weist zusätzlich folgende Kenngrößen auf: • Rucksackphasenwert für Stromstärke Ir und Spannung Ur • Dauer der Rucksackphase tr und der negativen Rucksackphasenflanke tnrf Bild 6.3 und Bild 6.4 stellen alle Kenngrößen zur Verdeutlichung grafisch dar. Für eine Bestimmung der Kenngrößen ist zudem die automatische Bestimmung der Prozessvariante (Standard oder Rucksack) notwendig. Je nach Schweißgerätemodell und zugrunde liegender Regelung ist es möglich, dass mit oder ohne Rucksackphase geschweißt wird.

Bild 6.3: Charakteristische Parameter einer Periode von Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen IS, US

Ip , U p Ieff, Ueff Im, Um Ir, Ur Ig, Ug tppf tp

t

tnrf

tnpf tr

tg

tper,fper

Bild 6.4: Charakteristische Parameter einer Periode von Schweißstromstärke und Schweißspannung beim Impulslichtbogenschweißen mit Rucksackphase

6.2.2 Verfahrensprinzip Dem Impulslichtbogenverfahren liegt ein pulsierender Verlauf der Schweißstromstärke zugrunde. Die Verläufe beider Varianten („Standard“ und „Rucksack“) werden durch einige charakteristische

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

39

Punkte CP (Begriff hier eingeführt) beschrieben, die den Sattelpunkten der Steigungen entsprechen. Bild 6.5 stellt diesen Zusammenhang schematisch dar.

Bild 6.5: Charakteristische Punkte in den Verläufen der Stromstärke für die beiden Varianten

Mit der Kenntnis der charakteristischen Punkte können alle Kenngrößen beider Varianten ermittelt werden (siehe Bild 6.3 und Bild 6.4). Aufgrund der Abhängigkeit der charakteristischen Punkte von den Steigungen des Stromstärkeverlaufes wurde ein kombiniertes Verfahren entwickelt, dass auf jeweils einem Steigungsmodell pro Prozessvariante basiert und mit dem die Punkte ermittelt werden können. Den Zusammenhang zwischen den Steigungen und den Punkten stellt Bild 6.6 schematisch dar. Ermittelt werden die Steigungen si der Stromstärkeverläufe durch die Beziehung: ΔI I ti+1 − I ti ; i = 0, 1,..., N (Anzahl der Messungen) si = = ( 6.1 ) Δt ti +1 − ti Standard

Rucksack

0

0

Zeit

0

Zeit

0

Zeit

Zeit

Bild 6.6: Zusammenhang von Stromstärke und den Steigungen für die beiden Prozessvarianten

6.2.3 Erzeugung des Steigungsmodells Die Umsetzung des Verfahrensprinzips ist in der Praxis nicht ohne zusätzliche Schritte möglich. Grund hierfür sind extreme Störungen auf den zeitlichen Verläufen der Signale. Bild 6.7 stellt diese an einem Beispiel dar. Aufgrund der Störungen kann mithilfe der Gleichung ( 6.1 ) kein Steigungsmodell erzeugt werden, mit dem die charakteristischen Punkte eindeutig detektiert werden können. Zur Erzeugung eines geeigneten Modells wurde eine Methode entwickelt, die aus fünf Schritten besteht. Die Schritte werden im Folgenden beschrieben und zur Verdeutlichung jeweils an dem Beispiel aus Bild 6.7 demonstriert. Im ersten Schritt wird auf den Stromstärkeverlauf eine gleitende Medianfilterung angewendet. Der allgemeine Medianfilter ist nach [Haer94] durch die Beziehung ⎧ x*N +1 für ungerade N ⎪⎪ 2 x = median { x0 , x1 ,..., xN } = ⎨ ⎞ 1⎛ ⎪ ⎜ x*N + x*N +1 ⎟ für gerade N ⎪⎩ 2 ⎝ 2 2 ⎠

( 6.2 )

40

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

definiert. Hierbei ist xi* die nach der Größe geordnete Reihe x1* , x2* , x3* ,..., xn* der Urreihe xi. Der gleitende Medianfilter mit der Filtergröße M=2k+1 wird nach [Haer94] durch die Beziehung x i = median { x , x ,..., x , x , x ,..., x , x } ; i = k + 1,..., N - k ( 6.3 ) i −k

gleit

i − ( k −1)

i −1

i

i +1

i + ( k −1)

i+k

beschrieben. Der Medianfilter wurde gewählt, da dieser im Gegensatz zu einem arithmetischen Mittelwertfilter zum einen die Störungen reduziert, aber gleichzeitig den Steigungsverlauf und die charakteristischen Punkte nur wenig beeinflusst. Als Filterkerngröße wurde in Bezug auf die gesamte Methode eine Filterkerngröße von k=5 als optimal ermittelt. Bild 6.8 stellt diesen Schritt für das Beispiel dar. U [V]

45

I [A]

450

36

360

27

270

18

180

9

90

0

0

Stromstärke Spannung

0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.7: Stromstärke und Spannung I [A]

450

Stromstärke

360 270 180 90 0 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.8: Stromstärke aus Bild 6.7 gleitend Median gefiltert (Filterkerngröße k=5)

Im zweiten Schritt wird mit der Gleichung ( 6.1 ) der Steigungsverlauf erzeugt. In Bild 6.9 ist zu erkennen, dass mit diesem Verlauf noch keine eindeutige Bestimmung der charakteristischen Punkte möglich ist. I/ t

1,2

Steigungen

0,8 0,4 0 -0,4 -0,8 -1,2 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.9: Steigungen der gefilterten Stromstärke aus Bild 6.8

Aus diesem Grund wird im folgenden Verarbeitungsschritt auf den Steigungsverlauf ebenfalls der gleitende Medianfilter aus Gleichung ( 6.3 ) mit derselben Filtergröße angewendet. Anhand einer

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

41

Vielzahl von Versuchen wurde festgestellt, dass mit dieser zweistufigen Filterung in Bezug auf die Bestimmung der charakteristischen Punkte bessere Ergebnisse erzielt werden, als mit einer Filterung der Stromstärke mit einem größeren Filterkern. Die Wirkung der Filterung stellt Bild 6.10 dar. I/ t

0,6

Steigungen

0,4 0,2 0 -0,2 -0,4 -0,6 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.10: Steigungen aus Bild 6.9 gleitend Median gefiltert (Filterkerngröße k=5)

Im vierten und fünften Schritt wird das Steigungsmodell mithilfe des gefilterten Steigungsverlaufes und einem so genannten 25%-Modells (Begriff hier eingeführt) erzeugt, dass durch die Beziehung ⎧ si si > sschwell ,max ⎪ si = ⎨ 0 sschwell ,min ≤ si ≤ sschwell ,max ⎪s si < sschwell ,min ⎩ i

; i = 0, 1, ..., N

( 6.4 )

mit sschwell ,min = 0, 25 smin

( 6.5 )

sschwell ,max = 0, 25 smax

definiert ist. Das erzeugte 25%-Modell für den Verlauf aus Bild 6.10 zeigt Bild 6.11. I/ t

0,6

25%-Modell

0,4 0,2 0 -0,2 -0,4 -0,6 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.11: 25%-Modell als Basis zur Bestimmung des Steigungsmodells

Für beide Seiten jedes verbleibenden „Steigungshügels“ des 25%-Modells wird im Steigungsverlauf überprüft, an welchen Positionen der Verlauf das erste Mal die Nulllinie erreicht. Diesen Suchvorgang stellen Bild 6.12 und Bild 6.13 schematisch dar. Das resultierende Steigungsmodell ergibt sich aus dem 25%-Modell und den detektierten Teilstücken aus dem Steigungsverlauf. Bild 6.14 stellt das resultierende Steigungsmodell für das Beispiel und die zugrunde liegende Stromstärke dar. In dem Bild ist ersichtlich, dass die Sattelpunkte des Verlaufes sehr genau detektiert werden.

42

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen I/ t

0,6

Steigungen 25%-Modell

0,4 0,2 0 -0,2 -0,4 -0,6 2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.12: Bestimmung des Steigungsmodells mithilfe des Steigungsverlaufes (Bild 6.10) und des 25%-Modells (Bild 6.11) Endpunkt Startpunkt

Bild 6.13: Ausschnitt aus Bild 6.12 (Bereich ca. 5000 bis 6800 µs) I/t

0,8

I [A]

450

Stromstärke Steigungsmodell

360 0,4 270 0 180 -0,4 90 -0,8 0 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.14: Verlauf der Stromstärke und des ermittelten Steigungsmodells

6.2.4 Bestimmung der Prozessvariante Mithilfe des Steigungsmodells ist die automatische Bestimmung der Prozessvarianten „Standard“ oder „Rucksack“ als Grundlage für die Berechnung der Prozessgrößen möglich. Die Bestimmung wird anhand der Anzahl und Reihenfolge der Bereiche „Positive Steigung“, „Negative Steigung“ und „Keine Steigung (Null)“ durchgeführt. Die Bedingungen für die beiden Prozessvarianten stellt Tabelle 6.1 dar. Alle Abweichungen von diesen Bedingungen entsprechen Fehlern im Schweißprozess. In diesem Fall werden die Prozesskenngrößen nicht berechnet und es ist direkt sichtbar, dass der Werkstoffübergang fehlerhaft ist. Ein Beispiel für die automatische Detektion eines fehlerhaften Werkstoffübergangs anhand des Steigungsmodells zeigen Bild 6.16 und Bild 6.17.

Bild 6.15: Standard- und Rucksacksteigungsmodell

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

43

Tabelle 6.1: Bedingungen für die Modelle zur Bestimmung der Prozessvariante ModellReihenfolge der Bereiche Bereichsanzahl und -art variante Positiv Negativ Null Standard

1

1

2

Positiv, Null, Negativ, Null

Rucksack

1

2

3

Positiv, Null, Negativ, Null, Negativ, Null

U [V]

45

I [A]

450

36

360

27

270

18

180

9

90

0

0

Stromstärke Spannung

0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.16: Beispiel zur Verdeutlichung der Detektion eines fehlerhaften Werkstoffübergangs I/t

0,6

25%-Modell

0,3 0 -0,3 -0,6 -0,9 0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.17: 25%-Modell der Stromstärke aus Bild 6.16, dass weder dem Standard- noch dem Rucksackmodell entspricht (Bereiche: Positiv, Null, Negativ, Null, Positiv und Null)

6.2.5 Bestimmung der charakteristischen Punkte Die Bestimmung der charakteristischen Punkte gliedert sich in die Bestimmung der Punkte CP2 bis CP4 und der Punkte CP1 und CP5.

Punkte CP2 bis CP4 Die Bestimmung der charakteristischen Punkte CP2 bis CP4 entspricht der Suche nach den Übergängen von den positiven und negativen Steigungen auf einen Steigungswert von null innerhalb der Steigungsmodelle. Bild 6.18 stellt dies schematisch dar.

Bild 6.18: Bestimmung der charakteristischen Punkte CP2 bis CP4 aus den Steigungsmodellen

44

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

Punkte CP1 und CP5 Aufgrund der nicht gemessenen Regionen (siehe Kapitel 6.1) wird zur Bestimmung der charakteristischen Punkte CP1 und CP5 angenommen, dass die Stromstärke der Grundphase mit der Stromstärke am Beginn der Pulsphase identisch ist. Dies entspricht dem angestrebten Verlauf der Schweißprozessregelung. Diesen Zusammenhang stellt Bild 6.19 dar.

Bild 6.19: Annahme zur Berechnung der charakteristischen Punkte CP1 und CP5

Der notwendige Grundphasenwert der Stromstärke Ig wird durch die Beziehung N

∑ ⎡⎣( I

Ig =

i = nCP4

i +1

− I i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦

( 6.6 )

t N − tCP4

berechnet, in der N die Anzahl der Messungen und n die Nummer der Messung sind. Weiterhin wird angenommen, dass die Steigungen der ersten Messungen gleich den Steigungen des nicht gemessenen Verlaufes entsprechen. IS IS I

Itrigger, t=0 Ig

CP1

CP1

Ig t

ttrigger, t=0

t

tCP1

t

tCP1

ttrigger, t=0 a.) b.) Bild 6.20: Annahmen und Definitionen zur Ermittlung des Punktes CP1

Mit diesen Annahmen ist der Punkt CP1 durch den Schnittpunkt der Fortführung des Stromstärkeverlaufes und der Grundstromstärke definiert. Bild 6.20 stellt dies dar. Mit diesen Annahmen wird der Punkt CP1 durch die folgenden Beziehungen ermittelt: 1 n =5 ΔI = ∑ ( I i − I g ) ( ti +1 − ti ) ( 6.7 ) 5 i =0 Δt = t n = 5 − t n = 0

tCP1 =

I trigger ,t =0 − I g

( 6.8 )

( 6.9 ) Δt ΔI Die zugrunde liegende Messungsanzahl n=5 wurde experimentell als optimal geeignet ermittelt. Bei dieser Anzahl von Messungen ist die Steigung über den Bereich ∆t ungefähr gleich der Steigung über den nicht gemessenen Bereich. Bei Hinzunahme von weiteren Messungen nimmt die Steigung aufgrund des Verlaufes der Stromstärke stark ab.

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

45

Mit der Kenntnis des Punktes CP1 wird der Punkt CP5 mithilfe der bekannten Periodendauer (siehe Kapitel 6.1) durch die Beziehung tCP5 = t per − tCP1

( 6.10 )

bestimmt.

6.2.6 Berechnung der Prozesskenngrößen Auf der Basis der bestimmten charakteristischen Punkte und der Prozessvariante können die Prozesskenngrößen berechnet werden. In den Beziehungen sind jeweils N die Anzahl der Messungen und n die Nummer der Messung.

Prozesskenngrößen für die Variante „Standard“ Die Kenngrößen der Prozessvariante „Standard“ sind im Folgenden aufgeführt. Zusätzlich stellt Bild 6.21 die zeitlichen Verläufe, Kenngrößen und charakteristischen Punkte zur Verdeutlichung dar. IS, US

CP2 CP3

Ip, Up Ieff, Ueff Im, Um CP4

CP1

tppf

CP5

Ig, Ug t

tnpf tg

tp tper,fper

Bild 6.21: Zeitliche Verläufe der Stromstärke und Spannung, Prozesskenngrößen und charakteritische Punkte

• Frequenz fper einer Periode (Dauer tper der Periode entspricht der gemessenen Zeit tT->T, siehe Kapitel 6.1) f per = 1 t per ( 6.11 )

• Dauer der Pulsphase tp t p = tCP3 + tCP1

( 6.12 )

• Dauer Grundphase tg t g = tCP5 − tCP3

( 6.13 )

• Dauer der positiven Pulsphasenflanke tppf t ppf = tCP2 + tCP1 • Dauer der negativen Pulsphasenflanke tnpf tnpf = tCP4 − tCP3

( 6.14 ) ( 6.15 )

• Pulsphasenwert der Stromstärke Ip nCP3

∑ (I

Ip =

i = nCP2

i +1

− I i )( ti +1 − ti )

tCP3 − tCP2

( 6.16 )

46

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

• Grundphasenwert der Stromstärke Ig N

∑ ⎡⎣( I

Ig =

i = nCP4

− I i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦

i +1

( 6.17 )

t N − tCP4

• Mittelwert der Stromstärke Im ⎡ ⎤ ⎢⎡ I − I t ⎥ ⎤ N 1 ⎢ ( n =0 g ) CP1 ⎡ ⎤ ⎢ Im = − I g tCP1 ⎥ + ∑ ⎡⎣( I i +1 − I i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦ + ⎣ tCP5 − tn I g ⎦ ⎥ 2 t per ⎢ ⎢ 

⎥ ⎥ i =0

nicht ⎢ ⎣ ⎦  gemessene Region ⎥ gemessene Region am Ende ⎢⎣ nicht gemessene Region vor Triggerung ⎥⎦ • Effektivwert der Stromstärke Ieff

(

)

( 6.18 )

⎡ ⎤ 2 ⎢⎡ I − I t ⎥ N ⎤ 2 2 1 ⎢ ( n =0 g ) CP1 ⎡ ⎤ ⎢ − I g tCP1 ⎥ + ∑ ⎡⎣( I i +1 − I i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦ + tCP5 − tn I g ⎥ Ieff = ⎣ 2 t per ⎢ ⎢

⎦ ⎥ ⎥⎦  i =0

⎣ ⎢ 

nicht gemessene Region ⎥ gemessene Region am Ende ⎢⎣ nicht gemessene Region vor Triggerung ⎦⎥ ( 6.19 ) • Pulsphasenwert der Spannung Up

(

nCP3

∑ (U

Up =

i = nCP2

i +1

)

(

)

− U i )( ti +1 − ti )

( 6.20 )

tCP3 − tCP2

• Grundphasenwert der Spannung Ug N

∑ ⎡⎣(U

Ug =

i = nCP4

i +1

− U i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦

( 6.21 )

t N − tCP4

• Mittelwert der Spannung Um ⎡ ⎤ ⎢⎡ U −U t ⎥ ⎤ N 1 ⎢ ( n=0 g ) CP1 ⎥ ⎡ ⎤ ⎢ Um = − U g tCP1 ⎥ + ∑ ⎡⎣(U i +1 − U i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦ + ⎣ tCP5 − tn U g ⎦ ( 6.22 ) 2 t per ⎢ ⎢ 

⎥ ⎥ i =0

nicht ⎢ ⎣ gemessene Region ⎥

⎦  gemessene Region am Ende ⎢⎣ nicht gemessene Region vor Triggerung ⎦⎥ • Effektivwert der Spannung Ueff

(

U eff

)

⎡ ⎤ 2 ⎢⎡ U − U t ⎥ N ⎤ 2 2 1 ⎢ ( n=0 g ) CP1 ⎡ ⎤ ⎢ = − U g tCP1 ⎥ + ∑ ⎡⎣(U i +1 − U i )( ti +1 − ti ) ⎤⎦ + tCP5 − tn U g ⎥ ⎣ 2 t per ⎢ ⎢

⎦ ⎥ ⎥⎦  i =0

⎣ ⎢  nicht gemessene Region ⎥

gemessene Region am Ende ⎥⎦ ⎣⎢ nicht gemessene Region vor Triggerung

(

)

(

)

( 6.23 )

Prozesskenngrößen für die Variante „Rucksack“ Mit Ausnahme der Dauer der Grundphase tg und der negativen Pulsphasenflanke tnpf sind die Beziehungen der Variante „Standard“ für die Variante „Rucksack“ identisch. Die beiden nicht identischen Kenngrößen sowie die für die Rucksackvariante spezifischen Kenngrößen sind im Folgenden aufgeführt. Zusätzlich stellt Bild 6.22 die zeitlichen Verläufe, Kenngrößen und charakteristischen Punkte zur Verdeutlichung dar.

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

47

Bild 6.22: Zeitliche Verläufe der Stromstärke und Spannung, Prozesskenngrößen und charakteristische Punkte

• Dauer Grundphase tg t g = tCP5 − tCP3−4,2

( 6.24 )

• Dauer der negativen Pulsphasenflanke tnpf tnpf = tCP3−4,1 − tCP3

( 6.25 )

• Dauer der Rucksackphase tr tr = tCP3−4,2 − tCP3

( 6.26 )

• Dauer der negativen Rucksackphasenflanke tnrf tnrf = tCP4 − tCP3−4 ,2

( 6.27 )

• Rucksackphasenwert der Stromstärke Ir nCP3−4,2

∑ (I

Ir =

i = n3−4,1

i +1

− I i )( ti +1 − ti )

( 6.28 )

tCP3−4,2 − tCP3−4,1

• Rucksackphasenwert der Spanung Ur nCP3−4,2

∑ (U

Ur =

i = n3−4,1

i +1

− U i )( ti +1 − ti )

( 6.29 )

tCP3−4,2 − tCP3−4,1

6.2.7 Gesamtverfahren und Beispiele Den vollständigen Ablauf des Verfahrens zur automatischen Bestimmung der Prozessvariante (Standard oder Rucksack) und zur Ermittlung der variantenspezifischen Prozesskenngrößen aus den Verläufen der Schweißstromstärke und -spannung zeigt Bild 6.23 zur Verdeutlichung in Form eines Flussdiagramms. Zur Demonstration des Verfahrens sind im Folgenden jeweils ein Beispiel für die Varianten „Standard“ und „Rucksack“ dargestellt.

48

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

Bild 6.23: Ablauf des Verfahrens

U [V]

45

I [A]

450

36

360

27

270

18

180

9

90

0

0

Stromstärke Spannung

0

2000

4000

6000

8000

10000

t [µs]

Bild 6.24: Beispiel für die Ermittlung der elektrischen Prozesskenngrößen des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen für die Variante „Rucksack“

6.2 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen der Schweißstromstärke und der Schweißspannung

Tabelle 6.2: Ermittelte elektrische Prozesskenngrößen für das Beispiel in Bild 6.25 Gruppe Kenngröße Symbol Wert Zeiten

Dauer der Periode

tper

15,21 ms

Frequenz der Periode

fper

65,75 Hz

Dauer der Pulsphase

tp

1,91 ms

Dauer der Grundphase

tg

10,31 ms

Dauer der Rucksackphase

tppf

2,99 ms

Dauer der positiven Pulsphasenflanke

tnpf

1,01 ms

Dauer der negativen Pulsphasenflanke

tr

1,30 ms

Dauer der negativen Rucksackphasenflanke tnrf Stromstärke Mittelwert

Spannung

U [V]

50

I [A]

Im

104,78 A

Effektivwert

Ieff

161,23 A

Pulsphasenwert

Ip

403,46 A

Grundphasenwert

Ig

30,57 A

Rucksackphasenwert

Ir

148,01 A

Mittelwert

Um

21,56 V

Effektivwert

Ueff

22,08 V

Pulsphasenwert

Up

32,04 V

Grundphasenwert

Ug

18,77 V

Rucksackphasenwert

Ur

23,97 V

500

40

400

30

300

20

200

10

100

0

0

0,92 ms

Stromstärke Spannung

0

700

1400 2100 2800 3500 4200 4900 5600 6300

t

Bild 6.25: Beispiel für die Ermittlung der elektrischen Prozesskenngrößen des MSG-Schweißens mit Impulslichtbogen für die Variante „Standard“

49

50

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen

Tabelle 6.3: Ermittelte elektrische Prozesskenngrößen für das Beispiel in Bild 6.25 Gruppe Kenngröße Symbol Wert Zeiten

Dauer der Periode

tper

7,44 ms

Frequenz der Periode

fper

134,37 Hz

Dauer der Pulsphase

tp

2,36 ms

Dauer der Grundphase

tg

5,08 ms

Dauer der positiven Pulsphasenflanke

tppf

0,84 ms

Dauer der negativen Pulsphasenflanke tnpf

2,26 ms

Stromstärke Mittelwert

Spannung

Im

189,06 A

Effektivwert

Ieff

242,77 A

Pulsphasenwert

Ip

425,02 A

Grundphasenwert

Ig

63,07 A

Mittelwert

Um

27,17 V

Effektivwert

Ueff

27,97 V

Pulsphasenwert

Up

36,72 V

Grundphasenwert

Ug

22,03 V

6.3 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen von gleichmäßigen (nicht periodischen) Signalen Die Beschreibung des Verfahrens zur Ermittlung der Prozesskenngrößen von gleichmäßigen Signalen gliedert sich in mehrere Abschnitte. Nach einer Vorstellung der Ziele werden die Berechnungsmethoden der Prozesskenngrößen beschrieben. Im Anschluss folgt die Demonstration der Methoden an einem Beispiel.

6.3.1 Ziele Entsprechend Kapitel 6.1 sind neben den elektrischen Schweißsignalen Stromstärke und Spannung sowie deren Prozesskenngrößen noch weitere elektrische Signale für eine optimale Schweißung zu beachten und einzustellen. Diese Signale sind in der Regel gleichmäßig, d. h. im Gegensatz zu den beiden bisherigen Signalen nicht periodisch. Beispiele sind neben der sehr wichtigen Drahtvorschubgeschwindigkeit, der Gasmengendurchfluss und die Schweißgeschwindigkeit. Die relevanten und gängigen Prozesskenngrößen von diesen Signalen sind statistischer Natur, d. h., die Kenngrößen eines beliebigen Signals S sind: • Mittelwert Sm • Minimalwert Smin und Maximalwert Smax • Standardabweichung Ss und Varianz Sv • Trend St des Signals (Steigung) Für die Signale gelten dieselben Rahmenbedingungen wie bei der Schweißstromstärke und der Schweißspannung, d. h., • ein Teil der Signale werden nicht gemessen und • die Signale sind durch den Schweißprozess gestört. Bild 6.26 stellt als Beispiel die Messung der Drahtvorschubgeschwindigkeit dar. Aufgrund der zum Teil starken Störungen sind neben den Kenngrößen der gemessenen Signale noch die Kenngrößen von gefilterten Signalen Sfil von Interesse, d. h.: • Mittelwert Sm,fil • Minimalwert Smin,fil und Maximalwert Smax,fil

6.3 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen von gleichmäßigen (nicht periodischen) Signalen

51

• Standardabweichung Ss,fil und Varianz Sv,fil • Trend St,fil des Signals (Steigung) vD 14 [m/min] 12

I [A]

350

Stromstärke Drahtvorschubgeschw indigkeit

280

10

210

8 6

140

4

70

2 0

0

-2

-70 0

2000

4000

6000

8000

10000

t

Bild 6.26: Drahtvorschubgeschwindigkeit als Beispiel für weitere nicht periodische Signale inklusive der Darstellung der korrespondierenden Schweißstromstärke

6.3.2 Prozesskenngrößenermittlung Die statistischen Prozesskenngrößen werden entsprechend den allgemeinen Methoden berechnet, die zum Beispiel in [Stoe99] beschrieben sind. Aufgrund der Art der Signale und der Prozesskenngrößen werden die nicht gemessenen Regionen nicht approximiert. Zusätzlich werden zur Reduzierung der Rechenzeiten die Abtastzeiten bei der Berechnung einiger Kenngrößen nicht berücksichtigt. Diese Annahme ist zulässig, da die Abtastzeiten einen konstanten Abstand aufweisen. Mit diesen Rahmenbedingungen berechnen sich die Prozesskenngrößen eines beliebigen Signals S mit N für die Anzahl der Messungen wie folgt: • Mittelwert N

Sm =

∑S i =1

i

( 6.30 )

N

• Varianz N

Sv =

∑(S i =1

i

− Sm )

2

( 6.31 )

N −1 • Standardabweichung

S s = Sv

( 6.32 )

• Minimal- und Maximalwert S min = min {S1 , S 2 ,..., S N }

( 6.33 )

S max = max {S1 , S 2 ,..., S N }

( 6.34 )

• Trend Die Kenngröße Trend entspricht dem Steigungsparameter a der linearen Ausgleichsgeradenfunktion y = ax + b . ( 6.35 ) Die Funktionsparameter werden mithilfe der Methode der kleinsten Quadrate durch die Beziehungen

52

6 Ermittlung elektrischer Schweißprozesskenngrößen N

a=

i =1

N

i =1

i =1

Δ N

b=

N

N ⋅ ∑ xi ⋅ yi − ∑ xi ⋅ ∑ yi N

N

N

∑( x ) ⋅∑ y − ∑ x ⋅∑ x ⋅ y 2

i

i =1

i =1

i

i =1

i

i

i =1

( 6.36 )

i

Δ 2

⎛ N ⎞ Δ = N ⋅ ∑ ( xi ) − ⎜ ∑ xi ⎟ i =1 ⎝ i =1 ⎠ berechnet, wobei x die Abtastzeiten und y die Signalwerte sind. Damit ergibt sich der Trend zu: St = a ( 6.37 ) Die gefilterten Prozesskenngrößen ergeben sich aus den gleichen Beziehungen, wobei als Basis gefilterte Signalwerte Sfil verwendet werden. Diese werden aufgrund der Art der Störungen entsprechend Kapitel 6.2.3 durch eine gleitende Medianfilterung (siehe Gleichungen ( 6.2 ) und ( 6.3 )) erzeugt. Anhand einer Vielzahl von Versuchen wurde herausgefunden, dass mit einer Filterkerngröße von k=7 die besten Ergebnisse erzielt werden. Die Wirkung der Filterung stellt Bild 6.27 an der Drahtvorschubgeschwindigkeit aus Bild 6.26 exemplarisch dar. N

vD [m/min]

2

9

Drahtvorschubgeschw indigkeit

6

3

0

-3 0

a.) vD [m/min]

2000

4000

6000

8000

10000

9

Drahtvorschubgeschw indigkeit

6

3

0

-3

b.)

0

vD [m/min]

4 3,2

2000

4000

6000

8000

10000

Drahtvorschubgeschw indigkeit

2,4 1,6 0,8 0 0 2000 4000 6000 8000 10000 c.) Bild 6.27: Drahtvorschubgeschwindigkeitssignale a.) Gemessenes Signal b.) Gleitend Median gefiltertes Signal (Filterkerngröße k=7) c.) Gefiltertes Signal aus b. mit angepasster Skalierung

6.3 Verfahren zur Ermittlung der Prozesskenngrößen von gleichmäßigen (nicht periodischen) Signalen

53

6.3.3 Beispiel Zur Demonstration der Ermittlung der Prozesskenngrößen sowie deren Aussagefähigkeit ist im Folgenden ein Beispiel für die Drahtvorschubgeschwindigkeit dargestellt, an dem alle Kenngrößen ermittelt wurden. vD 14 [m/min] 12 10 8 6 4 2 0 -2

I [A]

350

Stromstärke Drahtvorschubgeschw indigkeit

280 210 140 70 0 -70 0

2000

4000

6000

8000

10000

t

Bild 6.28: Drahtvorschubgeschwindigkeit als Beispiel für gleichmäßige Signale inklusive der Darstellung der Schweißstromstärke Tabelle 6.4: Ermittelte Prozesskenngrößen der Drahtvorschubgeschwindigkeit aus Bild 6.28 Parameter Symbol Wert Mittelwert

vm

3,05 m/min

Standardabweichung vs

0,60 m/min

Varianz

vv

0,37 (m/min)²

Minimum

vmin

-2,34 m/min

Maximum

vmax

8,74 m/min

Trend (Steigung)

vt

0,06 m/min

Tabelle 6.5: Ermittelte Prozesskenngrößen der Drahtvorschubgeschwindigkeit aus Bild 6.28 mit gleitender Medianfilterung Parameter Symbol Wert Mittelwert

vm,fil

3,04 m/min

Standardabweichung vs,fil

0,33 m/min

Varianz

vv,fil

0,11 (m/min)²

Minimum

vmin,fil

2,57 m/min

Maximum

vmax,fil

3,56 m/min

Trend (Steigung)

vt,fil

0,01 m/min

54

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs In diesem Kapitel werden die Charge-Coupled-Device- und die hoch dynamische Completementary Metal-Oxide Semiconductor-Kameratechnologie (Abk.: CCD und CMOS) vorgestellt und in Bezug auf die Beobachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen untersucht. Das Kapitel gliedert sich in mehrere Abschnitte und beginnt mit einer Einleitung und Vorstellung der Rahmenbedingungen und des Ziels. Im Anschluss werden die beiden Technologien beschrieben und untersucht. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung, einer Bewertung und einem Fazit. Verwendete Begrifflichkeiten und Grundlagen der Fotosensorik, Optik und Bildverarbeitung sind im Anhang beschrieben.

7.1 Einleitung, Rahmenbedingungen und Ziel In diesem Kapitel werden die Funktionsweisen der CCD- und CMOS-Technologien beschrieben und deren Vor- und Nachteile in Bezug auf die visuelle Beobachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen untersucht. Hierfür werden eine CCD-Kamera und fünf hoch dynamische CMOS-Kameras in Bezug auf die im folgenden aufgeführten Kriterien untersucht. • Beobachtbarkeit bzw. Abbildbarkeit von Werkstoffübergangstropfen und eventueller Spitzer • Qualität der Erkennbarkeit der abgebildeten Tropfen und Spritzer • Verzerrungsfreie Abbildung der Tropfen und Spritzer • Beobachtbarkeit bzw. Aufnahme jedes einzelnen Werkstoffübergangs • Direkter Zugriff auf Daten der einzelnen Werkstoffübergänge • Beobachtbarkeit bzw. Abbildbarkeit aller Schweißprozesssituationen Die Kriterien ergeben sich aus den Anforderungen des in Kapitel 5 vorgestellten Beobachtungs-, Analyse- und Optimierungskonzeptes und werden zusätzlich durch die in Kapitel 2.5.2.1 vorgestellten schweißtechnischen Rahmenbedingungen • Schweißprozessfrequenzen (ca. 25 bis 250 Hz), • Tropfenfluggeschwindigkeiten (ca. 20 bis 200 cm/s), • Helligkeitsverhältnisse in Bezug auf den Spektralbereich (ca. 300 bis 700 nm) und • Helligkeitsverhältnisse in Bezug auf die extrem hohe Anzahl von Farbwerten (ca. 106) eingegrenzt. Ziel der Untersuchungen ist es herauszufinden, ob und wenn unter welchen Voraussetzungen die Kameratechnologien und speziell die Kameras für das Konzept einsetzbar sind.

7.2 CCD-Technologie Die Untersuchung der CCD-Technologie und im Speziellen einer CCD-Kamera in Bezug auf die Eignung zur Beobachtung des Werkstoffübergangs, unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Kriterien und Rahmenbedingungen, ist in zwei Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt wird die CCD-Technologie beschrieben und allgemein auf die Eignung untersucht. Im zweiten Abschnitt wird die PULNiX-TM9700-CCD-Kamera untersucht und deren Eigenschaften am Schweißprozess verifiziert und bewertet.

7.2.1 Grundlagen, Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen, Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen der CCD-Technologie beschrieben und untersucht, wobei diese auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Bereiche beschränkt sind. Eine umfassende und detailliertere Vorstellung und Untersuchung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Hierfür sei unter anderem auf [Dere84], [Wins86], [Hoel98], [Jane01], [Theu96], [Esse93], [Coll86] und [Feith92] verwiesen.

Architektur und Funktionsweise Ein CCD-Sensor besteht aus einem Raster von lichtempfindlichen Halbleiterelementen, die auch als Pixel (engl.: picture element) bezeichnet werden. Jedes Element stellt einen feldinduzierten Fotode-

7.2 CCD-Technologie

55

tektor dar und kann vereinfacht durch die Parallelschaltung eines Kondensators und eines Schalters (Shutter) dargestellt werden. Bei Lichteinfall (Photonen) wird in diesen Elementen eine Ladung (Elektronen) aufgebaut. Je mehr oder je länger Licht (Belichtungszeit) auf die Zelle fällt, umso größer wird die Ladung (Zahl der Elektronen), die sich in den Elementen sammelt. Die Dauer der Belichtungszeit wird durch den elektronischen Shutter festgelegt. Die einzelnen Elemente berühren sich nicht direkt, sondern sind je nach Sensortyp voneinander durch Stege (Schieberegister) getrennt. So wird einerseits verhindert, dass die Ladungsträger (Elektronen) von einem Element in ein anderes überlaufen. Zum andern sind diese Stege auch für das Auslesen des Elementinhalts von Bedeutung.

lichtempfindliche Pixel

vertikales Schieberegister horizontales Schieberegister

a.) b.) Bild 7.1: Prinzipieller Aufbau eines CCD-Sensors und dessen Elemente a.) Sensor [Wuet01] b.) Element [TISE01]

Ausgangskennlinie, Dynamik, Kontrast und Kontrastauflösung Für die Beobachtung und Aufnahme von Szenen mit extremen Helligkeitsbedingungen sind die Ausgangskennlinie, die Dynamik, der Kontrast und die Kontrastauflösung des verwendeten Sensors von besonderer Bedeutung. An diesen Eigenschaften ist zu erkennen, ob und wenn ja wie der Sensor eine Szene abbilden kann, bei der im vorliegenden Fall bis zu 106 Intensitäten (siehe Kapitel 2.3) auftreten können. Entsprechend der vereinfachten Beschreibung besitzt jedes CCD-Sensorelement eine Kapazität C, die durch den Fotostrom IPhoto geladen wird. Begrenzt wird dieser Vorgang durch die Integrationsdauer Tint, d. h. der Belichtungszeit. Die gespeicherte Ladung QPhoto ergibt sich durch die Beziehung QPhoto = I PhotoTint . ( 7.1 ) Bei einer bestimmten Wellenlänge λ ist der Fotostrom mit der optisch wirksamen Fläche AD, der spektralen Empfindlichkeit Sλ des Halbleitersensors und der Bestrahlungsstärke Ee durch die Beziehung I Photo = Sλ AD Ee ( 7.2 ) definiert. Die Ausgangsspannung UPhoto des Sensorelements ergibt sich mit diesen Beziehungen durch Q I T S A ET U Photo = Photo = Photo int = λ D e int . ( 7.3 ) C C C Aus dieser Beziehung ist ersichtlich, dass das Spannungssignal proportional zur gesammelten Ladung und damit proportional zur Bestrahlung ist. Das Spannungssignal und die akkumulierte Ladungsmenge können somit als Maß für die Helligkeit des Bereiches der Szene dienen, von dem das jeweilige Element belichtet wurde. Mit wachsender Ladung werden allerdings zunehmend Elektronen über die Stege zwischen den einzelnen Kapazitäten abgeleitet. Dadurch steigt die Ladung zunächst linear an und nähert sich dann asymptotisch einem Grenzwert QSat an. Die aus diesen Zusammenhängen resultierende Ausgangskennlinie stellt Bild 7.2 schematisch dar. Die Dynamik des Sensors ist definiert als das Verhältnis aus der durch die Sättigung begrenzten, maximal messbaren Intensität und der minimal auflösbaren Intensität, die durch Störeffekte bestimmt wird. Unter der Annahme, dass das kleinste unterscheidbare Signal eines linearen Sensors etwa 1 mV beträgt, würden die Ausgangssignale bei einer Eingangssignaldynamik von 106:1 im Bereich von 1 mV bis 1 kV liegen. Da der Versorgungsspannungsbereich eines linearen Sensors aus technologischen Gründen in der Regel im Bereich von 3 V bis 5 V liegt, kann dieser auch nur ein auf diesen Bereich begrenztes Ausgangssignal liefern. Dies würde für dieses Beispiel bedeuten,

56

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

dass der Sensor eine Dynamik von ungefähr 66 dB besitzen würde und einen Bereich von ungefähr 2000 Intensitäten abbilden könnte. Gute CCD-Kameras besitzen zum Vergleich eine Dynamik von 70 dB, die etwa 3000 Helligkeitswerten entspricht [RR99].

Bild 7.2 Ausgangssignal eines CCD-Elements in Abhängigkeit zur Bestrahlungsstärke

Des Weiteren ist für die Beobachtung und speziell für eine Auswertung der Aufnahmen von Bedeutung, wie die Informationen der Szene abgebildet werden. Diese Informationen werden durch die Differenz der Intensitäten zweier Objektflächen beschrieben (siehe Anhang). Wird eine homogene Beleuchtung vorausgesetzt, d. h. die auf das Objekt auftreffende Bestrahlungsstärke ist konstant, so ist die Intensität das Produkt der Bestrahlungsstärke Ee und der Reflektivität R der Objektoberfläche. Damit ergibt sich für das Sensorausgangssignal annäherungsweise die Beziehung: U Photo ,linear ∼ Ee R ( 7.4 ) Für zwei Objektregionen mit unterschiedlichen Reflektivitäten R1 und R2 erzeugt der Sensor die zwei Ausgangssignale U Photo ,linear , R1 ∼ Ee R1 ( 7.5 ) und U Photo ,linear , R2 ∼ Ee R2 ( 7.6 ) , deren Differenz sich aus der Beziehung U Photo ,linear , R1R2 ∼ Ee ( R1 − R2 ) ( 7.7 ) ergibt. Aus der Beziehung ist zu erkennen, dass die Differenz und damit die Information abhängig von der Bestrahlungsstärke und der Reflektanz sind. D. h., ein CCD-Sensor bildet nicht die Informationen einer Szene, sondern die Absolutwerte ab.

Bild 7.3: Kontrastauflösung des menschlichen Auges und einer CCD-Kamera [Schr93]

Weiterhin ist zu erkennen, dass die relative Kontrastauflösung eines CCD-Sensors über den gesamten Intensitätsbereich nicht konstant ist. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 7.3 die relative Kontrastauflösung für eine typische CCD-Kamera mit ca. 40 dB und annährend linearem Verlauf der Empfindlichkeitskennlinie. Zum Vergleich ist die relative Auflösung des menschlichen Auges dargestellt. Das Auge besitzt eine Empfindlichkeitskurve mit annährend logarithmischem Verlauf und erreicht eine Gesamtdynamik von mehr als sechs Dekaden (120 dB). Die relative Auflösung des Auges ist über den mittleren Bereich von 4 Dekaden (80 dB) konstant und beträgt in diesem Bereich ungefähr 2 Prozent [Schr93]. Die Auswirkungen der nicht konstanten Kontrastauflösung demonstriert Bild 7.4 an der Aufnahme einer Grauwertkarte. Die Aufnahme zeigt deutlich, dass die Signaldifferenzen, die eine Grauwertdifferenz erzeugen, nicht konstant sind.

7.2 CCD-Technologie

57

Bild 7.4: Kontrastauflösung einer CCD-Kamera am Beispiel der Aufnahme einer KODAKGrauwertkarte [KWD98a]

Anhand der Eigenschaften von Kennlinie, Dynamik und Kontrastauflösung ist zu erkennen, dass die Beobachtung des MSG-Schweißprozesses mit bis zu 106 Intensitäten bzw. 120 dB mit CCDSensoren nicht möglich ist. Zur Steigerung der Dynamik sind zwar eine Reihe von Möglichkeiten bekannt, wie zum Beispiel das Verfahren in [Boec97], doch besitzen alle Verfahren Nachteile, mit denen eine Beobachtung des MSG-Schweißprozesses mit den genannten Zielen und Rahmenbedingungen nicht möglich ist. Bei dem aufgeführten Verfahren wird zum Beispiel durch die Überlagerung von zwei oder mehreren Aufnahmen derselben Szene, die mit unterschiedlichen Belichtungszeiten aufgenommen werden, eine Dynamik von bis zu 100 dB mit einer Standard-CCD-Kamera unter praxisnahen Bedingungen erreicht. Allerdings ist ein solches Verfahren prinzipiell sehr empfindlich gegen Verschiebungen zwischen den Aufnahmen, die beim Werkstoffübergang vorhanden sind. Aus diesem Grund wird zur Beobachtung des Werkstoffübergangs, wie beim Stand der Technik in Kapitel 3 beschrieben, in der Regel eine zusätzliche Beleuchtung zur Minimierung der Dynamik innerhalb der abzubildenden Szene verwendet. Im Allgemeinen wird die Beleuchtung als Gegenlichtquelle eingesetzt, sodass der Werkstoffübergang von hinten beleuchtet wird, wodurch sich ein maximaler Kontrast zwischen dem Werkstoffübergangstropfen und der Beleuchtung ergibt.

Spektrale Empfindlichkeit CCD-Sensoren können einen weitaus breiteren Wellenlängenbereich erfassen als das menschliche Auge. Licht mit Wellenlängen zwischen 200 bis 1100 nm können von CCD-Sensoren gewandelt werden, während das menschliche Auge einen Bereich von 400 bis 700 nm wahrnehmen kann [Silb88]. Damit sind die Sensoren in der Lage, den für die Beobachtung des Schweißprozesses relevanten Wellenlängenbereich von ungefähr 300 bis 700 nm zu verarbeiten.

Übersprechen und Nachzieheffekt CCD-Sensoren sind sehr lichtempfindlich. Das ist für die Beobachtung von Schweißprozessen ein Nachteil, da die Sensoren überstrahlungsempfindlich sind. Hohe Beleuchtungsstärken können bei den Sensoren zum dem nachteiligen Effekt des Übersprechens (engl.: blooming) führen. Dauert der Lichteinfall zu lange oder ist dieser zu intensiv, dann werden die betroffenen Sensorelemente gesättigt und können ihre elektrische Ladung nicht mehr vollständig halten. Die Ladung wandert auf die umliegenden, korrekt belichteten Elemente. Sind die Elemente ebenfalls gesättigt, setzt sich der Vorgang fort. Alle Informationen in diesen Bereichen gehen unwiderruflich verloren. Bild 7.5 demonstriert diesen Sachverhalt an einer Aufnahme des MSG-Schweißprozesses. Es gibt zwar CCDSensoren mit Anti-Blooming-Verfahren, wodurch allerdings ungefähr 30 Prozent der Empfindlichkeit verloren geht. Grund dafür ist, dass zusätzliche Schaltungselektronik auf dem Sensor integriert werden muss, um die überschüssige Ladung abzutransportieren [Taey97]. Ein weiteres Problem, das bei CCD-Sensoren auftreten kann, ist eine Verfälschung der Informationen während des Auslesens des Sensors. Ursache für den Effekt ist die Lichtempfindlichkeit der Schieberegister. Trifft starkes Licht auf den Sensor auf während die Schieberegister aktiv sind, wird dieses Lichtsignal als vertikale Verwischung im Ausgangssignal sichtbar.

58

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Bild 7.5: Beispiel für das CCD-Problem Übersprechen (Blooming)

Auslesen des Sensors Die Ladungen aus den Sensorelementen werden über die Schieberegister ausgelesen. Im Schieberegister wird der Inhalt einer Zelle einer benachbarten Zelle übergeben. Dies kann durch verschiedene Schaltungen erreicht werden, welche die Barrieren zwischen zwei Zellen auf- oder abbauen. Die genaue Methode, mit der die Bildinformation auf dem Sensor erzeugt und abtransportiert wird, ist vom Sensortyp (Flächen- oder Zeilensensor) und dessen Varianten (z. B. bei den Flächensensoren Interline Transfer und Frame Transfer) abhängig. Die Methode, mit der die Daten aus dem Sensor geschoben werden, wird im Folgenden an einem vereinfachten Sensor vorgestellt. Die sensorspezifischen Unterschiede werden, sofern notwendig, beim jeweiligen Sensortyp erläutert.

Bild 7.6: Ausleseprinzip eines CCD-Sensors [Wuet01]

Nach der Integration, d. h. der Belichtung des Sensors über einen definierten Zeitraum (Schritt 1), wird die gesammelte Ladung aller Sensorelemente in die benachbarten vertikalen Ausleseregister geschoben (Schritt 2). Die Ladungen werden anschließend zeilenweise in das horizontale Schieberegister überführt (Schritt 3), das im Anschluss entleert wird (Schritte 4-7). Nach Abschluss der Entleerung wird die nächste Zeile in das horizontale Schieberegister überführt (Schritt 8). Diese Schritte werden solange wiederholt, bis der Sensor komplett ausgelesen ist. Dieser als Eimerkettenprinzip bezeichnete Vorgang bedeutet, dass immer der gesamte Sensor im Ganzen ausgelesen werden muss. Das Auslesen eines Teilbereiches, z. B. zur Steigerung der Aufnahmefrequenz, ist nicht möglich.

Shutter, Auslesezeit und Belichtungszeit In Bezug auf die Beobachtung des Werkstoffübergangs, bei dem der Tropfen eine Geschwindigkeit von bis zu 200 cm/s (siehe Kapitel 2.5.2.1) aufweisen kann, sind die Eigenschaften Shutter, Auslesezeit und Belichtungszeit von besonderer Bedeutung.

7.2 CCD-Technologie

59

Die Belichtungszeit ist die Zeit, in der die Sensorelemente belichtet werden. Ist die Szene bzw. das relevante Objekt statisch, dann hat die Länge der Belichtungszeit keinen Einfluss auf die Schärfe des Bildes, ist das Objekt aber dynamisch, dann erhöht sich die Unschärfe mit der Länge der Belichtungszeit. Aus diesem Grund ist eine möglichst kleine Belichtungszeit anzustreben, um eine verzerrungsfreie Abbildung zu ermöglichen, vor allem bei schnell bewegten Objekten wie die Werkstoffübergangstropfen. Unter einem Shutter wird ein elektronischer Verschluss verstanden, der sehr kurze Belichtungszeiten ermöglicht. In CCD-Sensoren werden globale Shutter verwendet, die die gleichzeitige Belichtung aller Sensorelemente ermöglichen. Globale Shutter werden häufig bei Aufnahmen mit Asynchronkameras eingesetzt, die auf ein externes Triggersignal die Belichtung auslösen und in der Regel typischerweise für die Aufnahmen von sich schnell bewegenden Objekten verwendet werden. Die Auslesezeit ist die Zeit, die für das Auslesen der Sensorelemente benötigt wird. Die Auslesezeit hat keinen Einfluss auf die Bildschärfe und die Belichtungszeit, sondern auf die Bildaufnahmefrequenz, die bei größerer Auslesezeit ebenfalls größer wird. In Bezug auf die Beobachtung des Werkstoffübergangs bedeutet eine große Auslesezeit unter Umständen, dass nicht alle Werkstoffübergänge aufgezeichnet werden können.

7.2.2 CCD-Kamera: PULNiX TM-9700 Die Vorstellung und Untersuchung der PULNiX TM-9700 CCD-Kamera ist in mehrere Abschnitte unterteilt. In den ersten Abschnitten werden die Eigenschaften und Spezifikationen der Kamera vorgestellt und in Bezug auf deren Eignung für die Beobachtung des Werkstoffübergangs analysiert. In dem darauf folgenden Abschnitt werden diese Analysen mit dem in Kapitel 5 vorgestellten Beobachtungskonzept direkt am Schweißprozess verifiziert.

7.2.2.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen Die PULNiX TM-9700 Kamera [Puln] ist eine Progressive Scanning Interline Transfer CCDKamera, deren relevante technische Daten in Tabelle 7.1 dargestellt sind. Tabelle 7.1: Relevante technische Daten der PULNiX TM-9700 [Puln01a] Typ

Progressive Scanning Interline Transfer CCD

Sensorgröße in Pixel

768 x 484

Pixelgröße

11,6 µm

Dynamik

50 dB min.

Empfindlichkeit / digitale Auflösung

8 Bit

Spektralbereich

300 – 1100 nm (grafische Darstellung siehe Bild 7.7)

Shutter

Asynchroner Full-Frame Shutter mit Einstellmöglichkeiten zwischen 8 ms und 62,5 µs

Max. Aufnahmefrequenz

30 Hz Progressive (oder 60 Hz Interlaced)

Die Kamera besitzt eine für CCD-Kameras typische Dynamik von 50 dB, mit der aufgrund der beschriebenen Problematik eine detaillierte Beobachtung des Werkstoffübergangs nur mit einer zusätzlichen Beleuchtung möglich ist. Die maximale Aufnahmefrequenz der Kamera beträgt 30 Hz und ermöglicht daher nicht die Beobachtung und Aufnahme aller Werkstoffübergänge. Der spektrale Empfindlichkeitsbereich der Kamera liegt in einem Bereich zwischen 300 und 1100 nm und ermöglicht die Beobachtung der Schweißszene, die entsprechend Kapitel 2.3 ungefähr in einem Bereich zwischen 300 und 700 nm liegt.

60

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Bild 7.7: Spektralbereich der PULNiX TM-9700 [Puln98]

7.2.2.2 Sensorarchitektur und Auslesevorgang Die PULNiX TM-9700 ist eine Progressive-Scanning-Interline-Transfer CCD-Kamera. Bei diesem Typ von CCD-Kameras werden alle Pixel des Sensors gleichzeitig belichtet und übertragen. Grundlage dieses Vorgangs ist die in Bild 7.8 dargestellte Sensorarchitektur, die jedem einzelnen Pixel eine eigene lichtgeschützte Speicherfläche zuordnet, die wiederum die vertikalen Schieberegister bilden.

Bild 7.8: Architektur und Ladungstransport bei einem Progressive-Interline-Scan-Sensor

Der Ladungstransport wird bei dieser Architektur wie folgt durchgeführt. Nach der Lichtintegrationszeit werden alle Ladungspakete über Verbindungskanäle in die dazugehörigen Speicherflächen geschoben. Im zweiten Schritt folgt das zeilenweise Auslesen des Sensors. Dazu werden die Ladungen aller vertikalen Schieberegister um eine Stufe nach unten zum horizontalen Schieberegister transportiert. Dort angelangt, kann eine ganze Zeile ausgelesen werden. Auf diese Weise wird der ganze Sensor zeilenweise ausgelesen.

7.2.2.3 Untersuchung der Abhängigkeiten von Shutterzeiten, Tropfenfluggeschwindigkeiten und der Abbildung des Tropfens auf dem Sensor Die Kamera besitzt entsprechend den in Tabelle 7.1 vorgestellten Spezifikationen einen triggerbaren globalen Shutter, mit dem die Integrationszeit des gesamten Sensors gesteuert werden kann. Die möglichen Shutterzeiten der Kamera stellt Tabelle 7.2 dar. In Bezug auf die Beobachtung des sich bewegenden Werkstoffübergangstropfens ist der Einfluss der Shutterzeit auf die Abbildung des Tropfens auf dem Sensor zu untersuchen. Die Shutterzeit muss, sofern möglich, so gewählt werden, dass die Abbildung des sich bewegenden Tropfens auf dem Sensor nicht verzerrt wird. Bild 7.9 stellt diesen Zusammenhang schematisch dar. Tabelle 7.2: Shutterzeiten der PULNiX TM-9700 [Puln01a] 1/60 s (kein Shutter) 8000 µs 4000 µs 2000 µs 1000 µs 500 µs 250 µs 125 µs 62,5 µs

Die Shutterzeit ist für eine verzerrungsfreie Abbildung so zu wählen, dass diese kleiner als die Zeit ist, die der Tropfen für die Zurücklegung einer Strecke benötigt, die einer Pixelzeile auf dem Sensor entspricht. Die Shutterzeit ist abhängig von • der Pixelbauhöhe PH, • der Fluggeschwindigkeit des Tropfens vT und • dem Abbildungsmaßstab M.

7.2 CCD-Technologie

61

a.) b.) Bild 7.9: Einfluss der Shutterzeit TS auf die Abbildung eines Objektes auf dem Sensor a.) Abbildung eines sich nicht bewegenden Objektes b.) Abbildungen eines sich bewegenden Objektes mit (TS = nicht OK) und ohne (TS = OK) Verzerrung

Der Abbildungsmaßstab 1 beschreibt den Zusammenhang zwischen den Abmessungen eines Objektes in der abzubildenden Szene SW, d. h. in der realen Welt, und auf dem Sensor SS. Berechnet wird der Maßstab aus dem Verhältnis S M= S . ( 7.8 ) SW Mit dem Maßstab ergibt sich die Strecke SW,Shutter, die der Tropfen in der realen Welt zurücklegen kann, ohne dass dessen Abbildung auf dem Sensor um einen oder mehrere Pixel verzerrt wird, durch die Beziehung P SW , Shutter = H . ( 7.9 ) M Auf der Basis dieser Strecke muss die Shutterzeit unter der Annahme, dass die Fluggeschwindigkeit des Tropfens konstant ist, für eine verzerrungsfreie Abbildung die Bedingung S TShutter < W , Shutter ( 7.10 ) vT erfüllen. Die Bestimmung einer aufgabenabhängigen Shutterzeit ist nach Gleichung ( 7.10 ) ohne die Kenntnis der Tropfenfluggeschwindigkeit, die unter anderem von den Schweißparametern und den verwendeten Werkstoffen abhängig ist, nicht möglich. Zudem ist die Geschwindigkeit des Tropfens aufgrund der Kräfte beim Werkstoffübergang nicht konstant. Eine aufgabenspezifische durchschnittliche Tropfenfluggeschwindigkeit könnte allerdings nur mit zusätzlichem Equipment, wie zum Beispiel einem Hochgeschwindigkeitskamerasystem, und auf der Basis einer Vielzahl von Versuchen ermittelt werden. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wurden die Shutterzeiten für unterschiedliche Parameterkombinationen von Tropfenfluggeschwindigkeiten und Abbildungsmaßstäben ermittelt. Basis waren ein Tropfenfluggeschwindigkeitsbereich, der durch die in Kapitel 2.5.2.1 aufgeführten Extremgeschwindigkeiten von 20 und 200 cm/s definiert ist, und in der Praxis ermittelte Abbildungsmaßstäbe. Die ermittelten Maßstäbe von 0.02 bis 0.03 definieren für die verwendete Hardwarekombination (Kamera, Objektiv, Beleuchtung, usw.) einen Grenzbereich, bei dem die Schweißszene in Bezug auf die Beobachtung und einer folgenden visuellen Analyse geeignet abgebildet wird. In Bezug auf die Extrembetrachtung der Tropfenfluggeschwindigkeit wurde der Maßstabsbereich zusätzlich auf 0.01 bis 0.04 erweitert. Die aus diesen Parameterkombinationen resultierenden maximal zulässigen Shutterzeiten stellt Tabelle 7.3 dar. Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass für die Parameterkombinationen aus dem Tropfenfluggeschwindigkeitsbereich und dem systemabhängigen praxisnahen Abbildungsmaßstabsbereich die Shutterzeit kleiner als 145 µs gewählt werden muss. Dies bedeutet unter Berücksichtigung der Parameterbereiche, dass mit den Shutterzeiten 62.5 µs und 125 µs Werkstoffübergangstropfen ohne eine Verzerrung aufgenommen werden können. Bei diesen Ergebnissen und dem daraus resultierenden Fazit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Tropfenfluggeschwindigkeit als konstant angenommen wurde. Beschleunigungen, die hauptsächlich beim Abriss des Tropfens von der Drahtelektrode auftreten und bis zu 3 km/s² erreichen können (siehe Kapitel 2.5.2.1), wurden nicht berücksichtigt. Da der Tropfen nach der in Kapitel 5 vorge1

Eine ausführliche Beschreibung und Herleitung des Abbildungsmaßstabes, dessen automatische visuelle Bestimmung und der zugrunde liegenden Rahmenbedingungen folgt in Kapitel 8

62

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

stellten Beobachtungsmethode in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. während der freien Flugphase, aufgenommen wird, und die minimale Shutterzeit von 145 µs einer in der Regel nicht auftretenden Parameterkombination entspricht, können die Ergebnisse als Richtwerte verwendet werden. Tabelle 7.3: Maximal zulässige Shutterzeiten TShutter (in Tabelle grau markiert) nach den Gleichungen ( 7.8 ) bis ( 7.10 ) für verschiedene Abbildungsmaßstäbe M, resultierende Tropfenflugstrecken in der realen Szene SW,Shutter, konstante Tropfenfluggeschwindigkeiten vT und einer Pixelbauhöhe von 11.6 µm vT M

SW,Shutter

0,2 m/s

0,5 m/s

1,0 m/s

1,5 m/s 2,0 m/s

0,010 1160 µm 5,80 ms 2,32 ms 1,16 ms

773 µs

580 µs

0,020

580 µm

2,90 ms 1,16 ms 0,58 ms

387 µs

290 µs

0,025

464 µm

2,32 ms 0,93 ms 0,46 ms

309 µs

232 µs

0,030

387 µm

1,93 ms 0,77 ms 0,38 ms

258 µs

193 µs

0,040

290 µm

1,45 ms 0,58 ms 0,29 ms

193 µs

145 µs

7.2.2.4 Praktische Verifikation und Bewertung Im Folgenden werden die Spezifikationen und theoretischen Ergebnisse am Schweißprozess untersucht und die Eignung der Kamera für die Beobachtung des Werkstoffübergangs bewertet.

Systemaufbau und -komponenten Aufgrund der geringen Dynamik der Kamera wurde der geplante Systemaufbau um eine Gegenlichtquelle und optische Filter erweitert. Den geänderten Aufbau stellt Bild 7.10 dar.

Bild 7.10: Aufbau des Systems mit der CCD-Kamera und dem Stroboskop

Als Gegenlichtquelle wird ein für diese Aufgabe entwickeltes Hochleistungsstroboskop mit XenonBlitzlampe eingesetzt, das in [Kreb96] detailliert beschrieben ist. Das Stroboskop wird entsprechend den in Kapitel 3.1 vorgestellten Verfahren von [Alle85] zur Kontrastverminderung der Lichtbogenzone verwendet. Mit dem Gegenlicht ergibt sich ein maximaler Kontrast zwischen dem Hintergrund (dem Stroboskop) und dem zu betrachtenden Werkstoffübergang. Der eingeschränkte Dynamikbereich der CCD-Kamera gegenüber dem Lichtbogen verliert bei dieser Beleuchtungsmethode an Bedeutung. Ursache hierfür ist, dass eine Einstellung der Blendenwerte auf die Hintergrundbeleuchtung erfolgen kann, und das Objekt aufgrund der Abschattung immer dunkel, d. h. als Schatten erscheint. Grundidee des Stroboskopeinsatzes ist die Erzeugung von jeweils eines starken und kurzen Blitzes zur Zeit der Kameraaufnahmen. Das Stroboskop ist in der Lage, Lichtbögen bis zu einer Leistung von ungefähr 8 kW zu durchleuchten. Allerdings die ist Blitzfrequenz je nach Lichtbogenleistung auf ungefähr 6 bis 8 Hz beschränkt. Zur Reduzierung des Stroboskoplichtes und des Lichtbogens auf ein für die Kamera verwertbares Niveau ist zudem die Verwendung eines geeigneten optischen Strahlungsfilters erforderlich. Bei der Auswahl des Filters sind die spektralen Emissionen des Lichtbogens, des Stroboskops, des Schweißbades, des Werkstoffübergangstropfens, die spektrale Empfindlichkeit der Kamerakomponenten und die Filterkennlinien zu berücksichtigen. Angaben, die diese Zusammenhänge vollstän-

7.2 CCD-Technologie

63

dig beschreiben, konnten in der Literatur nicht aufgefunden werden. Aufgrund der sehr aufgabenspezifischen Beziehungen, fehlenden Informationen (z. B. spektrale Emissionen des Stroboskops) und enormen Unsicherheiten (z. B. leistungsabhängige Lichtbogenstrahlung) wurde ein optimales Filter experimentell ermittelt. Grundlage war ein Satz von Standardschweißschutzfiltern der Serie ATHERMAL® [Scho], die in Schweißbrillen bzw. -helmen verwendet werden. Die Schutzfilter sind in Schutzstufen eingeteilt, die bestimmte Anforderungen an den spektralen Transmissionsbereich im UV- und im IR-Bereich beschreiben. Einen Überblick über die Lichtdurchlässigkeit einiger Schutzstufen stellt Tabelle 7.4 und die Transmissionsbereiche der verwendeten Schutzfilter Bild 7.11 dar. Tabelle 7.4: Lichtdurchlässigkeit von Schweißschutzfiltern [McGo90] Filterstufe Prozentuale Durchlässigkeit

12

0.0019

9

0.037

11

0.0052

8

0.10

10

0.014

7

0.27

Transmissionsgrad in %

Filterstufe Prozentuale Durchlässigkeit

Bild 7.11: Spektrale Transmissionsgrade der Schweißschutzfilter ATHMERMAL® A1 DIN mit den Schutzstufen N 8 bis 14 [Scho99]

Nach [Weld99] sind für die Schweißschutzbrillen und -helme beim MSG-Schweißprozess die Schutzstufen 8 bis 14 geeignet. Für den vorliegenden Fall wurden die Schutzstufen 6 bis 14 getestet. Hierbei wurde so vorgegangen, dass vom höchsten Filterwert angefangen, immer kleinere Filter ausprobiert wurden, bis das aktuell untersuchte Filter den Dynamikumfang der Kamera weitgehend ausnutzte, ohne diese in die Übersteuerung zu treiben. Des Weiteren wurde gleichzeitig die Bildqualität und im Besonderen die Erkennbarkeit des Werkstoffübergangstropfens beobachtet. Gute Ergebnisse wurden für die in Kapitel 4 aufgeführten Rahmenbedingungen mit der Schutzstufe 9 erzielt. Zum Schutz der Kamera, des Objektivs und des jeweiligen Filters vor Metallspritzern und -dämpfen wurden zusätzlich Schutzgläser vor die Anordnung montiert, die ursächlich zum Schutz der Schweißschutzgläser in den Schweißerschutzbrillen bzw. -helmen Anwendung finden. Die glühenden Metallspritzer bergen die Gefahr des Festbrennens auf der Linsenoberfläche und führen zu deren Zerstörung. Metallische Dämpfe können sich zudem auf dem Objektiv absetzen und zu einer Abdunklung führen.

Anpassung der Synchronisationsmethode Für die praktische Erprobung der Kamera wurde das in Kapitel 5 vorgestellte Synchronisationsverfahren an die Eigenschaften des Stroboskops und der Kamera angepasst. Das Stroboskop ermöglicht, wie beschrieben, bei voller Leistung eine maximale Frequenz von ca. 6 bis 8 Blitzen pro Sekunde. Für die in Kapitel 4 aufgeführten Schweißprozesseinstellungen resultierten unter Berücksichtigung von Parametervariationen Werkstoffübergangsfrequenzen zwischen 50 bis 60 Hz. Bedingt durch die Frequenzen, wurden die Aufnahmen nicht bei jedem Werkstoffübergang ausgelöst, sondern nur bei jedem 15. Übergang.

64

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Bild 7.12: Auslösung der Kamera und des Stroboskops (T = Triggersignal, AKS = Auslösung von Kamera und Stroboskop, DTK = Detektiertes Triggerkriterium)

Des Weiteren wurde für das Stroboskop ein zusätzliches Triggersignal integriert. Das Stroboskop muss vor der Kamera ausgelöst werden, damit dessen maximale Leistung ungefähr in der Mitte der Belichtungszeit der Kamera zur Verfügung steht. Die Vortriggerung ist abhängig von der eingestellten Belichtungszeit und der gewählten Leistung des Stroboskops. Die optimale Übereinstimmung wurde durch Versuche ermittelt. Hierbei wurde solange getestet, bis die maximale Leistung anhand der Helligkeit im Bild zu erkennen war. Den angepassten Ablauf für eine auf den Schweißstrom synchronisierte Auslösung der Kameraaufnahme und des Stroboskops stellt Bild 7.13 dar.

Bild 7.13: Zeitlich Ablauf der Auslösungen der Kameraaufnahme und des Stroboskops

Beispielbilder und Bewertung Die Verifikation der Spezifikationen und theoretischen Ergebnisse wurden anhand der mit dem Synchronisationsverfahren aufgenommenen Bilder des Werkstoffübergangs durchgeführt.

Bild 7.14: Synchronisierte Aufnahme bei gleichzeitiger Messung der elektrischen Schweißparameter Stromstärke und Spannung (grauer Balken = Bildaufnahme)

Bild 7.14 zeigt die Umsetzung der auf den Schweißstromstärke synchronisierten Aufnahme bei gleichzeitiger Messung der elektrischen Schweißparameter Stromstärke und Spannung. Der senk-

7.2 CCD-Technologie

65

rechte Balken innerhalb der zeitlichen Verläufe der elektrischen Parameter stellt den Zeitpunkt und die Dauer (64 µs) der Belichtung dar.

a.)

b.) Bild 7.15: Aufnahmen der PULNiX TM-9700 mit den Synchronisationsmethoden a.) Quasistationärer Tropfenübergang b.) Virtueller Tropfenübergang

Bild 7.16: Aufnahmen von Spritzern (links) und eines explodierenden Tropfens (rechts)

66

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Die Aufnahmen in Bild 7.15a zeigen eine Bildsequenz von unterschiedlichen Werkstoffübergängen der gleichen Phase des Schweißprozesses. Die Bilder repräsentieren den quasistationären Werkstoffübergang bzw. den scheinbar stillstehenden Tropfen. Bild 7.15b demonstriert den gesamten Werkstoffübergang anhand mehrerer verschiedener Tropfen. Hierfür wurde entsprechend dem in Kapitel 5 vorgestellten Synchronisationskonzept der Zeitabstand zwischen dem Erreichen des Triggerkriteriums und der Bildaufnahme in festen Schritten vergrößert. Die Aufnahmen in Bild 7.16 zeigen einen explodierenden Tropfen und die Entstehung von Spritzern. An den Beispielen ist zu erkennen, dass die Aufnahmen des Werkstoffübergangs mit der CCDKamera eine sehr gute Qualität aufweisen. Die Tropfen sind aufgrund des Gegenlichtes in allen Einzelheiten konturenscharf zu erkennen. Auswirkungen der Shutterzeit in Bezug auf Verzerrungen konnten entsprechend den theoretischen Ergebnissen visuell nicht festgestellt werden. Die Werkstoffübergangstropfen glichen den Tropfenformen aus der Fachliteratur. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die PULNiX-TM9700 CCD-Kamera und auch allgemein die CCDTechnologie ohne eine zusätzliche Beleuchtung nicht für die Beobachtung des Schweißprozesses geeignet sind. Durch die Gegenlichtbeleuchtung sind zudem die Einsatzmöglichkeiten stark eingeschränkt. Schweißvorgänge an Stellen, die aus Platzmangel keine Gegenlichtbeleuchtung zulassen, wie etwas das Schweißen in Ecken, können nicht beobachtet werden. Mit der Gegenlichtbeleuchtung können Bilder in einer sehr guten Qualität aufgenommen werden. Des Weiteren ist an der verwendeten Kamera und des Stroboskops nachteilig, dass deren Aufnahme- bzw. Blitzfrequenzen sehr gering sind. Fehler, die in nicht aufgenommenen Werkstoffübergängen auftreten, sind nicht zu erkennen. Zur weiteren Verifizierung der Kameraeigenschaften wurden mit dem Systemaufbau noch zusätzlich Aufnahmen vom Kurzlichtbogenschweißen durchgeführt. Den dafür angepassten Synchronisationsablauf zeigt Bild 7.17.

Bild 7.17: Angepasste Synchronisationsmethode für das Kurzlichtbogenschweißen

Bild 7.18: Quasistationärer Werkstoffübergang beim Kurzlichtbogenschweißen

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

67

Die Aufnahmen vom Kurzlichtbogenschweißen belegen die beim Impulslichtbogen festgestellte Aufnahmequalität. In den Aufnahmen des quasistationären Werkstoffübergangs sind die Vorteile des synchronisierten Aufnahmekonzeptes direkt zu erkennen. Die dritte Aufnahme weicht von den anderen Aufnahmen der Sequenz ab und zeigt die Auswirkungen von variierenden Schweißparametern auf den Prozess. Der Lichtbogen wird in einer untypischen Phase gezündet.

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie Die Untersuchung der CMOS-Technologie in Bezug auf die Eignung für die Beobachtung des Werkstoffübergangs gliedert sich in mehrere Abschnitte. Im ersten Abschnitt wird die klassische hoch dynamische CMOS-Technologie beschrieben und untersucht. In den folgenden Abschnitten werden fünf Kameras vorgestellt und deren Eignung auf die Beobachtung untersucht. Die fünf Kameras spiegeln die Entwicklung der hoch dynamischen CMOS-Technologie der letzten Jahre wieder. Die Reihenfolge der Vorstellungen der Kameras entspricht ungefähr deren kommerzieller Erwerbbarkeit. Die LOGLUX®-HDRC®-Kamera war eine der ersten hoch dynamischen CMOS-Kameras, die für industrielle Anwendungen vorgestellt wurde. Die Kamera repräsentiert die klassische CMOS-Technologie und stand in Bezug auf die Untersuchungen den gesamten Zeitraum zur Verfügung. Alle weiteren Kameras konnten entweder nur für kurze Zeit untersucht werden, oder wurden an deren Spezifikationen und zugesendeten Aufnahmen von Werkstoffübergängen des MSG-Schweißprozesses untersucht.

7.3.1 Grundlagen, Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen Im Folgenden werden die Grundlagen der klassischen hoch dynamischen CMOS-Technologie beschrieben und untersucht, wobei diese auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Bereiche beschränkt sind. Die von der klassischen Technologie abweichenden Eigenschaften und Funktionsweisen werden in den jeweiligen Unterkapiteln der einzelnen Kameras beschrieben. Des Weiteren beschränken sich die Ausführungen auf hoch dynamische Sensoren. Eigenschaften und Funktionsweisen linearer CMOS-Sensoren werden nicht behandelt. Für weitere Beschreibungen beider Sensortypen sei u. a. auf [Foss93a], [Haus99], [Hupp00], [Scha99], [Stev00], [Schr01], [Foss95], [Dier02], [Sege99a] und [Seit99] verwiesen.

Funktionsprinzip Der Begriff CMOS-Sensor bezeichnet eigentlich nur das verwendete Herstellungsverfahren und nicht das Funktionsprinzip. Grundsätzlich ist die Funktionsweise von CCD- und CMOS-Sensoren ähnlich. CMOS-Sensoren basieren wie die CCD-Sensoren auf der photovoltaischen Reaktion. Ein CMOS-Sensor unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch den Aufbau der Sensorelemente bzw. durch die Signalauslese der konvertierten optischen Informationen von einem CCD-Sensor. Prinzipiell basiert ein Sensorelement eines CMOS-Sensors auf einer fotoempfindlichen Diode mit einer in Serie geschalteten nichtlinearen Last.

Bild 7.19: Vereinfachter Aufbau eines CMOS-Sensorelementes [TISE01]

Das einfallende Licht erzeugt einen Fotostrom, der proportional zur Bestrahlungsstärke ist. Mittels der Last, die eine exponentielle Spannungs-Stromkennlinie aufweist, wird der Fotostrom in eine Ausgangsspannung gewandelt. Damit ist die Ausgangsspannung gleich dem Logarithmus aus der Bestrahlungsstärke. Dieses Prinzip ermöglicht eine sehr viel höhere Eingangsdynamik als bei konventionellen linear arbeitenden Sensoren. Bei dem Prinzip liegt eine kontinuierliche Wandlung des durch den Lichteinfall hervorgerufenen Fotostroms in eine Ausgangsspannung vor. Aufgrund der nicht vorhandenen zeitlichen Abhängigkeit können die Elemente direkt ausgelesen werden, das Abwarten der Integrationszeit wie bei den integrierenden CCD-Sensoren ist nicht notwendig.

68

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Umsetzung des Prinzips und Sensorarchitektur Das vorgestellte Prinzip wird in der klassischen CMOS-Technologie durch die in Bild 7.20 dargestellte Schaltung realisiert. Als nichtlinearer Widerstand wird in der Regel ein als Diode geschalteter MOS-Transistor in schwacher Inversion verwendet.

Bild 7.20: Prinzipschaltbild eines klassischen Sensorelementes mit logarithmischer Kennlinie (z. B. nach [Hupp00])

Im Fall der schwachen Inversion besitzen der Drain-Strom und die Gate-Spannung eine ideale logarithmische Beziehung. Die schwache Inversion tritt ein, sofern die Gate-Source-Spannung kleiner als die Schwellwertspannung ist. Dieser Zusammenhang ist in Bild 7.21 dargestellt.

Bild 7.21: Schematische Darstellung der schwachen und starken Inversion

Die logarithmische Ausgangsspannung ergibt sich bei der Schaltung aus der Beziehung [Hupp00] I U ⎞ ⎛U U aus = U ph = −U T ln ph + ⎜ dd − t ⎟ . ( 7.11 ) I d ,0 ⎝ n n ⎠ Hierbei sind UT eine Temperaturspannung, n der so genannte Weak Inversion Slope Faktor, Id0 der maximale Drainstrom in schwacher Inversion und Ut die temperaturabhängige Schwellenspannung des Transistors. Für eine Herleitung der Beziehung mit den zugrunde liegenden Annahmen wird zum Beispiel auf [Hupp00] verwiesen. Da der Fotostrom proportional zur Beleuchtungsstärke ist, kann die Beziehung für die logarithmische Antwortfunktion in E ΔU aus = a ln ( 7.12 ) E0 vereinfacht werden [Hupp00] [KWD98d]. In der Beziehung sind ΔUout die Differenzspannung, a eine Proportionalitätskonstante für eine einstellbare Verstärkung, E die Beleuchtungsstärke und E0 die Bezugsbeleuchtungsstärke.

Bild 7.22: Auslesemechanismus beim klassischen CMOS-Element [Ricq94]

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

69

Die Auslesung der Elemente wird durch die in Bild 7.22 dargestellte Schaltung mit den zwei zusätzlichen Transistoren erreicht. Die Ausgangsspannung erscheint am Gatter des Transistors T2. Der Transistor T3 stellt einen Schalter dar, der für das Anschließen von T2 an die Spaltenleseleitung verwendet wird.

Bild 7.23: Prinzipielle Architektur eines logarithmischen CMOS-Sensors

Die Umsetzung der Sensorelemente und der beliebige Zugriff auf die Elemente bestimmen die Architektur von CMOS-Sensoren. In praktischen Realisierungen werden in der Regel die Elemente mit Hilfe von Adressdekodern ausgewählt. So kann auf ein beliebiges Element zugegriffen werden. Bild 7.23 stellt die typische Architektur eines logarithmischen Sensors dar. Um die Elementmatrix (Pixelmatrix) sind Dekoder und Verstärker angeordnet. Der Zeilendekoder wählt zunächst die auslesende Zeile aus. Der Schalttransistor (T3 in Bild 7.22) verbindet im nächsten Schritt den Ausgang des Elementes mit der Spaltenleseleitung. Die Spaltenleseleitungen enden in einem Verstärker und werden nach einer Aufbereitung einem Multiplexer zugeführt, der von dem Spaltendekoder angesteuert wird. Dadurch wird eine Spalte ausgewählt und das Signal des Elementes gelangt zum Ausgang des Sensors.

Ausgangskennlinie, Dynamik, Kontrast und Kontrastauflösung Entsprechend den Ausführungen bei der CCD-Technologie sind für die Beobachtung und Aufnahme von Szenen mit extremen Helligkeitsbedingungen die Ausgangskennlinie, die Dynamik, der Kontrast und die Kontrastauflösung des verwendeten Sensors von besonderer Bedeutung. An diesen Eigenschaften ist zu erkennen, ob und wenn wie der Sensor eine Szene abbilden kann, bei der im vorliegenden Fall bis zu 106 Intensitäten (siehe Kapitel 2.3) auftreten können. Sensorausgangssignal [%] 100

CCD CMOS (hier HDRC®)

Helligkeit (logarithmisch) [Lx] 0 10

-2

-1

10

10

0

10

1

2

10

10

3

4

10

10

5

10

6

Bild 7.24: Logarithmische Ausgangskennlinie eines hoch dynamischen CMOS-Sensors und zum Vergleich eines CCD-Sensors (nach [IMS02])

Die Dynamik des Sensors ist definiert als das Verhältnis aus der maximal messbaren Intensität und der minimal auflösbaren Intensität (siehe Anhang). Durch die logarithmische Komprimierung erreichen hoch dynamische CMOS-Sensoren eine Dynamik von über 120 dB [IMS98a] [RR99]. Dies entspricht ungefähr einer Anzahl von einer Million darstellbaren Intensitäten. Diese Helligkeitsdynamik entspricht in etwa der Dynamik des Schweißprozesses. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 7.24 die logarithmische Ausgangskennlinie eines hoch dynamischen CMOS-Sensors. Des Weiteren ist für die Beobachtung und speziell für eine Auswertung der Aufnahmen von Bedeutung, wie die Informationen der Szene abgebildet werden. Entsprechend Kapitel 7.2.1 (siehe An-

70

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

hang) werden die Informationen durch die Differenz der Intensitäten zweier Objektflächen beschrieben. Wird eine homogene Beleuchtung vorausgesetzt, d. h. die auf das Objekt auftreffende Bestrahlungsstärke ist konstant, so ist die Intensität das Produkt der Bestrahlungsstärke Ee und der Reflektivität R der Objektoberfläche. Damit ergibt sich für das Sensorausgangsignal in Bezug auf Gleichung ( 7.12 ) annäherungsweise die Beziehung: U aus ,log ∼ log Ee ( 7.13 ) Für zwei Objektregionen mit unterschiedlichen Reflektivitäten R1 und R2 erzeugt der Sensor die zwei Ausgangssignale U aus ,log, R1 ∼ log ( Ee R1 ) ∼ log Ee + log R1 ( 7.14 ) und U aus ,log, R2 ∼ log ( Ee R2 ) ∼ log Ee + log R2 ( 7.15 ) , deren Differenz sich aus der Beziehung U aus ,log, R1R2 ∼ ( log Ee + log R1 ) − ( log Ee + log R2 ) ( 7.16 ) R1 R2 ergibt. Aus der Beziehung ist zu erkennen, dass die Differenz unabhängig von der Bestrahlungsstärke ist. D. h., ein CMOS-Sensor bildet die Informationen einer Szene ab, die durch die Kontraste definiert sind. Im Gegensatz zu CCD-Sensoren, die die Absolutwerte abbilden, bleibt der Informationsgehalt der Szene über den gesamten Arbeitsbereich erhalten. ∼ log R1 − log R2 ∼ log

Bild 7.25: Kontrastauflösungen unterschiedlicher Aufnahmesysteme [IMS98a] HDRC Grauwertverlauf

A

1

2 3

4

5

6 M 8 9 10 11 12 13 14 15 B 17 18 19

Aufnahmen KODAK-Grauwertkarte b.) a. ) Bild 7.26: Kontrastauflösungen am Beispiel der Aufnahme einer Grauwertkarte [KWD98a] a.) CMOS-Kamera (HDRC®) b.) CCD-Kamera

Eine Folge dieser Eigenschaft ist die über den gesamten Dynamikbereich konstante Kontrastauflösung, d. h. der Signalunterschied der noch eine Grauwertdifferenz erzeugt. Bild 7.25 demonstriert dies anhand eines Vergleiches der Kontrastauflösungen unterschiedlicher optischer Aufnahmesysteme in Abhängigkeit von der Beleuchtungsintensität. Die Ausdehnung der Kennlinie in Abszissenrichtung entspricht dem Dynamikbereich des Bildaufnahmesystems. Das menschliche Auge kann unter optimalen Bedingungen Kontraste von 1 % auflösen. Die Kontrastauflösung von nichtlog-

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

71

arithmischen Kameras beträgt ungefähr 0,3 % bis 50 %, wobei der Dynamikbereich innerhalb des Intensitätsbereiches variabel ist. Die Kontrastauflösung des dargestellten CMOS-Sensors (HDRC®) ist über den gesamten Dynamikbereich konstant und besser als 5 %. Bild 7.26 demonstriert den Sachverhalt der Kontrastauflösung an der Aufnahme einer Grauwertkarte. Zum Vergleich ist im Bild zusätzlich die Aufnahme einer CCD-Kamera dargestellt, die eine nicht konstante Kontrastauflösung aufweist (siehe Kapitel 7.2). Anhand der Eigenschaften Kennlinie, Dynamik und Kontrastauflösung ist zu vermuten, dass die Beobachtung des MSG-Schweißprozesses mit bis zu 106 Intensitäten bzw. 120 dB mit hoch dynamischen CMOS-Sensoren ohne eine zusätzliche Beleuchtung möglich ist.

Spektrale Empfindlichkeit CMOS-Sensoren weisen gegenüber CCD-Sensoren generell ein etwas anderes Verhalten hinsichtlich der spektralen Empfindlichkeit auf. Die Sensoren können ungefähr einen Bereich von 400 bis 1000 nm wahrnehmen. Damit besitzen die Sensoren in etwa dieselbe spektrale Empfindlichkeit wie das menschliche Auge. Welche Auswirkungen diese Empfindlichkeit auf die Abbildung des Schweißprozesses haben, dessen Bereich nach Kapitel 2 ungefähr 300 bis 700 nm ist, ist durch Versuche zu klären.

Auslesen des Sensors bzw. der Sensorelemente Das CMOS-Prinzip und dessen Realisierung ermöglichen das Auslesen einzelner Elemente in einer beliebigen Reihenfolge. Das bei CCD-Sensoren bedingte Auslesen des kompletten Sensors entfällt. In der Praxis wird das Prinzip des wahlfreien Elementzugriffes in der Regel auf einen zusammenhängenden rechteckigen Teilbereich, der entweder als Region of Interest (ROI) oder als Area of Interest (AOI) bezeichnet wird, eingeschränkt.

Bild 7.27: Auslesens eines Teilbereiches (AOI, grün markiert) bei CMOS-Sensoren

Folge dieses Ausleseverfahrens ist die Möglichkeit, nur für die Aufgabe relevante Szenenbereiche aufzunehmen. Des Weiteren folgt aus dieser Möglichkeit, dass die Aufnahmefrequenz von der Größe des gewählten Teilbereiches abhängig ist.

Integrationszeit, Auslesezeit, Aufnahmezeit und Shutter Der verzögerungsfreie, direkte Zugriff auf die aktuell sichtbare Aufnahmeinformation ohne Zwischenspeicherung in den Sensorelementen hat Auswirkungen auf die Definitionen der Integrationszeit, der Auslesezeit, der Aufnahmefrequenz und des Shutters in Bezug auf die Definitionen beim CCD-Sensor. Des Weiteren wirken sich diese Eigenschaften unter Umständen auf die Aufnahme der abzubildenden Szene aus. Die Integrationszeit bzw. Belichtungszeit ist die Zeit vom Reset des Sensorelementes bis zum Zeitpunkt des Auslesens. Die Auslesezeit ist die Zeit, die für das eigentliche Auslesen eines Elementes benötigt wird. Entsprechend ergibt sich die Aufnahmezeit und somit die Aufnahmefrequenz des gesamten Sensors bzw. des gewählten Sensorbereiches aus der Summe der Auslesezeiten aller Elemente des Sensors bzw. des Bereiches. Aus diesen Definitionen ist ersichtlich, dass der klassische CMOS-Sensor einen Pixelshutter verwendet. Dieses Prinzip bedeutet, dass die Informationen der abgebildeten Szene aus unterschiedlichen Zeiten stammen. Neben diesen Pixelshutter existiert in der klassischen CMOS-Technologie noch der so genannte Zeilenshutter (engl.: rolling shutter), bei dem alle Elemente einer Zeile gleichzeitig in einen lokalen Speicher verschoben und anschließend einzeln ausgelesen werden. Bei der Aufnahme von statischen Objekten haben diese Auslese- bzw. Shutterprinzipien keine Auswirkungen auf die abgebildete Szene. Bei der Aufnahme von dynamischen Objekten werden diese auf dem Sensor jedoch in Abhängigkeit von deren Richtung und Geschwindigkeit verzerrt abgebildet.

72

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Die Auswirkungen eines Pixel- bzw. Zeilenshutters werden an dem Beispiel in Bild 7.28 verdeutlicht. In diesem wird ein sich sehr schnell in horizontaler Richtung bewegender Balken von einem Sensor mit einem Zeilenshutter und einer Ausleserichtung von oben nach unten abgebildet. Ist die Aufnahmezeit in Bezug zur Geschwindigkeit des Balkens zu groß, wird der Balken nicht mehr als vertikales Rechteck, sondern als diagonaler Streifen abgebildet. a.)

b.)

c.) Bild 7.28: Mögliche Auswirkungen des Zeilenshutters am Beispiel eines sich in horizontaler Richtung sehr schnell bewegenden Balkens [Waen01] a.) Sensorausleserichtung (vertikal) und Balkenbewegungsrichtung (horizontal) b.) Zeilenweises Auslesen des Sensors beim sich bewegenden Balken c.) Resultierende Abbildung des Balkens

Der negative Einfluss des Pixel- bzw. Zeilenshutters kann durch die Berücksichtigung der Bewegungsrichtung des abzubildenden Objektes und der Ausleserichtung des Sensors verringert bzw. u. U. vermieden werden. Im Allgemeinen erfolgt bei CMOS-Sensoren die Abtastung in horizontaler Richtung schneller als in Vertikaler [Waen01]. Dieser Umstand ist bei der Konzeption eines Systems zu berücksichtigen. Die vollständige Vermeidung des Abbildungsproblems wird durch die Verwendung eines globalen Shutters erreicht, den eine Reihe von neu entwickelten CMOS-Sensoren besitzen. Das zugrunde liegende Prinzip wird bei den Kameras beschrieben, die einen solchen Shutter verwenden.

Zusätzliche Eigenschaften und Unterschiede zur CCD-Technologie Neben den schon beschriebenen Eigenschaften existieren noch einige weitere Unterschiede zur CCD-Technologie. Diese sind nachfolgend aufgeführt. • Übersprechen und Nachziehen Das bei CCD-Sensoren unter Umständen auftretende Übersprechen und Nachziehen wird bei den CMOS-Sensoren durch die Architektur verhindert. Bei den Sensoren wird die überschüssige Ladung über den Transistor und die Spannungsversorgungsleitungen ohne Beeinflussung der anderen Pixel abgeleitet. Aus diesem Grund treten die Probleme bei den CMOS-Sensoren nicht auf. • Integration von zusätzlichen Funktionalitäten Die Verwendung der CMOS-Technologie ermöglicht eine sehr viel höhere Funktionalität im Sensor. Zur Integration von Schaltungen auf dem Sensor stehen die gesamten Möglichkeiten der analogen und digitalen CMOS-Schaltungstechnik zur Verfügung. Durch die Integration signalverarbeitender Baugruppen ist es möglich, ganze Systeme auf einen Sensor aufzubauen. In [Smit98] wird zum Beispiel ein Sensor mit Ausgangssignalen nach Fernsehnorm und in [Loin98] ein Sensor mit integrierter Farbverarbeitung, Helligkeitsadaption und Ausgangstreibern vorgestellt. • Minimalisierung Durch die Integration von Kamerafunktionalitäten und zusätzlichen Funktionalitäten (z. B. Bildauswertung) auf dem Sensor, ist eine kompakte Bauweise möglich, die weit unter denen der CCD-Kameras liegt. • Kosten CMOS-Sensoren werden mit Standard-CMOS-Prozessen auf den weltweit verbreiteten Halbleiterfertigungslinien hergestellt. Für die Herstellung von CCD-Sensoren sind hoch spezialisierte Fertigungslinien auf der Basis besonderer Rohstoffe notwendig. Aufgrund dieser unterschiedli-

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

73

chen Herstellungsbedingungen sind die Kosten von CMOS-Sensoren geringer und die Verfügbarkeit sehr viel höher (CCD-Technologie: ca. 40 Standorte weltweit, CMOS-Technologie: ca. 120 Standorte weltweit [Hupp99]). • Leistungsverbrauch Der Leistungsverbrauch eines Kamerasensors ist maßgeblich vom Ausleseprinzip abhängig. Bei CCD-Sensoren wird bei jedem Transfertakt die Kapazität des gesamten Arrays umgeladen, was einen sehr hohen Leistungsverbrauch zur Folge hat. In [Foss97] werden zum Beispiel für Standard-CCD-Sensoren Werte von 1 bis 2 Watt genannt. CMOS-Sensoren benötigen ein Vielfaches weniger, da bei diesen in der Regel immer nur die jeweils selektierte Zeile mit Strom versorgt wird. Zum Beispiel benötigt der in [Schr01] vorgestellte CMOS-Sensor 40 mW.

7.3.2 CMOS-Kamera: LOGLUX®-HDRC® Die Vorstellung und Untersuchung der Kamera unterteilt sich in einen theoretischen und einen praktischen Abschnitt. Im ersten Abschnitt werden die Funktionsweisen, Eigenschaften und Spezifikationen der Kamera vorgestellt und theoretisch auf deren Eignung zur Beobachtung des Werkstoffübergangs untersucht. Im zweiten Teil werden die theoretischen Ergebnisse verifiziert. Zusätzlich wird in diesem Teil ein für die Kamera neu entwickeltes automatisches Verfahren zur optimalen Einstellung der Ausgangskennlinie vorgestellt. Den Abschluss bildet eine Bewertung der Kamera.

7.3.2.1 Funktionsweise, Eigenschaften und Spezifikationen Im Anschluss an die Vorstellung der allgemeinen Eigenschaften und Spezifikationen werden die für diese Arbeit relevanten Eigenschaften und Funktionsweisen der Kamera beschrieben und untersucht.

7.3.2.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen Die LOGLUX®-HDRC®-Kamera [KWD98a] beinhaltet den HDRC®4-Sensor [IMS98a-d], der als einer der ersten hoch dynamischen CMOS-Sensoren für industrielle Anwendungen präsentiert wurde. Tabelle 7.5: Relevante technische Spezifikationen der LOGLUX®-HDRC®-Kamera [KWD98b] Anzahl der Pixel

512 x 256 (2-mal 256x256)

Pixelgröße

21 µm

Spektralbereich

350 – 1100 nm (siehe Bild 7.30 für Details)

Empfindlichkeit / digitale Auflösung

HDRC®4-Sensor: 10 Bit Monochrom; LOGLUX®-HDRC®-Kamera: 10 oder 8 Bit Monochrom (verwendet: 8 Bit aufgrund Framegrabber)

Kennlinie

logarithmisch

Dynamikbereich

> 120 dB bzw. > 106:1

Shuttertyp

Pixelshutter

Triggereingang

Asynchron

Max. Pixelausleserate

16 MPixel / Sekunde

Auswahl des Teilbereiches

unter Berücksichtigung der Auslesemodi frei wählbar

Max. Sensorbereichsaufnahmefrequenzen (Hz) für bestimmte AOIs (Pixel)

512x256 = 120 Hz 256x256 = 240 Hz 192x192 = 423 Hz

Die Kamera basiert auf dem klassischen hoch dynamischen CMOS-Prinzip und weist dementsprechend die Eigenschaften • rein logarithmische Kennlinie, • nicht integrierende Sensorelemente und • direkter Zugriff auf die Sensorelemente

74

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

auf. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Spezifikationen stellt Tabelle 7.5 dar. Der HDRC®4-Sensor besteht aus zwei einzelnen Sensoren mit jeweils einer Größe von 256x256 Pixel. Diese Besonderheit ist zum Teil in den Aufnahmen durch eine Kante sichtbar, und wirkt sich bei einigen Verfahren der im Kapitel 8 beschriebenen Bildauswertung negativ aus.

Bild 7.29: Schematische Darstellung der Architektur des HDRC®-Sensors

Alle weiteren relevanten Eigenschaften und deren Auswirkungen, wie zum Beispiel die Aufnahmefrequenzen, werden im Folgenden detailliert beschrieben und untersucht.

Bild 7.30: Spektrales Verhalten des HDRC®-Sensors [KWD98a]

7.3.2.1.2 Dynamik und Ausgangskennlinie Der Dynamikbereich der Kamera wird mit über 120 dB bzw. 106:1 angegeben und sollte somit ausreichen, um alle 106 Intensitäten des Schweißprozesses (siehe Kapitel 2.3) abbilden zu können. 2,13 Ausgangsspannung [V]

2,08 2,03 1,98 1,93 1,88 1,83 1,78 1,73 1,68 10-6

10-5

10-4

10-3

10-2

10-1

100

101

102

10-3

103 103

104

Bestrahlungsstärke

⎡W⎤ ⎢ m2 ⎥ ⎣ ⎦

Beleuchtungsstärke [Lx]

®

Bild 7.31: Logarithmischer Arbeitsbereich des HDRC -Sensors [IMS98a]

Dieser Dynamik liegt die in Bild 7.31 dargestellte Kennlinie zugrunde. Nach [KWD98d] ist diese Kennlinie durch die Beziehung ⎡ E ( x, y ) ⎤ W U s ( x, y ) = U 0 ( x, y ) + U1 ( x, y ) lb ⎢ e ( 7.17 ) ⎥ ; Ee 0 = 1 2 m ⎣ Ee 0 ⎦ definiert. Die Beziehung beschreibt für jedes Sensorelement mit den Koordinaten (x,y) die Umwandlung der Bestrahlungsstärke Ee(x,y) in die Spannung US(x,y). Die Spannungen U0(x,y) und U1(x,y) sind koordinatenabhängige normalverteilte Größen. Der daraus entstehende visuelle Effekt wird als „Fixed Pattern Noise“ (FPN) bezeichnet. Der Begriff ist nur indirekt zutreffend, da die Spannungskonstanten U0(x,y) und U1(x,y) zeitlich konstante Größen sind und es sich beim FPN um ein Rauschen im Ortsbereich und nicht im Zeitbereich handelt. Um bei gleicher Bestrahlungsstärke aller Sensorelemente ein koordinatenunabhängiges Ausgangssignal zu erhalten, wird beim Auslesen des Sensors das FPN korrigiert. Der bestrahlungsstärkeabhängige Spannungswert wird dabei mit

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

75

einer Gain-Korrekturspannung U1korr(x,y) multipliziert und einer Offset-Korrekturspannung U0korr(x,y) addiert. Dieser Zusammenhang wird durch die Beziehung U skorr ( x, y ) = U s ( x, y ) U1korr ( x, y ) + U 0korr ( x, y ) ( 7.18 ) beschrieben. Die beiden koordinatenabhängigen Korrekturkonstanten werden beim Kameraabgleich so ermittelt, dass die beiden folgenden Beziehungen gelten: U skorr ( x, y ) = const ( 7.19 )

Ee ( x, y ) = const

( 7.20 ) Neben der FPN-Korrektur besteht die Möglichkeit, die Kennlinie durch zusätzlich einstellbare Gain- und Offsetparameter unabhängig von den Abgleichergebnissen an die jeweiligen Helligkeitsbedingungen anzupassen.

7.3.2.1.3 Auslesen des Sensors Die Kamera bietet entsprechend dem klassischen CMOS-Prinzip die Möglichkeit, sowohl den gesamten Sensor als auch Sensorteilbereiche auszulesen. Im Folgenden werden die kameraspezifischen Modi vorgestellt und im Anschluss die möglichen Auswirkungen in Bezug auf die Beobachtung des sich bewegenden Werkstoffübergangs theoretisch untersucht.

Kameraspezifische Auslesemodi Der LOGLUX®-HDRC®-Kamerasensor besteht entsprechend den vorgestellten Spezifikationen aus zwei zusammengesetzten einzelnen Sensoren und besitzt für das Auslesen des kompletten Sensors bzw. eines rechteckigen Teilbereiches drei unterschiedliche Modi (0, 2 und 3). Im Modus 0 kann der auszulesende Teilbereich in der Größe (Breite und Höhe) und in der Position frei gewählt werden. Die Modi 2 und 3 ermöglichen die Einstellung der Größe (Breite und Höhe) und der Position in vertikaler Richtung. Eine Einstellung der horizontalen Position ist nicht möglich, da der Bereich auf die beiden Sensorenhälften gleichmäßig verteilt ist, und die Bereichsmitte mit der Stoßkante der Sensorenhälften identisch ist. Bild 7.32 verdeutlicht die Zusammenhänge der Einstellungsmöglichkeiten für die Teilbereiche bei den verschiedenen Modi.

Bild 7.32: Einstellungsmöglichkeiten für den auszulesenden Sensorteilbereich (AOI)

Das Auslesen des kompletten Sensors bzw. der Sensorteilbereiche wird bei allen Modi zeilenweise von oben nach unten durchgeführt. Die Methode des Auslesens der einzelnen Zeilen ist bei den drei Modi unterschiedlich. Im Modus 0 werden die Zeilen Pixel für Pixel von links nach rechts ausgelesen. In den Modi 2 und 3 werden jeweils zwei Pixel gleichzeitig ausgelesen. Der Modus 2 ermöglicht ein konvergierendes Auslesen der Pixel, d. h., die korrespondierenden Pixel der beiden Sensorhälften werden von außen nach innen ausgelesen. Ein divergierendes Auslesen, d. h., die korrespondierenden Pixel der beiden Sensorhälften werden von innen nach außen ausgelesen, ermöglicht Modus 3. Bild 7.33 verdeutlicht die Auslesevorgänge der verschiedenen Modi, wobei die „Primär“Ausleserichtung (Pixel innerhalb der Zeilen) durch “„“-Pfeile und die „Sekundär“-Ausleserichtung (Zeilen) durch “- ->“-Pfeile dargestellt sind.

Bild 7.33: Auslesemodi der LOGLUX®-HDRC®-Kamera für den gesamten Sensor bzw. für Sensoreilbereiche [KWD98b]

76

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Entsprechend der Kameraspezifikationen ergeben die Auslesemodi die in Tabelle 7.6 aufgeführten Auslesefrequenzen und -zeiten für den gesamten Sensor und für einige ausgewählte Teilbereiche. Tabelle 7.6: Frequenzen und Zeiten für das Auslesen des gesamten Sensors und einiger ausgewählter Sensorteilbereiche für die Modi 0, 2 und 3 Mode 2

Mode

AOI-Größe

0

3

0

2

3

512 x 256

60 Hz

256 x 256

120 Hz 240 Hz 240 Hz

8,3 ms

4,2 ms 4,2 ms

192 x 192

211 Hz 423 Hz 423 Hz

4,7 ms

2,4 ms 2,4 ms

120 Hz 120 Hz 16,7 ms 8,3 ms 8,3 ms

Untersuchung der Auswirkungen des Auslesevorgangs auf die Abbildung des Tropfens Die Untersuchung der Auswirkungen des Auslesevorgangs der LOGLUX®-HDRC®-Kamera auf die Abbildung des Werkstoffübergangstropfens ist aufgrund des Pixelshutters nicht identisch zu der Untersuchung bei der PULNiX TM-9700 CCD-Kamera mit dem globalen Shutter. Bei der CCD-Kamera mit dem globalen Shutter wurde untersucht, ob eine Shutterzeit TShutter zur Verfügung steht, die kleiner ist als die Zeit, die der Tropfen mit der konstanten Geschwindigkeit vT für die Zurücklegung einer Strecke SW,Shutter benötigt, die auf dem Sensor einer Pixelzeile entspricht. Beschrieben wird dieser Zusammenhang durch die Beziehung S TShutter < W , Shutter . ( 7.21 ) vT Beim Pixelshutter entspricht die Shutterzeit der Zeit, die zur Auslesung aller Pixel des gesamten Sensors bzw. des gewählten Sensorteilbereiches benötigt wird. Beschrieben wird dieser Zusammenhang durch die Beziehung S TAuslese − Sensor (teilbereich ) < W , Auslese − Sensor (teilbereich ) , ( 7.22 ) vT in der SW,Auslese-Sensor(teilbereich) die Strecke in der abzubildenden Szene ist, die auf dem Sensor einer Pixelzeile entspricht. Des Weiteren existieren zur CCD-Kamerauntersuchung Unterschiede in den zugrunde liegenden Parametern, d. h., der Pixelbauhöhe und dem Abbildungsmaßstab sowie der daraus resultierenden unterschiedlichen Strecke. Für eine geeignete Beobachtung in Bezug auf den gesamten Sensor und verschiedene Teilbereiche wurde in der Praxis ein Abbildungsmaßstab von ungefähr 0.06 ermittelt, der in Bezug auf die Extrembetrachtung der Tropfenfluggeschwindigkeit zusätzlich auf den Bereich 0.05 bis 0.07 erweitert wurde. Die aus diesen Parameterkombinationen und der Gleichung ( 7.22 ) resultierenden maximal zulässigen Auslesezeiten für den gesamten Sensor und für die ausgewählten Sensorteilbereiche stellt Tabelle 7.7 dar. Tabelle 7.7: Maximal zulässige Auslesezeiten TAuslese-Sensor(teilbereich) (in Tabelle grau markiert) nach der Gleichung ( 7.22 ) für verschiedene Abbildungsmaßstäbe M, resultierende Tropfenflugstrecken in der realen Szene SW,Auslese-Sensor(teilbereich), konstante Tropfenfluggeschwindigkeiten vT und einer Pixelbauhöhe von 21 µm vT M

SW,Auslese-Sensor(teilbereich)

0,2 m/s

0,5 m/s

1,0 m/s

1,5 m/s

2,0 m/s

0,05

420 µm

2,10 ms 0,840 ms 0,420 ms 0,280 ms 0,210 ms

0,06

350 µm

1,75 ms 0,700 ms 0,350 ms 0,233 ms 0,175 ms

0,07

300 µm

1,50 ms 0,600 ms 0,300 ms 0,200 ms 0,150 ms

Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass für die angenommenen Rahmenbedingungen und für die Parameterkombinationen aus dem Tropfenfluggeschwindigkeitsbereich und dem systemabhängigen praxisnahen Abbildungsmaßstabsbereich eine verzerrungsfreie Abbildung des Werkstoffübergangstropfens nicht möglich ist. Die Auslesezeiten aller Modi für den gesamten Sensor und für die ge-

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

77

wählten Sensorteilbereiche sind wesentlich höher als die maximal zulässigen Zeiten (siehe Tabelle 7.6). Für den kleinsten ausgewählten Sensorteilbereich von 192x192 Pixel, einem Maßstab von 0,06 und einer Fluggeschwindigkeit von 1 m/s wird zum Beispiel für das Auslesen des Teilbereiches in den schnelleren Modi 2 und 3 eine Zeit von 2,4 ms benötigt, die weit über der maximal zulässigen Zeit von 350 µs liegt. Eine weitere Reduzierung des ausgewählten Teilbereiches zur gleichzeitigen Reduzierung der Auslesezeit ist nur begrenzt anwendbar, da bei einer zu kleinen Abbildungsfläche eine geeignete Beobachtung und eine spätere visuelle Analyse (siehe Kapitel 8) nicht mehr möglich sind. Für eine verzerrungsfreie Abbildung des Werkstoffübergangstropfens ist es theoretisch allerdings ausreichend, dass die Zeit, die für die Auslesung des Bereiches, in dem sich der Tropfen befindet, kleiner ist, als die maximal zulässige Zeit.

Bild 7.34: Auszulesender Teilbereich (AOI) und für die Zeitbetrachtung zusätzlich eingeführter Tropfenteilbereich (AOI-T)

Bei dieser Annahme wird der Tropfenteilbereich nur für die Zeitbetrachtung verwendet, ausgelesen werden muss weiterhin der weitaus größere ausgewählte Sensorteilbereich. Eine Reduzierung des ausgewählten Bereiches auf die Größe des Tropfenbereiches ist aufgrund der nicht bekannten Tropfenposition, die von der Variation des Schweißprozesses, den nicht bekannten Tropfengeschwindigkeiten und möglichen Beschleunigungen abhängig ist, nicht möglich. Aus diesen Zusammenhängen resultiert, dass bei der Auslesung eines gewählten Teilbereiches die Zeit für das Auslesen des beinhaltenden Tropfenteilbereiches kleiner sein muss, als die Zeit, die der Tropfen mit der Fluggeschwindigkeit vT für die Zurücklegung einer Strecke SW,Auslese-Tropfenteilbereich benötigt, die auf dem Sensor einer Pixelzeile entspricht. Beschrieben wird dieser Zusammenhang durch die Beziehung S TAuslese−Tropfenteilbereich < W , Auslese −Tropfenteilbereich . ( 7.23 ) vT Die aus der Gleichung ( 7.23 ) resultierenden Auslesezeiten für die Tropfenteilbereiche stellen Tabelle 7.9 bis Tabelle 7.11 dar. Für die Berechnungen des Tropfenbereiches auf dem Sensor wurde angenommen, dass der Tropfen in der realen Schweißszene die Form einer Kugel mit einem Durchmesser von 1,2 mm besitzt. Dies wäre nach Kapitel 2.5.2.1, für die in der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Drahtelektrode mit einem Durchmesser von 1,2 mm, optimal. Zur besseren Veranschaulichung sind in Tabelle 7.8 zusätzlich die Zeiten für das Auslesen einer Zeile für die ausgewählten Sensorteilbereiche aufgeführt. Tabelle 7.8: Zeiten für das Auslesen einer Zeile bei den ausgewählten Teilbereichen für die Modi 0, 2 und 3 Mode AOI-Größe

0

2

3

512 x 256

65,1 µs 32,6 µs 32,6 µs

256 x 256

32,6 µs 16,3 µs 16,3 µs

192 x 192

24,7 µs 12,3 µs 12,3 µs

Aus den Ergebnissen ist zu erkennen, dass im Modus 0 alle Auslesezeiten für die Tropfenteilbereiche wesentlich höher sind als die maximal zulässigen Zeiten nach Tabelle 7.7. In den Modi 2 und 3 sind allerdings für geringe Tropfengeschwindigkeiten einige Auslesezeiten für die Tropfenteilbereiche kleiner, als die maximal zulässigen Zeiten. Auf der Basis dieser Zeiten ist es theoretisch möglich, den Werkstoffübergangstropfen bei Schweißvorgängen mit kleineren Leistungen, die damit gleichzeitig niedrigere Tropfenfluggeschwindigkeiten aufweisen müssten, verzerrungsfrei auf dem

78

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Sensor abzubilden. Eine Zusammenfassung der theoretischen Möglichkeiten der verzerrungsfreien Abbildung des Werkstoffübergangstropfens für die gewählten Sensorteilbereiche und für die unterschiedlichen Abbildungsmaßstäbe stellen Tabelle 7.12 bis Tabelle 7.14 dar. Tabelle 7.9: Auslesezeiten für die Teilbereiche (AOI) und die Tropfenteilbereiche (AOI-T) bei einem Abbildungsmaßstab von 0,05 und einer angenommenen Tropfenhöhe von 1,2 mm Mode AOI Größe

0

2

Mode 3

AOI-T Größe

0

2

3

512 x 256 16,7 ms 8,3 ms 8,3 ms

512 x 24 1562 µs 781 µs 781 µs

256 x 256

8,3 ms

4,2 ms 4,2 ms

256 x 24

781 µs

390 µs 390 µs

192 x 192

4,7 ms

2,4 ms 2,4 ms

192 x 24

592 µs

295 µs 295 µs

Tabelle 7.10: Auslesezeiten für die Teilbereiche (AOI) und die Tropfenteilbereiche (AOI-T) bei einem Abbildungsmaßstab von 0,06 und einer angenommenen Tropfenhöhe von 1,2 mm Mode AOI Größe

0

2

Mode 3

AOI-T Größe

0

2

3

512 x 256 16,7 ms 8,3 ms 8,3 ms

512 x 20 1302 µs 651 µs 651 µs

256 x 256

8,3 ms

4,2 ms 4,2 ms

256 x 20

651 µs

326 µs 326 µs

192 x 192

4,7 ms

2,4 ms 2,4 ms

192 x 20

494 µs

246 µs 246 µs

Tabelle 7.11: Auslesezeiten für die Teilbereiche (AOI) und die Tropfenteilbereiche (AOI-T) bei einem Abbildungsmaßstab von 0,07 und einer angenommenen Tropfenhöhe von 1,2 mm Mode AOI Größe

0

2

Mode 3

AOI-T Größe

0

2

3

512 x 256 16,7 ms 8,3 ms 8,3 ms

512 x 17 1116 µs 558 µs 558 µs

256 x 256

8,3 ms

4,2 ms 4,2 ms

256 x 17

558 µs

279 µs 279 µs

192 x 192

4,7 ms

2,4 ms 2,4 ms

192 x 17

423 µs

211 µs 211 µs

Tabelle 7.12: Theoretische Möglichkeiten der verzerrungsfreien Abbildung des Werkstoffübergangstropfens für die gewählten Sensorteilbereiche bei den Modi 2 und 3 und dem Abbildungsmaßstab 0,05 vT AOI-Größe (Höhe AOI-T) 0,2 m/s 0,5 m/s 1,0 m/s 1,5 m/s 2,0 m/s 512x256 (24)

ja

ja

nein

nein

nein

256x256 (24)

ja

ja

ja

nein

nein

192x192 (24)

ja

ja

ja

nein

nein

Tabelle 7.13: Theoretische Möglichkeiten der verzerrungsfreien Abbildung des Werkstoffübergangstropfens für die gewählten Sensorteilbereiche bei den Modi 2 und 3 und dem Abbildungsmaßstab 0,06 vT AOI-Größe (Höhe AOI-T) 0,2 m/s 0,5 m/s 1,0 m/s 1,5 m/s 2,0 m/s 512x256 (20)

ja

ja

nein

nein

nein

256x256 (20)

ja

ja

ja

nein

nein

192x192 (20)

ja

ja

ja

nein

nein

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

79

Tabelle 7.14: Theoretische Möglichkeiten der verzerrungsfreien Abbildung des Werkstoffübergangstropfens für die gewählten Sensorteilbereiche bei den Modi 2 und 3 und dem Abbildungsmaßstab 0,07 vT AOI-Größe (Höhe AOI-T) 0,2 m/s 0,5 m/s 1,0 m/s 1,5 m/s 2,0 m/s 512x256 (17)

ja

ja

nein

nein

nein

256x256 (17)

ja

ja

ja

nein

nein

192x192 (17)

ja

ja

ja

nein

nein

Bei diesen Ergebnissen und den daraus abgeleiteten theoretischen Möglichkeiten zur verzerrungsfreien Abbildung des Werkstoffübergangs ist zu berücksichtigen, dass den theoretischen Untersuchungen folgende implizite und explizite Annahmen, Bedingungen, usw. zugrunde lagen. • Die Tropfenfluggeschwindigkeiten innerhalb eines Werkstoffübergangs wurden als konstant angenommen. • Die Tropfenfluggeschwindigkeiten aller Werkstoffübergänge wurden als gleich angenommen. • Die Beschleunigungen, die beim Abriss des Tropfens von der Drahtelektrode auftreten und bis zu 3 km/s² erreichen können, wurden nicht berücksichtigt. • Die Tropfenform und im Besonderen die Tropfenhöhe wurde zur Berechnung der Tropfenteilbereiche als konstant angenommen. • Die Tropfenflugrichtung wurde als konstant vertikal angenommen. • Der Schweißprozess und der Werkstoffübergang wurden als stabil angenommen. Beispielsweise wurde angenommen, dass sich der Tropfen immer zur selben Zeit an derselben Position befindet. • Die Auswirkungen des Auslesens der Pixel innerhalb der Zeilen wurden nicht berücksichtigt. Diese Annahmen, Bedingungen, usw. sind in der Praxis nicht gegeben. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Einteilung der theoretisch verzerrungsfreien Abbildungsmöglichkeiten für fünf definierte konstante Geschwindigkeiten erfolgt ist. In der Praxis wird der Tropfen aufgrund von Beschleunigungen innerhalb eines Werkstoffübergangs verschiedene Geschwindigkeiten aufweisen. Zur besseren Veranschaulichung der gesamten Problematik stellt Bild 7.35 die theoretischen Auswirkungen verschiedener konstanter Tropfengeschwindigkeiten auf die Abbildung des Tropfens dar.

vT Tropfenflug

vZ Auslesevorgang

VZ >> VT

VZ > VT

VZ = VT

VZ < VT

Bild 7.35: Theoretische Abbildung des Werkstoffübergangstropfens im Modus 2 bei verschiedenen konstanten Fluggeschwindigkeiten vT und einer konstanten Zeilenauslesegeschwindigkeit vZ (zusätzliche Annahmen: siehe Text)

Im Fall, dass die Zeilenauslesegeschwindigkeit sehr viel größer ist als die Tropfengeschwindigkeit, wird der Tropfen verzerrungsfrei abgebildet. Wird die Tropfengeschwindigkeit größer, ist aber immer noch kleiner als die Zeilenauslesegeschwindigkeit, beginnt die verzerrte Abbildung des Tropfens, die umso extremer wird, desto mehr sich die Tropfengeschwindigkeit der Zeilenauslesegeschwindigkeit annähert. Sind beide Geschwindigkeiten gleich, wird der Tropfen so weit verzerrt abgebildet, dass es erscheint, als ob der Tropfen die Form eines Stabes hätte, der unterhalb der Drahtelektrode senkrecht im Schweißbad stehen würde. Im letzten Fall, in dem die Zeilenauslesegeschwindigkeit kleiner als die Tropfenfluggeschwindigkeit ist, wird kein Tropfen abgebildet, da die Auslesung der Zeilen dem Tropfen folgt. D. h., obwohl ein Tropfenübergang stattfindet, wird dieser nicht abgebildet. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Annahme, dass beide Geschwindigkeitsvorgänge auf den Beginn des Tropfens in Bezug auf dessen Kontur synchronisiert sind.

80

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Aufgrund derselben Richtung von Zeilenauslesung und Tropfenflug ist die Position des Tropfens in Bezug zum Start der Auslesung von Bedeutung. Das in Kapitel 5 vorgestellte Beobachtungskonzept basiert auf der Annahme eines globalen Shutters, bei dem die Position des Tropfens ohne Bedeutung ist. Bei dem zeilenbasierten Auslesevorgang besteht die Möglichkeit, sofern sich der Tropfenabriss nicht entsprechend den Schweißsignalen „verhält“ und entweder vorher oder nachher startet, dass der Tropfen überhaupt nicht abgebildet wird. Diesen Zusammenhang stellen Bild 7.36 und Bild 7.37 schematisch dar. Aufgrund des vorgestellten Auslesevorganges, dessen zugrunde liegenden Annahmen und den theoretischen Ergebnissen kann ohne eine genaue Kenntnis der relevanten Informationen (Tropfengeschwindigkeit, Beschleunigungen, usw.) anhand der Abbildung nicht festgestellt werden, ob ein in der realen Szene vorhandener Tropfen überhaupt abgebildet wurde, und wenn, ob die abgebildete Form der tatsächlichen Form entspricht.

Bild 7.36: Entsprechend dem Beobachtungskonzept angepasste Synchronisierung des Auslesevorganges

Bild 7.37: Auswirkungen bei Abweichung des Schweißprozesses in Bezug auf den zeitlichen Ablauf von Schweißsignalen und Tropfenübergang (ohne Berücksichtigung von möglichen Verzerrungen bei der Abbildung / Abkürzungen siehe Bild 7.35 und Bild 7.36)

Auf der Basis dieser theoretischen Ergebnisse ist die LOGLUX®-HDRC®-Kamera nicht für eine Beobachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen geeignet. In wieweit die Kamera bei einer relativ exakten Synchronisierung des Auslesevorgangs und der Tropfenposition für Schweißprozesse mit geringeren Leistungen und damit mit geringeren Tropfengeschwindigkeiten geeignet ist, wie es entsprechend den Ergebnissen (Tabelle 7.12 bis Tabelle 7.14) theoretisch möglich sein müsste, ist aufgrund der vielen unbekannten Parameter und Rahmenbedingungen nicht einzuschätzen.

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

81

7.3.2.2 Untersuchung und Verifikationen der theoretischen Eigenschaften, Entwicklung eines Kameraeinstellungsverfahrens und Bewertung Die praktische Erprobung und die Verifikation der Eigenschaften und ermittelten theoretischen Ergebnisse wird im Folgenden beschrieben. Dieses Unterkapitel unterteilt sich in mehrere Abschnitte. Im ersten Abschnitt werden die Ergebnisse der ersten Erprobungen beschrieben und eingeschätzt. Im Anschluss wird ein neues Verfahren zur Ermittlung von optimalen Kameraparametern zur Adaption der Kennlinie an den Schweißprozess vorgestellt. Die Verifikation der theoretischen Untersuchungen bezüglich der Auswirkungen der Auslesezeit auf die Abbildung des Tropfens schließt den praktischen Teil ab.

7.3.2.2.1 Allgemeine Erprobung Die allgemeine Erprobung umfasst den Systemaufbau und den Synchronisationsablauf. Zusätzlich wird die Leistungsfähigkeit der Kamera bezüglich der Aufnahme des Werkstoffübergangs vorgestellt und eingeschätzt.

Systemaufbau und -komponenten Der Systemaufbau zur Aufnahme des Werkstoffübergangs konnte mit der LOGLUX®-HDRC®Kamera ohne Änderungen umgesetzt werden (siehe Kapitel 4).

Bild 7.38: Aufbau des Beobachtungssystems mit der LOGLUX®-HDRC®-Kamera

Anpassung der Synchronisationsmethode Für die praktische Erprobung der Kamera wurde das Synchronisationsverfahren aus Kapitel 5 an das Ausleseverfahren angepasst. Das Auslösungssignal für die Aufnahme wird so vor dem gewählten Aufnahmezeitpunkt ausgelöst, dass der zeitliche Mittelpunkt des Ausleseverfahrens mit dem gewählten Aufnahmezeitpunkt übereinstimmt. Den Ablauf für die auf der Schweißstromstärke synchronisierte Auslösung der Aufnahme stellt Bild 7.39 dar.

Bild 7.39: Synchronisation der Aufnahme unter Berücksichtigung des Ausleseverfahrens

Beispielaufnahmen und erste Einschätzungen der Bildaufnahmequalität Die Verifikation der Spezifikationen und theoretischen Ergebnisse wurde anhand der mit dem Synchronisationsverfahren aufgenommenen Bilder des Werkstoffübergangs durchgeführt.

82

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Bild 7.40 zeigt die Umsetzung der auf der Schweißstromstärke synchronisierten Aufnahme bei gleichzeitiger Messung der elektrischen Schweißparameter Stromstärke und Spannung. Die senkrechte Linie innerhalb der zeitlichen Verläufe der elektrischen Parameter markiert den Mittelpunkt der Auslesezeit.

Bild 7.40: Synchronisierte Aufnahme und zeitliche Verläufe der Schweißstromstärke und der Schweißspannung (gelbe Linie = Mittelpunkt des Auslesevorgangs)

Die Aufnahmen in Bild 7.41 stellen eine Bildsequenz von unterschiedlichen Werkstoffübergängen der gleichen Phase des Schweißprozesses dar. Die Bilder zeigen den quasistationären Werkstoffübergang anhand von Tropfen unterschiedlicher Übergänge. Die ersten drei Aufnahmen repräsentieren den stillstehenden Tropfen. Die vierte Aufnahme zeigt die Auswirkungen von variierenden Schweißparametern auf den Prozess. Der Werkstoffübergang findet hier nicht durch einen einzigen Tropfen sondern durch mehrere kleine Tropfen statt. Die Aufnahmen in Bild 7.42 demonstrieren die Aufnahme von unterschiedlichen Ereignissen des Schweißprozesses. In der ersten Aufnahme ist deutlich ein aus dem Schweißbad herausgeschleuderter Spritzer zu erkennen. Den Lichtbogen und die Strömung des Gases zeigt die zweite Aufnahme. In der dritten Aufnahme ist die Zündung des Lichtbogens beim Beginn einer Schweißung dargestellt. In der Aufnahme sind deutlich die typischen Zündungsspritzer zu erkennen. Zusätzlich ist der Temperaturverlauf der Drahtelektrode anhand deren Grauwertverlaufes sichtbar. Vom Beginn der Elektrode am oberen Bildrand wird der Grauwertverlauf bis zum Ende der Elektrode immer heller. Zur weiteren Verifizierung der Kameraeigenschaften wurden mit dem Systemaufbau zusätzlich Aufnahmen vom Kurzlichtbogenschweißen durchgeführt. Der Synchronisationsablauf wurde wie bei der Beoachtung mit der CCD-Kamera (siehe Kapitel 7.2.2.4) auf den Verlauf der Schweißspannung angepasst. Bild 7.43 stellt den vollständigen Werkstoffübergang beim Kurzlichtbogenschweißen anhand verschiedener Übergänge dar. In den Aufnahmen sind die kurzschlussfreie Lichtbogenphase, die Tropfenausbildung, der Tropfenübergang im Kurzschluss und die Lichtbogenbildung dargestellt. Die Aufnahmen belegen die Einschätzung, dass mit der Kamera ohne eine zusätzliche Beleuchtung der Werkstoffübergang beobachtbar ist. In den Aufnahmen sind alle Einzelheiten innerhalb des

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

83

Lichtbogens zu erkennen, wobei die Konturen des Tropfens zum Teil nicht sehr ausgeprägt dargestellt werden.

Bild 7.41: Virtuelles Bild des quasistationären Prozesses mit variierenden Prozessparametern

Bild 7.42: Aufnahmen vom MSG-Schweißprozess mit Impulslichtbogen a.) Spritzer b.) Strömung des Gases c.) Zündung des Prozesses

Allerdings erscheinen die Aufnahmen für das menschliche Auge kontrastarm, „verwaschen“ oder „flau“. Nach [Boec97] gibt es für dieses Problem folgende Gründe: • Ein Monitor kann unter günstigsten Bedingungen (abgedunkelter Raum) kaum mehr als 40 dB Kontrast reproduzieren und bei normaler Umgebungsbeleuchtung noch deutlich weniger. Fotoabzüge oder drucktechnische Darstellungen 1 erreichen einen Kontrastumfang von ungefähr 15 bis 20 dB. • Das menschliche Auge kann die relevanten Intensitätsstufen bei hoher Grundintensität nicht mehr ausreichend auflösen. Aus diesem Grund müssten nach [Boec97] hoch dynamische Aufnahmen für das menschliche Auge linear entzerrt werden, sodass immer nur ein Teil des Dynamikumfanges dargestellt wird. Dieser ästhetische Aspekt ist für eine Bildauswertung (siehe Kapitel 8) allerdings nicht von Bedeutung. 1

gilt entsprechend auch für die Darstellung in der vorliegenden Arbeit

84

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Bei den Erprobungen wurde deutlich, dass die Tropfen aufgrund der hohen Auslesezeit zum Teil verzerrt abgebildet wurden. Bild 7.44 stellt hierfür einige Beispiele dar. Die „Tropfen“ erscheinen als diagonale Stäbe, die am Ende der Drahtelektrode beginnen und ins Schweißbad eintauchen. Diese Übergänge sind in der realen Szene mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufgetreten.

a.)

b.)

c.)

d.)

e.) f.) | Bild 7.43: Werkstoffübergang beim MSG-Kurzlichtbogenschweißen a.) und b.) Kurzschlussfreie Lichtbogenphase c.) und d.) Tropfenausbildung e.) Tropfenübergang im Kurzschluss f.) Lichtbogenbildung

7.3.2.2.2 Verfahren zur optimalen Anpassung der Kennlinie Bei der Erprobung war zu erkennen, dass die Anpassung der Kameraeigenschaften in Bezug auf die Helligkeitsdynamik des Schweißprozesses schwierig ist. Im Folgenden wird ein neu entwickeltes

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

85

Verfahren zur Schätzung von optimalen Kameraparametern für die Anpassung der Kennlinie an die Helligkeitsbedingungen der aufzunehmenden Szene vorgestellt.

Bild 7.44: Verzerrte Tropfen (Konturen der Tropfen (grün) u. Elektroden (rot) farblich markiert)

7.3.2.2.2.1 Einleitung, Rahmenbedingungen und Ziel

Pixelanzahl

Für eine optimale Ausnutzung der hohen Dynamik der Kamera, ist die Kennlinie so anzupassen, dass der gesamte Grauwertbereich verwendet wird.

a.) b.) Bild 7.45: Ausnutzung des Grauwertbereiches a.) Bild und Histogramm bei optimaler Ausnutzung des Grauwertbereiches b.) Bild und Histogramm bei nicht optimaler Ausnutzung des Grauwertbereiches

Die Anpassung der Kennlinie erfolgt mit den Parametern Gain und Offset. Das Ergebnis der logarithmischen Komprimierung innerhalb der Sensorelemente wird mit dem Gain-Wert multipliziert und diesem Ergebnis wird der Offset-Wert hinzuaddiert. Die schaltungstechnische Umsetzung zeigt Bild 7.46 und die schematischen Auswirkungen auf die Kennlinie Bild 7.47.

...

Sensorausgangssignal [V]

Bild 7.46: Schaltungstechnische Umsetzung der Beeinflussung des Ausgangssignals mit den Parametern Gain und Offset

Bild 7.47: Zusammenhang zwischen der Beleuchtungsstärke, Sensorausgangssignal und Kameraparametern Gain und Offset

Die optimale Einstellung der Parameter ist zeitaufwendig und zum Teil schwierig, da jede Parameteränderung anhand von Testschweißungen überprüft werden muss. Optimal wäre eine Regelung, die die Parameter anhand der Aufnahmen an die Szene anpasst. Allerdings zeigte sich in Vorversuchen, dass Änderungen der Parameter während der synchronisierten Aufnahme zu Fehlern innerhalb der Kamera führten. Die Kamera „verlor“ Aufnahmen, d. h., statt

86

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

100 Bilder nahm die Kamera zum Beispiel nur 90 auf. Dieser Zustand nahm mit steigender Aufnahmefrequenz zu. Die Kamera gestattet somit im synchronisierten Aufnahmemodus keine Änderungen der Parameter. Aus diesem Grund wurde ein Verfahren entwickelt, dass die Parameter Gain und Offset anhand einer Aufnahmeserie mit mindestens fünf Aufnahmen so schätzt, das in folgenden Aufnahmen mit relativ gleichen Helligkeitsbedingungen der gesamte Grauwertbereich ausgenutzt wird.

7.3.2.2.2.2 Zusammenhänge zwischen den Kameraparametern und dem Grauwerthistogramm Als Grundlage des Verfahrens ist die Kenntnis der Auswirkungen der Parameter Gain und Offset auf das Histogramm erforderlich. Theoretisch müsste der Parameter Offset eine lineare Verschiebung der Grauwertverteilung im Histogramm bewirken. Der Parameter Gain müsste eine Stauchung bzw. Streckung und gleichzeitig eine Verschiebung der Grauwertverteilung im Histogramm zur Folge haben. In Bild 7.48 und Bild 7.49 sind diese Annahmen dargestellt. .

Bild 7.48: Auswirkungen des Parameters Gain auf das Grauwerthistogramm (schematisch)

Bild 7.49: Auswirkungen des Parameters Offset auf das Grauwerthistogramm (schematisch)

Zur Überprüfung der Annahmen wurden verschiedene Versuchsreihen durchgeführt. In den Versuchsreihen wurde jeweils eine Szene mit verschiedenen Werten für den Parameter Gain bei konstantem Offset und verschiedenen Werten für den Offset bei konstantem Gain aufgenommen. Eine Auswahl von Aufnahmen und den dazugehörigen Histogrammen einer Versuchsreihe, in der die Drahtelektrode bei konstanter Beleuchtung aufgenommen worden ist, zeigen Bild 7.50 und Bild 7.51.

a.) b.) c.) Bild 7.50: Auswirkungen des Kameraparameters Gain am Beispiel der Aufnahme des Schweißdrahtes bei konstanter Beleuchtung und konstantem Offset (150) [Goet02] a.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 110 b.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 150 b.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 190

87

Häufigkeit

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

a.) b.) c.) Bild 7.51: Auswirkungen des Kameraparameters Offset am Beispiel der Aufnahme des Schweißdrahtes bei konstanter Beleuchtung und konstantem Gain (150) [Goet02] a.) Bild und Histogramm bei einem Offset von 110 b.) Bild und Histogramm bei einem Offset von 150 b.) Bild und Histogramm bei einem Offset von 190

Zur Analyse der Auswirkungen der Parameteränderungen auf das Histogramm wurden bei den Offset-Messungen (Gain = konstant) jeweils der minimale, maximale und mittlere Wert der Grauwertverteilung ermittelt. Bei den Gain-Messungen (Offset = konstant) wurden jeweils der minimale und maximale Wert sowie die Breite der Grauwertverteilung ermittelt. Zusätzlich wurden Trendlinien für diese Werte berechnet. Bild 7.52 und Bild 7.53 zeigen die Auswertungen der Versuchsreihen. 250 Min

y = 1,9149x - 167,9 Grauwert

200

Max Mitte

150 y = 2,078x - 266,61

100 50

y = 1,9462x - 209,07 0 90

110

130

150

170

190

210

230

250

Of f set

Bild 7.52: Auswirkungen der Variation des Offsets auf die statistischen Parameter des Histogramms bei konstantem Gain inklusive der linearen Ausgleichsgeraden bei der Aufnahme des Schweißdrahtes bei konstanter Beleuchtung [Goet02] 250

Min y = 15,753e0,0137x

Max

200 Grauwert

Range 150 y = 6,8828e0,0158x

100 50

y = 9,6211e0,0107x 0 50

100

150

200

Gain

Bild 7.53: Auswirkungen der Variation des Gains auf die statistischen Parameter des Histogramms bei konstantem Offset inklusive der exponentiellen Ausgleichslinien bei der Aufnahme des Schweißdrahtes bei konstanter Beleuchtung [Goet02]

Aus den Aufnahmen, Histogrammen und Diagrammen ist zu erkennen, dass der Parameter Offset lineare Verschiebungen bewirkt. Des Weiteren ist anhand der linearen Trendlinienfunktionen in den Diagrammen zu erkennen, dass die Steigungen der minimalen, maximalen und mittleren Werte der Grauwertverteilungen nahezu konstant zwei sind. D. h., es kann davon ausgegangen werden, dass Änderungen des Offsets sich nicht auf die Breite der Grauwertverteilung auswirken.

88

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Der Parameter Gain erzeugt mit steigenden Werten eine Verbreiterung und Verschiebung des Grauwertbereiches, wie in den Histogrammen zu erkennen ist. Die Trendlinien der minimalen und maximalen Werte sowie der Breite weisen einen exponentiellen Zusammenhang auf.

7.3.2.2.2.3 Schätzungsverfahren Auf der Basis der Kenntnisse der Auswirkungen der Kameraparameter auf die Aufnahmen und die Histogramme wurde ein Verfahren entwickelt, dass die optimalen Parameter anhand von wenigen Probeaufnahmen und statistischen Parametern der Grauwertverteilungen der Aufnahmen schätzt. Grundlage des Verfahrens sind mindestens drei Aufnahmen mit variierendem Gain und konstantem Offset (Gain-Aufnahmen) und zwei Aufnahmen mit variierendem Offset und konstantem Gain (Offset-Aufnahmen). Das Prinzip des Verfahrens ist, dass anhand der Gain-Aufnahmen mithilfe der exponentiellen Trendlinienfunktion für die Breite der Grauwertverteilungen ein optimaler Gain geschätzt wird, mit dem der Histogrammbereich vollständig ausgenutzt würde. Die Mitte der resultierenden Grauwertverteilung auf der Basis des optimalen Gain muss im folgenden Schritt durch eine Änderung des Offsets der Gain-Aufnahmen so verschoben werden, dass diese mit der Histogrammmitte übereinstimmen würde. Geschätzt wird dieser optimale Offset für den optimalen Gain auf der Basis der notwendigen Verschiebung der Grauwertverteilungsmitte und den linearen Zusammenhängen des Offsets und der Grauwertverteilungsmitte aus den Offset-Aufnahmen.

Bild 7.54: Prinzip des Verfahrens

Die Schätzungen der optimalen Kameraparameter ergibt sich bei dem Verfahren durch die folgenden Schritte: • Aufnahme von mindestens zwei Bildern mit variierendem Offset und konstantem Gain gainoffset • Aufnahme von mindestens drei Bildern mit variierendem Gain und konstantem Offset offsetgain • Berechnung der Mittelwerte der Grauwertverteilungen der Offset-Aufnahmen (Gain = konstant) und der linearen Trendlinienfunktion für die Mittelwerte. grauoffset ,mittel = aoffset ,mittel offset + boffset ,mittel ( 7.24 ) Die Parameter der Trendlinienfunktion werden mithilfe der Methode der kleinsten Quadrate nach [Stoe99] durch die Beziehungen

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie N

a=

N

i =1

i =1

N ⋅ ∑ xi ⋅ yi − ∑ xi ⋅ ∑ yi i =1

Δ N

b=

N

89

N

N

N

i =1

i =1

i =1

∑ ( xi ) ⋅ ∑ yi − ∑ xi ⋅ ∑ xi ⋅ yi 2

i =1

( 7.25 )

Δ 2

⎛ N ⎞ Δ = N ⋅ ∑ ( xi ) − ⎜ ∑ xi ⎟ i =1 ⎝ i =1 ⎠ berechnet, wobei N die Anzahl der Aufnahmen, x die Offset-Werte und y die Werte des statistischen Grauwertverteilungsparameters Mitte sind. • Berechnung der Mittelwerte und der Breite der Grauwertverteilungen der Gain-Aufnahmen (Offset = konstant) und der exponentiellen Trendlinienfunktionen für diese Werte. b gain grau gain ,mittel = again ,mittel e gain ,mittel ( 7.26 ) N

2

grau gain ,breite = again ,breite e gain ,breite b

gain

( 7.27 )

Die Parameter der Trendlinienfunktionen werden wieder durch Gleichung ( 7.25 ) berechnet, wobei x die Gain-Werte und y die Werte der statistischen Grauwertverteilungsparameter Mitte und Breite sind. • Schätzung des optimalen Gains bei dem die optimale Histogrammausnutzung (256 Grauwerte) mithilfe der exponentiellen Trendlinienfunktion der Breite erreicht wird. grau gain ,breite,opt = again ,breite e gain ,breite b

⇒ gainopt

⎛ grau gain ,breite ,opt ln ⎜ ⎜ a gain ,breite = ⎝ bgain ,breite

gainopt

⎞ ⎛ 255 ⎞ ⎟⎟ ln ⎜⎜ ⎟⎟ ⎠ = ⎝ again ,breite ⎠ bgain ,breite

( 7.28 )

• Berechnung der resultierenden Mitte der Grauwertverteilung für den optimalen Gain mithilfe der exponentiellen Trendlinienfunktion der Gain-Aufnahmen. b gain grau gain ,mittel , gainopt = amittel e mittel opt ( 7.29 )

• Berechnung der Verschiebung, bei der die resultierende Mitte der Grauwertverteilung mit der Histogrammmitte identisch wäre. Δgraumittel = 128 − grau gain , mittel , gainopt ( 7.30 ) • Berechnung der notwendigen Änderung für den Offset aus den Gain-Aufnahmen mithilfe der ermittelten Trendlinienparameter der Grauwertverteilungsmitte der Offset-Aufnahmen. Δgraumittel Δoffset = ( 7.31 ) aoffset ,mittel • Berechnung des für den optimalen Gain optimalen Offsets, der sich aus der Differenz des konstanten Offsets aus den Gain-Aufnahmen und der ermittelten notwendigen Änderung ergibt. offsetopt = offset gain − Δoffset ( 7.32 )

7.3.2.2.2.4 Randproblematik bei sehr dunklen und überstrahlten Aufnahmen Zur Schätzung der optimalen Kameraparameter Gain und Offset ist die Breite, d. h. der Abstand von minimalem und maximalem Grauwert entscheidend. Dieser wird allerdings verringert, falls beispielsweise durch eine Änderung der Szenenbeleuchtungsverhältnisse das Histogramm zu weit in den dunklen bzw. hellen Bereich geregelt wird. Bild 7.55 stellt diesen Zusammenhang dar. Aus den Histogrammen ist zu erkennen, dass die Breiten in den verschobenen Histogrammen (Bild 7.55a und Bild 7.55c) kleiner sind als die des Originalhistogramms (Bild 7.55b). Zur Schätzung der Kameraparameter würden nicht korrekte Eingangsdaten verwendet werden.

90

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Breiteorg

255 Grauwert a.) b.) 0 c.) Bild 7.55: Probleme zur Schätzung der Kameraparameter aufgrund reduzierter Breite des Grauwertverlaufes (Häufigkeiten mit unterschiedlicher Skalierung)

Häufigkeit

Häufigkeit

Häufigkeit

g0 g1 g2

g’1 g0 g1 g2

g’2 g’1 g0 g1 g2

Grauwerte

Grauwerte

Grauwerte

Bild 7.56: Verfahrensprinzip zur Schätzung des Minimalwertes Start

Start

h0 = h[0]

h255 = h[255]

mingeschätzt = 0

maxgeschätzt = 255

i=1

i = 254

h0 >= h[i]

h255 >= h[i]

ja

nein

ja

h0 = h0 - h[i]

h255 = h255 - h[i]

mingeschätzt --

maxgeschätzt ++

i ++

Ende

i --

nein

Ende

a.) b.) Bild 7.57: Ablaufdiagramme zur Schätzung des Minimal- und Maximalwertes (h = Häufigkeit) a.) Min-Schätzung b.) Max-Schätzung

Zur Lösung des Problems wurden Methoden zur Schätzung der minimalen und maximalen Grauwerte entwickelt. Für diese Methoden wird angenommen, dass die Histogrammverteilungen links und rechts des Grauwertes 0 bzw. 255 gleich sind. Auf der Basis dieser Annahme wird für die Schätzung des Minimalwertes von der Häufigkeit des Grauwertes 0 die Häufigkeit des Grauwertes 1 abgezogen, dann die des Grauwertes 2, usw. Der Vorgang wird beendet, wenn die Häufigkeit des Grauwertes 0 gleich oder kleiner ist als der des zu dem Zeitpunkt untersuchten Grauwertes. Dieser Grauwert im „Minusbereich“ entspricht dem geschätzten Minimalwert. Dieses Prinzip stellt Bild 7.56 grafisch dar. Die Schätzung des Maximalwertes ist entsprechend seitenverkehrt für den Grauwert 255. Beide Schätzungsverfahren stellt Bild 7.57 als Ablaufdiagramm dar.

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

91

800

Häufigkeit

Häufigkeit

Bild 7.58 demonstriert das Verfahren zur Schätzung des Minimalwertes an einem Beispiel, in dem das Histogramm um 50 Grauwerte nach links verschoben wurde. In den Histogrammen ist zu erkennen, dass der geschätzte Minimalwert sehr gut mit dem Minimalwert im Minusbereich übereinstimmt.

600

10000 8000 6000

400

4000 200

2000 0

0 0

50

100

150

0

50

100

150

200 250 Grauwerte

0

50

100

150

200 250 Grauwerte

b.)

800

Häufigkeit

Häufigkeit

a.)

200 250 Grauwert

600

10000 8000 6000

400 4000 200

2000

0

0 0

50

100

150

mintheoretisch = -30 10000 8000

10000 8000

6000

6000

4000

4000

2000

2000 0

0 0

e.)

d.) Häufigkeit

Häufigkeit

c.)

200 250 Grauwerte

50

100

150

200 250 Grauwerte

0

min

50

= -31

100

150

200 250 Grauwerte

geschätzt f.) Bild 7.58: Beispiel zur Schätzung des minimalen Grauwertes (Histogramme weisen z. T. eine unterschiedliche Skalierung der Häufigkeit auf) a.) Originalhistogramm b.) Histogramm aus a. um 50 Grauwerte nach links verschoben c.) „Theoretisches“ Histogramm aus a. um 50 Grauwerte nach links verschoben inklusive ‚Minusgrauwerte’ d.) Histogramm aus c. auf maximale Häufigkeit von b. normiert e.) Darstellung des Differenzergebnisses von b. und d. f.) Geschätztes Histogramm (gelb) und geschätzter Minimalwert in Kombination mit den Histogrammen aus d. und e.

7.3.2.2.2.5 Beispiel für Schätzverfahren Die Leistungsfähigkeit des Verfahrens zur Schätzung der optimalen Kameraparameter Gain und Offset wird an einem Beispiel auf der Basis der minimalen Anzahl von Aufnahmen demonstriert. D. h., drei Aufnahmen mit variierenden Gain-Werten und konstantem Offset und zwei Aufnahmen mit variierenden Offset-Werten und konstantem Gain. Die Aufnahmen und Histogramme zeigen Bild 7.59 und Bild 7.60. Die berechneten statistischen Grauwertverteilungsparameter und die Trendlinien der Parameter stellen Bild 7.61 und Bild 7.62 dar.

Häufigkeit

Häufigkeit

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

a.) b.) c.) Bild 7.59: Gain-Aufnahmen mit konstantem Offset (150) [Goet02] a.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 90 b.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 100 b.) Bild und Histogramm bei einem Gain von 120

a.) b.) Bild 7.60: Offset-Aufnahmen mit konstantem Gain (150) [Goet02] a.) Bild und Histogramm bei einem Offset von 110 b.) Bild und Histogramm bei einem Offset von 130 250 200 150

Histogra mitte

y = 23,416e0,0142x y = 21,045e0,0139x

100

Range

50 0 80

100

120

140

160

180

Gain

Bild 7.61: Auswirkungen der Variation des Gains auf die statistischen Grauwertverteilungsparameter „Mitte“ und „Breite“ bei konstantem Offset inklusive der exponentiellen Trendlinie [Goet02] 150 140

Grauwert

92

130 120

Histog Mitte mitte

y = 2,1x - 140

110 100 90 80 100

110

120

130

140

150

Offset

Bild 7.62: Auswirkungen der Variation des Offsets auf den statistischen Grauwertverteilungsparameter „Mitte“ bei konstantem Gain inklusive der linearen Trendlinie [Goet02]

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

93

Entsprechend den Berechnungsschritten des Verfahrens wird der optimale Gain auf der Basis der Trendlinienparameter der Breite (Bild 7.61) durch die Beziehung ⎛ grau gain ,breite,opt ⎞ ⎛ 255 ⎞ 255 ⎞ ln ⎜ ln ⎜ ⎟ ⎟⎟ ln ⎜⎛ ⎜ a ⎟ ⎜a ⎟ ( 7.33 ) gain ,breite ⎠ = ⎝ gain ,breite ⎠ = ⎝ 23, 416 ⎠ = 168 gainopt = ⎝ bgain ,breite bgain ,breite 0, 0142

geschätzt. Die resultierende virtuelle Mitte der Grauwertverteilung berechnet sich mit dem optimalen Gain mithilfe der Trendlinienparameter der Breite durch die Beziehung b gain grau gain ,mittel , gainopt = again ,mittel e gain ,mittel opt = 21, 045e0,0139*168 = 221 . ( 7.34 )

Aus dieser virtuellen Mitte wird die notwendige Verschiebung durch Δgraumittel = 128 − grau gain , mittel , gainopt = 128 − 211 = −93 ermittelt. Daraus folgt, dass der Offset der Gain-Aufnahmen um den Wert Δgraumittel −93 Δoffset = = = −44 2,1 aoffset ,mittel

( 7.35 ) ( 7.36 )

verändert werden muss. Der geschätzte optimale Offset ergibt sich damit aus offsetopt = offset gain − Δoffset = 150 − 44 = 106 .

( 7.37 ) Auf der Basis der geschätzten optimalen Parameter wurde eine weitere Aufnahme zur Verifizierung der Ergebnisse durchgeführt, dessen Bild und Histogramm in Bild 7.63 dargestellt sind. In dem Histogramm ist zu erkennen, dass • der Grauwertbereich vollständig ausgenutzt wird und • die Grauwertverteilung sich an den Rändern den Grauwerten 0 bzw. 255 annähert. D. h., das Verfahren schätzt die Parameter so, dass die größtmögliche Dynamik erreicht wird, ohne dass ein Teil der Informationen verloren geht.

a.) Bild 7.63: Beispielaufnahme zur Überprüfung der geschätzten optimalen Parameter Gain (168) und Offset (106) [Goet02]

7.3.2.2.3 Praktische Untersuchung der Auswirkungen des klassischen Ausleseprinzips bzw. des Pixelshutters Im Folgenden werden die theoretischen Ergebnisse aus Kapitel 7.3.2.1.3 bezüglich der Auswirkungen des Pixelshutters auf die Abbildung des Tropfens untersucht.

Verifikationsverfahren Grundlage der Verifikation der theoretischen Ergebnisse der Auswirkungen des Pixelshutters war die gleichzeitige Aufnahme der Werkstoffübergänge mit der PULNiX-TM9700 CCD-Kamera und der LOGLUX®-HDRC®-Kamera. Die Aufnahmen der CCD-Kamera wurden als Referenzaufnahmen verwendet, da diese aufgrund des globalen Shutters theoretisch keine bzw. nur geringe Verzerrungen aufweisen (siehe Kapitel 7.2.2.3). Untersucht wurden die Auswirkungen des Pixelshutters in Form von Abbildungsverzerrungen anhand der Tropfenhöhen aus den Bildern beider Kameras. Da die Abbildungen des Tropfens aufgrund der unterschiedlichen Bauhöhen der Sensorelemente und den Abbildungsmaßstäben nicht identisch sind bzw. waren, wurde im Vorfeld der Messungen ein Umrechnungsfaktor faktorHDRC,CCD ermittelt. Die Abweichung der LOGLUX®-HDRC®-Kamera ergibt sich mit diesem vom Systemaufbau abhängigen Faktor durch die Beziehung

94

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

⎛⎛ ⎞ ⎞ h abweichung = ⎜⎜ ⎜ faktorHDRC ,CCD HDRC ⎟ − 1⎟⎟ 100 [%] . ( 7.38 ) hCCD ⎠ ⎠ ⎝⎝ Aus der Gleichung ist zu erkennen, dass die Abweichung größer null ist, wenn die Tropfenhöhe in der LOGLUX®-HDRC®-Aufnahme größer als in der CCD-Aufnahme ist. In diesem Fall ist der Tropfen gestreckt abgebildet. Entsprechend ist die Abweichung kleiner null, wenn die Tropfenhöhe in der LOGLUX®-HDRC®-Aufnahme kleiner ist, und der Tropfen gestaucht abgebildet wurde.

hCCD

hHDRC

CCD-Kamera

HDRC-Kamera

Bild 7.64: Tropfenhöhen zur Ermittlung der Auswirkungen des Pixelshutters Bewegungsrichtung des Objektes

Modus 0

Modus 2

Modus 3 Drehung der Kamera um 0°

Drehung der Kamera um +90° und bei Mode 0 um +270

Drehung der Kamera um +180°

Bild 7.65: Auslesemodi der LOGLUX®-HDRC®-Kamera in Kombination mit unterschiedlichen Drehungen der Kamera für ein Objekt mit einer Bewegungsrichtung von oben nach unten

Weiterhin wurde untersucht, ob bzw. inwieweit mögliche Verzerrungen durch eine Anpassung der Ausleserichtung auf die Tropfenflugrichtung vermindert bzw. vermieden werden könnten. Die Flugrichtung ist unter den vorliegenden Rahmenbedingungen theoretisch immer von oben nach unten. Durch eine geeignete Wahl des Auslesemodus und einer angepassten Drehung der Kamera müsste eine Reduzierung der Verzerrungen erreicht werden können. Bild 7.65 stellt die unterschiedlichen Kombinationen der drei Modi mit verschiedenen Drehungen der Kamera dar.

Systemaufbau und Synchronisierung Der Systemaufbau für die Messungen entspricht einer Kombination aus den Aufbauten bei der PULNiX-TM9700 CCD-Kamera (siehe Kapitel 7.2.2.4) und der LOGLUX®-HDRC®-Kamera bei der ersten Erprobung (siehe Kapitel 7.3.2.2.1). D. h., der Systemaufbau besteht aus den beiden Kameras, dem Hochleistungsstroboskop und dem optischen Filter für die CCD-Kamera. Die LOGLUX®-HDRC®-Kamera wurde ein wenig versetzt aufgebaut. Dieser Umstand ist aufgrund der Auswertung der Tropfenhöhe allerdings nicht von Bedeutung. Die auf der Schweißstromstärke synchronisierte Auslösung der Kameras und des Stroboskops entspricht im gleichen Maße einer Kombinationen der beiden Einzelsynchronisationen. Das Stroboskop wurde vor der CCD-Kamera ausgelöst, damit dessen maximale Leistung ungefähr in der Mitte der Belichtungszeit der Kamera zur Verfügung steht. Die LOGLUX®-HDRC®-Kamera wurde je nach Größe des auszulesenden Teilbereiches so ausgelöst, dass die zeitliche Mitte der Auslesezeit mit der zeitlichen Mitte der Belichtungszeit der CCD-Kamera übereinstimmte. Aufgrund der Dauer

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

95

der Auslesezeit wurde die Kamera immer vor dem Stroboskop ausgelöst. Den angepassten Ablauf stellt Bild 7.67 dar.

Bild 7.66: Systemaufbau zur Ermittlung der Auswirkungen des Auslesevorgangs Stromstärke

TK = Variables Triggerkriterium VZ = Variable Verzögerungszeit BA = Bildaufnahmezeitpunkt AH = Auslösung HDRC-Kameraaufnahme AC = Auslösung CCD-Kameraaufnahme AS = Auslösung Stroboskopbeleuchtung VZ BA

TK HDRC-Kamera

Zeit AOI-Auslesezeit Zeit

AH Stroboskop

Blitzbeleuchtung AS

CCD-Kamera

Zeit Belichtungszeit (Shutterzeit)

AC

Zeit

Bild 7.67: Zeitliche Abläufe der Auslösungen der Kameras und des Stroboskops

Aufgrund der geringen Blitzfrequenz des Stroboskops wurde wie bei den CCD-Aufnahmen nur jeder 15. Übergang aufgenommen.

Versuchsdurchführung und Ergebnisse Für die Verifikation wurden eine Vielzahl von Versuchsreihen mit jeweils mindestens 40 Aufnahmen durchgeführt, mit denen alle Kombinationen der folgenden Einstellungen abgedeckt wurden. • PULNiX-TM9700 CCD-Kamera • Shutterzeit: 128 µs • LOGLUX®-HDRC®-Kamera • Auslesemodi: 2 und 3 • Teilbereichsgrößen: 256x256, 192x192 und 128x128 Pixel • Kameradrehungen: 0°, 90° und 180° Die Werkstoffübergangsfrequenzen betrugen bei den Versuchsreihen ungefähr 60 bis 65 Hz. Wird angenommen, dass ein linearer Zusammenhang zwischen den Werkstoffübergangsfrequenzen (25 – 250 Hz) und den Tropfenfluggeschwindigkeiten (20 – 200 cm/s) besteht, entsprechen die 60 bis 65 Hz einer Tropfenfluggeschwindigkeit von ungefähr 50 cm/s. Bei dieser Geschwindigkeit sind nach Tabelle 7.7 und Tabelle 7.8 mit der LOGLUX®-HDRC®Kamera keine verzerrungsfreien Abbildungen möglich. Die Einschränkung auf den „Tropfenbereich“ (siehe Kapitel 7.3.2.1.3) ergab allerdings, dass bei den Modi 2 und 3 mit der LOGLUX®HDRC®-Kamera eine verzerrungsfreie Abbildung unter Umständen theoretisch möglich ist (siehe Tabelle 7.9 bis Tabelle 7.14).

96

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Tabelle 7.15: Ergebnisse der Versuchsreihen bei einer Drehung der Kamera um 0 Grad Modus 2

3

BereichsMittlere StandardMittlere Standardgröße Abweichung abweichung Abweichung abweichung 256x256 192x192

nicht (statistisch) auswertbar

128x128 Tabelle 7.16: Ergebnisse der Versuchsreihen bei einer Drehung der Kamera um 90 Grad Modus 2

3

BereichsMittlere StandardMittlere Standardgröße Abweichung abweichung Abweichung abweichung 256x256

45 %

25 %

48 %

34 %

192x192

53 %

24 %

42 %

17 %

128x128

14 %

18 %

26 %

11 %

Tabelle 7.17: Ergebnisse der Versuchsreihen bei einer Drehung der Kamera um 180 Grad Modus 2

3

BereichsMittlere StandardMittlere Standardgröße Abweichung abweichung Abweichung abweichung 256x256

-5 %

20 %

-13 %

18 %

192x192

18 %

30 %

5%

22 %

128x128

-15 %

19 %

-6 %

13 %

Die Ergebnisse der Versuchsreihen in Form der mittleren Abweichungen und der Standardabweichungen der ermittelten Tropfenhöhen stellen Tabelle 7.15 bis Tabelle 7.17 dar. Bei der Versuchsreihe ohne Drehung der Kamera konnten keine statistischen Auswertungen durchgeführt werden, da kaum Aufnahmen aus der Serie einen Vergleich der Tropfenhöhen zuließen. Viele der HDRC®-Aufnahmen wiesen entweder keinen Tropfen auf, oder die Tropfen berührten das Schweißbad. Bild 7.68 demonstriert den Berührungsfall an zwei Beispielen. Wurde kein Tropfen abgebildet, war die Zeilenauslesegeschwindigkeit kleiner als die Tropfengeschwindigkeit. Bei den Abbildungen, in denen die Tropfen das Schweißbad berührten, war die Zeilengeschwindigkeit kleiner als die Tropfengeschwindigkeiten. Das bedeutet, dass ohne eine Kameradrehung in allen Kombinationen von Modi und Bereichsgrößen die Auslesezeiten zu hoch sind. In den anderen Versuchsserien konnten die Tropfenhöhen und Abweichungen bestimmt werden. Anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen ist zu erkennen, dass die LOGLUX®-HDRC®Kamera in allen Kombinationen den Werkstoffübergang ebenfalls verzerrt abbildet. Die Verzerrungen sind zum Teil sehr stark und weisen zudem extreme Streuungen auf. Bild 7.69 demonstriert dies an dem Diagramm der Versuchsserie „Modus 3 – 180° Drehung – 128x128 Bereichsgröße“. Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass die Kamera entsprechend den theoretischen Untersuchungen nicht zur Beobachtung des Werkstoffübergangs geeignet ist. In Tabelle 7.15 bis Tabelle 7.17 ist allerdings trotz der extremen mittleren Abweichungen und Standardabweichungen zu erkennen, dass • das bei einer Drehung der Kamera um 90° die Verzerrungen mit der Bereichsfläche abnehmen, • das bei einer Drehung der Kamera um 180° die Verzerrungen relativ unabhängig von der gewählten Bereichsfläche sind,

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

97

• das bei einer Drehung der Kamera um 180° die Verzerrungen am geringsten sind und • die "besten" Ergebnisse bei einer Drehung der Kamera um 180° im Modus 3 erreicht wurden.

Bild 7.68: Aufnahmen, in denen die Abweichungen der Tropfenhöhe nicht bestimmt werden konnten (Kombination der Beispiele: Modus 0, 0 Grad Drehung, 128x128 Bereichsgröße)

Bild 7.69: Mittlere Abweichungen der Tropfenhöhen der CCD- und HDRC®-Aufnahmen HDRC

CCD

Bild 7.70: Beispiele der Verzerrungen aus der Versuchsreihe „Modus 3 – 180° Drehung – 128x128 Bereichsgröße“

Zur Demonstration der Verzerrungen sind in Bild 7.70 bis Bild 7.72 einige Beispiele der Versuchsreihen mit der Kameradrehung um 180° dargestellt. Die Beispiele zeigen die Vielfalt der möglichen Verzerrungen in Form von Streckungen und Stauchungen. Ursache für die Verzerrungen sind neben den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen des Tropfens mit hoher Wahrscheinlichkeit auch seine Verformungen während des Fluges. Wie stark sich der Tropfen während des Fluges verformt, ist an den Aufnahmen in Bild 7.73 und den berechneten Tropfenhöhen in Tabelle 7.18 zu erkennen. Die Aufnahmen zeigen unterschiedliche Phasen des Tropfenfluges eines Werkstoffübergangs und wurden mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit

98

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

einer Shutterzeit von 10 µs aufgenommen. Aufgrund der Shutterzeit weisen die Aufnahmen keine Verzerrungen auf. Zusätzlich wurden die Messungen durch zwei weitere Fehlerquellen beeinflusst. Zum einen wurden die Tropfenhöhen manuell ermittelt und zum anderen resultieren Fehler aus den unterschiedlichen Bauhöhen der Sensorelemente und den Abbildungsmaßstäben. Die Größenordnungen dieser Abweichungen sind allerdings in Bezug auf die Verzerrungen so gering, dass sie vernachlässigt werden können. HDRC

CCD

Bild 7.71: Beispiele der Verzerrungen aus der Versuchsreihe „Modus 3 – 180° Drehung – 192x192 Bereichsgröße“ HDRC

CCD

Bild 7.72: Beispiele der Verzerrungen aus der Versuchsreihe „Modus 3 – 180° Drehung – 256x256 Bereichsgröße“ Tabelle 7.18: Abweichungen der Tropfenhöhe zwischen den Aufnahmen aus Bild 7.73 in Pixel und Prozent Aufnahme

1

2

3

4

1

---

4 Pixel

9 Pixel

14 Pixel

2

9.3 %

---

5 Pixel

10 Pixel

3

21.9 %

10.6 %

---

5 Pixel

4

32.6 %

21.3 %

9.6 %

---

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

99

43 Pixel

47 Pixel

52 Pixel

57 Pixel

Bild 7.73: Veränderung der Tropfenform während des Fluges (Bilder aus Sequenz [Wein01c])

7.3.2.2.4 Bewertung Die Ergebnisse der LOGLUX®-HDRC®-Kamera zeigen, dass eine Kamera die auf „klassischer“ hoch dynamischer CMOS-Technologie basiert, nicht für die Beobachtung des Werkstoffübergangs geeignet sind. Grundlage der Feststellung ist allerdings „nur“ die fehlerhafte Abbildung des Tropfens aufgrund des Pixelshutters. Mit einem globalen Shutter und ausreichend kurzer Shutterzeit wäre die Kamera aufgrund der hohen Dynamik für die Beobachtung des Werkstoffübergangs mehr als geeignet. Die Dynamik der Kamera ermöglicht die Beobachtung aller Einzelheiten des Werkstoffübergangs, wie Tropfen, Spritzer und Lichtbogenströmung ohne zusätzliche Beleuchtung. Die Konturen der Objekte sind zwar nicht so ausgeprägt wie bei den Aufnahmen der CCD-Kamera, doch für eine Beobachtung und Auswertung (siehe Kapitel 8) ausreichend. Im Gegensatz zu der CCD-Kamera mit der Gegenlichtbeleuchtung können damit alle Schweißsituationen beobachtet werden. Ein weiterer Vorteil der Kamera ist die hohe Auslesefrequenz (Aufnahmefrequenz) von bis zu 240 Hz bei einem Ausschnittsbereich von 256x256 Pixel bei gleichzeitigem Zugriff auf die Aufnahmen.

7.3.3 CMOS-Kamera: Falldorf-FUGA1000 Die Falldorf-FUGA1000-Kamera ist wie die LOGLUX®-HDRC®-Kamera eine „klassische“ hoch dynamische CMOS-Kamera und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Ausleseproblematik nicht für die Beobachtung des Werkstoffübergangs geeignet. Die Kamera wurde trotz dieser

100

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Einschätzung untersucht, um die Ergebnisse der LOGLUX®-HDRC®-Kamera in Bezug auf die Qualität der Abbildung (Dynamik, Kontrast, usw.) zu verifizieren. Entsprechend den vorherigen Kameras unterteilt sich die Untersuchung der Falldorf-FUGA1000Kamera in die Vorstellung der theoretischen Eigenschaften und einer praktischen Erprobung.

7.3.3.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen Die Falldorf-FUGA1000-Kamera [Fall01] beinhaltet den FUGA1000-Sensor [Fill01] und weist die klassischen vorgestellten Eigenschaften • rein logarithmische Kennlinie, • nicht integrierende Sensorelemente und • direkter Zugriff auf die Sensorelemente auf. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Spezifikationen stellt Tabelle 7.19 dar. Tabelle 7.19: Relevante Spezifikationen der Falldorf-FUGA1000-Kamera [Fall01], [Fill01] und [Fill02] Sensorgröße in Pixel

1024x1024

Pixelgröße

8 µm

Empfindlichkeit / digitale Auflösung

FUGA1000-Sensor: 10 Bit Monochrom; FalldorfFUGA1000 Kamera: 8 Bit Monochrom

Spektralbereich

400 – 1000 nm (siehe Bild 7.74 für Details)

Sensortyp bzw. Kennlinienform

nicht integrierend, logarithmisch

Dynamikbereich

> 120 dB

Shuttertyp

Zeilenshutter (Sample & Hold Funktion für eine Zeile)

Triggereingang

asynchron

Auswahl des Sensorteilbereiches

frei wählbar

Max. Sensorbereichsaufnahme Falldorf-FUGA1000-Kamera: Frequenzen (Hz) für bestimmte 1024x1024 = ca. 10 Hz AOIs (Pixel) 512x512 = ca. 43 Hz 256x256 = ca. 155 Hz FUGA1000-Sensor: 1024x1024 = 16 Hz 512x512 = ca. 64 Hz 256x256 = ca. 256 Hz

Der Dynamikbereich, der Spektralbereich und die verwendete Helligkeitsauflösung der Kamera entsprechen denen der LOGLUX®-HDRC®-Kamera und sind in Anlehnung an deren Untersuchung und Ergebnisse theoretisch geeignet für die Beobachtung des Werkstoffübergangs. Die Falldorf-FUGA1000-Kamera besitzt in Bezug zur LOGLUX®-HDRC®-Kamera eine größere Sensorfläche und zusätzlich einen Zeilenshutter anstatt eines Pixelshutters. Bezogen auf gleiche Teilbereichsgrößen ist die Auslesegeschwindigkeit der LOGLUX®-HDRC®Kamera höher als die der Falldorf-FUGA1000-Kamera, aber etwas kleiner als die des FUGA1000Sensors. Bei einem Teilbereich von 256x256 Pixel ermöglicht zum Beispiel der FUGA1000-Sensor eine Auslesefrequenz von 256 Hz, die Falldorf-FUGA1000-Kamera eine Frequenz von 155 Hz und die LOGLUX®-HDRC®-Kamera eine Frequenz von 240 Hz. Begründet ist der Unterschied zwischen der Falldorf-FUGA1000-Kamera und dem FUGA1000-Sensor dadurch, dass die FalldorfFUGA1000-Kamera ohne einen Framegrabber betrieben wird. Stattdessen besitzt die Kamera ein Standard-Netzwerkinterface, über das die Kamera parametrisiert und die Daten mit einer geringeren Geschwindigkeit vom Sensor ausgelesen werden. Aufgrund der möglichen Auslesegeschwindigkeiten ist die Falldorf-FUGA1000-Kamera in Anlehnung an die Ergebnisse der LOGLUX®-HDRC®-

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

101

Kamera für die Beoachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen nicht geeignet.

Bild 7.74: Spektrales Verhalten des FUGA1000-Sensors [Fill02]

7.3.3.2 Ausgangskennlinie Der FUGA1000-Sensor besitzt eine rein logarithmische Komprimierung des optischen Eingangssignals, dessen Kennlinie in Bild 7.75 dargestellt ist. Ähnlich wie bei der LOGLUX®-HDRC®Kamera kann die Kennlinie durch die Parameter Gain und Offset an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden. Allerdings ist in [Gonz02b] mit der Falldorf-FUGA1000-Kamera herausgefunden worden, dass für Bedingungen, die ähnlich extrem wie die Vorliegenden waren, geeignete Aufnahmen nur mit einer von zwei möglichen Gain-Einstellungen (Falldorf-FUGA1000-Kamera: 2 Gain-Einstellungen, FUGA1000-Sensor: 4 Gain-Einstellungen) erzielt werden konnten.

Bild 7.75: Ausgangsspannung als Funktion der Lichtintensität [Fill02]

7.3.3.3 Auslesen des Sensors Die Kamera stellt entsprechend dem klassischen CMOS-Prinzip die Möglichkeit zur Verfügung, sowohl den gesamten Sensor als auch Sensorteilbereiche auszulesen. Im Folgenden wird der kameraspezifische Modus vorgestellt und im Anschluss die möglichen Auswirkungen in Bezug auf die Beobachtung des sich bewegenden Werkstoffübergangs theoretisch untersucht.

Kameraspezifische Auslesemodi Der FUGA1000-Sensor besteht im Gegensatz zum LOGLUX®-HDRC®-Kamerasensor nur aus einem Sensorchip und ermöglicht das Auslesen eines rechteckigen Teilbereiches, der frei in der Größe (Breite und Höhe) und in der Position gewählt ist. Das Auslesen des kompletten Sensors bzw. der Sensorteilbereiche wird zeilenweise von unten nach oben durchgeführt. Die Zeilen werden Pixel für Pixel ausgelesen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Sensor durch den Zeilenshutter („Sample & Hold“-Funktion) alle Pixel einer Zeile erst speichert und im Folgendem ausliest.

Bild 7.76: Auslesemodus und AOI der Falldorf-FUGA1000-Kamera

102

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

Entsprechend der Kameraspezifikationen sind die in Tabelle 7.20 aufgeführten Auslesefrequenzen und -zeiten für den gesamten Sensor und für einige ausgewählte Teilbereiche möglich. In der Tabelle wurden zusätzlich die vom FUGA1000-Sensor möglichen Zeiten und Frequenzen aufgeführt. Tabelle 7.20: Frequenzen und Zeiten für das Auslesen des gesamten Sensors und einiger ausgewählter Sensorteilbereiche Falldorf-FUGA1000-Kamera AOI-Größe

FUGA1000-Sensor

Auslesefrequenz in Hz Auslesezeit in ms Auslesefrequenz in Hz Auslesezeit in ms

1024 x 1024

ca. 10

ca. 100

16

ca. 62,5

512 x 512

42,8

23,3

ca. 64

ca. 15,6

256 x 256

155.0

6,45

ca. 256

ca. 3,9

Untersuchung der Auswirkungen des Auslesevorgangs auf die Abbildung des Tropfens Die Untersuchung der Auswirkungen des Auslesevorganges auf die Abbildung des Werkstoffübergangstropfens ist identisch zu der Untersuchung bei der LOGLUX®-HDRC®-Kamera. D. h., es wird überprüft, ob die Zeit für das Auslesen des gesamten Sensors bzw. für die gewählten Teilbereiche kleiner ist als die Zeit, die der Tropfen mit der konstanten Geschwindigkeit für die Zurücklegung einer Strecke benötigt, die einer Pixelzeile auf dem Sensor entspricht. Unterschiede zwischen den Untersuchungen ergeben sich durch die zugrunde liegenden Parameter, d. h. der Pixelbauhöhe und dem Abbildungsmaßstab, sowie der daraus resultierenden unterschiedlichen Strecke. Für eine geeignete Beobachtung in Bezug auf den gesamten Sensor und verschiedene Teilbereiche wurde in der Praxis ein Abbildungsmaßstab von ungefähr 0.03 ermittelt, der in Bezug auf die Extrembetrachtung der Tropfenfluggeschwindigkeit zusätzlich auf den Bereich 0.025 bis 0.035 erweitert wurde. Die aus diesen Parameterkombinationen und der Gleichung ( 7.22 ) resultierenden maximal zulässigen Auslesezeiten für den gesamten Sensor und für die ausgewählten Sensorteilbereiche stellt Tabelle 7.21 dar. Tabelle 7.21: Maximal zulässige Auslesezeiten TAuslese-Sensor(teilbereich) (in Tabelle grau markiert) nach der Gleichung ( 7.22 ) für verschiedene Abbildungsmaßstäbe M, resultierende Tropfenflugstrecken in der realen Szene SW,Auslese-Sensor(teilbereich), konstante Tropfenfluggeschwindigkeiten vT und einer Pixelbauhöhe von 8 µm vT M

SW,Auslese-Sensor(teilbereich)

0,2 m/s

0,5 m/s

1,0 m/s

1,5 m/s

2,0 m/s

0,025

320 µm

1,60 ms 0,64 ms 0,32 ms 0,21 ms 0,16 ms

0,030

266 µm

1,33 ms 0,53 ms 0,26 ms 0,17 ms 0,13 ms

0,035

228 µm

1,14 ms 0,45 ms 0,22 ms 0,15 ms 0,11 ms

Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass für die angenommenen Rahmenbedingungen und für die Parameterkombinationen aus dem Tropfenfluggeschwindigkeitsbereich und dem systemabhängigen praxisnahen Abbildungsmaßstabsbereich eine verzerrungsfreie Abbildung des Werkstoffübergangstropfens nicht möglich ist. Die Auslesezeiten für den gesamten Sensor und für die gewählten Sensorteilbereiche sind wesentlich höher als die maximal zulässigen Zeiten. Für den kleinsten ausgewählten Sensorteilbereich von 256x256 Pixel, einem Maßstab von 0.03 und einer Fluggeschwindigkeit von 1 m/s wird zum Beispiel für das Auslesen des Teilbereiches mit der Falldorf-FUGA1000Kamera eine Zeit von 6,45 ms benötigt, die weit über der maximal zulässigen Zeit von 0,26 ms liegt. Die Zeit des FUGA1000-Sensors liegt für den gleichen Teilbereich mit 3,9 ms unter der Zeit der Kamera, aber immer noch weitaus über der maximal zulässigen Zeit. Eine Betrachtung der Auslesezeiten für den Tropfenteilbereich mit den zugrunde liegenden Rahmenbedingungen wurde aufgrund der eindeutigen Ergebnisse bei der Untersuchung der LOGLUX®-HDRC®-Kamera nicht durchgeführt.

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

103

7.3.3.4 Praktische Erprobung und Bewertung Zur Verifikation der theoretischen Ergebnisse wurde die Falldorf-FUGA1000-Kamera in Bezug auf die Beobachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen getestet. Der Systemaufbau, die Schweißwerkstoffe, usw. waren die gleichen, wie bei der LOGLUX®HDRC®-Kamera. Bild 7.77 stellt zur Demonstration der Leistungsfähigkeit der Falldorf-FUGA1000-Kamera eine typische Aufnahme des Werkstoffübergangs dar. Aus der Aufnahme ist ersichtlich, dass die Qualität in Bezug auf die Erkennung des Tropfens nicht an die Ergebnisse der LOGLUX®-HDRC®Kamera herankommt. Des Weiteren sind in der Aufnahme vermutlich die Auswirkungen der geringen Auslesegeschwindigkeit zu erkennen. Zum einen wirkt der Tropfen aufgrund der Richtung der Zeilenauslesung (von unten nach oben) gestaucht, und zum anderen weist der Lichtbogen eine nicht typische Form auf. Aufgrund der Strömung des Gases müsste der Lichtbogen eine Glockenform aufweisen. In der Aufnahme weist der Lichtbogen allerdings am linken unteren Ende eine starke „Kerbe“ auf, die höchstwahrscheinlich nicht in der realen Szene vorhanden war. Basierend auf den Auslesegeschwindigkeiten und der Qualität der Aufnahmen in Bezug auf die subjektive Erkennbarkeit der Tropfen, ist die Falldorf-FUGA1000-Kamera und auch der FUGA1000-Sensor zur Beobachtung des Werkstoffübergangs beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen nicht geeignet.

Bild 7.77: Typische Aufnahme der Falldorf-FUGA1000-Kamera vom Werkstoffübergang

7.3.4 CMOS-Kamera: Photonfocus MV-D1024k Die Vorstellung der Photonfocus MV-1024k-Kameraserie gliedert sich in die Bereiche der allgemeinen Eigenschaften und Spezifikationen, der Sensorarchitektur, der möglichen Auswirkungen des verwendeten Shutters, der praktischen Erprobung und einer abschließenden Bewertung bezüglich der Eignung für den vorliegenden Anwendungsfall.

7.3.4.1 Allgemeine Eigenschaften und Spezifikationen Die Photonfocus MV-1024k Kameraserie besteht aus mehreren Modellen, die sich anhand einiger Ausstattungseigenschaften unterscheiden. Die für die vorliegende Arbeit relevante Eigenschaft ist die maximale Auslesefrequenz. Untersucht und getestet wurde die MV-D1024k-28-LV-8 Kamera, die bei der vollen Auflösung eine maximale Auslesefrequenz von 28 Bildern pro Sekunde ermöglicht. Die schnellste Kamera der Serie, die MV-D1024k-160-Kamera, ermöglicht eine Frequenz von 160 Bildern pro Sekunde. Für die vorliegende Untersuchung in Bezug auf die Eignung der Kameraserie hat dieser Unterschied keinen Einfluss. Die für diese Arbeit relevanten Parameter der MVD1024k-28-LV-8-Kamera, und sofern von Interesse, die der MV-D1024k-160-Kamera, sind in Tabelle 7.22 dargestellt. Das Prinzip der Photonfocus MV-1024k-Kameraserie entspricht nicht dem klassischen Prinzip der hoch dynamischen CMOS-Kameras, das zum Beispiel in der LOGLUX®-HDRC®-Kamera angewendet wurde. Das als LINLOGTM-Verfahren bezeichnete Prinzip der Kameraserie ermöglicht die beliebige Kombination einer linearen und einer logarithmischen Kennlinie anstatt der klassischen rein logarithmischen Kennlinie. Das Verfahren erreicht nach den Spezifikationen eine Dynamik von mehr als 120 dB. Entsprechend den Kennwerten und Ergebnissen der vorherigen Kameras

104

7 Untersuchung von Kameratechnologien in Bezug auf die Beobachtung des MSG-Werkstoffübergangs

(LOGLUX®-HDRC®-Kamera und FUGA1000-Kamera) ist diese Dynamik für die Beobachtung des Werkstoffübergangs ausreichend bzw. geeignet. Eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens sowie eine Verifikation der Dynamik anhand einer Erprobung der Kamera, wird in den folgenden Abschnitten vorgestellt bzw. demonstriert. Tabelle 7.22: Relevante Daten der MV-D1024k-28-LV-8 Kamera [Phot02b] [Phot02c] Sensorgröße Pixel

1024 x 1024

Pixelgröße

10,6 µm quadratisch

Spektralbereich

400 – 1000 nm (siehe Bild 7.78)

Kennlinie

linear und LINLOGTM

Dynamikbereich im linearem Modus im LinLogTM Modus

> 48 dB > 120 dB

Empfindlichkeit / digitale Auflösung

8 Bit

Shuttertyp

Globaler Shutter

Belichtungszeit

35 ns – 500 ms (in 35 ns Schritten)

Max. Sensorbereichsaufnahmefrequenzen (Hz) für bestimmte AOIs (Pixel) 1024 x 1024 512 x 512 256 x 256

28 (MV-D1024k-160 = ca. 160) 100 (MV-D1024k-160 = ca. 600) 414 (MV-D1024k-160 = ca. 2300)

Des Weiteren besitzt die Kamera einen globalen Shutter anstatt eines Pixel- oder Zeilenshutters und ermöglicht in Abhängigkeit von den erreichbaren Belichtungszeiten theoretisch eine verzerrungsfreie Abbildung des Werkstoffübergangs. Eine detaillierte Untersuchung wird in Abschnitt 7.3.4.4 beschrieben. 80 70

Diode inkl. Füllfaktor

60 50 40 30 20 10 0 350

450

550

650

750

850

950

1050

Wellenlänge [nm]

Bild 7.78: Spektralbereich der Photonfocus MV-D1024k [Phot02c]

Mit einer Auslesegeschwindigkeit von 160 Bildern/Sekunde bei einer Auflösung von 1024x1024 Pixel und einer Auslesegeschwindigkeit von 600 Bildern/Sekunde bei einer Auflösung von 512x512 Pixel, ermöglicht die MV-D1024k-160-Kamera die Beobachtung aller Werkstoffübergänge auch bei sehr schnellen Tropfengeschwindigkeiten in einer ausreichenden Bildgröße. Damit ist die Kamera bei gleichen Teilbereichsgrößen (z. B. 256x256 Pixel) mehr als 9-mal so schnell wie die LOGLUX®-HDRC®-Kamera. Anhand der Spezifikationen und Bild 7.78 ist weiterhin zu erkennen, dass der Spektralbereich der Kameraserie in Anlehnung an die Bereiche der vorherigen Kameras (LOGLUX®-HDRC®-Kamera und FUGA1000-Kamera) für die Beobachtung des Werkstoffübergangs geeignet ist.

7.3 Hoch dynamische CMOS-Technologie

105

7.3.4.2 LINLOGTM-Verfahren Das LINLOGTM-Verfahren ermöglicht, bezogen auf den gesamten Sensor, eine rein lineare Kennlinie, eine rein logarithmische Kennlinie oder eine beliebige Kombination dieser beiden Kennlinien. Das Prinzip der Kombination der Kennlinien stellt Bild 7.79 dar. LinLogTM Einsatzpunkt (einstellbar)

Lineare Kennlinie LinLogTM Kennlinie

Logarithmische Kennlinie

Beleuchtungsstärke

Bild 7.79: Kennlinien der verschiedenen Kameramodi [Phot02b]

Ziel des Verfahrens ist die Anpassung der Kennlinie und der Dynamik an verschiedene Beleuchtungsintensitäten. Die lineare Kennlinie ist für die Verwendung von „normalen“ Beleuchtungsverhältnissen, die keinen hohen Kontrast erfordern, vorgesehen. Für die Beobachtung und Aufnahme von Szenen mit hohen Kontrasten ist die LINLOG™-Funktionalität vorgesehen. Bei dieser Funktionalität wird eine Kompression des oberen Grauwertbereiches durchgeführt. Die Aufnahme im unteren Intensitätsbereich erfolgt mit linearer Kennlinie. Hohe Intensitäten werden logarithmisch komprimiert. Der Übergang zwischen der linearen und der logarithmischen Kennlinie kann stufenlos eingestellt werden, wodurch theoretisch ein rein logarithmisches Verhalten erreicht werden kann. Das Verfahren stellt eine zeitunabhängige logarithmische Kompression des Bildinhaltes dar. lineare Empfindlichkeit resultierende Kompression

niedrige LinLog Kompression t > tLL hohe LinLog Kompression t < tLL

I

Bild 7.80: Kennlinien des LINLOG2™-Verfahren [Phot02d]

Neben der logarithmischen Komprimierung des LINLOG™-Verfahrens stellt die Kameraserie zusätzlich das LINLOG2™-Verfahren zur Verfügung. Das Verfahren ist für Helligkeitsverhältnisse vorgesehen, für die die lineare Kennlinie nicht ausreicht und die logarithmische Kompression des LINLOG™-Verfahrens zu groß ist. Bei dem Verfahren ist der Übergang zwischen dem linearen und dem logarithmischen Kennlinienbereich gemäßigter. Für diesen Zweck wurden zur Beeinflussung des Übergangs zusätzliche Parameter eingeführt. Zu Beginn der Belichtungszeit werden hohe Intensitäten mit dem so genannten oberen LinLog-Wert, d. h. stark logarithmisch, komprimiert. Nach Ablauf der LinLog2-Zeit tll wird der so genannte untere LinLog-Wert aktiviert und innerhalb der Integrationszeit t DB ≈ B ≈ ≈ ≈ 10 Pixel DB V 20 20

• Extremfall 2 „Drahtelektrode am Bildrand“: S S 2* S 'B 2*0.75* B 380 Pixel V = B => DB ≈ B ≈ ≈ ≈ ≈ 19 Pixel DB V V V 20

( 8.8 )

( 8.9 )

Durch den zweiten Extremfall ergibt sich, dass die Schutzgasdüse in Bezug auf die definierte minimale Drahtelektrodenbreite von 20 Bildpunkten größer als 75 Prozent der maximalen Bildbreite sein muss. Zur Detektion der Drahtelektrode werden in dem horizontalen Bereich ohne Schutzgasdüse bzw. gegebenenfalls in den folgenden Bereichen die Positionen, die Breiten und die Höhen aller Bereichsobjekte analysiert. Grundlage ist jeweils eine Segmentierung mit dem entwickelten Schwellwertverfahren und eine Merkmalsextraktion im zu untersuchendem Bereich. Bild 8.27 stellt einige mögliche Ausgangsszenen für die Analyse dar.

Bild 8.27: Auswahl von möglichen Ausgangsszenen für die Drahtdetektion in schematischer Darstellung

Die Detektion beginnt mit der Überprüfung, ob im aktuellen Bereich maximal zwei Objekte vorhanden sind,

8.2 Automatische Ermittlung des Abbildungsmaßstabes

131

• die den oberen und unteren Rand berühren und • die den linken und rechten Rand nicht berühren. Existieren mehr als zwei Objekte, wird die Analyse in den folgenden Bereichen solange wiederholt, bis nur noch maximal zwei Objekte die Bedingungen erfüllen. Die Suche nach zwei Objekten basiert auf der Rahmenbedingung, dass auf der Drahtelektrode Reflexionen auftreten können, die diese unter Umständen in zwei Objekte teilt. Die möglichen Kombinationen von zwei Objekten stellt Bild 8.28 schematisch dar. a.)

b.)

c.)

Bild 8.28: Mögliche Kombinationen bei zwei Objekten, die die Positions- und Höhenbedingungen erfüllen a.) Drahtelektrode repräsentiert durch zwei Objekte b.) und c.) Drahtelektrode und unbekanntes Objekt

Existiert in dem analysierten Bereich nur ein Objekt, dass die Bedingungen erfüllt, ist die Drahtelektrode detektiert. Erfüllen zwei Objekte die Bedingungen, wird überprüft, ob beide Objekte Bestandteil der Drahtelektrode sind, oder ob es sich um zwei „reale“ Objekte handelt. Zur Überprüfung werden der Abstand BA und die Gesamtbreite BG der Objekte verwendet, deren Definitionen in Bild 8.29 dargestellt sind.

Bild 8.29: Überprüfung der Zusammengehörigkeit von zwei Objekten

Ist der Abstand kleiner als 50 Prozent der Gesamtbreite, sind beide Objekte Bestandteil der Drahtelektrode und durch Reflexionen getrennt. Ist der Abstand größer als 50 Prozent, wird angenommen, dass es sich um zwei Objekte handelt. In diesem Fall kann mit den vorhandenen Rahmenbedingungen nicht festgestellt werden, welches die Drahtelektrode ist. Die Analyse wird, beginnend mit der Suche von maximal zwei Objekten pro Bereich, in den folgenden Bereichen solange wiederholt, bis die Drahtelektrode detektiert ist. Ist die Drahtelektrode detektiert, wird der Bereich für die Ermittlung des Drahtelektrodendurchmessers verkleinert. Gründe für die Verkleinerung sind • die Berücksichtigung von möglichen Fehlern bei der Vermessung der Drahtelektrodenbreite aufgrund von Störungen, • eine Optimierung der Rechenzeit der nachfolgenden Berechnungen und • eine verbesserte Ausgangslage für die Segmentierung auf der Basis eines Schwellwertes. Der Bereich wird in der Höhe um 50 Prozent und in der Breite auf das Fünffache der Drahtelektrodenbreite reduziert. Diese Werte sind durch eine Vielzahl von Versuchen als optimal ermittelt worden. Bild 8.30 stellt diesen Vorgang grafisch dar.

Bild 8.30: Teilbereichsdefinition für die Drahtelektrodenvermessung

132

8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen

8.2.2.4 Ermittlung des Drahtelektrodendurchmessers und Berechnung des Abbildungsmaßstabes Die Ausgangslage für die Vermessung des Drahtelektrodendurchmessers als Basis für die Berechnung des Abbildungsmaßstabes ist entsprechend der vorherigen Bereichsermittlung ein Binärbild mit einem Teil der Drahtelektrode. Bild 8.31 zeigt exemplarisch zwei reale Beispiele.

a.)

b.)

Bild 8.31: Reale Beispiele der Ausgangslage zur Ermittlung des Drahtelektrodendurchmessers

In den Bildern sind folgende Auffälligkeiten ersichtlich, die die Ermittlung des Abbildungsmaßstabes beeinflussen: • Die Bilder enthalten zum Teil Störungen (Bild 8.31a) • Der Verlauf der Drahtelektrodenkanten ist „ausgefranst“ (Bild 8.31a und Bild 8.31b). Dieser Zustand wird • durch reale Deformationen der Drahtelektrode,

Bild 8.32: Deformierte Drahtelektrode

• •

durch die diskrete und damit zum Teil „treppenartige“ Darstellung von Linien (Bild 8.31b) und/oder durch eine fehlerhafte Segmentierung hervorgerufen, in der irrtümlich Teile des Hintergrundes der Drahtelektrode zugefügt wurden, oder umgekehrt.

a.)

b. )

Bild 8.33: Veränderung des Drahtelektrodenkantenverlaufes aufgrund nicht optimaler Segmentierung in schematischer Darstellung a.) Schematisches Originalbild b.) Segmentierungsergebnis, bei dem Teile des Hintergrundes irrtümlich dem Objekt zuordnet wurden

• Das verwendete Verfahren der Merkmalsextraktion ermittelt die Breite eines Objektes mithilfe des kleinsten umschreibenden Rechteckes (siehe Anhang), das in der Regel nicht dem exakten Drahtelektrodendurchmesser entspricht.

Bild 8.34: Breite des kleinsten umschreibenden Rechteckes BUR und Drahtdurchmesser Ø

Der Drahtelektrodendurchmesser wird aus diesen Gründen zur Minimierung von eventuellen Fehlern auf der Basis der beiden Kantenverläufe über alle Zeilen des Bereiches berechnet und anschließend arithmetisch gemittelt, d. h.: 1 h 1 h φdmess = ∑ φdmess ,i = ∑ ( RKi − LK i ) ( 8.10 ) h i =1 h i =1

8.2 Automatische Ermittlung des Abbildungsmaßstabes

133

In der Beziehung sind: = Höhe des Bereiches in Bildpunkten • h • RKi = Bildpunktposition der rechten Kante in der i-ten Zeile • LKi = Bildpunktposition der linken Kante in der i-ten Zeile • φdmess ,i = Drahtelektrodendurchmesser der i-ten Zeile • φdmess = gemittelter Drahtelektrodendurchmesser über alle Zeilen Mit dem berechneten und dem bekannten realen Drahtelektrodendurchmesser ergibt sich der Abbildungsmaßstab aus: Mb =

1 φdmess = mb φdreal

( 8.11 )

Die für diese Berechnungen notwendigen Kantenverläufe der Drahtelektrode werden in zwei Schritten ermittelt. Im ersten Schritt werden in der ersten Zeile die Anfangspunkte für beide Kanten identifiziert. Die Identifizierung des linken Anfangspunktes kann wie folgt beschrieben werden: Beginnend von der rechten Kante des umschreibenden Rechteckes wird jeder Bildpunkt der ersten Zeile in Bezug auf das Zutreffen der folgenden Bedingungen untersucht: • Der Bildpunkt links vom untersuchten Bildpunkt ist kein Bestandteil der Drahtelektrode. • In der zweiten Zeile ist in Bezug auf den untersuchten Bildpunkt und bezogen auf dessen 8Nachbarschaft, mindestens ein Bildpunkt in den Positionen 6, 7 oder 8 vorhanden, der Bestandteil der Drahtelektrode ist.

Bild 8.35: 8-Nachbarschaft des Bildpunktes P

• In der dritten Zeile existiert bezogen auf den Bildpunkt der zweiten Zeile, der als Kantenpunkt identifiziert wurde, mindestens ein zur Drahtelektrode gehörender Bildpunkt in den Positionen 6,7 oder 8. Der linke Kantenanfangspunkt ist der Bildpunkt, der alle Bedingungen erfüllt und sich am weitesten links befindet. Bildpunkte, die sich jeweils rechts neben dem aktuell untersuchten Bildpunkt befinden, brauchen aufgrund von möglichen Reflexionen nicht unbedingt zur Drahtelektrode gehören. Bild 8.36 stellt die Bedingungen mit den daraus ergebenden Möglichkeiten grafisch dar. Der rechte Anfangspunkt wird nach dem gleichen Muster mit einer horizontalen Spiegelung identifiziert und hier nicht explizit beschrieben. Im zweiten Schritt zur Ermittlung der Kantenverläufe wird beginnend bei den identifizierten Anfangspunkten, jeweils der folgende Kantenpunkt der nächsten Zeile durch die Untersuchung der 8Nachbarschaftspositionen ermittelt. Entsprechend der Anfangspunktsuche werden wieder die Positionen 6, 7 und 8 in der folgenden Zeile überprüft. Dieser Ablauf ist in Bild 8.37 grafisch dargestellt.

134

8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen

Bild 8.36: Prinzip der Methode zur Bestimmung des Anfangspunktes der linken Drahtkante

Bild 8.37: Prinzip der Suche des folgenden Kantenbildpunktes

8.2.3 Zusammenfassung, Beispiele, Beurteilung und Fazit In den letzten Abschnitten wurde ein Verfahren zur automatischen Ermittlung des Abbildungsmaßstabes vorgestellt. Das Verfahren verwendet unter anderem den bekannten Drahtdurchmesser in der realen Szene, eine bereichsorientierte Analyse und ermittelt den Drahtelektrodendurchmesser im Bild über eine Vielzahl von Zeilen. Die Leistungsfähigkeit des Verfahrens wird an den drei Beispielen in Tabelle 8.3 demonstriert. Wie die Beispiele zeigen, erfüllt das Verfahren alle geforderten Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel variierende Beleuchtungseinflüsse, Systemaufbauten und Reflexionen. Die Vermessung der Drahtelektrode erfolgt in der Regel im ersten horizontalen Bereich, in dem keine Schutzgasdüse vorhanden ist. Einige zugrunde liegende Parameter sind in der Praxis ermittelt worden.

8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen

135

Als Basis für die Ermittlung wurde zudem ein für die aufgabenspezifischen Aufnahmen der CCDund HDRC®-Kameras angepasstes Verfahren zur automatischen Ermittlung einer optimalen Schwelle für die bereichsorientierten Segmentierungen vorgestellt. Tabelle 8.3: Beispiele zur automatischen Abbildungsmaßstabsbestimmung Originalbild (Drahtelektrodendurchmesser, Ø = 1.2 mm)

Drahtvermessungsbereich (vergrößert) inklusive berechnetem Schwellwert s

Drahtvermessungsbereich in Binärbilddarstellung (vergrößert), ermittelte Maßstabszahl mb und Drahtdurchmesser Ø

s = 239

mb = 0,024513 [mm / Bildpunkt] Ø = 48.9538 [Bildpunkte]

s = 76

mb = 0,051467 [mm / Bildpunkt] Ø = 23.3158 [Bildpunkte]

s = 137

mb = 0,076279 [mm / Bildpunkt] Ø = 15.7317 [Bildpunkte]

8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen Im Folgenden werden nach einer Erläuterung der Ziele, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen neu entwickelte Verfahren zur automatischen Analyse des Werkstoffübergangs vorgestellt.

8.3.1 Ziele, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Entsprechend Kapitel 4, 5 und 8.1 ist das Ziel der visuellen Analyse des Werkstoffübergangs die Ermittlung von in der Schweißtechnik bekannten visuellen Prozesskenngrößen, wie • Werkstoffübergangsart (feinsttropfig, feintropfig, grobtropfig, spritzerfrei, usw.),

136

8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen

• geometrischen Abmessungen (Durchmesser, Volumen, Oberfläche, usw.) und • Tropfenform (rundlich, explodierend, usw.). Aus der Sicht der Bildverarbeitung bedeutet dieses Ziel die Entwicklung eines Verfahrens, mit dem die Werkstoffübergangstropfen und eventuell vorhandene Spritzer aus den Aufnahmen extrahiert, geometrisch vermessen und vordefinierten Werkstoffübergangsarten zugewiesen werden können. Bild 8.38 stellt dies schematisch dar.

Bild 8.38: Ziel der visuellen Analyse in schematischer Darstellung

Folgende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sind entsprechend den oben genannten Kapiteln dabei zu berücksichtigen: • Das Verfahren ist für die CCD- und HDRC®-Aufnahmen zu entwickeln. • Das Verfahren sollte verschiedene Werkstoffübergänge analysieren können, die sich aufgrund unterschiedlicher Schweißparametereinstellungen, unterschiedlicher Schweißzusätze, usw. ergeben. • Das Verfahren sollte alle Phasen des Tropfenfluges beobachten können und somit eine Unabhängigkeit von der Position des Tropfens aufweisen. • Das Verfahren sollte an mögliche Änderungen des Schweißprozesses und damit des Werkstoffübergangs anpassbar sein. • Das Verfahren sollte für eine in späteren Arbeiten anzustrebende Regelung des Schweißprozesses mithilfe visueller Prozesskenngrößen vollständig automatisch durchgeführt werden können. Beeinflusst durch die Vorgaben gliedern sich das Verfahren und die folgenden Abschnitte in die klassischen Bereiche Vorverarbeitung, Segmentierung, Merkmalsextraktion und Klassifikation (siehe Anhang für eine Einführung in die Bildverarbeitung). Durch die unterschiedlichen Eigenschaften der CCD- und HDRC®-Aufnahmen mussten für die einzelnen Verfahrensschritte zum Teil unterschiedliche Verfahren entwickelt werden. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Ziele, sind in den einzelnen Abschnitten der Verfahrensschritte beschrieben.

8.3.2 Bildvorverarbeitung Die allgemeinen Ziele der Bildvorverarbeitung sind eine Verbesserung der Bildqualität und eine Anpassung der Bilder an die gegebene Problemstellung. Die Bildvorverarbeitung ist die Grundlage für eine fehlerfreie Segmentierung, Vermessung und Klassifikation. Im vorliegenden Fall wird eine bereichsorientierte Segmentierung auf der Basis einer Grauwertschwelle angestrebt bzw. vorgegeben (siehe Kapitel 8.1). Für die Segmentierung müssen die Bilder so aufgebessert werden, dass die zu segmentierenden Werkstoffübergangstropfen homogene Grauwerte aufweisen und ein ausreichender Kontrast zwischen den Tropfen und dem Hintergrund existiert. Die Ausgangslagen für die Bildvorverarbeitung der CCD- und HDRC®-Aufnahmen sind aufgrund der unterschiedlichen Aufnahmebedingungen und Sensoreigenschaften verschieden. Aus diesen Grund wurden für die CCD- und HDRC®-Aufnahmen unterschiedliche Verfahren entwickelt.

8.3.2.1 HDRC®-Kameraaufnahmen Die aufgabenspezifische Umsetzung der Bildvorverarbeitung für die HDRC®-Aufnahmen wird im Folgenden vorgestellt. Im Einzelnen wird nach einer Erläuterung der Ausgangslage, der Rahmenbedingungen und des sich daraus ergebenen spezifischen Ziels ein neu entwickeltes Verfahren beschrieben und dessen Leistungsfähigkeit an Beispielen demonstriert.

8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen

8.3.2.1.1

137

Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ziel

Die mit der HDRC®-Kamera aufgenommenen Werkstoffübergangsbilder weisen bedingt durch die extremen Helligkeitsbedingungen, der „fehlenden“ Beleuchtung und den Sensoreigenschaften einen „fließenden“ Grauwertverlauf auf. Die Bildobjekte, wie beispielsweise Tropfen und Lichtbogen, unterscheiden sich in bestimmten Bildbereichen nur durch wenige Graustufen. Bild 8.39a stellt diesen Sachverhalt anhand einer HDRC®-Aufnahme eines Werkstoffübergangs dar. Zur Verdeutlichung ist der Tropfen markiert und im Bild zusätzlich ein Grauwertprofil entlang einer horizontalen Linie eingezeichnet. Für eine fehlerfreie Segmentierung ist in den Bildbereichen mit kleinen Grauwertunterschieden eine Kontrastverstärkung erforderlich. In Bereichen mit ausreichenden Grauwertunterschieden kann eine Kontrastverstärkung dagegen zu einer Verschlechterung der Qualität, z. B. durch Überschreitung des Wertebereiches der Grauwertbilder, und somit zu einer fehlerhaften Segmentierung, Vermessung und Klassifikation führen. Zudem werden durch eine „konventionelle“ Kontrastverstärkung, z. B. mit einem Hochpassfilter, Störungen hervorgehoben. In Bild 8.39b sind an einem Beispiel exemplarisch zwei weitere Schwierigkeiten für eine fehlerfreie Segmentierung dargestellt. Bedingt durch eine örtlich variierende Beleuchtung der Schweißszene durch den Lichtbogen und eine örtlich inhomogene Sensorempfindlichkeit entsprechen die Bildintensitäten nicht vollständig den korrespondierenden Intensitäten in der Szene. Die Folge sind unter anderem überbelichtete Bereiche und inhomogene Grauwerte in relevanten Bildbereichen, wie z. B. beim Tropfen. Grauwert

x

Bild 8.39: Ausgangslage für die Bildvorverarbeitung a.) Werkstoffübergangsbild mit eingezeichnetem Grauwertprofil entlang einer horizontalen Linie zur Verdeutlichung der geringen Grauwertunterschiede b.) Ungleichmäßig ausgeleuchtete Szene und inhomogener Grauwertbereich des Tropfens

Ziel der Vorverarbeitung ist somit ein Verfahren, das • die kontrastreichen und kontrastarmen Bildbereiche „erkennt“, • die zu verbessernden kontrastarmen Bereiche verstärkt, • die zu erhaltenen kontrastreichen Bildbereiche nicht verändert und • gleichzeitig homogene Grauwertbereiche (für relevante Bildobjekte) erzeugt. Die Ziele der aufgabenspezifischen Bildvorverarbeitung sind aufgrund der dargestellten Probleme mit „Standardverfahren“ nicht erreichbar. Zur Lösung wurde ein Verfahren entwickelt, das aus zwei aufeinander folgenden Verarbeitungsschritten besteht. Der erste Schritt ermöglicht eine an die Grauwertunterschiede angepasste Kontrastverstärkung bei gleichzeitiger Erzeugung von homogenen Grauwertbereichen. Der zweite Schritt egalisiert die Auswirkungen von inhomogenen Beleuchtungsbedingungen und Sensoreigenschaften.

8.3.2.1.2

Adaptive Kontrastverstärkung

Für die adaptive Kontrastverstärkung in Verbindung mit einer gleichzeitigen „Verschmelzung“ von Bildbereichen zu homogenen Grauwertbereichen wurde ein Verfahren entwickelt, das auf dem „Contrast Enhancement Using the Laplacian-of-a-Gaussian-Filter“-Verfahren von Neycenssac [Neyc93] basiert und für die vorliegende Problemstellung erweitert wurde. Die Beschreibung des entwickelten Verfahrens ist in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt werden Verfahren beschrieben, die im Verfahren von [Neyc93] und in der Erweiterung verwendet werden. Im folgenden Abschnitt wird das in [Neyc93] vorgestellte Verfahren zur Kontrastverstär-

138

8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen

kung beschrieben. Im letzten Abschnitt wird das erweiterte Verfahren vorgestellt und dessen Leistungsfähigkeit an Beispielen demonstriert.

8.3.2.1.2.1 Integrierte Verfahren Das Verfahren von [Neyc93] verwendet den „Laplacian-of-Gaussian-Operator“, der zusätzlich den „Laplacian-Operator“ und den „Gauß-Tiefpass“ beinhaltet. Die in dieser Arbeit vorgestellte Verfahrenserweiterung verwendet zusätzlich noch einen „Standard“-Tiefpass und den Sobel-Operator.

Tiefpass Lineare Tiefpassfilter glätten das Bild durch eine Verminderung der hochfrequenten Bildinhalte, z. B. Kanten oder andere feine Bilddetails. Der niedrigfrequente Bildinhalt, d. h. Bereiche mit relativ konstanten Grauwerten, bleibt bei der Filterung erhalten. Der Grad der Glättung wird durch die Größe des Operatorfensters und dessen Koeffizienten bestimmt. Für die Parametrisierung des Tiefpassfilters, d. h. der Festlegung der Größe und der Koeffizienten, existieren in der Literatur eine Vielzahl von Vorschlägen bzw. Empfehlungen. Ein typisches „Standard“-Operatorfenster, das beispielsweise in [Lind91] beschrieben ist, zeigt Bild 8.40. 1 1 1

9 9 9

1 1 1

9 9 9

1 1 1

9 9 9

Bild 8.40: 3x3-Tiefpass-Operatorfenster [Lind91]

Dieses Operatorfenster entspricht einem klassischen Mittelwertfilter, wie in Gleichung ( 8.12 ) zu erkennen ist. 1 1 1 g ( x, y ) = f ( x − 1, y − 1) + f ( x − 1, y ) + f ( x − 1, y + 1) + 9 9 9 1 1 1 f ( x, y − 1) + f ( x, y ) + f ( x, y + 1) + ( 8.12 ) 9 9 9 1 1 1 f ( x + 1, y + 1) + f ( x + 1, y ) + f ( x + 1, y + 1) 9 9 9

Gauß-Tiefpass Der Gauß-Tiefpass ist ein in der Praxis häufig verwendetes Filter zur Bildglättung. Mit der Standardabweichung σ ist der Gauß-Tiefpass zum Beispiel nach [Dema98] durch die Beziehung 1

h ( x, y , σ ) =



x2 + y 2

( 8.13 ) 2πσ definiert. Die kontinuierliche Funktion wird mit dem Diskretisierungsfaktor k für die orts- und wertdiskreten Bilder approximiert, der nach [Hara92] für ein M×M-Operatorfenster mit M=2h+1 durch k=

e

2

2σ 2

2πσ 2 x=h

y =h

∑ ∑e



x2 + y 2 2σ 2

( 8.14 )

x =− h y =− h

definiert ist. Mit dem Faktor wird der Gauß-Tiefpass durch die Beziehung h ( x, y , σ ) = k ⋅ e



x2 + y2 2σ 2

( 8.15 )

beschrieben.

Sobel-Operator Der Sobel-Operator ist ein klassisches Kantenfilter und basiert auf der Anwendung des lokalen Ableitungsoperators. Bild 8.41 stellt das Grundprinzip der Anwendung der Ableitungsoperatoren dar.

8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen

139

Die erste Ableitung besitzt an der linken Kante des Grauwertprofils ein Maximum und an der rechten Kante ein Minimum. Die zweite Ableitung besitzt an beiden Kanten einen Nulldurchgang. In Bereichen mit konstanten Grauwerten sind die erste und zweite Ableitung Null. Auf der Basis dieses Grundprinzips werden beide Ableitungen in unterschiedlichen Filtern zur Kantenbestimmung verwendet. a.) b.)

c.) Bild 8.41: Kantenextraktion mithilfe von Ableitungsoperatoren a.) Grauwertprofil b.) Erste Ableitung c.) Zweite Ableitung

Der Sobel-Operator ist ein Kantenfilter, das auf der ersten Ableitung basiert. Die Bestimmung der ersten Ableitung wird mithilfe des Gradienten-Operators durchgeführt, der für die Funktion f(x,y) an der Stelle (x,y) durch die Beziehung ⎡ ∂f ( x, y ) ⎤ ⎡ Gx ( x, y ) ⎤ ⎢ ∂x ⎥ ⎥ ∇ f ( x, y ) = ⎢ ( 8.16 ) ⎥=⎢ ⎣G y ( x, y ) ⎦ ⎢ ∂f ( x, y ) ⎥ ⎢⎣ ∂y ⎥⎦ definiert ist. Zur Detektion der Kante wird beim Sobel-Operator der Betrag des Gradientenvektors verwendet, der sich aus 2

2

⎛ ∂f ( x, y ) ⎞ ⎛ ∂f ( x, y ) ⎞ ( 8.17 ) ∇f ( x , y ) = G ( x, y ) + G ( x, y ) = ⎜ ⎟ ⎟ +⎜ ⎝ ∂x ⎠ ⎝ ∂y ⎠ berechnet. Dieser Betrag nimmt bei Stellen mit sich abrupt ändernden Grauwerten hohe Werte an. Zur Berechnung des diskreten approximierten Betrages existieren in der Literatur eine Vielzahl von Methoden. Für den „klassischen“ Sobel-Operator wird zum Beispiel nach [Gonz02a] der Betrag durch den Betrag der Richtungsdifferenzen in x- und y-Richtung angenähert. 1 ∇f ( x, y ) ≈ ( | Gx ( x, y ) | + | Gy ( x, y ) | ) ( 8.18 ) 2 Die aus dieser Beziehung resultierenden Sobel-Operatoren sind in Bild 8.42a dargestellt. Für eine exaktere Annäherung der Gradientenoperation werden in [Baes93] die in Bild 8.42b dargestellten Operatoren empfohlen. 2 x

2 y

-1

-2

-1

-1

0

1

0

0

0

-2

0

2

1

2

1

-1

0

1

-10 -10 0

10 10

10 17 20 17 10

-17 -17 0

17 17

10 17 20 17 10

-20 -20 0

20 20

0

-17 -17 0

17 17

-10 -17 -20 -17 -10

-10 -10 0

10 10

-10 -17 -20 -17 -10

0

0

0

0

a.) b.) Bild 8.42: Sobel-Operatoren in x-Richtung (jeweils links) und y-Richtung (jeweils rechts) [Baes93] a.) 3x3 b.) 5x5

Der Sobel-Operator weist neben der differenzierenden auch eine glättende Wirkung auf. Allerdings werden die Kanten verbreitert, wodurch feine Bildstrukturen verloren gehen können.

140

8 Automatische Ermittlung visueller Prozesskenngrößen

Laplace-Operator Der Laplace-Operator ist ebenfalls ein klassisches Kantenfilter und basiert auf der zweiten Ableitung. Definiert ist der Laplace-Operator für eine zweidimensionale Funktion f(x,y) durch die Summe der beiden partiellen zweiten Ableitungen nach x und y [Pratt91]. ∂ 2 f ( x, y ) ∂ 2 f ( x , y ) + ( 8.19 ) ∂x 2 ∂y 2 Für den diskreten Fall wird der Operator zum Beispiel nach [Gonz02a] durch das in Bild 8.43 dargestellte Operatorfenster approximiert. Δf ( x, y ) = ∇ 2 f ( x, y ) =

0

1

0

1

-4

1

0

1

0

Bild 8.43: Laplace-Operator [Gonz02a]

Der Laplace-Operator detektiert nach [Jähn95] aufgrund seiner Rotationsinvariantheit Kanten in alle Richtungen, hebt strukturreiche Bereiche hervor und unterdrückt weniger strukturreiche Bereiche, indem konstante Grauwertbereiche und Grauwertsteigungen entfernt werden.

Laplacian-of-Gaussian-Operator Der Laplacian-of-Gaussian-Operator (LoG) nach [Marr80] ist ein Kantenfilter, das den LaplaceOperator mit dem Gauß-Tiefpass kombiniert. Ziel der Kombination ist die Verhinderung der Erzeugung von „unechten“ Kanten mithilfe einer Glättung des Bildes vor der Kantendetektion. Die Auswahl des Gauß-Tiefpasses wurde von [Baba86] und [Yuil86] untersucht und als optimal bestätigt. Mathematisch ist der LoG- bzw. ∇2G-Operator wie folgt definiert: − ⎛ ∂2 ∂2 ⎞ 1 LoG ( x, y, σ ) = ∇ h( x, y, σ ) = ⎜ 2 + 2 ⎟ e 2 ⎝ ∂x ∂y ⎠ 2πσ 2

x2 + y 2 2σ 2

. ( 8.20 ) x2 + y 2 1 ⎛ x 2 + y 2 ⎞ − 2σ 2 = − 4 ⎜1 − ⎟e 2σ 2 ⎠ πσ ⎝ Die Beziehung ergibt sich aus der Glättung des Bildes f(x,y) mithilfe des Gauß-Tiefpasses h(x,y,σ) und der Anwendung des Laplace-Operators auf das umgeformte Glättungsergebnis g’(x,y). Die beiden Schritte lassen sich einzeln als g '( x, y ) = h( x, y, σ ) * f ( x, y ) ( 8.21 ) und g ( x, y ) = ∇ 2 [ g '( x, y ) ] = ∇ 2 [ h( x, y , σ ) * f ( x, y ) ] ( 8.22 ) beschreiben. Die Anwendung des LoG-Filters auf digitale Bilder erfordert eine Diskretisierung der Beziehung ( 8.20 ). Die Diskretisierung basiert auf dem Faktor k, der die Ähnlichkeit des diskreten und des kontinuierlichen Filters beschreibt, und der von der Standardabweichung σ und der Größe des Operatorfensters M abhängig ist. Definiert ist der Faktor u. a. nach [Hara92] durch die Beziehung A k =σ2 ( 8.23 ) B mit A=

x=h

∑e



x2 2σ 2

,

( 8.24 )

x =− h

B=

x=h

∑xe

x =− h

2



x2 2σ 2

( 8.25 )

8.3 Automatische Ermittlung der visuellen Kenngrößen beim MSG-Schweißen mit Impulslichtbogen

141

und ( 8.26 )

M = 2h + 1. Mit dem Faktor k wird der diskrete LoG-Operator durch

x +y ⎡ 1 ⎛ x 2 + y 2 ⎞ − 2σ 2 ⎤ LoG ( x, y, σ ) = C ⎢ − 4 ⎜ 1 − k e ⎥ ( 8.27 ) ⎟ 2σ 2 ⎠ ⎢⎣ πσ ⎝ ⎥⎦ beschrieben. Die zusätzlich eingeführte Konstante C ergibt sich nach [Hara 92] aus der Bedingung 2

2

LoG ( h , h , σ ) = 0 .

( 8.28 )

Die Verwendung des diskreten LoG-Operators erfordert die Festlegung und Berechnung der Parameter M, σ und C. Nach [Neyc93] muss für eine exakte Kantendetektion die Bedingung ( 8.29 ) M ≥ 8σ+1, erfüllt sein, aus der ( 8.30 ) k < 1,001 folgt. Basierend auf diesen Bedingungen, kann der Ablauf der Parameterbestimmung durch fünf Schritte beschrieben werden: • Festlegung der Filtergröße M. • Festlegung der Standardabweichung σ. • Berechnung des Faktors k und gegebenenfalls Anpassung der Filtergröße M und/oder der Standardabweichung σ bis der Faktor die Bedingung k

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